Jrdiſches
Vergnuͤgen
in
GOTT.
Vierter Theil.
Einleitung.
Wenn iemand irgendswo in einer Hoͤhle,
Allwo deſſelben Sinn und Seele
Von aller Creatur und allem Vorwurff leer,
Jn ſteter Daͤmmerung erzogen waͤr;
Und traͤt’ auf einmahl in die Welt,
Zumahl zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Und ſaͤhe dann der Sonnen Herrlichkeit,
Und ſaͤh’ ein gruͤn bebluͤhmtes Feld,
Und ſaͤhe dick bebuͤſchte Huͤgel,
Und ſaͤhe reiner Baͤche Spiegel,
Durch einen Schatten-reichen Wald,
Mit ſeiner ſich drin ſpiegelnden Geſtalt,
Umkraͤntzt mit glatten Binſen, flieſſen,
Und ſaͤhe Fluͤſſe ſich ergieſſen,
Auch ihrer Buͤrger ſchuppicht Heer;
Und ſaͤh’ ein unuͤmſchraͤncktes Meer,
Und ſaͤhe bunte Gaͤrten prangen,
Auch, wann die Sonn’ erſt untergangen,
Der Abend-Roͤthe guͤldne Pracht;
Und ſaͤh’ in einer heitern Nacht
Den Wunder-ſchoͤnen Sternen-Himmel;
A 2Zu
Einleitung.
Zuſammt dem Silber-reinen Glantz
Der Schatten-Sonne, wann ſie gantz;
Und hoͤrt’ ein zwitſcherndes Getuͤmmel
Der Singe-Voͤgel, und den Schall
Der angenehmen Nachtigall,
Jn Luſt- und Schatten-reichen Buͤſchen,
Sich mit dem ſanften Rauſchen miſchen,
Und hoͤrt’, auf rauh- und glatten Kieſeln,
Geſchwinde Baͤche murmelnd rieſeln;
Und ſchmeckte tauſend ſuͤſſe Fruͤchte,
Und ſchmeckte vielerley Gerichte,
Die Waſſer, Lufft und Erde geben;
Und ſchmeckte, voller Geiſt und Krafft,
Den ſaͤurlich-ſuͤſſen Tranck und Safft
Der lieblichen Tockayer-Reben;
Und roͤche Bluhmen mancher Arten,
Jn Feldern, Waͤldern und im Garten;
Und roͤch’ auf Bergen und im Thal
Geſunde Kraͤuter ohne Zahl;
Und roͤche balſamirte Duͤffte;
Und fuͤhlte ſanfte laue Luͤffte,
Und fuͤhlte Wunder-ſuͤſſe Triebe
Von einer zugelaßnen Liebe;
Und fuͤhlte mit vergnuͤgter Bruſt,
Des ſuͤſſen Schlaffes ſanfte Luſt;
Und fuͤhlte, wann der Schlaff vorbey,
Daß er dadurch geſtaͤrcket ſey,
Um alles, was ſo Wunder-ſchoͤn,
Aufs neue wiederum zu ſehn.
Auf
Einleitung.
Auf welche ſonderbare Weiſe
Wuͤrd’ er ſich nicht darob ergetzen!
Wuͤrd’ er ſich nicht halb ſelig ſchaͤtzen?
Er bliebe gantz gewiß dabey,
Daß er, aufs mindſt’ im Paradeiſe,
Wo nicht ſchon gar im Himmel ſey.
Und wir, die alle dieſe Gaben
Unſtreitig uͤm und an uns haben,
Empfindens minder als ein Stein;
Ja machen uns, an deren Stelle,
Das Paradeis faſt ſelbſt zur Hoͤlle.
Was mag daran wol Urſach ſeyn?
A 3Be-
Die Bewegung der Sternen.
Die Bewegung der Sternen.
Sit Pietas aliis miracula tanta ſilere,
Aſt ego Coelicolis gratum reor, ire per omnes
Hoc opus, & ſacras populis noteſcere leges.
Lucan:
Jndem ich juͤngſt, zur Abend-Zeit im dunckeln
Der flammenden Geſtirn’ ergetzlich helles funckeln,
Womit das tieffe Blau des Firmaments ſich
ſchmuͤckte,
Mit inniglich geruͤhrter Seel’, erblickte;
Erfuͤllete mein reges Blut
Dieß Himmels-Feur mit einer Himmels-Glut.
Jch dachte nicht allein
Derſelben leuchten, ſtrahlen, brennen
Mit froher Anmuth nach; es drang der rege Schein
Und dieſer groſſen Coͤrper rennen,
Jhr feurigs unaufhoͤrlichs regen,
Jhr unbegreifflich ſchnell bewegen,
Mit welchem ſie nie ſtille ſtehn,
Seit dem ſie GOTT erſchuff, in meine Seel’ hinein.
Jch ſtellte gantz erſtaunet mir,
Voll Schrecken halb, halb voll Vergnuͤgen,
Des Himmels rege Coͤrper fuͤr.
Jhr ſo entſetzlich ſchnelles fliegen:
Und
Die Bewegung der Sternen.
Und dachte: ſollt ein Menſch nur eine Viertel-Stunde
Jn dieſem Grentzen-loſen Meere
Der Tieffen, die unendlich, ſehn
Wie Flammen-reich der Himmels-Coͤrper Heere
Daſelbſt ſo ſchrecklich ſchnell hell durch einander gehn;
Wie alles ſonder Ruh und doch in Ordnung ſchwebe,
Wie ſo viel Welte ſich in ſolcher Eile lencken,
Und wirbelnd durch einander ſchwencken;
Unmoͤglich koͤnnt er anders dencken,
Als daß der gantze Himmel lebe.
Faſt halb entzuͤckt durch die verhimmelnde Gedancken
Zieht gleichſam ſich mein Geiſt aus ſeines Coͤrpers Schran-
cken,
Und wagt es, ſich mit allem dencken
Jns tieffen Himmels tieffſte Tieffe,
So tieff ihm moͤglich, einzuſencken.
Jetzt bin ich da. Mein GOtt! welch eine Schaar
Von leuchtenden Planeten, welche ſich
So lieblich hell, als ſchnell und fuͤrchterlich,
Bewegen, drehn, und ohn verweilen
Wie Blitze durch einander eilen,
Wird mein erſtaunter Geiſt gewahr!
Welch ein entſetzlich groſſes Gantz,
Gefuͤgt von Strahlen, Licht und Glantz,
Stellt meiner Seelen Blick ſich dar!
O GOtt! wie wird, bey ſolcher regen Glut,
Mir doch zu Muht!
Ob dieſen herrlichen Jdeen,
Die mir hiebey in meiner Seel’ entſtehen,
A 4Und
Die Bewegung der Sternen.
Und die ich ſelbſt nicht faſſen kann,
Tritt mich ein Seelen-Schwindel an.
Der Geiſt, ſammt aller Krafft, wird gleichſam hier ver-
ſchlungen,
Mein Dencken wird mit uͤmgeſchwungen.
O GOTT! wo iſt von Deiner Macht
Jm gantzen Reiche der Natur
Ein mehr beweiſender Beweiß? was zeigt die Pracht
Und deine Majeſtaͤt doch herrlicher?
Wo weiſt in ſeinem Werck der wahre Schaaren-HErr
Sich praͤchtiger und wuͤrdiger?
Und dennoch kommt dieß alles mir,
Wenn ich Sein’ Allmacht uͤberlege,
Und, bey der Creatur, den Schoͤpffer ſelbſt erwege,
Nicht anders fuͤr:
(Jndem ein Diamant aus viel polirten Spitzen
Viel Lichter laͤſſt auf einmahl blitzen)
Als waͤr der gantze Raum voll Glantz, ein Diamant
An unſers Schoͤpffers Allmachts-Hand.
Fruͤh-
Fruͤhlings-Betrachtungen.
Fruͤhlings-Betrachtungen.
Mich erquicken,
Mich entzuͤcken,
Jn der holden Fruͤhlings-Zeit,
Alle Dinge, die ich ſehe.
Da ja, wo ich geh’ und ſtehe:
Alles voller Lieblichkeit.
Durch der gruͤnen Erde Pracht,
Durch die Bluhmen, durch die Bluͤhte,
Wird, durchs Auge, mein Gemuͤthe
Mecht bezaubernd angelacht.
Die gelinden lauen Luͤffte,
Voller Balſam-reicher Duͤffte,
Treibt des holden Zephirs Spiel
Zum Geruch und zum Gefuͤhl.
Auf den glatten Wellen wallen,
Wie auf glaͤntzenden Cryſtallen,
Jm beſtaͤndig regen Licht,
Tauſend Strahlen, tauſend Blitze,
Und ergetzen das Geſicht:
Sonderlich wenn ſelbe, zwiſchen
Noch nicht dick bewachsnen Buͤſchen,
Und durch junge Weiden glimmen.
Kleine Lichter, welche ſchwimmen
Auf dem Laub’ und auf der Fluth,
Bald in weiß-bald blauer Gluth,
Treffen mit gefaͤrbtem Schertz
Durch die Augen unſer Hertz.
A 5Seht
Fruͤhlings-Betrachtungen.
Seht die leichten Voͤgel fliegen;
Hoͤret, wie ſie ſich vergnuͤgen;
Seht, wie die bebluͤhmten Hecken
Jhr geflochtnes Reſt verſtecken!
Schlupffet dort nach ſeinem Reſte
Ein verliebt und emſigs Paar;
Huͤpffet hier durch Laub und Aeſte
Eine bunt-gefaͤrbte Schaar;
Seht, wie ſie die Koͤpffchen drehn,
Und des Fruͤhlings Pracht beſehn;
Hoͤrt, wie gurgeln ſie ſo ſchoͤn!
Hoͤret, wie ſie muſiciren:
Laß dich doch ihr Beyſpiel ruͤhren,
Liebſter Menſch, laß Dem zu Ehren,
Der die Welt ſo ſchoͤn geſchmuͤckt,
Und, durch ſie, dich faſt entzuͤckt;
Auch ein frohes Danck-Lied hoͤren.
An-
Anfang des Fruͤhlinges.
Anfang des Fruͤhlinges.
Es ſcheinet ietzt bald hie bald da,
An allen Orten fern und nah,
Des jungen Graſes friſches Gruͤn,
Mit ungezehlten Lieblichkeiten,
Sich gleichſam aͤmſig zu bemuͤhn,
Das welcke Gelbe zu beſtreiten,
Und itzt, bald hier bald dort, das Land zu uͤberziehn.
Hier ſiegt annoch des alten Graſes Reſt:
Sein falbes brann, ſein ſchmutzigs grau
Haͤlt, ob gleich welck, annoch an faulen Stengeln feſt,
Jndem ich dorten nichts, als neue Schoͤnheit, ſchau.
Hier drenget manche zarte Spitze
Sich einzeln aus der Erd’, und dorten ſiehet man
Schon kleine Huͤgelchen von Gras, und kleine Blitze,
Wann ſie beſtrahlet ſind, auf ihrer gruͤnen Glaͤtte,
Die man nicht ſonder Luſt beſchauen kan:
Zumahl wann ſich der linde Zephir reget,
Und jedes Graͤschen ſich gelinde mit beweget,
Sammt den durch ſie erzeugten zarten Schatten,
Die auch beweglich ſind, und ſich mit ihnen gatten,
Um, durch den Gegen-Satz, das, was ſo Wunder-ſchoͤn,
Noch zu verherrlichen, und mehr noch zu erhoͤhn.
Hier prangt ein gruͤner Platz, der rings uͤmher
Von Stellen, die annoch von Graſe leer,
Als wie ein Jnſelchen, uͤmgeben; wann ſich dort
Von braunem Staub und Sand ein kleiner Ort
Roch zwiſchen gruͤnen Stellen zeiget.
Noch
Anfang des Fruͤhlinges.
Noch anderwaͤrts laͤſſt ein vermiſchtes Braun,
Aus welchem Gras und Kraut faſt allenthalben ſteiget,
Ein liebliches Gemiſch im Strahl der Sonnen ſchaun,
Allein in kurtzer Zeit iſt Sand und Staub verſtecket:
Ein Wunder-ſchoͤnes Gruͤn wird allgemein,
Und alles ſteht, zumahl im Sonnen-Schein,
Mit einem gruͤnen Glantz bedecket,
Auf welchem wir in kurtzem, Wunder-ſchoͤn,
Die bunte Pracht gefaͤrbter Bluhmen ſehn.
Die Erd-Gewaͤchſe ſieht man nun,
Rachdem ſie ferner nicht mehr ruhn,
Auf den gevierten Garten-Beten,
Aus ihrem Schlaff-Gemach im Fruͤhling gleichſam treten.
Sie haben abgelegt den alten Leib,
Und einen neuen angenommen;
Und, ſtat des alten Rocks, der gantz zerriſſen,
Verwelckt, verweſet und verſchliſſen,
Ein neues bunt-und ſchoͤnes Kleid
Jn dieſer frohen Fruͤhlings-Zeit
Jn neuem Schimmer uͤberkommen.
Mich deucht, ich ſehe ſie ihr ſchweigen unterbrechen;
Mich deucht, ich hoͤre ſie mit bunten Lippen ſprechen:
Geliebte Menſchen, ſeht uns an:
Wir waren todt, wir leben wieder.
Wie? daß denn jemand zweifeln kan,
Daß auch dereinſt nicht eure Glieder,
Ob gleich, wie wir, verweſet und geſtorben,
Ob gleich, wie wir, vernichtigt und verdorben,
Nicht auch, wie wir anietzt, aus Staub und Erden
Erneuert auferſtehen werden!
Wie
Anfang des Fruͤhlinges.
Wie wird nicht euer Schmuck und Schein
So dann viel herrlicher, als unſre Farben ſeyn!
Wenn ihr nur eure Pflicht, den Schoͤpffer zu erhoͤhn,
Und Seine Wunder-Werck mit Andacht anzuſehn,
Auf dieſer Welt in Acht genommen.
Ach! ſehet uns denn an, wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn
Der Schoͤpffer uns aufs nen gebildet;
Wie bunt Er uns gefaͤrbt, verſilbert und verguͤldet.
Ja uͤberlegt dabey das Wunder, und bedencket,
Daß Er nun ſeit ſo langer Zeit
Uns alle Jahr ein neues Kleid,
Und einen neuen Leib geſchencket,
Zum Zeugniß Seiner Guͤtigkeit.
Fuͤr wen bereiten ſich doch unſre Saͤffte?
Fuͤr wen ſind wir an Farb’ und an Geruch ſo reich?
Wir geben euch all’ unſre Kraͤffte:
Denn unſre Krafft dient uns nicht ſelbſt, nur euch.
Wir bluͤhen nicht fuͤr uns, fuͤr euch allein.
Ja wenn wir ſagten, daß die Guͤte
Des Schoͤpffers Selber in uns bluͤhte,
Euch ſelbſt durch den Geruch erquickte,
Fuͤr euch nur bloß ſo ſchoͤn uns ſchmuͤckte,
Wuͤrd’ es vielleicht nicht unrecht ſeyn.
Es ſehe denn doch iederman
Die Erd-Gewaͤchſ’ als ſo viel tauſend Zeugen
Der Liebe, Guͤt’ und Allmacht GOttes, an!
Mor-
Motgen-Gebet
Morgen-Gebet nach dem Winter,
bey noch nicht voͤllig eingetretenem Fruͤhlinge.
Mein Aug’ eroͤffnet ſich, nach abgewichner Nacht,
Zur Zeit, da die Natur, (nachdem die Finſterniſſen
Des Winters, nebſt dem Schnee und Eiſe, weichen muͤſſen,)
Vom Schlaff’ auch gleichſam aufgewacht.
Des Jahres Daͤmmerung iſt allbereit erſchienen,
Die uns des Fruͤhlings Morgen-Licht
An den Sapphirnen Himmels-Buͤhnen,
Und auch auf unſrer Welt, verſpricht.
Jch dancke Dir, o HERR! mit tauſend Freuden,
Zumahl zu dieſer Zeit, da Nacht und Winter ſcheiden,
Daß Du mich, nach ſo ſanfter Raſt,
Nebſt allen Meinigen, geſund erwecket haſt.
Da Du ſo manche Noth und Plage, Fluth und Brand,
Von uns, in dieſer Nacht, ſo gnaͤdig abgewandt:
Da wir das Morgen-Licht, nur bloß durch Dich, ſo ſchoͤn,
Mit aufgeklaͤrtem Geiſt und Blicken wieder ſehn.
Ach! laß mich dieſe Gnad’, als ein Geſchencke, ſchaͤtzen,
Das Ehre, Preis und Danckens wehrt,
Und wofuͤr darin Dir der beſte Danck gehoͤrt,
Wenn wir an Deinem Werck’ uns laben und ergetzen!
Erweget denn auch heut, ihr Sinnen, und bedencket,
Wie GOTT den groſſen Bau der Land-und Waſſer-Welt
Jn Goͤttlich ſtarcken Finger haͤlt,
Und recht, als wie am Zuͤgel, lencket.
Da iede Flaͤche ſich von unſrer Sonne zwar
Zuweilen wol in etwas trennen,
Jedoch
nach dem Winter, ꝛc.
Jedoch nicht uͤm ein einzigs Haar
Zuweit von ihr entfernen koͤnnen.
Erwegt die Ordnung doch, zu ihres Schoͤpffers Ehren,
Da wir ſchon wieder zu ihr kehren.
Zwar ſehen wir das junge Gruͤn noch nicht,
Auf den noch nicht bewachſnen Feldern,
An den noch Blaͤtter-loſen Waͤldern;
Allein, da ich von Eis und Schnee
Die Erde ſchon befreyet ſeh,
Kann mir die Hoffnung beſſrer Zeiten
Schon zum voraus die Fruͤhlings-Luſt bereiten:
Zumahlen wir bereits, wie ſich die Kraͤffte ruͤhren,
Theils in-theils auſſer uns verſpuͤhren.
Es dringt der Safft ins Holtz: Wir ſehn auf manchen Stellen
Die roͤthlich-braunen Knoſpen ſchwellen.
Man ſieht bereits, mit aͤmſigen Vergnuͤgen
Den Ackersmann ſein Feld, woranſ kein Schnee mehr, pfluͤgen.
Man pfluͤgt, man ſaͤ’t, man eg’t, man graͤbt;
Der Acker ruͤhret ſich, das Feld iſt gantz belebt,
Weil ſich ein jeglicher beſtrebt
Den Samen in das Land zu bringen.
Auch ſtellet ſich ſchon hin und wieder,
Zumahl beym heitern Sonnen-Schein,
Mit regem flattern, huͤpffen, ſpringen,
Manch bunt-und muntres Voͤgelein,
Jedoch noch ſparſam, wieder ein.
Man hoͤrt ſchon hie und da ihr Zwitſchern, ihre Lieder:
Mein Hertz, laß ſie auch dir ein Folg-Exempel ſeyn.
Ach! laß auch du, bey ihrem ſingen,
Ein frohes Danck-Lied offt erklingen.
Jn
Morgen-Gebet nach dem Winter, ꝛc.
Jn Gaͤrten hoͤret man jetzt manchen lauten Thon,
Ein froͤlichs klappern, nageln, klopffen.
Die frohen Gaͤrtner hefften ſchon
Mit Leder ihre Baͤum’ an trockne Plancken an,
Wovon man ohne Luſt den Schall nicht hoͤren kann.
Sie bringen uns ſchon Brunn-Kreß, jungen Hopffen,
Und ander Kraͤuter- Werck. Die Baͤum’ und Weiden
Sind ſie mit Luſt anitzt beſchaͤfftigt zu beſchneiden.
Ach laß auch heute mich, o HErr, zuforderſt Dir,
Und dann dem Naͤchſten, ſo wie mir,
Bemuͤhet ſeyn mit Luſt zu dienen!
Gieb daß ich, weil auch er von Dir hervorgebracht,
Und er, ſo wol als ich, ein Vorwurff Deiner Macht,
Auch, ſelbſt in ihm, Dein Lob vermehre
Und Dich in meinem Raͤchſten ehre!
Gieb, daß ich uͤberall heut Deinen Segen ſpuͤhr,
Der mir bisher ſo mildiglich erſchienen.
Ach laß auch mich die wilden Sproſſen
Der eitlen Luſt-und Geld-und Ehr-Begier,
Die mir im Hertzen ausgeſchoſſen,
Auch heute ſo, wie ſie, beſchneiden, und zugleich
Auch ſo, wie ſie, an Hoffnung reich,
Zu eines Fruͤhlings Pracht und glaͤntzen,
Auch auf den ewig ſeel’gen Lentzen,
Und deſſen unverwelckten Schaͤtzen,
Mein immer gruͤnes Hoffen ſetzen!
Fabel.
Fabel.
Fabel.
Die Erde ſahe juͤngſt der Luͤffte ſchoͤnes blau,
Mit einem kleinen Neid, halb eiferſuͤchtig an,
Und ſprach: ſtoltziere nur, mit deinem blauem Licht,
So uͤbermuͤthig nicht,
Weil ich, ſowol als du, dergleichen zeigen kann.
Schau mein Ultramarin; betrachte, wie der Pfau
Jm blauen Schimmer prangt; ſchau den Sapphir. Vor
allen
Kann ich dir der Gentianellen
Faſt blendend blan entgegen ſtellen.
Jhr voller Glantz muß dir,
Trotz deiner blauen Zier,
Noch mehr als du dir ſelbſt gefallen kannſt, gefallen.
Die Lufft nahm dieſen Hohn fuͤr kein Verhoͤhnen an;
Vielmehr beſahe ſie, vergnuͤgt und ſonder Neid,
Von dieſem ſchoͤnen Fruͤhlings-Kinde,
Das dem Saphir faſt gleiche Kleid,
Und liſpelte darauf gelinde
Der Erde dieſe Worte zu:
Jch ſehe deinen Schmuck nicht ſonder Freuden.
Waruͤm beſieheſt du
Den meinen nicht auf gleiche Weiſe?
Laß uns doch, ohn uns zu beneiden,
Uns, da wir alle beide ſchoͤn,
Mit Freud und Aumuth, Dem zum Preiſe,
Der unſer aller Quell und Urſprung iſt, beſehn!
Laß uns vielmehr uns in die Wette ſchmuͤcken;
Damit, wenn Geiſter uns erblicken,
BDie
Fabel.
Die mit Verſtand begabt, durch ein erſtaunt entzuͤcken,
Sie in uns beyden GOTT, die Quell des Lichts, erhoͤhn.
Denn, ſonder Glantz und Strahl Deſſelben Sonnen-
Lichts,
Sind wir, nicht nur nicht ſchoͤn; wir ſind ein wircklich
Nichts.
Laß deine ſchoͤne blaue Bluhme
Denn kuͤnfftig, zu des Schoͤpfers Ruhme,
Jn einem blauen Feuer bluͤhen:
Jch will, wie vor, zu Seiner Ehr,
Und zwar noch immer mehr und mehr
Jn meinem blauen Schimmer gluͤhen.
Als,
Betrachtung verſch. herrl. Geſchoͤpfe, ꝛc.
Als, bey froͤhlicher Betrachtung ver-
ſchiedener herrlichen Geſchoͤpfe GOTTES,
weit hoͤhere und vortrefflichere Betrachtun-
gen derſelben, von Durchlauchtiger Hand,
unvermuthet bey mir ein-
lieffen. Siehe das Schreiben ſelbſt am Ende der Vorrede.
Mit annoch geruͤhrter Seele ſetz’ ich mich, uͤm zu be-
ſchreiben,
So viel zu beſchreiben moͤglich, was ich wunder-wunder-
ſchoͤn,
Als ich auf der Elbe ſchiffte, geſtern halb erſtaunt geſehn.
Moͤgte doch von aller Schoͤnheit ietzo nichts zuruͤcke bleiben!
Des erſt aufgeklaͤrten Himmels gantz von Licht erfuͤll-
ten Kreis
Schmuͤckte von beſtrahlten Wolcken ein ſo hell und blendend
Weiß,
Daß das allerreinſte Silber ſchwartz dagegen. Meine Blicke
Zogen, durch des Schimmers blitzen offt beſieget, ſich zu-
ruͤcke,
Aber nur, uͤm ſich zu ſtaͤrcken, und, ſo dann geſtaͤrckt, von
neuen,
Sich an dieſer weiſſen Klarheit, zu vergnuͤgen, zu erfreuen.
Dieſes Himmel-Silber Glantz hatt’ an dem Sapphirnen
Bogen
Rings um unſern Horizont, wie Gebirge, ſich gezogen,
Die aus Licht gebildet ſchienen. Jn der Mitten uͤber mir
War, in ungemeſſner Oeffnung, eine Ruͤnde wie Sapphir,
Ja vielmehr ein blaues Feur. Unbeſchreiblich iſt das
glaͤntzen,
Welches in den ſilbernen und in den ſapphirnen Grentzen,
B 2Da,
Froͤhliche Betrachtung
Da, wo ſie ſich ſcheiden, ſtrahlte: beide drungen, wie ein
Licht
Durch geſchwaͤrtzte Finſterniſſen, und durch Schatten ploͤtz-
lich bricht,
Ploͤtzlich mir durchs Aug ins Hertz, und erfuͤllten meine
Bruſt,
Groſſer Schoͤpfer, Dir zur Ehre, mit noch nie gefuͤhlter Luſt.
Aber bald muſt ich mich noch, vor verdoppeltem Ergetzen
Und ſich mehrendem Vergnuͤgen, vor Vergnuͤgen, faſt entſetzen,
Als ich alle Pracht des Himmels, den Sapphir, die Silber-
Huͤgel,
Jn der Elbe ſtillen Fluth, als in einem groſſen Spiegel,
Ebenfalls erſcheinen ſah. Ja noch mehr, ich ſah’ im
Weſten,
Hinter einer duncklen Wolcken, an der aufgeklaͤrten Feſten,
Die bald untergehnde Sonne herrlich, hell und feurig ſtrahlen
Und zugleich den glatten Fluß beide Vorwuͤrff deutlich
mahlen.
Da der Sonnen helles Licht, bey der Wolcken Dunckelheit,
So im Urbild, als im Abdruck, mit noch groͤſſrer Herr-
lichkeit,
Jn noch ſtarck vermehrtem Glantze, durch den Gegen-Satz,
erſchien
Und durch unbeſchreiblichs funckeln aller Schauer Aug’ und
Hertz
Mit Entzuͤcken ruͤhrt’ und fuͤllte. Richt genug: auch Oſten-
werts
Zeigte mir ein flaches Ufer, ein ſo lieblich Fruͤhlings-Gruͤn,
Das, zugleich voll gelber Bluhmen, glaͤntzt’ und gluͤh’te,
Dieſe Wieſe
Schien, im Sonnen-Strahl zumahl, recht ein Stuͤck vom
Paradieſe.
Wie
verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Wie ich nun, durch alle Schoͤnheit halb entzuͤckt und auſſer
mir,
GOtt zum Ruhm, ſo Hertz als Auge voller Brunſt, gen
Himmel ſchickte;
Stutzt’ aufs neue Blick und Hertz. Weil des Firmaments-
Sapphir
Mir ein neues Wunder zeigte, voller Schoͤnheit; Jch
erblickte
Den erſt aufgegangnen Mond: Sein hell glaͤntzend Silber
druͤckte
Den von aller Strahlen Urquell allererſt empfangnen
Schein,
Seine Pracht auch zu verdoppeln, ebenfalls den Fluthen ein.
Stelle dir, geliebter Leſer, mein Ergetzen, meine Freude,
Meine Wonne, mein Vergnuͤgen, in dem ſchoͤnen Welt-Ge-
baͤude,
Ob ſo mannigfaltgen Wundern, ob der Herrlichkeit und
Zier
So viel herrlicher Geſchoͤpfe, doch noch mehr den Schoͤpfer
fuͤr:
Der die Erde, Fluth und Himmel, der die Sonne, der die
Welt,
Ja viel Millionen ſchuff; ſie in ſolcher Ordnung haͤlt,
Daß, nach ſolcher langen Zeit, daß, nach ſo viel tauſend
Jahren,
Sie ſo ſchoͤn und kraͤfftig noch, als ſie ie geweſen, waren.
Noch, da ich aufs neu erwege den erblickten Wunder-
Schein,
Fuͤhl’ ich ſuͤſſe Regungen auch aufs neu in mir entſprieſſen,
Und es laͤſſt mein Auge druͤber wircklich Frenden-Thraͤnen
flieſſen.
Moͤgte dir, bey der Erzehlung, doch wie mir, zu Muthe ſeyn!
B 3Kaum
Froͤhliche Betrachtung
Kaum hatt’ ich die letzten Worte hingeſetzt und ausge-
druͤckt,
Als ich (da vorher die Pracht leiblicher Vollkommenheiten
Mich faſt aus mir ſelbſt geſetzt, gantz erquickt, und halb ent-
zuͤckt)
Auch Gelegenheit bekam, geiſtige Vortrefflichkeiten,
Die vom Schoͤpfer gleichfalls ſtammen, in ſo hohem Grad
zu ſehn,
Daß mein froͤhliges Erſtaunen, und wie mir dabey geſchehn,
Unausdruͤcklich iſt und bleibet. Ein bewunderns-wehrter
Brief
Von Durchlauchtger Hand geſchrieben in gebundnen
Worten, lieff
Unvermuthet bey mir ein. Heſſen-Homburgs Lude-
wig
Zeigte Seiner Seelen Groͤſſe, und in ihr, in welchem Grad
GOtt die menſchliche Ratur mit Vernunft begabet hat
Aus der Fuͤlle Seiner Weisheit. Kein beſtrahlter Mor-
gen-Thau,
Wann der Sonnen guͤldne, Blicke ſein verklaͤrtes Raß ver-
guͤlden,
Kann des Urbilds Herrlichkeit deutlicher und ſchoͤner bilden,
Als ich GOTTES Wunder-Wercke in dem Brief gebildet
fand.
Alle Zeilen, iede Worte, zeigten himmliſchen Verſtand,
Stellten Goͤttlicher Geſchoͤpfe Wunder-volle Pracht und
Zier
Ja noch nie vorhin geſehner Majeſtaͤt und Anmuth fuͤr.
Wo
verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Wo noch etwas auf der Welt GOtt-gefaͤlliges zu finden,
Jſts vermuthlich eine Seele, die Sein Werck mit Luſt erblickt:
Weil, nebſt einem froͤhlichen Danck-gefliſſenen Empfinden,
Von den herrlichen Geſchoͤpfen ſich in ſie ein Bildniß druͤckt,
Welches alles doppelt zeigt. Wird ein menſchliches Ge-
ſicht,
Durch der Farben Harmonie, blos durch Schatten und durch
Licht,
Jn geſchilderten Copien der Natur, vergnuͤgt, ergetzet,
Und, durch wol gemiſchten Staub, offt in ſuͤſſe Luſt geſetzet;
Sollte denn den groſſen Schoͤpfer eine lebende Copie
Seiner wunderbaren Wercke, in der Menſchen Geiſt, nicht
ruͤhren?
Sollt’ Er, der ja nichts als Liebe, gleicher Weiſ’ aus Lie-
be, ſie
Nicht mit einer zaͤrtlichen vaͤterlichen Luſt verſpuͤhren?
Und, da ſelbige nicht minder, als ihr Urbild, Wunder-ſchoͤn,
Sie ſo lieb nicht, als das Urbild, ja wol gar noch lieber,
ſehn?
Ehr-Furcht, Andacht, Gegen-Liebe, Zaͤrtlichkeit, Luſt, Danck-
barkeit,
Sind der Seelen ſchoͤne Farben, woraus, wann ſie mit den
Bildern
Der Geſchoͤpfe ſich verbinden, ſie, bis zur Vollkommenheit,
Wolgefaͤllige Gemaͤhlde, Dem zur Freud und Ehre ſchildern,
Deſſen Weisheit ſonder Grentzen, deſſen Macht nicht zu er-
meſſen.
O! wie muß denn deine Seele, Weiſ- und Groſſer
Printz von Heſſen,
Dem unendlichen Monarchen, ein ſo werther Spiegel
ſeyn,
Worin Seiner Allmacht Glantz, Seiner Lieb’ und Weisheit
Schein
B 4Jn
Froͤhliche Betrachtung
Jn betrachteten Geſchoͤpffen, Jhm zu Ehren, ruͤckwerts
ſtrahlet!
Welch ein reitzendes Gemaͤhlde! das, durch Weisheit und
durch Luſt,
Auch ſo gar bey harten Waffen, ſich, in Deiner Helden-Bruſt,
Aus der zaͤrtlichſten Empfindung ſchoͤnſten Farben, ſelber
mahlet!
Groſſer Land-Graf, deſſen Fauſt ein gefuͤrchtet Schwerdt
zu fuͤhren,
Auch zugleich die ſuͤſſen Saiten wunderbarlich ſuͤß zu ruͤhren,
Gleich geſchickt, gleich fertig iſt! Dein Ruhm iſt nicht zu
verſchweigen,
Ja, ſo wenig, als die Wunder, welche Schwartzburgs Guͤn-
thers Geiſt,
Der laͤngſt gantz Europa fuͤllet, aller Welt zum Wunder
weiſ’t;
Deine weiſe Helden-Seele faͤngt jetzt an der Welt zu zeigen,
Daß nunmehr, o neues Wunder! GOtt, von Groſſen die-
ſer Erde,
Richt nur im Geſchoͤpf’ erkannt, ja ſo gar beſungen werde:
Und zwar ſo, daß (Salomon, Job und David ausgenommen)
Keiner, er ſey wer er ſey, aus der Fuͤrſten-Dichter-Orden
Und durchlauchtigen Poeten, ſeit die Welt erſchaffen
worden,
Auf dem geiſtlichen Parnaß ie ſo hoch empor gekommen.
Welche Exempel wird die Welt, Herr, an Deinen Lie-
dern nehmen!
Welche Folge wird man nicht, durch dieß groſſe Beyſpiel
ſehn!
Wird ſich auch wol iemand kuͤnfftig (wie bishero wol ge-
ſchehn,
Auch wol unter Geiſtlichen) GOtt als Schoͤpffer zu erhoͤhn,
Und in Seinen Wundern Jhn zu verehren, ferner ſchaͤmen?
Jch
verſchiedener herrl. Geſchoͤpfe GOttes.
Jch aufs wenigſte geſtehe, daß, zur Andacht und zur Luſt,
Meine durch Dein Engliſch Lied bruͤnſtig angeflam̃te Bruſt
Sich aufs neu getrieben fuͤhle. Ja daß ſie ein heilges
Schrecken,
Bey nicht auszudruͤckendem Freuden-Trieb’, in ihr erwecken:
Da ſich mir zugleich ein Fuͤrſt, ein Poet, ein Helden-Geiſt,
Den des Hoͤchſten Ordnung kaͤmpfen, den der Schoͤpfer ſin-
gen heiſſt,
Ein Begriff der Wercke GOttes, ja GOtt ſelbſt in Dir ent-
decken.
Dieſes ſchreib ich nicht, geblendet durch den hellen Gnaden-
Schein,
Den Du auf mich ſtrahlen laͤſſeſt, deſſen ich nicht wuͤrdig;
Nein.
Meine Seel’ iſt ſo beſchaͤfftigt, da ich Deine Groͤſſ’ ermeſſe,
Deine Weisheit, Dein Vergnuͤgen, daß ich meiner gantz
vergeſſe.
B 5Bluh-
Bluhmen.
Bluhmen.
A. Es waͤhrt der Bluhmen Zier ja nur ſo kurtze Zeit;
Und dennoch wird derſelben Pracht
Uns alle Nacht
Geraubt, und koͤnnen wir an ihnen das, was ſchoͤn,
Die halbe Zeit von ihrer Daur, nicht ſehn.
Mich deucht es ſcheint hieraus zu flieſſen,
Daß ſie fuͤr uns nicht, wie man glaubt, gemacht.
B. Du kanſt mit Recht alſo nicht ſchlieſſen.
Wie, nach des Winters Stuꝛm und rauhem Froſt im Lentzen
Die Vorwuͤrff’ alle ſchoͤner glaͤntzen;
Und wie, wenn unſre Luſt uns die Gewohnheit ſtoͤhrt,
Der Wechſel ſie uns wieder ſchencket,
Sie ſchmackſam macht, und noch vermehrt;
So deucht mich, wenn die Nacht ſich zu uns lencket,
Daß es nur bloß zu dieſem Zweck geſchehe,
Damit man, mit noch groͤſſrer Wonne,
Bey heller Wiederkunft der Sonne,
Sie, nach dem ſcheiden, wieder ſehe.
Wiewol, wer weiß, ob nicht zu gleicher Zeit
An der Geſchoͤpfe Herrlichkeit,
Und an ſo Wunder-reichen Schaͤtzen,
Auch andre Weſen ſich ergetzen?
Die Unempfindlichkeit der Menſchen zwinget mich,
Und will, daß dieſes wahr, zu glaͤuben,
Mich faſt am allermeiſten treiben.
Denn, weil wir, leider! freventlich
Nach nichts ſo ſehr,
Als blos nach einer eitlen Ehr,
Nach Fleiſches-Luſt und Reichthum gaffen;
So ſcheinet faſt der Bluhmen Heer
Fuͤr uns allein, uͤmſonſt geſchaffen.
Be-
Betrachtung der Veraͤnderung der Zeiten ꝛc.
Betrachtung der Veraͤnderung der Zei-
ten, ſam̃t dem Nutzen und der Luſtbarkeit
derſelben.
Jm Winter fuͤllt die Lufft ein neblicht falbes Grau.
Jm Fruͤhling iſt ſie hell, warm, heiter, rein und
blau.
Jm Winter ſchnaubt der Nord mit ſtuͤrmeriſcher Wuth,
Zerſchneidet uns die Haut, durchdringet Marck und Blut;
Jm Fruͤhling ſaͤuſeln ſanft und kuͤhlen uns gelinde,
Mit Balſam-reichem Dufft, die ſchmeichlend lauen Winde.
Jm Winter druͤckt die Fluth, und haͤlt den ſanften Lauff
Ein ſchroff-und ſtarres Eis, durch rauhe Schollen, auf.
Jm Fruͤhling glaͤntzet ſie als ein polirter Spiegel.
Und bildet Wunder-ſchoͤnden Schmeltz bebluͤhmter Huͤgel;
Sie rauſcht und rieſelt ſanft, bald durch beſtrahlte Felder,
Bald durch die gruͤne Nacht und Daͤm̃rung dunckler Waͤlder.
Jm Winter iſt das Feld entfaͤrbet, oͤd’, erſtarrt,
Verwuͤſtet, traurig, ſchwartz, wild, hoͤckricht, Felſen-hart.
Jm Lentzen iſt es gruͤn, bebluͤhmt, ja Wunder-ſchoͤn
Mit Korn und Klee bedeckt, und lieblich anzuſehn.
Jm Winter ſieht der Wald gebundnen Ruthen gleich.
Jm Fruͤhling iſt er Laub-und Bluͤth-und Schatten-reich.
Jm Winter iſt ſo Feld als Wald von Voͤgeln leer.
Jm Fruͤhling fuͤllt die Lufft derſelben klingend Heer
Mit lieblichem Gethoͤn. Die ſaͤurlich-ſuͤſſen Fruͤchte
Und mancherley den Gaum erquickende Gerichte,
Raubt uns der rauhe Froſt. Der Fruͤhling ſucht von neuen
Mit ihnen Aug’ und Mund und Hertz uns zu erfreuen.
Der
Betrachtung der Veraͤnderung der Zeiten,
Der Wechſel blos allein,
Zumahl wenn wir darin die Ordnung uͤberlegen,
Und der Natur Veraͤndrungen erwegen,
Die unveraͤnderlich; ſollt uns ein Zeuge ſeyn
Richt nur von GOTTES Macht und Weisheit; Auch
die Triebe
Von Seiner dem Geſchoͤpf’ erzeigten Wunder-Liebe
Sind klar hierin zu ſehn: denn da wir leider blind,
Jm ruhigen Beſitz, fuͤr alles Gute, ſind;
So ſcheint der Wechſel uns, mit lieblicher Gewalt,
Durch Neuigkeit, was ſuͤß, noch ſuͤſſer zu verſuͤſſen.
Damit wir der Geſchoͤpf Pracht, Farben und Geſtalt
Mit mehr Empfindlichkeit genieſſen.
Wenn ſich der Sommer nie von unſrer Gegend trennte,
Wenn ein gerader Strahl die Felder immer brennte;
So wuͤrde, von dem Schaden nichts zu ſagen,
Uns ein verdrießlichs Einerley,
Auch bey ſtets heiterm Wetter, plagen.
Jndem ich dieß mit Luſt und Danck betrachte,
Und, wie ſo angenehm der Wechſel ſey,
Wie noͤthig und wie gut, mit frohem Ernſt beachte;
So fuͤhl ich allererſt von neuen,
Daß unſer GOtt nicht bloß im Jahr uns vier mahl nur
Mit Aenderung der Zeiten woll’ erfreuen:
Es goͤnnet auch der Herrſcher der Natur
Jn
ſammt der Nutz- und Luſtbarkeit derſelben.
Jn einem jeden Tag, uns vier mahl dieſe Luſt;
Da Morgen, Mittag, Abend, Nacht
Uns gleichſam ſich, wie iedem ja bewuſt,
Der es betrachten will,
Zum Leutzen, Sommer, Herbſt und Winter macht.
Ach fuͤhlt denn, ſchmerckt und ſeht, was GOtt uns Gutes
giebet:
Erkennt, wie vaͤterlich und zaͤrtlich Er uns liebet.
Und laſſt uns, da ſo offt ſich Lieb’ und Huld erneuen,
Uns Seiner wenigftens des Tages vier mahl freuen!
Pri-
Primulae veris.
Primulæ veris und Aurikeln.
Mein GOTT, es iſt durch Deine Guͤte
Der frohe Fruͤhling wieder da.
Dort ſteht die holde Primula,
Sammt den Aurikelchen in voller Bluͤthe.
Ach gieb, daß mein geruͤhrt Gemuͤthe
Nicht minder fruchtbar, als die Erde,
Zu Deines Nahmens Ehren, werde!
Gieb, daß mein Geiſt, wann ich mit Luſt
Des Fruͤhlings erſte Pracht beſinge,
Aus einer Dir geweihten Bruſt
Die Erſtlinge der Andacht bringe!
Holdſeligs Fruͤhlings-Kind, dein zart und ſanftes
Weſen
Hab’ ich, zu Deſſen Ruhm, der dich und alles macht,
Zu meiner Lieder Zweck und Vorwurff, ietzt erleſen,
Dein ſchoͤnes Kleid, und deine bunte Pracht
Kann, nach der langen Winter-Nacht,
Aus deinen kleinen gruͤnen Buͤſchen,
Die dich, wie du ſie ziereſt, zieren;
Nicht nur ein achtſam Auge ruͤhren,
Auch ſelber unſern Geiſt erfriſchen.
Dein fuͤnffach Hertzen-foͤrmig Blat,
Das, recht im Mittel-Punct, ein Sonnen-Bildchen hat,
Macht, daß ich auf mein Hertz auch die Gedancken lencke,
Und wuͤnſche, daß auch mir ſich ſtets ins Hertze ſencke
Ein Strahl von jener ew’gen Sonne;
So wuͤrd’ es meiner frohen Seelen
So gar am Vorſchmack ew’ger Wonne,
Schon hier auf dieſer Welt, nicht fehlen.
Dein
und Aurikeln.
Dein breit und krauſes Laub gleicht einer Zungen,
Und ſpricht, mehr als man meint, zu ihres Schoͤpffers
Ehre.
Er wird im ſanften Thon durch ſie beſungen.
Mich deucht, daß es mein Geiſt, durchs Auge deutlich hoͤre,
Wie ihre Zierlichkeit, Geſtalt, Krafft, Farb und Pracht
Von Deſſen Weisheit, Lieb’ und Macht,
Der ſie aus nichts hervor gebracht,
Jn ſanfter Harmonie erklinge,
Und, Jhm zum wahren Ruhm, ein ſuͤſſes Lob-Lied ſinge.
Was ſeh’ ich, liebſte Bluhm’, in dir
Fuͤr eine neue Zier?
Die wehrt, daß wir darauf ſo Geiſt als Blicke lencken,
Daß wir die Mannigfaltigkeit,
Und in den Bildungen die Meng’ und Unterſcheid
Der ſpielenden Natur bedencken,
Als worin ein Geheimniß liegt.
Es ſcheint dieß Bluͤhmchen nicht vergnuͤgt,
Nur einzeln GOttes Macht zu zeigen;
Sie laͤſſt, zu ihres Schoͤpffers Preiſe,
Auf eine wunderbare Weiſe,
Aus einer ieden Bluhm’ ein’ andre Bluhme ſteigen.
Hierin iſt ihr im Bluhmen-Reich
Faſt keine Bluhme gleich.
Dieß, deucht mich, zeiget mir nicht nur,
Wie unerſchoͤpfflich die Natur
An Bildung und Erfindung ſey;
Es ſtellet mir zugleich dabey
Die Bluhm’ ein lehrend Sinn-Bild fuͤr
Von einer ſchoͤnen Seel’ in einem ſchoͤnen Leibe;
Und
Primulae veris.
Und wuͤnſch’ ich, da ich dieſes ſchreibe,
Daß dieſe Bluhm’ auch meiner kleinen Heerde
Ein unverwelcklich Vorbild werde,
Und ſtets ihr Lehr- und Sinn-Bild bleibe.
Allein, was laſſen dort
Mir deine Schwerſterchen fuͤr neue Wunder ſehn?
Wie angenehm gefaͤrbt, wie lieblich und wie ſchoͤn
Sind die Aurikeln nicht!
Unglaublich iſts, wie die Natur in ihnen
So mannigfalt die Farben miſcht und bricht.
Sie tempert bald aus gelb-aus rothem und aus gruͤnen,
Die ſanfte Colorit. Bald laͤſſt ſie, gruͤn und braun,
Bald Purpur, Jſabell, bald roͤthlich, und bald grau,
Bald gelb und gruͤn, bald gruͤn und gelb, bald blau,
Mit dunckel-roth gebrochen, ſchaun.
Bald ſchmuͤckt die Mitte, bald die Ecken,
Ein guͤldener, und bald ein Kreis,
Der mehr als Silber-weiß.
Man ſieht (was ſonderlich) meiſt einen weiſſen Staub
Die Blumen, ja den Stengel, und das Laub,
Mit mancherley Figuren dufftig decken.
Ach! laß dich doch, geliebter Menſch, erwecken!
Beſchau zu dieſer Zeit im Garten,
Wie, in faſt ungezehlten Arten,
Sich der Aurikeln Heer, dich zu erfreun, bemuͤht.
Betrachte, nebſt der Farben Lieblichkeit,
Auch ihrer Bildung Unterſcheid,
Da, wann verſchiedene nur klein;
Dort andre faſt ſo groß, als wie ein Thaler, ſeyn.
Noch andre, ſonderlich die gelben, zeigen
Der Blaͤtter Pracht gedoppelt, und es ſteigen
Aus
und Aurikeln.
Aus ihnen, angenehm gemiſchte ſuͤſſe Duͤffte,
Und fuͤllten, uns zur Luſt, die lauen Luͤffte.
Erwege doch, wie ſie,
Jn ſolcher ſanften Harmonie,
Auf manchem Bluhmen-Bette,
Zu deiner Augen-Luſt, recht in die Wette,
Dir zu gefallen, ſich beſtreben.
Willſt du denn nicht, geruͤhrt durch ihre ſanfte Pracht,
Die Weisheit Des, Der ſie gemacht,
Und zwar zu deiner Luſt, beſingen und erheben?
Ach! laß ſie doch, den Augen nicht allein,
Auch deiner Seel’ ein lieblichs Schau-Spiel ſeyn!
Ach! laß ein mit dem Blick verbundnes Dencken
Sich auf die Fruͤhlings-Kinder lencken!
So wird die Seele bald in wahrer Freube gluͤhn;
So werden auch in ihr der Andacht Bluhmen bluͤhn,
Woran der Schoͤpffer ſelbſt, aus Liebe, ſich ergetzet,
Jndem Er unſre Luſt fuͤr Seine Ehre ſchaͤtzet.
CFruͤ-
Fruͤher Fruͤhling.
Fruͤher Fruͤhling.
Der Knospen Fruͤhling war annoch:
Man ſah faſt ſichtbarlich, wie bey dem lauen Wetter,
Das gruͤne Heer der jungen Blaͤtter
Aus ihren roͤthlichen Behaͤltern kroch.
Sie hingen erſt annoch verwickelt unter ſich;
Entwickelten ſich aber nach und nach,
Und fingen allgemach,
An allen Seiten,
Sich auszudehnen, auszubreiten,
Sich auszuſpannen an, und ſanft ſich zu erhoͤhn.
Der allerduͤnnſte Tafft, iſt nicht ſo ſanft, ſo ſchoͤn,
So klar, ſo glatt, ſo glaͤntzend, zart und fein,
Als neu-gebohrne Blaͤtter ſeyn.
Die Aederchen ſind ſelbſt durchſichtig, noch vielmehr
Das noch viel zaͤrtere Geſpinnſt. Das Sonnen-Licht,
So ungehemmt faſt, durch ſie bricht,
Und durch ihr zart Gewebe ſtrahlet;
Wird, recht als fiel es durch ein gruͤnes Glas,
Auch gruͤn gemahlet.
Hiedurch entſtehen klare Schatten,
Die Wald und Garten, Lufft und Matten
Faſt unausſprechlich lieblich fuͤllen,
Sie zeigen manchen Schmuck, auch wann ſie ihn verhuͤllen.
Jn dieſem Spiel unſchuldger Lieblichkeit,
Womit ſich gleichſam noch des Jahres Kindheit ſchmuͤckte,
Wie in der guͤldnen Zeit,
War, was man nur erblickte,
Unſchaͤdlich, Anmuth-voll, Luſt- und Vergnuͤgen-reich.
Die
Fruͤher Fruͤhling.
Die Spinne, deren Leib faſt einer offnen Klauen
Und Baͤren-Tatzen gleich,
Erweckt uns noch kein eckelhaftes Grauen,
Kein Ohr-Wurm ſchreckt uns noch.
Die Bienen, welche zwar nie ſonder Stachel fliegen,
Erregen durch ihr ſumſendes Gethoͤn,
Mit welchem wir ſie ſchwaͤrmen ſehn,
Wenn ſie auf Bluhmen ſich, blos uns zum Nutzen, ſetzen,
Mit Recht uns keine Furcht, nur Anmuth und Ergetzen,
Und, durch den muntern Fleiß, ein inniges Vergnuͤgen.
Der Blut-begiergen Muͤcke
Verdrießlicher Geſang, ſtoͤhrt unſre Ruh noch nicht.
Man ſchlaͤgt, geneckt durch ihre dreiſte Tuͤcke,
Des Nachts, mit Recht erzuͤrnt, ſich noch nicht ins Geſicht,
Voll Schlaf und Ungeduld; die unverſchaͤmten Fliegen
Beſtuͤrmen unſern Tiſch noch nicht ſo Hauffen-weiſe,
Wie wol im Herbſt geſchicht.
Kein ſchaͤdlich gifftig Thier
Thut ſich annoch herfuͤr.
Und kurtz: in allen dem, was man erblickt’, empfand
Und ſpuͤhrte, ſpuͤhrte man nichts wiedrigs, und es ſchienen
Die Vorwuͤrff alle zugericht,
Uns zu ergetzen, uns zu dienen.
Abſonderlich belebt der Sonnen Lebens-Licht,
Erfuͤllt, durchdringt, Lufft, Waſſer, Berg und Thal
Mit dem ſich naͤhernden erwuͤnſchten Strahl.
Eine reine Klarheit glimmet
Jn der Lufft voll Glantz und Gluth.
Eine reine Klarheit ſchwimmet
Auf der rein- und glatten Fluth.
C 2Auf
Fruͤher Fruͤhling.
Auf dem friſchen Graſe gluͤhet
Ein Smaragden gleiches Licht,
Wann mit froͤhlichem Geſicht
Man auf iedem Baum, der bluͤhet,
Einen weiſſen Schimmer ſiehet.
Moͤgt es denn auch meiner Seelen,
Wann ſie dieſe Wunder ſpuͤhrt,
Durch ſo holden Glantz geruͤhrt,
Auch am Schmuck und Glantz nicht ſehlen!
Moͤgte ſie in allen Dingen
GOTT, aus welchem ſie entſpringen,
Jmmer mehr und mehr erkennen,
Und, durch Danck-Begier geziert,
Stets im Feur der Liebe brennen!
Noch
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Der laue Strahl der wiederkehr’nden Sonne
Fuͤllt die verduͤnnte Lufft mit neuer Lebens-Gluth,
Floͤſſt rege Fruchtbarkeit in aller Thiere Blut,
Und, in der Menſchen Geiſt, lang’ ungeſpuͤhrte Wonne.
Viel tauſend Knoſpen oͤffnen ſich,
Bey dieſem lauen Fruͤhlings-Wetter.
Man ſieht viel tauſend junge Blaͤtter
Aus ihrem Schooß faſt ſichtbarlich
Entſtehen und gebohren werden.
Nicht minder brechen aus der Erden
Noch unlaͤngſt braun-, ſeit geſtern, gruͤner Bruſt,
Zu noch ſich mehrender Gemuͤths- und Augen-Luft,
Viel tauſend bunte Fruͤhlings-Kinder,
Jn dem bebluͤhmten Klee. Nicht minder
Faͤngt auf begruͤnter Baͤume Zweigen
Ein angenehmer Schatz ſich an zu zeigen.
Wie Silber glaͤntzt die reine Bluͤhte;
Jhr lieblicher Geruch labt Coͤrper und Gemuͤthe.
Und ſie verſprechen uns, daneben
Noch manch erfriſchendes Gerichte,
Jn ſaͤurlich-ſuͤſſer Frucht, zu geben.
Schau mit bedachtſamen und aufgewecktem Sinn,
O Menſch, ietzt allenthalben hin!
Schau tauſend, tauſend Lieblichkeiten!
Schau, in der Silber-klaren Fluth,
Auf einem gleichſam guͤldnen Sande,
Auf welchem ſie, ohn’ alle Ruhe, ruht,
Von einem Bluhmen-Klee- und Binſen-reichem Rande
C 3Be-
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Bekraͤntzt und eingefaſſt, viel tauſend blaue Fiſche
Den flieſſenden Cryſtall durchdringen,
Und bald gemach, bald wie der Blitz
Sich durch den klar- und feuchten Sitz
Bald auf-bald abwerts ſchwingen.
Hier murmelt, rieſelt, rauſcht der glatte Bach,
Bald dunckel, in der Baͤume Schatten,
Bald hell beſtrahlt, durch unbewachſne Matten.
Er wird des Waldes, dort
Begruͤnter, und allhier des Himmels blauer Spiegel.
Die Aecker gruͤnen ietzt, es bluͤhen Thal und Huͤgel,
Den ſchoͤnſten Gaͤrten gleich. Jn den bethauten Gruͤnden
Springt ietzt manch ſchneller Hirſch, zuſamt den Hinden,
Mit leichtem Fuß und aufgerecktem Ohr,
Aus dem belaubten Wald’ hervor.
Da rennt in dem bebluͤhmten Graſe
Ein fluͤchtiger geſchwinder Haſe.
Seht, wie er ploͤtzlich ſtutzt, ſich ſetzet,
Ein Maͤnnchen macht,
Und, wenn er niemand ſieht, ob aller Fruͤhlings-Pracht
Mit tauſend Spruͤngen ſich ergetzet.
Beſchaue denn die ſchoͤne Welt:
Erwege doch mit froͤlichem Gemuͤthe,
Was ſie fuͤr Wunder in ſich haͤlt,
Und lob’, in deiner Luſt, des groſſen Schoͤpfers Guͤte.
Die
Die gewaͤſſerte Wieſe.
Die gewaͤſſerte Wieſe.
Es hatte juͤngſt der klare Bach
Aus ſeinem Graben allgemach
Mit ſanftem rieſeln ſich ergoſſen,
Der Wieſen friſches Gruͤn ſtand mehrentheils befloſſen:
Und dieſe Fluth war durch die reine Lufft,
Die in ihr glattes Naß die heitre Klarheit druͤckte,
Blau, wie Laſur, gefaͤrbt: Jn dieſem ſchoͤnen Blauen
War, durch des jungen Graſes Sproſſen,
Von welchen man die Spitzen nur erblickte,
Und die, nah an der Fluth, ein blitzend Lichtlein ſchmuͤckte,
Das allerſchoͤnſte Gruͤn zu ſchauen.
Dieß liebliche Gemiſch von Himmel-blau und gruͤn
Ergetzte Blick und Hertz recht ungemein. Es ſchien
Sich mit der Welt der Himmel zu verbinden,
Abſonderlich, wann hier und dort der Bluhmen Pracht
Den Schmuck von einer ſchoͤnen Nacht,
Jn Sternen-gleicher Form und Glantz, zugleich uns wieſe:
Wir koͤnnen von dem Paradieſe
Uns keinen lieblichern Begriff formiren,
Zumahl,
Wann von dem kaum entwichnen Sonnen-Strahl
Die Abend-Roͤthe ſich in dieſem Spiegel bildet,
Und, nebſt der herrlichen beflammten Farben Glantz,
Hier viele Stellen ſchoͤn bepurpurt, andre gantz
Mit Noſen-farbnem Licht beſtrahlet und verguͤldet.
C 4Das
Die gewaͤſſerte Wieſe.
Das faſt Saphirne Blau, das faſt Smaragdne Gruͤn,
Der Glantz, der roͤther als Rubin,
Die hier, bald in getheilt-bald in vereinten Grentzen,
Bald nicht, bald durch einander glaͤntzen;
Die praͤgten voller Luft, mir die Betrachtung ein:
„Da bloß des Lichtes Wiederſchein
„Das Hertz uns faſt aufs neu beſeelet;
„Wie herrlich muß der Glantz von jener Klarheit ſeyn,
„Den GOTT Jhm Selbſt zu Seinem Sitz erwehlet!
Das
Das beſte Theil.
Das beſte Theil.
Als Gottlieb juͤngſt zween Freunden, auf dem Garten,
Zwo Hyacinthen, voll gefuͤllter Glocken, gab;
Nahm er gar bald an ihrer Handlung ab,
Wie ihr Gemuͤth und Sinn ſo unterſchiedner Arten.
Aurander nahme ſie mit traͤgen Haͤnden hin,
Und ſteckte ſie, nicht lang’ hernach,
Jndem er von vermehrten Renten ſprach,
Zerdruͤcket und geknickt in ſeine Taſche. Jener
Beraldo warff den Blick, ſo bald er ſie genommen,
Auf ſeine Bluhm’, und rieff: Ach! kann wol etwas ſchoͤner,
Als dieſe Bluhme, ſeyn!
Welch einen reinen Silber-Schein,
Welch eine liebliche Figur
Hat, von den Fingern der Natur,
Dieß holde Kind des Fruͤhlings uͤberkommen!
Wie klar iſt dieſes Weiß! wie glaͤutzend! auch die Haut
Der ſchoͤnſten Schoͤnen auf der Welt
Verlieret, wenn man ſie bey dieſem Schimmer haͤlt,
Und eine bey der andern ſchaut,
Den Preis, und ſcheint beſchmutzt. Die roͤthlich weiſſe
Gluht,
Die, in dem innerſten, der Bluhme kleine Hoͤle
Mit ſuͤſſer Roͤthe fuͤllt, fuͤllt meine frohe Seele,
Mit ihrem holden Reitz. Jch fuͤhle zarte Flammen
Aus dieſer roͤthlichen und weiſſen Klarheit ſtammen.
Es ſcheint der Bluhmen reiner Schein
Ein Sinn-Bild einer reinen Seele,
Worin ein Feur der Liebe gluͤht, zu ſeyn.
C 5Jch
Das beſte Theil.
Jch wuͤnſche wenigſtens, daß meine Seele, rein
Von Laſtern, durch die Triebe
Von der aus Danckbarkeit in mir entſtandnen Liebe,
Zu Dem, der Seiner Wercke Pracht
So wunderbar hervor gebracht,
Jn ſolcher ſuͤſſen Gluht entbrenne;
Und daß mein Naͤchſter ſich an mir,
Wie ich, geliebte Bluhm’, an dir
Mich freue, ſtets erfreuen koͤnne.
Ja, da die Bluhmen wunderbar
Bemuͤht ſind, ihre Krafft ſo lieblich auszuhauchen,
So wuͤnſch ich, daß mein Hertz, als wie ein Danck-Altar,
O Schoͤpfer, Dir zum Ruhm, moͤg’ unaufhoͤrlich rauchen!
Was meinſt du nun von dieſen beiden,
Geliebter Leſer, wer hat GOttes Creatur,
Wie ſichs gebuͤhrt, gebraucht? und weſſen Spur
Haͤltſt du dich pflichtig zu vermeiden?
Hat an dem erſten ſelbſt der Schoͤpffer nicht
Der Schoͤpfung End-Zwecks gar verfehlet?
Und hat Beraldo nicht, zufolge ſeiner Pflicht,
Jn ſeiner Luſt das beſte Theil erwehlet?
Un-
Undanckbarkeit.
Undanckbarkeit.
Jndem ich eben, voller Luſt,
Bey dieſem Blumen-Topff, voll Hyacinthen, ſtehe,
Und mit, zugleich durch Naſ’ und Aug, erquickter Bruſt,
Den holden Balſam riech’ und ihren Glantz beſehe;
Trug dieſe ſchoͤne Bluͤht’ der Andacht Frucht in mir.
Es kam mir ungerecht, und faſt unleidlich fuͤr,
Daß man des Schoͤpfers Werck, das doch ſo ſchoͤn, nicht
achtet,
Daß man es obenhin, ja gar nicht einſt, betrachtet.
Ein ſtiller und geheimer Schmertz
Schlich ſich in mein vergnuͤgtes Hertz.
Recht mitten in der Luſt, fieng ich mit ſeufzen, an:
Ach! liebſter Vater, ſollt Du dann
Fuͤr ſolch ein ſchoͤn Geſchoͤpff, fuͤr alle Deine Gaben,
Fuͤr ſo viel Proben Deiner Guͤte,
Von uns nicht einſt ein froͤhliches Gemuͤthe,
Richt einſt ein danckbar Hertze haben?
Bluh-
Bluhmen-Schrift.
Bluhmen-Schrift.
Wie wir es wircklich hoch mit vielen Kuͤnſten treiben;
So hat man eine Art, uͤm unbekannt zu ſchreiben,
Recht Kunſt- und Sinn-reich ausgefunden.
Man zeichnet Bluhmen recht nach Schilderer Manier,
An ſtat der Lettern, auf Papier,
Als waͤren ſie in einem Crantz gebunden.
Wer nun den Schluͤſſel hat, kann alſobald erſehn,
Nachdem ſie bey einander ſtehn,
Was ſie fuͤr Worte deuten ſollen:
Weil iede Bluhm’ und iedes Blat
Das Zeichen einer Letter hat,
So wie man ſie bezeichnen wollen.
Auf dieſe Weiſe kann man leſen,
Was ſonſt unleſerlich geweſen.
Mich deucht, es ſey im Buche dieſer Welt,
Bald hie, bald dort
Dergleichen Schrift uns vorgeſtellt.
An einem ieden Ort
Legt ein bebluͤhmtes Garten-Feld
Dergleichen Schrift uns vor die Augen.
Ach moͤgte man es doch recht zu entzieffern taugen!
Zuweilen kommt es mir
Nicht anders fuͤr,
Als waͤr von mir der Schluͤſſel ausgefunden.
Wenn ich von unterſchiednen Nahmen
Der Bluhmen, welche ſie (wer weiß, ob ungefehr)
Einft uͤberkamen,
Die erſten Lettern nehm’, und fuͤge;
So
Bluhmen-Schrift.
So ſcheint es, daß darin was ſonderliches liege,
Woran ich wenigſtens mich recht vergnuͤge:
Goldlacken hat ein G;
Die Oſter-Bluhm’ ein O; die Tulipan ein T;
Der letztern ſetz ich zwey: ſo iſt der Nahm zu leſen
Von dem allgegenwaͤrtgen Weſen.
Jonquillen, Sammet-Bluhm und Thlaspi zeigen
Mir drauf das Woͤrtchen IST, gantz eigen.
Wenn ich Gentianell zu einer Roſe binde,
Orangen-Bluͤhte nebſt Salbey,
So deucht mich, daß ich voller Klarheit,
Als eine unleugbare Wahrheit,
Dieß: GOTT IST GROS, drin finde.
Formirete man ſich dergleichen Zeichen mir,
Wie alle Lettern ja ſonſt nichts, als Zeichen, ſeyn;
So wuͤrden wir vielleicht im Buche der Natur,
Von dem allgegenwaͤrtgen Weſen,
Und Seiner Allmacht Licht und Schein,
Gar bald viel Wunder lernen leſen.
Sprichſt du vielleicht: es braucht es dieſes nicht:
Es macht mir iedes Koͤrnchen Sand
Dieß: GOtt Jſt Groß, weit kuͤrtzer noch bekannt;
So lob’ ich deinen Unterricht,
Und find’ ich allerdings auch von der Gottheit, Spuhren
Jn deinen Abbreviaturen.
Danck-
Danck-Gedancken.
Danck-Gedancken.
Mein GOTT! die neu-bebluͤhmte Welt,
(Jn deren wunderbaren Pracht
Du uns die Groͤſſe Deiner Macht,
Und Deiner Liebe, vorgeſtellt,)
Erregt mein wallendes Gebluͤte.
Des Himmels rein- und heitres Licht
Erheitert mein vergnuͤgt Geſicht,
Belebt mein ſchlaͤffriges Gemuͤthe.
Da dieſe holde Fruͤhlings-Zeit
Mit Gras und Kraͤutern unſre Felder,
Mit Fruͤcht’ und Blaͤttern Baͤum’ und Waͤlder,
Der Thier’ und Menſchen Blut mit reger Fruchtbarkeit
So ſchmuͤckt, als fuͤllt; ſollt’ unſern Seelen
Es denn allein am Trieb’, auch ſich zu ſchmuͤcken, fehlen?
Und ſollten ſie allein auf Erden
Unfruchtbar ſeyn? Geliebte Menſchen, nein!
Laſſt uns zu dieſer Zeit nicht minder
Sie, ſchoͤn zu ſchmuͤcken, nicht allein,
Auch zu vermehren, ſorgſam werden!
Gedancken ſind der Seelen Kinder:
So laſſt die Seelen ſich bemuͤhn
Auch ſchoͤne Kinderchen zu ziehn.
Nun raͤumet mir vermuthlich ieder ein:
Daß Danck-Gedancken GOTT die liebſten Kinder ſeyn.
Sehen
Sehen zu GOttes Ehren.
Sehen zu GOttes Ehren.
Ach ſchauet, wie im lauen Lentzen,
Die reine Lufft, die bunten Felder,
Die blaue Fluth, die gruͤnen Waͤlder,
Zu ihres Schoͤpfers Ehre, glaͤntzen!
Wird von euch dieſe Pracht, wird das bebluͤhmte Gruͤn,
Das ietzt Lufft, Fluth und Erde ſchmuͤcket,
Nur mit Empfindlichkeit von euch ietzt angeblicket;
So preiſet ihr ſchon GOtt, ſo ruͤhmt und ehrt ihr Jhn.
Der
Der Stengel.
Der Stengel.
Bewundre, lieber Menſch, mit mir
Die ſchlancke, riſch- und glatte Zier
Nur bloß vom Stengel einer Bluhme!
Mich deucht, daß, unſerm GOTT zum Ruhme,
Jch viel verwunderlichs iu deſſen Laͤng’ und Ruͤnde,
Die beide ſonder Fehler, finde.
Es ſtreckt ein Stengel ſich recht nach der Linie,
(Nur daß er oberwerts, zu groͤſſrer Zierlichkeit,
Ein wenig ſich verduͤnnet) in die Hoͤh,
Gleich einer wol geformten Seule.
Die biegſame Beſchaffenheit,
Das ſchlancke Weſen ihrer Theile,
Erhaͤlt ſie, daß auch ſtarcke Winde
Sie nicht zerknicken,
Nicht zerſtuͤcken.
So nuͤtzt nicht weniger die vollenkommne Ruͤnde
Dazu, daß nichts ſich an ſie ſetzen,
Nichts an ſie hafften, ſie verletzen,
Und Feuchtigkeit ſie nicht zur Faͤulniß bringen kann.
Abſonderlich ſeh ich die Stell’ erſtaunet an,
Woſelbſt die Bluhme ſich mit ihm verbindet,
Jndem man kein Gelenck, wie ſehr man ſuchet, findet,
Durch welche ſie verknuͤpft. Wer faſſt, auf welche Weiſe
Die Blaͤtter, deren Zahl meiſt ſechs in einem Kreiſe,
So ſchnell daſelbſt entſtehn?
Wer faſſet, wie es moͤglich ſey,
Daß ein ſo ſchoͤnes Gruͤn daſelbſt in roth, in weiß,
Jn gelb, in blau, und in ſo mancherley
Auf
Der Stengel.
Auf einmahl ſich verkehre?
Kein Menſch. Und eben dieß gereichet GOTT zur Ehre.
Der Menſchen Einfalt ſelbſt erhebt des Schoͤpfers Preis:
Sie zeigt uns unſer Nichts, und unſers GOttes Groͤſſe,
Des Schoͤpfers Majeſtaͤt, und unſers Geiſtes Bloͤſſe.
Erkennt denn einen GOtt in dieſem Wunder-Wercke,
Und lobt, in eurer Luſt, Deſſelben Lieb und Staͤrcke.
Wann nun den nahen GOtt euch gar der Stengel zeiget,
So huͤtet euch, verblendet das Geſicht,
So gar bey aller Pracht der ſchoͤnen Bluhmen, nicht.
Und ſeid doch kuͤnftighin, mehr als bisher, geneiget,
Durch euer eigenes Vergnuͤgen
An Seinem Werck’, euch ſelbſt zu Jhm zu fuͤgen!
DAber-
Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
Abermahlige Erinnerung der
Bluhmen.
Mich deucht, daß ich Jonquillen, Roſen, Nelcken,
Nebſt vielen andern Bluhmen mehr,
So mich, als euch, aufs neu ermahnen hoͤr:
Laß uns, geliebter Menſch, nicht ungebraucht verwelcken.
Es faͤrbt und formt uns ja kein blindes ungefehr.
Seid doch, mehr als ihr pflegt, uns anzuſehn gefliſſen!
Jhr koͤnnt, in unſrer Pracht,
Die Hand des Schoͤpffers gleichſam kuͤſſen,
Die uns ſo Wunder-ſchoͤn gemacht.
Jhr kuͤſſet ſie, wann ihr gedencket,
Daß Er uns euch, aus Liebe, ſchencket;
Und zwar nicht nur zur Luſt der Augen;
Aus unſerm Geiſt kann euer Geiſt zugleich
Der Luſt und Audacht Honig ſaugen.
Ach riechet denn! ergetzet euch!
Erfuͤllt die ausgedehnte Bruſt,
Und das Gehirn mit einer Luſt,
Die, wenn ihr nur daran gedencket,
Den Geiſt, zuſammt dem Coͤrper, traͤncket;
Ja, die zugleich dem Schoͤpfer aller Welt,
Aus Lieb’, als wie ein Dienſt, gefaͤllt.
Das riechen iſt dem ſeufzen gleich:
Ach! ſo begleitet und verbindet
(Wenn
Abermahlige Erinnerung der Bluhmen.
(Wenn ihr an Anmuth uns ſo reich,
So voller Lebens-Balſam findet)
Die Lufft, die durch uns balſamiret,
Die Lufft, die euer Hertz geruͤhret,
Wann ihr ſie von euch blaſet, nur
Mit einem GOTT ſey Danck! Nicht mehr
Verlangt der HERR der Creatur.
So ſeufzet ihr zu GOTTES Ehr.
D 2Be-
Betrachtung der Voͤgel.
Betrachtung der Voͤgel.
Nach dem ich mancherley Geſchoͤpfe ſchon beſchrieben,
Kann ich nicht laͤnger widerſtehn
Der Neigung, die mich laͤngſt getrieben,
Von allen Thieren, die ſo ſchoͤn,
Die ſchoͤnſt- und zierlichſten, die Voͤgel, zu beſehn;
Um in derſelben Bau, Geſchwindigkeit und Pracht,
Die Wunder Des, der ſie gemacht,
Mit tauſend Freuden zu beſingen.
Ach! laß, was ich von ihrem Heer,
Zu Deines Nahmens Preiſ’ und Ehr,
O Schoͤpffer, ſchreibe, wol gelingen!
Befiedertes Geſchoͤpff, das mit geſchwinden Schwingen
Bald in der duͤnnen Lufft, und bald in dicken Waͤldern,
Auf hohen Zweigen bald, und bald in flachen Feldern,
Bald ſchwebt, bald huͤpfft, bald ſpringt, bald fliegt,
Und das mit ſchweben, huͤpffen, ſpringen,
Mit raſchem fliegen, hellem ſingen,
Sowol ſich ſelbſt, als uns vergnuͤgt;
Du zeigeſt der Vernunft, die dich betrachtet,
Und auf dein ſonderlich gebildet Weſen achtet,
Ein neues Feld voll Wunder, voller Macht,
Und voller Weisheit Des, der dich hervor gebracht.
Wie Bluhmen fuͤr die Naſ’, und gleichfalls fuͤrs Geſicht,
Bewunderns-wuͤrdig zugericht’t;
So ſcheint der Voͤgel Schaar fuͤr Augen und fuͤr Ohren
Recht eigentlich erſchaffen und erkohren.
Wer
Betrachtung der Voͤgel.
Wer kann die zierliche Figur,
Der Farben Glantz, dein ſchnell Gefieder,
Die Hurtigkeit der leichten Glieder,
Bewunderns-wehrte Creatur,
Ohn’ Anmuth, ohne Freude ſehn?
Wann ſie ſich ſchnell durch duͤnne Luͤffte ſchwingen,
Recht wie ein Pfeil durch dichte Blaͤtter dringen;
Wann ſie behend und raſch von Zweig zu Zweigen ſpringen,
Mit ſchlanckem Halſ’ ihr kleines Koͤpffchen drehn,
Durch Straͤucher ſchlupffen, ſchweben, fliegen,
Mit ſchwancken Zweigen ſich bald auf-bald abwaͤrts wiegen;
Bald auf ein ſteiffer Aeſtchen ſetzen,
Jhr Schnaͤbelchen von beiden Seiten wetzen,
Bald vor-bald hinterwaͤrts bald huͤpffen, und bald ſtehn,
Bald an ein kleines Zweiglein hangen,
Bald eine Flieg’ im Fluge fangen;
Sich ietzt in dick verwachſne Hecken,
Mit ſchwirrendem Gepfeiff, verſtecken;
Behende wiederuͤm erſcheinen, und von neuen
Mit tzwitſcherndem Geraͤuſch und tauſend Gauckeleyen
So Aug’ als Ohr erfreuen.
Wann, ſag’ ich, dieß ihr fluͤchtig Weſen
Ein auch nicht aufgeraͤumt Gemuͤth,
Mit aufmerckſamen Ohr- und Blicken, hoͤrt und ſieht,
Wird es von ſeinem Gram geneſen.
Es wird der Voͤgel Munterkeit.
Jhr frohes huͤpffen, ſchertzen, ſpringen,
Jhr helles, Sorgen-freyes ſingen,
Faſt wider ſeinen Willen, ihn
Aus ſeiner tieffen Schwehrmuth ziehn.
D 3Zu-
Betrachtung der Voͤgel.
Zumahl wann er dabey gedencket,
Daß, Der den Voͤgeln Nahrung ſchencket,
Fuͤr ihn auch, hier auf dieſer Erde,
Schon fuͤr die Nothdurft ſorgen werde.
Ach moͤgt’ auf dieſe Weiſ’ ein iedes Voͤgelein,
Mein Leſer, dir und mir ein lehrend Beyſpiel ſeyn!
Erweget ferner noch, geliebte Menſchen, hier
Der Voͤgel Form und Flug mit mir.
Der kleine Coͤrper iſt faſt einem Schiffchen gleich,
Woran der Schwantz das Steur, die Fluͤgel Ruder ſind.
Mit dieſen theilen ſie den Wind,
Und ſchwimmen durch der Luͤffte Reich.
Dieß Flug-Werck zeiget uns ſo viele Wunder an,
Daß man das Werck-Zeug nie genug bewundern kann.
Daß ſie die Fluͤgel nicht von forn-nach hinten biegen,
Wie man die Ruder braucht; wol aber, wann ſie fliegen,
Von oben unterwaͤrts, iſt zu bewundern wehrt:
Weil ſie dadurch nicht nur die duͤnnen Luͤffte ſpalten,
Nein, auch zugleich dadurch ſich in der Hoͤhe halten.
Damit ſie weniger in ihrer Fahrt beſchwehrt,
Hat ihnen die Natur, uͤm fertiger zu ſchweben,
Der Fluͤgel untern Theil recht ausgehoͤhlt gegeben,
Den obern aber rund, und halb gewoͤlbt, formirt;
Damit ſie oberwaͤrts leicht durch die Lufft gefuͤhrt,
Und ohne Wiederſtand ſich fertig aufwaͤrts ziehn,
Hingegen unterwaͤrts viel Lufft zuſammen faſſen,
Und dadurch von der Lufft ſich koͤnnten tragen laſſen.
Das kleinſte Theil iſt nur am Coͤrper feſt,
Wodurch er ſich noch ſtaͤrcker ſchwingen laͤſſt.
Betrachten wir der Fittigen Figur,
Krafft, Weſen und Gebrauch, mein GOtt! wie zeiget ſich
Jn
Betrachtung der Voͤgel.
Jn dieſem Werck-Zeug die Natur
So kuͤnſt- und ſo verwunderlich!
Sie muͤſſen leicht ſeyn, ſteiff und weich,
Damit der Vogel koͤnnte fliegen;
Und ſie ſind leicht, und ſteiff, und weich zugleich:
Weich ſind ſie, damit ſie ſich biegen;
Steiff, durch der Federn duͤnn’ und hoͤrnicht Weſen,
Das recht mit groſſem Fleiß zu dieſem Werck erleſen;
Weil deſſen Dehnungs-Krafft die Eigenſchafft ihr bringt,
Daß ſie von ſelbſt gerade wieder ſpringt.
Damit ſie |auch im Flug den Vogel nicht beſchweren,
So ſind ſie leicht durch ihre hole Roͤhren.
An einem ieden Feder-Kiel
Erblicket man unzehlig viel
Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen,
Die Schuppen-weiſ’ in ſich vereinet ſitzen;
Wodurch die Lufft ſich nicht vermag zu drengen,
So daß ſie in der Lufft dadurch bequemer haͤngen.
Jn iedem Zaͤſerchen, wenn man es wol beachtet,
Und durch ein Groͤßrungs-Glas daſſelbige betrachtet,
Trifft man,
Mit faſt erſtauntem Aug’, ein’ eigne Feder an,
Die ja ſo ſchoͤn gebildet und formirt.
Sie iſt mit ja ſo vielen Ecken,
Als ihre Mutter ſelbſt, geziert.
Was koͤnnen wir fuͤr Wunder mehr entdecken,
Wann wir, auf welche Art die Voͤgel gehen, ſtehn,
Und auf den Zweigen ſitzen, ſehn.
Es ſind drey Biegungen an iedem Bein zu finden,
Die ſich mit einer Nerv’ auf ſolche Art verbinden,
D 4Daß,
Betrachtung der Voͤgel.
Daß, da gedachte Nerv’ uͤm alle die drey Glieder,
Von oben ab hernieder
Bis uͤm und in die Zehe geht,
Sobald ein Vogel-Fuß gerade ſteht,
Die Zehe ſich bequem verbreiten,
Und aus einander ſpreiten.
Wann aber ſich das Bein mit ſeinen Gliedern kruͤmmt,
Die Nerve ſich einfolglich dehnen muß;
So ziehet er den gantzen Fuß,
Nebſt allen Zehen, feſt zuſammen:
Wodurch der Vogel denn verſchiedne Vortheil nimmt,
Die all’ aus dieſem Grunde ſtammen.
Da nicht allein ein Vogel, welcher ſchwimmt,
Ohn ein ſo kuͤnſtliches Zuſammenziehn,
Jndem das Waſſer forn ihm widerſtehen wuͤrde,
Um fort zu gehn ſich wuͤrd’ uͤmſonſt bemuͤhn;
Nein, ſondern auch an Voͤgeln, ſo auf Spitzen,
Und auf der Baͤume Zweigen ſitzen,
Sind eben, weil die Beine krumm gebogen,
Durch die gedehnte Nerv, die Zehe krumm gezogen;
So daß dadurch der Aſt,
Durch ihres Coͤrpers eigne Laſt,
So feſt beklemmt wird, und uͤmfaſſt,
Daß, auch ſo gar im Schlaff, und gegen Sturm und Wind,
Fuͤr Sturtz und Fall ſie ſicher ſind.
Laß ſolche Wunder doch, o Menſch, nicht aus der Acht,
Betrachte ſie, und ruͤhm’ in ihnen Deſſen Macht,
Der alle Ding’ hervor gebracht.
Wann wir nun ferner uͤberlegen,
Und, in der Voͤgel Reich’, erwegen
Den
Betrachtung der Voͤgel.
Den wunderbaren Unterſcheid
An Groͤſſe, Zier, Beſchaffenheit,
Veraͤndrung, Farben, und Figur,
Flug, Nahrung, Wohnung und Natur;
Erſtaunen wir mit Recht, weil ſie faſt nicht zu zehlen.
Doch theilet man ſie insgemein
Jn Waſſer-Feld-Haus-Raub- und Singe-Voͤgel ein,
Wovon wir denn fuͤr ietzt nur bloß die letzten wehlen.
Wann uns in holder Fruͤhlings-Zeit,
Bey reiner Lufft und heiterm Wetter,
Ein juͤngſt begruͤnter Wald zwar Millionen Blaͤtter,
Doch noch mehr Luſt und Lieblichkeit
Jn ſeinem gruͤnen Schatten zeiget;
Wann von der kleinen Saͤnger Schaar
So mancher Zweig, bald hier bald dar,
Sich durch den ſchnellen Flug, und frohes Huͤpffen, beuget,
Erfuͤllt ihr Lieder-reicher Chor
Und helles Gurgeln Luft und Ohr,
So daß vom locken, ſchlagen, ſingen
Und zwitſcherndem Geraͤuſch, ſo Berg als Thal erklingen.
Wie lieblich muſicirt, und ſinget, GOtt zum Preiſe,
Der Stieglitz, Emmerling, der Haͤnfling und die Meiſe,
Das Zeischen und der Finck, zumahl die Nachtigall,
Wann ſie, mit hellerm Thon, und weit geſchaͤrfftern Schall,
Durchs zwitſchernde Geraͤuſch ſo vieler Saͤnger dringet,
Und kuͤnſtlicher, als alle, ſinget!
Waruͤm nun glaͤuben wir, daß ſich das kleine Heer,
Mit ſolch unzehligen Veraͤndrung- und Manieren,
So lieblich, angenehm und fuͤß zu muſiciren,
Mit ſolchem Fleiß beſtreb’? Jſt es ein Ungefehr,
D 5Daß
Betrachtung der Voͤgel.
Daß ſie ſo ſingen heiſſt? Ach nein!
Wo wir vernuͤnftig ſeyn,
So kann man ja wol anders nicht gedencken,
Als daß der groſſe Schoͤpfer ihnen,
Um Jhm, auf ihre Art, zu Seiner Ehr zu dienen,
Und auch zugleich uns mit dahin zu lencken,
Die Werck-Zeug, Faͤhigkeit, und Luſt dazu zu ſchencken,
Sie wehrt gehalten hat. Es kommt mir vor,
Als ob der kleinen Saͤnger Chor,
Damit er Dem Lob, Preis und Ehre gebe,
Durch den allein die Waͤlder gruͤnen,
Dem alle Creaturen dienen,
So ſuͤß zu ſingen ſich beſtrebe.
Mich deucht, kann ich gleich nicht der Voͤgel Sprach’ er-
gruͤnden,
Jn ihrem ſingen dieß zu finden:
„Es iſt bloß Deine Gnad’ allein,
„O HERR, daß wir erſchaffen ſeyn.
„Wir koͤnnen an des Fruͤhlings Schaͤtzen
„Und Lieblichkeiten uns ergetzen.
„Unzehlig ſind die Wunder, die die Welt,
„Zu unſrer Aumuth, in ſich haͤlt.
„Mit wie ſo mancher Freud’ und Wonne,
„Mit wie viel Lieblichkeit und Luſt
„Erfuͤllet unſre kleine Bruſt
„Der Waͤrm- und Strahlen Quell, die Sonne!
„Wie ſchoͤn, wie Wunder-ſchoͤn
„Sind Erd und Himmel anzuſehn!
„Daß wir ſo ſchnell die Schwingen regen,
„So fert- und hurtig uns bewegen,
„Jſt einzig uns von Dir verliehn.
„So
Betrachtung der Voͤgel.
„So wollen wir auch, Dich zu Ehren,
„Und Preis, und Ruhm, und Danck Dir zu gewaͤhren,
„Mit allen Kraͤfften uns bemuͤhn.
„Und weil wir denn von allen Gaben
„Nichts edlers, als die Stimmen, haben,
„So laſſen wir ſie denn ohn Unterlaß erklingen.
„Wir koͤnnen zwar, o Schoͤpfer, Deine Macht
„Und Majeſtaͤt in Deiner Wercke Pracht
„Nicht nach Verdienſt erhoͤhen und beſingen,
„Noch Deiner Wunder Meng’ erzehlen:
„Doch koͤnnen wir vielleicht mit unſrer kleinen Kehlen
„Bewunderns-wehrten Lieblichkeiten,
„Vollkommnere Geſchoͤpf’ als wir,
„Nebſt uns, zur Luſt und Andacht leiten.
Ja, ja! ſo ſingen ſie, ob wirs gleich nicht verſtehn,
Und wenn ſie den Geſang auch ſelber nicht verſtuͤnden;
So ſollten wir dennoch, die wir viel weiter ſehn,
Den Jnhalt ihrer Lieder finden,
Uns, durch empfundne Luſt, zu ihrem Schoͤpfer lencken,
Und Seinen Ruhm ſtets zu vermehren dencken:
Da uns die Lieblichkeit der ſuͤſſen Stimmen ruͤhrt,
Und uns recht in die Seele dringet;
Wodurch, indem ſie uns mit Recht zum Schoͤpfer fuͤhrt,
Danck, Ehr-Furcht, Lieb’ und Lob aus unſrer Luſt ent-
ſpringet;
So laſſt uns doch nicht minder uns bemuͤhn,
Durch unſre Luſt an unſers Schoͤpfers Wercken,
Auch edlere Geſchoͤpf zu Seinem Ruhm zu ziehn,
Und Engeln, oder ſeelgen Seelen,
Auch unſre Freude nicht verhehlen:
Wann ſie in unſerm Lob-Gethoͤn,
Ein
Betrachtung der Voͤgel.
Ein durch die Creatur geruͤhrtes Hertze mercken;
Wann ſie, bey unſerer Betrachtung, ſehn
Ein ſehnend Aug’ und froͤhliche Geberden,
Und durch dieſelbigen von der in unſrer Bruſt
Gefuͤhlten innern Luſt
Geruͤhrt und uͤberfuͤhret werden;
So kann gewiß das helle ſchallen
Der Lieder-reichen Nachtigallen
Der Menſchen Ohr ſo ſehr nicht ruͤhren, und gefallen,
Als ſtille Seufzer, frohe Minen,
Die ein betrachtetes Geſchoͤpf
Jn uns erreget, ihnen
Vergnuͤgen, Anmuth und Ergetzen
Erregen muß, und ſie noch mehr und mehr
Zu ihres Schoͤpfers Preis und Ehr,
Jn eine ſeelge Freude ſetzen.
Wer wollte denn nicht gern,
Bey ſo viel ſelbſt gefuͤhlter Luſt,
So gar der Engel Luſt, und aller Engel HErrn
Lob, Ehr und Preis, zu mehren, zu erheben,
Lobſingend ſich beftreben?
Wer wollte nicht, wie uns die Voͤgel hier auf Erden,
So ihnen dazu gern ein klingend Werck-Zeug werden?
Die
Die Kaiſer-Crone.
Die Kaiſer-Crone.
B. Wer ſetzte deinen hohen Throu,
O praͤchtig-ſchoͤne Kaiſer-Cron’,
Allhier ſo nah am Roſen-Strauch?
Da ja der Dornen ſtarre Spitzen,
An ſtat denſelbigen zu ſtuͤtzen,
An ſtat die Blaͤtter zu beſchuͤtzen,
Dir deine Blaͤtter gantz zerritzen?
K. So wie du denckeſt, denck ich auch.
Jch meint’, in ſtetigem Vergnuͤgen.
Auf friſchen Roſen ſanft zu liegen:
So aber reibet Eurus Hauch
Mich an die Dornen, ehe noch
Die Roſen aus den Knoſpen brechen;
Wodurch ſie denn ſo manches Loch
Jn mich und meinen Purpur ſtechen,
Jhr Herrſcher, die ihr Cronen tragt,
Laſſt, was der Bluhmen Crone ſagt,
Auch euch zur Lehr’ ans Hertze gehen,
Jndem der allermeiſten Cronen
Auch noch ſo feſt gegruͤndte Thronen
Beym Roſen-Strauch gepflantzet ſtehen.
Noch
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Noch andere Fruͤhlings-Gedancken.
Jetzt gebaͤhren alle Zweige junge Blaͤtter ohne Zahl.
Die ernehret und vergroͤſſert der erwaͤrm’nde Son-
nen-Strahl.
Dieſe kleine Blaͤtter bringen dem Geſicht ſchon eine Frucht,
Das derſelben Zart- und Schoͤnheit aͤmſig zu betrachten ſucht.
Nichts iſt angenehm- und ſuͤſſer, als wenn das entwoͤlckte
Licht
Durch dieß liebliche Gewebe, mit gefaͤrbtem Schimmer,
bricht,
Und wir denn, von unten auf, durch ſie, als durch gruͤne Netze,
Helle Wolcken, ſchlancke Zweige, auch, wenn wir erhaben
ſtehn,
Gleichfalls durch ſie unterwaͤrts viele ſchoͤne Fruͤhlings-
Schaͤtze,
Dunckle Kraͤnter, Gras und Bluhmen durch ihr gelbes gruͤ-
ne ſehn.
Liebſter GOTT! welch ein Gemiſch von vergnuͤglichen
Figuren,
Und von angenehmen Farben, treffen wir im Fruͤhling an!
Keiner lebt, der alle Pracht Deiner ſchoͤnen Creaturen,
Und derſelben Nutz und Ordnung zehlen und erzehlen kann.
Groſſer Schoͤpffer! moͤgten doch ſolche Lieb- und Herrlich-
keiten,
Uns zu Dir, Quell aller Dinge, Urſprung der Vollkommen-
heiten,
Durch die Luſt, zur Danckbarkeit, und zu wahrer Andacht
leiten!
Naͤhere
Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Wie wunderbar iſt doch der Bau
So wol von Zaͤrtlichkeit, als Farben und Figur,
Den ich von Fingern der Natur
Jn einer Kirſchen-Bluͤht, die ſich erſt oͤffnet, ſchau!
Erſt ſeh’ ich Blaͤtter-Knoſpen-Spitzen
Umringt von Trage-Knoſpen, ſitzen.
Die letztern, welche rund, ſind erſtlich glatt und gruͤn.
Die braune Haut, die, uͤm ſie vor Gefahr
Zu ſchuͤtzen, feſt und holtzig war,
Eroͤffnet ſich, und zeigt zwey auch noch harte Blaͤtter,
Die rund und hohl, und gantz voll zarter Spitzen,
Und rauher Zaͤſer ſind;
Um ihr ſo zartes Kind,
Als wie mit einem Peltz, zu ſchuͤtzen.
Darauf erblickt man drey, die ſonderlich formitt,
Jndem ſie obenwaͤrts recht in der Mitten,
Als waͤren ſie mit Fleiß ſo zierlich eingeſchnitten,
Sich theilen, da ſie denn ein eignes Spitzgen ziert.
Nachher ſind, aus dermaſſen ſchoͤn,
Drey ſchmale Blaͤtterchen zu ſehn,
Die unſer’ Augen recht erfriſchen,
Wann ſie ein zaͤrtlich roth zu ihrem gruͤnen miſchen,
Abſonderlich,
Da ſelbe ſich,
Zumahl in hellen Sonnen-Strahlen,
Zugleich mit zartem gelben mahlen.
Bis endlich man die Bluhmen ſelbſt, bey drey,
Bey vier bis fuͤnf, doch ſelten nur bey zwey,
Jn
Naͤhere Betrachtung der Kirſch-Bluͤthe.
Jn gleichfalls roͤthlich gruͤner Haut
Noch einmahl eingeſchloſſen ſchaut.
Wann dieſe nun bey lauem Wetter,
Sich in fuͤnf Blaͤtterchen zertheilt,
Dann werden allererſt der Bluhmen rechte Blaͤtter,
Die ein faſt blendend weiſſ- und heller Schimmer ſchmuͤckt,
Jn einem holden Glantz erblickt.
Die oͤffnen ſich darauf, bey lauer Lufft,
Und zwar in ſolcher Meng, an allen Ecken,
Daß ſie, recht wie ein weiſſer Dufft.
Die ſchlancken Zweig’ uͤmgeben und verdecken.
Wenn ſo dann der Augen-Strahl
Durch die ungezehlte Zahl
Bluhmen-reicher Zweige ſtreichet,
Und von holder Kirſchen-Bluͤht,
(Die Violen Matronal,
Wann ſie ſich geoͤffnet, gleichet)
Millionen auf einmahl
Jn ſo weiſſem Lichte ſieht,
Deren iegliche verdienet,
Um der Form und Farben Schein,
Stunden lang beſehn zu ſeyn;
Ruͤhmt die Seel in ihrer Freude,
Fuͤr die Luſt und Augen-Weide,
Den, der aller Dinge Pracht
Durch ein einzigs Wort gemacht.
Mond-
Mond-Schein.
Mond-Schein.
Jch hatte juͤngſt, des holden Fruͤhlings-Pracht,
Wie alles auf der Welt ſo ſchoͤn, ſo Wunder-ſchoͤn,
Zum Ruhm des Schoͤpfers, anzuſehn,
Den gantzen Nachmittag vergnuͤglich zugebracht.
Bald wechſelten in meiner Bruſt
Betrachtung, Andacht, Lob und Luſt,
Und bald vereinten ſich dieſelben ſo in mir,
Daß mir unmoͤglich faͤllt, den frohen Stand der Seelen,
Worin Empfindlichkeit und Danck-Begier,
Auch ungezehlte ſuͤſſe Triebe
Von Freud, Erkenntlichkeit und Liebe,
Halb ſelig walleten, umſtaͤndlich zu erzehlen.
Der Abend kam, ſo bald der guͤldne Glantz
Des Sonnen-Lichts nicht mehr zu ſehen war,
Mit ſeiner ſanften Schatten-Schaar,
Gemach gemach heran:
Doch war der Schein nicht gantz
Vergangen und dahin, der Schatten auch noch nicht
Gantz ausgedehnt und ſchwartz, vielmehr ſchien Nacht und
Licht
Jn einem ſanften Grad vereint. Hieraus entſprung
Ein’ allgemeine rein’ und helle Daͤmmerung,
Voll Kuͤhlung, Still’ und Luſt; als ich, von ungefehr,
An eines Grabens klarer Fluth,
Auf welcher theils des Himmels heitrer Schein,
Und theils ein Wiederſchein von hohen Baͤumen ruht,
EMit
Mond-Schein.
Mit ſanften Schritten hin und her
Vergnuͤgt ſpatzieren gieng. Jch kunte mich nicht ſatt
An dieſem Erd- und Himmel-Spiegel ſehn.
Unglaublich eben, ſtill und glatt
War die Cryſtallen-gleiche Flaͤche.
Der Abend-Roͤthe Reſt ſchien faſt in groͤſſrer Schwaͤche
Am Himmel, als auf ihr: unglaublich rein und ſchoͤn
War Weſten-waͤrts die lichte Heiterkeit
Am Firmament, im Waſſer auch, zu ſehn.
Zur Seiten kam ein Wiederſchein
Von einem lieblichen Gebuͤſch, von Binſen und von Rohr,
Mir in natuͤrlichſter Vollkommenheit,
Als waͤr’ es alles doppelt, vor.
Abſonderlich nahm ein faſt wahrer Schein
Von dicken Wipfeln hoher Linden,
Die an dem fetten Strand ſich da gepflantzet finden,
Mit einem duncklen Schmuck das klare Waſſer ein.
Jch hatte meine Luſt, die Gleichheit dieſer Schatten,
Die ſie, im Wiederſchein, mit ihrem Urbild hatten,
Bewundernd anzuſehn. Allein,
Wie ſtutzt’ ich, als mein Blick, bey meinem ſanften
Schritte,
Auf dieſer glatten Bahn gemaͤchlich vor ſich glitte,
Und ich, ohn uͤberwaͤrts zu ſehn,
Den hellen Mond, in vollem Licht’,
An einem gruͤnen Himmel fand.
Noch
Mond-Schein.
Noch mehr: Mir fiel zugleich noch einer ins Geſicht,
Und zwar der wahre Mond, der eben uͤbers Haupt
Der Baͤume, die ſo dicht belaubt,
Hervor trat, und am blauen Himmel ſtand.
Unglaublich iſt, wie ſehr mich dieſer Anblick ruͤhrte;
Und unbeſchreiblich iſt die Luſt,
Die ich darob in meiner Bruſt,
Und meinem gantzen Weſen, ſpuͤhrte.
Der reine Glantz ſo ſchoͤner Lichter drang,
Bey der ſo ſuͤſſen Abend-Stille,
Und kuͤhler Heiterkeit, mit einer rechten Fuͤlle
Von Anmuth, mir ins Hertz, daß ich, halb auſſer mir,
Ob aller Creaturen Zier,
Dem Schoͤpfer dieß zu Ehren ſang:
O GOTT! du groſſer Wunder-GOTT,
Unendlichs All! HERR Zebaoth!
Regierer Himmels und der Erden!
Wie kann doch Deine Lieb’ und Macht
Und Weisheit recht beſungen werden!
Jch bete zwar in Deiner Wercke Pracht,
Voll heiliger Verwunderung, Dich an;
Doch weil Dich keiner recht verehren,
Dir dancken, noch Dir was vergelten kann,
So wolleſt Du anietzt mein bruͤnſtig Wuͤnſchen
hoͤren:
E 2Ach!
Mond-Schein.
Ach! laß die durch dein Werck erfuͤllte Seele
Dir HErr ſo angenehm, als wie die durch den Schein
Des Monds erfuͤllte Fluth mir angenehm iſt, ſeyn!
Und gieb ſo dann, daß ſie, in einer reinen Stille,
Stets mit der Creatur beliebter Pracht ſich fuͤlle!
Laß mich offt ihren Schmuck am gruͤnen Himmel
ſchauen,
Bis ich dereinſten dort im Blauen,
Dem wahren Licht ſo nah, wie hier dem fluͤchtgen
Schein,
Auch deine Wunder-Werck zu ſehn, mag faͤhig ſeyn!
Ach! laß zu dieſem Zweck mir offt die Fluth der Erden,
So wie es ietzt geſchicht, zum Himmels-Spiegel
werden!
Die
Die gelbe Roſe.
Die gelbe Roſe.
Es ſahe die Natur von ihren Meiſter-Stuͤcken
Der ſchoͤnſten eins, die Roſe, ſelbſt mit Luſt,
Doch auch zugleich mit truͤben Blicken,
Und Unvergnuͤgen an. Jhr war nicht unbewuſt,
Daß, ob ſie gleich, die Menſchen zu erquicken,
Die rothe Roſe ſelbſt gewehlt,
Und ſich bemuͤht, ſie praͤchtigſt auszuſchmuͤcken;
Sie dennoch ihres Zwecks verfehlt.
Denn, ſprach ſie, iedermann
Sieht Roſen, ja ſo wol, als andrer Bluhmen Pracht,
Mit, ſie nicht ſehnden, Augen an.
Sie zuͤrnte dennoch nicht: vielmehr war ſie bedacht,
Aus Lieb und Zaͤrtlichkeit, noch einmahl zu probiren,
Ob es, den kalten Sinn der Menſchen recht zu ruͤhren,
Denn gar nicht moͤglich ſey.
Sie fieng deswegen an auch weiſſe zu formiren,
Nachher auch Wein- und Eßig-Roſen,
Um, durch Veraͤnderung dem Auge liebzukoſen.
Allein es war und blieb ſtets einerley.
Zuletzt (da ihr nicht unbekannt,
Daß die Begierde, reich zu werden,
Der meiſten Menſchen Hertz auf Erden
Mit ſolcher heiſſen Gold-Sucht fuͤllt,
Daß ihrer Seelen Licht, der denckende Verſtand,
Dadurch ſo ſehr benebelt und verhuͤllt,
Daß, da er, GOTT zum Ruhm, die Welt betrachten
ſollt’,
E 3Er
Die gelbe Roſe.
Er alle Creatur, ſammt ihrem Schmuck, verachtet,
Und, blind fuͤr alles, nichts als Gold
Zu ſehn, und zu erlangen trachtet,)
Beſchloß ſie, ſich noch einmahl zu bemuͤhn,
Und, uͤm, durch dieſen Weg, ihn zu ſich her zu ziehn,
Die Roſen-Blaͤtter zu verguͤlden.
Man ſahe ſie demnach die gelbe Roſe bilden:
Ein neues Wunder, deſſen Pracht
Und Schein im ſolchem gelb- und ſchoͤnen Feuer gluͤhen,
Daß der faſt guͤldne Glantz Chryſanders Augen
Auf eine Zeitlang gar auf ſich zu ziehen,
Und durch den gelben Schein, ihn zu ergetzen taugen,
Zumahl er ein gedoppeltes Vergnuͤgen
Auf ihrer Blaͤtter Flaͤch’ erblickt,
Da auswaͤrts Cronen-Gold,
Und inwaͤrts (dem er noch am meiſten hold)
So gar Ducaten-Gold ſie ſchmuͤckt.
Allein, indem es nur gar kurtze Zeit
(Weil dieſes Gold nicht klang) mit ſeiner Freude waͤhrte,
Und er nicht die Natur, nicht ihren Schoͤpfer ehrte;
Schien ihr aufs neu ihr Unternehmen leid:
Und, aus gerechter Reu und bill’ger Traurigkeit,
Erweckt ſie einen Wurm, der dieſer Roſen Pracht,
Als wie ihr ſteter Feind, faſt ſtets zu nichte macht.
Daher man ſie denn ietzt gar ſelten recht geruͤndet,
Und in der lieblichen Vollkommenheit,
So wie vorher, nur ihrer wenig findet.
Mich deucht, daß ich hierin zugleich noch eine Lehre
Und fuͤr den Geitz ein ſchreckend Sinn-Bild finde.
Es
Die gelbe Roſe.
Es ſcheint, daß, wie der Geitz gar ſelten ſonder Suͤnde,
Er meiſtens einen Wurm auch im Gewiſſen naͤhre.
Damit ich aber auch, bey der Volkommenheit
Der gelben Roſe, die ich hier
Jn einer mehr als guͤldnen Zier,
(Denn ach! uͤm wie viel ſchoͤn- und guͤldner koͤmmt ſie
mir,
Als wie die guͤldne Roſ’, in Rom geweihet, fuͤr!)
Mit recht vergnuͤgten Blicken ſehe,
Jn den ſo zaͤhen Schlamm der Unempfindlichkeit,
Und der draus flieſſenden Undanckbarkeit nicht falle,
Wenn ich in meiner Luſt den Schoͤpfer nicht erhoͤhe;
So hoͤre, was ich Dir, vergnuͤgt, zu Ehren lalle,
O groſſer Schoͤpfer, gnaͤdig an:
Da wir, HERR, fuͤr Deine Gaben,
Durch Dich, eine Faͤhigkeit,
Jhre Vollenkommenheit
Anzuſehn, empfangen haben;
Ach ſo laß uns, Dir zu Ehren,
Dieſe Faͤhigkeit gebrauchen!
Laß im ſehen, laß im hoͤren
Unſer Andachts-Opfer rauchen!
Laß! o HERR, in unſrer Bruſt
Eine Flamme ſeel’ger Luft,
Und ein Freuden-Feur entbrennen:
Wenn wir immer mehr und mehr,
Jn Geſchoͤpfen, Dir zur Ehr,
Deine Lieb’ und Macht erkennen!
E 4Laß
Die gelbe Roſe.
Laß uns, ſtets der Tugend hold,
Und den Laſtern feind, an Schaͤtzen
Und am Bluhmen-Gold uns mehr,
Als am Gold, aus Geitz, ergetzen!
Zwar iſt auch das wahre Gold
Schoͤn, auch ſteckt in ihm ein Segen;
Wenn wir aber dieſes hier,
Als von Dir formiert, erwegen,
Und, in dieſer Bluhmen-Pracht,
Den, der ſie ſo ſchoͤn gemacht,
Mit vergnuͤgter Ehr-Furcht, ſehn,
Ehren, lieben, und erhoͤhn;
Steckt in ihr zu aller Zeit,
Als in einem goͤldnen Schacht,
Selbſt ein Gold der Seligkeit.
Die
Die Glocken-Bluhme.
Die Glocken-Bluhme.
Laß den und jenen nur von meinem Buche ſprechen,
Es ſey ein Kraͤuter-Buch: ich leid’ es williglich,
Und goͤnne iedem gern,
Daß er auf andre Weiſe ſich
Beſtrebe, GOTT den HERRN
Zu ruͤhmen, zu erhoͤh’n. Jch kann mich nicht entbrechen,
Zu des unendlichen liebreichen Schoͤpfers Ehr,
Jn meiner Luſt, von Bluhmen noch vielmehr,
Zum Ruhm Des, welcher ſie gemacht, hervor zu bringen,
Und Deſſen Allmacht, Lieb’ und Weisheit zu beſingen,
Der unerſchoͤpflich iſt an Reichthum vieler Kraͤffte.
Zumahl wenn, wie anietzt, da ich die Blicke heffte
Auf die ſonſt nicht gar viel geſchaͤtzte Glocken-Bluhme;
Mir faſt zugleich ein Luſt- und Andachts-Strahl
Durchs Auge, Dem der ſie formirt, zum Ruhme,
Jn meine Seele dringet;
So daß ſie ſich aufs neu zum groſſen Schoͤpfer ſchwinget,
Jndem mir, was an ihr ſo lieblich bluͤht und gruͤnt,
Zu einer neuen Sproſſe dient,
Wodurch ich zu Jhm aufwaͤrts ſteige.
Jndem ich Dir und mir in dieſer Creatur,
Die ſo verwunderlich, allein durch GOTT, formiert,
Allein durch Jhn ſo ſonderbar geziert,
Von Seiner Lieb und Macht die Spur
Zu mehrer Luſt, zu Seinem Ruhme zeige.
Wie ſonderlich iſt die Figur,
Geliebte Glocken-Bluhm, an dir zu ſehn!
E 5Fuͤr-
Die Glocken-Bluhme.
Fuͤrwahr man muß erſtaunt geſtehn,
Daß du an Bildung dich von allen unterſcheideſt.
Denn, ob du dich gleich auch in ſchoͤne Farbe kleideſt,
Und ich dich Purpur bald, bald Leib-farb und bald blau,
Bald Weiß, bald bunt gefaͤrbet, ſchau;
So uͤberſteigt die Form und ihre Seltenheit
Dennoch, wie ſchoͤn ſie gleich, der Farben Lieblichkeit.
Daß ſie den Glocken gleich, wovon ſie auch den Rah-
men
Deßhalben uͤberkamen,
Weiß ied er, aber das weiß ieder eben nicht,
Auf welche Weiſe die Natur
Die Glocken-foͤrmige Figur
Von ſolchen Blaͤttern zugericht’t,
Die dazu gantz nicht tauglich ſcheinen:
Die ſie iedoch ſo kuͤnſtlich zu vereinen,
So nett zu fuͤgen weiß,
Daß ihres groſſen Schoͤpfers Preis,
Wenn man ſie ſich vor Augen ſtellet,
Aus dieſer Bildungs-Kunſt recht ſonderlich erhellet.
Zwo Arten Blaͤtterchen, die gantz nicht gleich, for-
miren
Durch ihren Rang, der Bluhmen prangen,
Die am gebognen Stiel, als an gebognen Stangen,
Und die beweglich, abwaͤrts hangen:
Wodurch ſie leicht bewegt, leicht hin und her ſich ruͤhren.
Die eine Sorte gleicht, ſieht man ſie einzeln an,
Des Uberfluſſes Horn ſo voͤllig, daß man nicht
Leicht etwas gleichers finden kann.
Der-
Die Glocken-Bluhme.
Derſelben pflegen insgemein
Sechs, ſieben, auch wol acht, auch neun zu ſeyn,
Die in der Mitten feſt: in deren Ecken
Die, hinterwerts gekruͤmmt, ſich nach dem Stengel ſtre-
cken,
Und ſich zu aͤuſſerſt lieblich ruͤnden,
Wir einen ſuͤſſen Honig finden,
Der den Geſchmack, wann er die Zunge netzt,
So, wie der Bluhmen Pracht das Aug’, ergetzt.
Die andre Art von Blaͤttern, deren wir
Nie mehr als fuͤnfe ſehn, ſind lieblich zugeſpitzt;
Wo zwiſchen mehrentheils, in ordentlicher Zier,
Ein Paar der kleinen Hoͤrner ſitzt,
Die an dem Ort, wo ſie ſich fuͤgen,
Sich etwas einwaͤrts ziehn, dadurch entſteht das ſchmiegen.
Und weil ſie unterwaͤrts ſich wieder auswaͤrts biegen;
Entſteht auf dieſe Weiſe
Die Glocken-foͤrmige Geſtalt.
Wenn wir ſie trennen,
Und alle Hoͤrnerchen, das Suͤſſe draus zu ſaugen,
Aus dieſen Blaͤttern ziehn, ſo koͤnnen wir den Reſt,
Der noch am Stengel feſt,
Ein eignes Bluͤhmchen neunen.
Noch iſt mit Luſt
Des Saamens kuͤnſtliches Gehaͤuſe,
Als wie die Kleppelchen ſehr zierlich anzuſehn.
Ach! moͤgte doch in unſrer Bruſt
Hiedurch ein Andachts-Trieb entſtehn,
Den wunderbaren GOTT und Schoͤpfer zu erhoͤhn!
Es
Die Glocken-Bluhme.
Es kommt der holden Bluhmen Zier,
Zumahl verſchiedne groß, verſchiedne klein
Daran zu ſehen ſeyn,
Recht als ein Glocken-Spiel mir fuͤr,
Das ich, zu GOttes Preis und Ehre,
Manch Lob-Lieb ſpielen ſeh’, und durch das Auge hoͤre;
Denn ob uns gleich die Lufft den Thon zum Ohr nicht
fuͤhret,
So hindert dieſes dennoch nicht.
Es wird ein ſeuffzend Hertz, wenn gleich der Mund nicht
ſpricht,
Von unſerm GOTT verſpuͤhret.
Den Fuß von dieſer Bluhme decket
Ein wunder-ſchoͤn gefaͤrbt und nett formirtes Kraut,
Das ein vernuͤnftig Aug’ ohn Anmuth nimmer ſchaut,
Und welches ſich in holder Ruͤnde
Auf ſieben langen Zweigen ſtrecket,
Wodurch ich einen Buſch, der voller Anmuth, finde.
Es theilet ieder Zweig ſich wieder in drey Zweigen,
Und ieder wiederum in drey,
Die uns ein dreyfach Blat, das kuͤnſt- und lieblich, zeigen.
Die Bildung dieſes Krauts iſt aus der maſſen ſchoͤn
An ſeinen Ecken ausgeſchnitten.
Die Aederchen, die in der Blaͤtter Mitten
Recht lieblich durch einander gehn,
Fuͤllt ein licht-gruͤner Safft. Das dunckler gruͤne Blat
Jſt wie ein Tafft, ja wie ein Atlas, glatt.
Auf ſelben ſieht man mit Vergnuͤgen,
Als einen Thau, ein lieblich Blaues liegen,
Das
Die Glocken-Bluhme.
Das aber nicht am Blate feſt,
Nein, ſondern ſich verwiſchen laͤſſt.
Der Stiel iſt oberwaͤrts dem Purpur gleich,
Und an ſo ſanften Spitzen reich,
Daß ſelbſt der Serer Seide nicht
So zart, ſo weichlich zugericht’t.
Wer iſt nun, der begreiffen kann,
Wenn man auch allen Witz darauf verwendet,
Auf welche Weiſe da, wo ſich der Stengel endet,
Solch eine zierliche Figur entſtehen, ſich verbreiten,
Und ſich veraͤndern kann? Kein Menſch vermag zu faſſen
Die Urſach aller Zierlichkeiten;
Man muß es nur bloß beym bewundern laſſen.
Laſſt aber dieß uns doch zum Schoͤpfer leiten!
Reimarus, eine wahre Zier
So des Gymnaſii als unſrer gantzen Stadt,
Nach dem er dieß Gedicht geleſen hatt
Und ſich daran ergetzet; ſandte mir,
Aus ſeinem ſchoͤnen Bluhmen-Garten,
Von dieſer Bluhme, juͤngſt, noch unterſchiedne Arten
Worin ich abermahl an Farben und Figur,
Verſchiedliches erblickt in welchem die Natur,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Von neuen auf verſchiedne Weiſe
Den Reichthum ſehen ließ:
Wodurch ſie denn, da ſie die Wunder mehrte
Und Farb’ und Laub vervielfacht wieſ,
Mich auch von neuen hieß
Durch
Die Glocken-Bluhm.
Durch ſehen, dencken und durch Lehren
Von neuen unſern GOtt zu ehren.
Mit wie viel Luſt kunt ich an einigen entdecken
Wie ihre Hoͤrnerchen nicht nur
Gedoppelt an der Zahl,
Nein daß in jedem manches mahl
Acht gantz vollkommner Hoͤrner ſtecken.
Daß wir daher ein jeglichs koͤnnen
Mit Recht ein Horn des Uberfluſſes nennen.
Was zum bewundern mich nun ſonderlich bewegt,
Jſt das ein’ jede Bluhm auf 80 Hoͤrner heget.
Nimt man nur blos, die Meng’ allein an ihr in acht,
So zeiget ſich aufs neu des Schoͤpfers Wunder Macht.
Ach brich doch, liebſter Menſch, ich bitte dich,
Ein Glocken-Bluͤhmchen doch in dieſer Abſicht ab,
So wirſt du bald erſehn, an Farb’ und an Figur,
Was GOTT fuͤr Zierlichkeit in dieſer Creatur
Bereitet, und ſie dir zur Luſt der Augen gab.
Ver-
Vermahnung.
Vermahnung.
Auch ein thieriſch Ohr kan hoͤren,
Auch ein Ochſen-Auge ſehn:
Aber es kann, GOTT zu Ehren,
Daß es Sein Werck, nicht verſtehn.
Es kann im Genuß nicht dencken:
„HERR! ich ſeh’ in ihrer Pracht,
„Wie ſo liebreich Deine Macht,
„Wie ſo weiſe Deine Liebe,
„Die, aus ew’ger Huld, Dich triebe,
„Solche Krafft darin zu ſencken,
„So viel Gutes uns zu ſchencken.
Solch ein Vorrecht haſt du hie,
Liebſter Menſch, vor allem Vieh.
Ach! ſo thu nach deiner Pflicht.
Sieh vernuͤnftig! riech und hoͤre!
Freue dich! ſtiehl ferner nicht
Dir die Luſt, und GOTT die Ehre!
Froͤſche.
Froͤſche.
Froͤſche.
Ein ſo groß als muntrer Geiſt
Sahe juͤngſt auf meinem Garten, wie wir eben ab-
geſpeiſ’t,
Und die Gegend uͤberſahn,
Einen kleinen Luſt-Altan.
Hier (rieff er), von dieſer Cantzel, predigt Brocks der Froͤ-
ſche Chor
Etwas vor.
Jch verſtand, worauf er zielte, dennoch ſchwieg ich ſtill,
und lachte,
Ob ich gleich in meinem Sinn dieß bey ſeinem Schertz ge-
dachte:
Ach ich predige nicht ihnen, ſondern es iſt uͤmge-
kehrt.
Jch bin oͤffters von den Froͤſchen ſelbſt erbauet und
belehrt.
Der Sonnen-Zeiger
Sehet dort den Sonnen-Zeiger! merckt! er zeigt den
hellen Schein
Durch den Schatten, zeigt die Ordnung, zeigt die Gegen-
wart und Zeit.
Moͤgt’ ich doch in meinen Schriften auch ein ſolcher Schat-
ten ſeyn
Von der Sonnen-Sonnen Strahle, Gegenwart und Herr-
lichkeit!
Mops.
Mops.
Mops.
Um mich, nach vollbrachter Arbeit, wieder etwas zu er-
friſchen,
Setzt’ ich mich zur Fruͤhlings-Zeit juͤngſt bey bluͤhnden Ro-
ſen-Buͤſchen:
Und es ſetzte Mops, mein Hund, ſich von ungefehr zu mir.
Jch ergetzte mich von Hertzen an der ſchoͤnen Staude Zier,
Brach von allen eine Roſe, deren Farb’ am ſchoͤnſten ſpielte,
Mit vergnuͤgten Fingern ab.
Wie ich nun von ungefehr Mops ſie vor die Augen hielte,
Und ſie ihm zu riechen gab;
Kehrt er Kopf und Schnautze weg. Ach! fiel mir hieruͤ-
ber ein:
Handelteſt du, lieber Mops, ſo mit Bluhmen doch allein!
Aber ſo laͤſſt mancher Menſch der Geſchoͤpfe Schmuck und
Pracht,
Mit nicht minder ſchneller Abkehr ſeiner Sinnen aus der
Acht;
Wollt ihr denn, vernuͤnftge Menſchen, GOttes Wercke, die
ſo ſchoͤn,
Anders nicht, als wie die Hunde, riechen, hoͤren, ſchmecken,
ſehn?
FLaue
Laue Luͤffte.
Laue Luͤffte.
Da ich mit Bedachtſamkeit, billig bey mir uͤberlege,
Wie die Lufft anietzt ſo ſanft, lieblich, angenehm und
kuͤhl;
Und, indem ich es bedenck’, auch zugleich dabey erwege
Jhr ſo ſcharff- und rauhes ſchneiden, welches ich im Winter
fuͤhl;
Zeigt der Unterſchied mit Recht, welch ein Gluͤck ich ietzt
beſitze,
Da kein gar zu ſtrenger Froſt, keine gar zu matte Hitze
Mir die Lung’ und Bruſt beſchweren,
Roch mit einem ſcharffen Druck peinlich Haut und Fleiſch
verſehren;
Sondern da in ſolchem Grad ietzt die Lufft ſo ſuͤß gemiſcht,
Daß ein iedes Athem-holen Naſe, Zunge, Lung’ und Blut,
Durch ihr ausgedehntes Weſen, nehrt, erquicket und er-
friſcht:
Ja, indem ſie Haut und Fleiſch mit ſo ſanftem Wallen
ſtreichelt,
Und durch ſpielendes Geſaͤuſel uͤberall uns ruͤhrt und ſchmei-
chelt,
Jnnerlich und aͤuſſerlich unſerm Coͤrper ſanfte thut.
Wenn man das durch laue Waͤrme, und durchs nahe
Sonnen-Licht
Jn der ausgedehnten Lufft blos gewirckte Gleich-Gewicht,
Das uns uͤberall durchdringt, das uns uͤberall beruͤhret,
Und worin wir gleichſam ſchwimmen, inn- und aͤuſſerlich
verſpuͤhrt;
Sollte
Laue Luͤffte.
Sollte man ja dieſes billig uͤberlegen, es erkennen,
Und, bey unſrer Coͤrper Luſt, auch der Seel’ ein Labſal
goͤnnen,
Daß ſie ein entferntes Ubel, und die gegenwaͤrtge Luſt,
Durch vernuͤnftigs Uberlegen, als ein doppelt Gluͤck be-
trachte,
Und die Wunder unſers Schoͤpfers denck- und danckens-
wuͤrdig achte.
Sollte ſie, wenn ſanfte Luͤffte ſo geſchaͤfftig uͤm ſie fliegen,
Jhr daraus entſprieſſendes zugeeignetes Vergnuͤgen,
Dem, der alles ihr geſchencket, nicht in einem frohen dencken,
Daß Er maͤchtig, weiſ’ und liebreich, gleichſam wiede-
ruͤm zu ſchencken,
Und in Danck-erfuͤllter Bruſt ihm zum Lob’ und Dienſt zu
leben,
Bey gedaͤmpften Leidenſchaften, ſich nach Moͤglichkeit be-
ſtreben?
Billig ſolten wir mit Freuden, faſt bey iedem Athem-ziehn,
Den, der ſolche Luſt uns goͤnnet, zu erheben uns bemuͤhn.
F 2Mond-
Mond-Schein.
Mond-Schein.Noch andere Betrachtungen des Mond-Scheins ſiehe pag. 65.
it. Tom. I. pag. 44. und T. II. p. 148. 153.
Mit einer ſtill- und reinen Luſt,
Mit einer ſanften Freud und Wonne,
Erfuͤllte neulich meine Bruſt
Der helle Mond, die weiſſe Schatten-Sonne;
Jndem ſich nemlich Licht und Schatten,
Auf Erden, in der Lufft und Fluth,
So angenehm gemiſcht, ſo ſanft verbunden hatten,
Daß durch mein Auge, Blut und Muth
Zu einer Harmonie, zu einer ſuͤſſen Stille,
Und in der Creaturen Pracht und Fuͤlle,
Zu dem, der ſie erſchuff, gebracht,
Und halb entzuͤcket ward.
Es war die holde Nacht
Von denen Raͤchten, welche man
Nicht leicht, als in der Tichter Schriften, finden,
Und keiner gnug bewundern kann.
Der Himmel war entwoͤlckt, gantz heiter, klar und rein.
Die Lufft war lau und ſtill, es funckelten die Sterne
Jn einem regen Glantz. Der Silber-farbne Schein
Des eben vollen Monds, erfuͤllt mit ſanftem Strahl
Wald, Wieſen, Gaͤrten, Berg und Thal.
Ein’ ungemein’ und angenehme Stille
Regieret’ uͤberall:
Und ward durch nichts, als durch der Nachtigall
Hell klingend ſingen, unterbrochen.
Wie lieblich iſt, ſprach ich, des Mondes ſanftes Licht,
Wann es das feuchte Rund der duncklen Welt beſtrahlet,
Und
Mond-Schein.
Und durch der Waͤlder Schatten bricht!
Jn welcher Harmonie ſieht ein vergnuͤgt Geſicht
So dann das, was man ſieht! Die Coͤrper ſind gemahlet
Jn einem holden Grad von Glantz und Finſterniß;
Die Formen ſind ſowohl, als Farben, ungewiß,
Und alles reitzet unſre Bruſt
Zu einer ſtill- und ſanften Luſt.
Jndem ich nun, von einer Hoͤhe,
Die durch den Mond geſchmuͤckte Welt,
Und ihr nicht gruͤnes Gruͤn beſehe;
Ward mir gantz unverhofft ein Schnee-Feld vorgeſtellt:
Da nehmlich aus der kuͤhlen Lufft
Ein Silber-weiſſer Rebel-Dufft,
Wie offt in Marſch- und feuchten Feldern faͤllt,
Und den man Fuchs-Bad nennt,
Sich hatt’ herab geſencket,
Der recht wie eine weiſſe Fluth
Auf dem dadurch erquickten Graſe ruht’.
Es ſchien das flache Feld mit Waſſer uͤberfloſſen,
Und recht, als haͤtte ſich
Ein ſtarcker Fluß ergoſſen,
Der alles eingeſchluckt.
Es war der feuchte Dunſt ſo dicht,
Daß gar des Mondes glaͤntzend Licht,
Als wie im Spiegel, ſich in dieſen Nebel druͤckt’.
Es waren Graͤben, Baͤum’ und Weiden
Gar nicht zu ſehn, gar nicht zu unterſcheiden.
Hingegen war auf den bebuͤſchten Hoͤhen
Von dieſem Dufft-Fluß nichts zu ſehen;
F 3Wol
Mond-Schein.
Wol aber glimmte dort, zu meiner Augen Freude,
So vieler zierlichen Gebaͤude
Hell angeſtrahltes Fenſter-Glas,
Das des Gebuͤſches Dunckelheit
Noch deſto mehr erhoͤht und zieret.
Kurtz; alles ſchien daſelbſt illuminiret,
Und, in dem praͤchtig heitern Schein,
Ein ſtilles Freuden-Feur, zu GOttes Ehr, zu ſeyn.
Jndem ich nun dieß Wunder uͤberdencke,
Und mein ergetztes Aug’ auf- und gen Himmel lencke;
Erblick ich dort der Sternen Heer.
Ach! rieff ich aus: da hier des Mondes Schein
So viele Vorwuͤrff’ uns gewehret,
Jn welchen man mit Luſt den Schoͤpffer billig ehret;
Wie unbeſchreib- und unbegreifflich| groß
Muß in ſo vieler Welte Schooß,
Als von noch ungeheurer Groͤſſe
Bewunderns-wuͤrdige Gefaͤſſe,
Die Vielheit ſchoͤner Creaturen
So wol bey Nacht, als auch bey Tage, ſeyn!
Hier ſeh ich abermahl die Spuren
Der goͤttlichen Geſchoͤpf’ und Wercke nicht allein;
Es drucket mir zugleich der Schau-Platz dieſer Hoͤhe
Den ich, voll froher Ehr-Furcht, ſehe,
Ein Glor-reich herrlich Bild von GOtt, dem Schoͤpfer, ein.
Ja, dieſe kalte Gluth entzuͤndet,
Und dieſer ſchwache Glantz wird mir zum ſtarcken Licht;
Da bey dem Strahl, der durch die Schatten bricht,
Mein Hertz der Gottheit Licht, ſo gar im dunckeln, findet
Der
Der Froſch.
Der Froſch.
Nachdem ich juͤngſt zur holden Fruͤhlings-Zeit,
Auf einer Wieſe mich befand,
Und nah’ an einem Graben ſtand,
Bewundert’ ich des Waſſers Reinigkeit.
Des tieffen Grabens klar-nunmehr enteiſ’tes Raß
Stand rings umher mit Gras und Klee bekraͤntzet,
Durch deſſen gruͤnen Schein es nicht nur lieblich glaͤntzet;
Es war durchſichtig, wie ein Glas:
So daß mein Blick in dieſes Grabens Tieffe
Gantz ungehemmet ſanck, und, recht als wenn er leer,
Und gar kein Waſſer drinnen waͤr’,
Mit Anmuth hin und wieder lieffe,
Bald bunte glatte Stein’ auf weiſſem Sand’ entdeckte,
Bald junges Kraut, das hie und da
Die zarten Spitzen aufwaͤrts ſtreckte,
Nebſt gruͤnen Mooß und friſchen Binſen ſah.
Jndem ich nun dadurch geruͤhret, ſtand,
Und von der Fruͤhlings-Pracht ein inniges Vergnuͤgen
Auf dieſer glatten Fluth empfand;
Sah ich ein halb geformt, halb Form-los Etwas liegen,
Das einem grauen Stein, an Farb’ |und Bildung, glich.
Kaum daß ich ihn mit Ernſt und Fleiß beſehe,
Faͤngt der vermeinte Stein ſich an zu regen,
Begiebt ſich allgemach, doch langſam, in die Hoͤhe
Und kommt, mit wenigem Bewegen,
Ein Froſch bis auf des Waſſers Flaͤche.
Hier ſchien er, fuͤr das helle Licht
Und aller Fruͤhlings-Pracht, zu ſtutzen,
F 4Lag
Der Froſch.
Lag gleichſam gantz erſtarrt, und ruͤhrete ſich nicht.
Doch fieng er endlich an ſein bloͤd Geſicht
Mit ſeiner kleinen Hand zu wiſchen und zu putzen,
Stutzt abermahl, und bliebe, lange Zeit,
Vermuthlich uͤberhaͤufft von ſo viel Herrlichkeit
Und gantz erſtannet fuͤr Vergnuͤgen,
Jn ſeiner erſten Lage liegen.
Zuletzt gab er, mit froͤhlichem Geſchrey,
Wie ſehr er durch die Welt, da ſie ſo Wunder-ſchoͤn,
Ergetzet und geruͤhret ſey,
Mit lautem quacken zu verſtehn.
Jch ſahe dieß bewundernd an, und ſprach:
Ach! folgten wir auch deinen Beyſpiel nach,
Vom Schlaf erwachter Froſch! ach moͤgten wir
Nach dunckler Winter-Nacht, an allen Fruͤhlings-Schaͤtzen,
An aller Creaturen Zier,
So, wie du thuſt, uns auch ergetzen!
Ach lieſſen wir doch Dem, Der alles ſchuff, zu Ehren,
Auch manches frohe Danck-Lied hoͤren!
So dacht und wuͤnſcht ich noch, als auf einmahl
Ein neues Licht, mit einem ſchnellen Strahl,
Mir in die Seele drang. Jn einer Dunckelheit
Jn ſchlammigtem Moraſt in einer finſtern Tieffe
Hat, dacht ich bey mir ſelbſt, der Froſch ſo lange Zeit
Den gantzen Winter durch, geſtecket.
Wird er nicht gleichſam ietzt als aus dem Grab’ erwecket?
Ja wahrlich, lieber Froſch, es ſtellt dein Zuſtand mir
Und allen Menſchen insgeſammt
Ein Wunder-ſchoͤn Exempel fuͤr.
Es
Der Froſch.
Es wird mein Geiſt von neuen angeflammt,
Jndem er hier den Stand der irdſchen Welt,
Jm Gegenhalt mit der, die uns, nach dieſem Leben,
Der Schoͤpfer wird im ewgen Fruͤhling geben,
Nicht anders ſich vor Augen ſtellt,
Als deinen Winter-Aufenthalt,
Wo alles ſchlackrig, wiedrig, kalt,
Bedeckt mit Daͤmmrung bald, bald dicker Finſterniß,
Wo alles unſtet, ungewiß,
Wo der Gewonheit Schlamm die Augen uns verdeckt,
Und der Geſchoͤpfe Pracht fuͤr uns verſteckt,
Wie wird uns nun, wann wir erblaſſen,
Und wir den duncklen Grund verlaſſen,
Wenn unſer Geiſt (ſo, wie du durch die Fluth)
Sich durch die Lufft erhebt, und aufwaͤrts ſteiget;
Jn jener Erden Fruͤhlings-Schein
Und ſeelger Herrlichkeit zu Muth,
Wie werden wir erquickt, ja gar entzuͤcket, ſeyn!
Wann wir in den geſtirnten Hoͤhen,
Jn tauſendfach vermehrtem Licht,
Mit gantz verklaͤrtem Blick, und ſeeligem Geſicht,
Viel tauſend tauſend Welt’, und tauſend Sonnen-Heere,
Jn einem unumſchraͤnckt- und lichten Anmuths-Meere,
Wie Jnſeln herrlich ſchwimmen ſehen!
Wird nicht ein ſolcher Wunder-Glantz
So dann in nimmer ſatten Blicken
Der frohen Seele Weſen gantz
Beſeeligen, verhimmeln und entzuͤcken?
F 5Bis
Der Froſch.
Bis daß die Nacht die Welt in Schatten huͤllt,
War mein recht inniglich hiedurch geruͤhrt Gemuͤthe
Mit dieſen lehrenden Gedancken angefuͤllt.
So gar, daß mein ſanft wallendes Gebluͤte
Nachdem ich mich ins Bett gelegt,
Die rege Phantaſie bewegt,
Und einen Traum erregt,
Der iedennoch ſo ſonderlich,
Daß einem wircklichen Geſicht’ er mehr,
Als einem leichten Traume, glich.
Mich deucht, ich laͤge kranck, mein Lebens-Oel ver-
brannte,
Mein Hauch wuͤrd’ ſchwer und ſchwach, blieb’ endlich voͤl-
lig aus,
Der rege Geiſt verließ ſein lang bewohntes Haus,
Kaum daß derſelbe ſich von ſeinem Coͤrper wandte,
Als er, nach leichter Blaſen Art,
Die aus dem Grund’ im Waſſer aufwaͤrts ſteigen,
Mit einer leicht- nud ſchnellen Fahrt
Sich durch die Fluth der Lufft allmaͤhlig hoͤher zog,
Und im geraden Strich von unten aufwaͤrts flog.
Wie er nun auf der Lufft beſtrahlte Flaͤche kam,
Woſelbſt voll reiner Heiterkeit,
Von allen Duͤfften leer, von allem Dunſt befreyt,
Die Himmels-Lufft erſt ihren Anfang nahm,
Fiel ein gantz ander Licht,
Als er allhier gewohnt zu ſehn, ihm ins Geſicht.
Wie ich nun alles dieß, faſt, doch nicht gantz geblendet’,
Erſtarret uͤberſehn, fiel mein geruͤhrter Blick
Erſtaunet auf mich ſelbſt zuruͤck,
Jch
Der Froſch.
Jch ſah mich durch und durch, mir ward mein wahres
Weſen
Nun allererſt bekannt: als wie in einer Schrift,
Kunnt’ ich im innerſten von meiner Seele leſen
Das, was ich auf der Welt begangen und geſtifft,
Ja gar was ich gedacht. Kein Spiegel ſtellt ſo klar
Die coͤrperliche Vorwuͤrff dar,
Als ich mir von mir ſelbſt ein heller Spiegel war.
Was man Gewiſſen heiſt
Erſuͤllte meinen gantzen Geiſt.
Jch fand mich gantz entbloͤſſt von Wolluſt, Ehre, Geld,
Als eitlen Zielen dieſer Welt.
Nur die Gedaͤchtniß meiner Thaten,
So wohl die boͤs, als welche gut gerathen,
War bloß allein
Mein gantzes Seyn.
Jndem ich auf der Lufft, als einem Waſſer, ſchwam,
Kam ich mir anfangs vor
Faſt wie ein Fruͤhlings-Froſch, der | in der Winters-Zeit
Jm Sumpff und im Moraſt geſtecket,
Der aber, wie der Fruͤhling wieder kam,
Nach dicker Nacht, die Sonn im hellen Glantz entdecket,
Beſchmutzt und ſonder Schmuck. Doch eine Reinlichkeit
Kunnt ich mit innigem erquicken,
Bald hie bald da noch durch den Schmutz erblicken.
Dieſelbe Reinlichkeit und heller Schmuck entſtunden
Aus mancher Luſt, die ich alhier
Jn der Geſchoͤpfe Schmuck und Zier,
So lang ich auf der Welt, empfunden.
Und die den Geiſt, der ſie zu GOttes Ruhm erblickt,
Jn-
Der Froſch.
Jndem ſie nnvermerckt ihm ſelbſt ſich eingedruͤckt,
Ob ſie es gleich alhier nicht einſt gemerckt, geſchmuͤckt.
Jch ward hierauf in kurtzer Zeit gewahr,
Daß alles ſchmutzige, vom Waſſer aufgeloͤſt,
Sich von mir ſonderte, wodurch mein Weſen klar
Und hell, wie alles, ward, ja auch ſo leicht zugleich,
Daß ich mich aus der Fluth, worin viel tauſend trieben,
Die in beſtaͤndiger Gefahr
Noch wieder zu verſincken, blieben,
Behend erheben kunnt. Jch trat ins Seelen-Reich,
Durchdrungen und durchſtrahlt von einem ſuͤſſen Glantz,
Mein Weſen, gantz verklaͤhrt, verherrlichte ſich gantz.
Unglaublich angenehm war alles, was ich ſah,
Ein ieder Vorwurff glaͤntzt. Es glimmt in buntem Schein
Feld, Wieſen, Acker-Feld, Gras, Kraͤuter, Holtz und Stein,
(Denn alles, was auf Erden, war auch da)
Ja was noch mehr, viel tauſend Creaturen,
Die uns hier unbekannt, wovon wir keine Spuren
Hier auf der Welt geſehn, ward ich daſelbſt gewahr,
Die unansdruͤcklich ſchoͤn, und welche nicht zu zehlen,
Die aber, weil dazu die Nahmen fehlen,
Und keine Woͤrter ausgefunden,
Nicht zu beſchreiben ſind.
Das Gruͤn war wie das Gruͤn an einem Pfanen-Schwantz,
Vermiſcht mit Klarheit, Licht und Glantz.
Die Bluhmen funckeln hier und gluͤhn,
Die blauen wie Sapphir, die rothen wie Rubin,
Und was nur ſichtbar, iſt durchſichtig, hell und klar.
Das Licht, das alles hier erfuͤllet, iſt ſo licht,
Daß es durch jeden Vorwurff bricht,
Da
Der Froſch.
Da es ſo gar den Geiſt durchdringet.
Wodurch in allem, was man ſieht,
Jndem das Licht, wie hier, davon nicht ruͤckwaͤrts ſpringet,
Ein lieblich-froher Glantz und Freuden-Feuer gluͤht.
Jch ward hier durchs Gehoͤr entzuͤckt mehr, als ge-
ruͤhret,
Weil hier der gantze Kreis der Luͤffte muſiciret.
So ward nicht weniger mein Geiſt durch einen Schwall
Von ausgeduͤnſteter ambrirten Krafft,
Aus Pflantzen, woraus uͤberall
Ein edler Balſam-Safft
Jn Uberfluß und unaufhoͤrlich quillet,
Gelabt, durchdrungen und erfuͤllet.
Jch ſtreckte meine Hand begierig aus,
Ein Bluͤhmchen abzupfluͤcken,
So recht vor andern ſchoͤn. Allein
Wie ſtutzt’ ich, als ich nichts daſelbſt befand;
Die Finger traffen nichts, was fuͤhlbar war, in ihnen,
Wie ſie geglaͤubet, an, ob ſie gleich fuͤhlbar ſchienen,
Weil ſie fuͤr coͤrperlich-noch nicht verklaͤrte Haͤnde,
Da ſie nicht coͤrperlich, nicht fuͤhlbar ſeyn.
Dieß nun noch ferner zu probiren,
Entſchloß ich mich, den harten Stamm
Von einer Eichen zu beruͤhren.
Allein auch hier war nichts zu faſſen.
Die gantze Hand ward durch den Baum gelaſſen,
Als wie durch leere Lufft. Hieruͤber noch weit mehr
Erſtannet und beſtuͤrtzt, kam ich von ungefehr
An einen Fluß, der einen reinen Spiegel
An
Der Froſch.
An Glaͤtt und Klarheit gleich, der durch bebuͤſchte Huͤgel
Und lauter Bluhmen floß.
Das Ufer, wo mein Fuß, fuͤr Anmuth, ſtille ſtand,
Schien ein faſt guͤldner Sand:
Das aber, weil es gaͤh, mit mir herunter ſchoß.
Jch fiel, fuͤr Angſt erſtarrt, von oben in die Fluth.
Ohn’ alle Hoffnung meines Lebens:
Jedoch, wie wol ward mir zu Muth!
Mein Schrecken war vergebens.
Die Fluth hatt von der Fluth fuͤr mich nur die Figur,
Und ungefehr der Lufft Natur,
Die weder netzet noch erſtickt.
Jch gieng demnach durch dieſe trockne Wellen,
Von ihnen nicht gehemmet noch gedruͤckt,
Biß zu derſelben gruͤnen Grentzen,
Wo Millionen Bluhmen glaͤntzen,
Zum andern Ufer fort: Die allerdickſten Hecken,
Dergleichen ich auf Erden nie geſehn,
Fand ich daſelbſt, voll ſtarrer Dornen, ſtehn:
Die aber mir den Durchgang nicht verwehrten,
Noch im geringſten mich verſehrten.
So bald ich nun mit ungehemmten Gang
Durch die verwachſnen Hecken drang;
Befand ich mich auf einem weiten Platz,
Der gruͤn, wie ein Smaragd, in welchem Bluhmen ſtunden,
Die alle, wie ein reicher Schatz
Von lieblich ſpielenden Opalen,
Mehr Glantz als Farben von ſich ſtrahlen.
Ein lieblicher Oranjen Wald
War
Der Froſch.
War an der rechten Hand ein rechter Aufenthalt
Von Anmuth, Ruh, Zufriedenheit und Luſt.
Hier traff ich, halb entzuͤckt, ſo ſchoͤne Menſchen an,
Daß ich, wie ſehr mich ihre Schoͤnheit ruͤhrte,
Und wie die Luſt ſo groß,
Die ich in ihrem Anſehn blos
Bey mir verſpuͤhrte,
Unmoͤglich recht beſchreiben kann.
Kurtz, es war ihre Zier
Recht ſo wie wir uns hier
Die Engel vorzuſtellen pflegen,
Die Schimmer, Glantz und Licht in ihrem Weſen hegen.
Allein!
Was recht verwunderlich,
Es ſchien kein eintziger fuͤr ſich,
Hingegen alle blos
Vom Gantzen nur ein Theil zu ſeyn.
Es war die Eintracht groß,
Ja wunderbar und ungemein.
Recht wie in einem Krieges-Heer
Sich Regimenter ſo vereinen,
Daß an Bewegung ſie nicht anders ſcheinen,
Als wenn es nur ein einzger Coͤrper waͤr;
So, doch weit inniger annoch vereint,
War dieſes Geiſter-Heer, da ſie ein wircklich Ein,
Wenn ſie ſich gleich zertheilen, ſeyn.
Es ſchien, ob herrſchte nur ein Wille
Jn dieſer gantzen Schaar. Jn einer regen Stille
War
Der Froſch.
War uͤberall
Ein unausdruͤcklich ſuͤſſer Schall,
Ein ſuͤß harmoniſches Gethoͤn
Nicht nur zu hoͤren, auch zu ſehn.
Die Luſt die einer fuͤhlt’, empfand ſogleich ein ieder,
Nicht anders wie bey uns die andern Glieder
An einem Coͤrper das zugleich ergetzet,
Was ein Glied in Vergnuͤgung ſetzet.
Daher war ihnen nichts als eine ſtete Luſt,
Die allen allgemein, bewuſt.
Es ſucht kein eintziger fuͤr ſich allein
Begluͤckt zu ſeyn;
Sie theilten ſich auf eine ſuͤſſe Weiſe,
Dem Schoͤpffer aller Welt zum Preiſe,
An iedem Ort, bey iedem Schritt,
Einander ihre Freude mit.
So wie auf Erden keine Luſt
Der Menſchen Bruſt
Mit einem tieffern Eindruck ruͤhrt,
Als wenn durch Wechſels-weiſ’ erregte Triebe
Die Anmuth zugelaſſner Liebe
Ein paar verbundner Hertzen ſpuͤhrt;
So iſt ja leichtlich zu begreiffen,
Wie vielfach ſich ein inniges Ergetzen
Jn dieſer Menge muͤſſe haͤuffen,
Und ſie in ſeelge Luſt verſetzen,
Da ihrer viel in ſeelger Brunſt ſich uͤben
Sich immer mehr und mehr zu lieben.
Solch
Der Froſch.
Solch eine Schaar beſtand aus mehr
Als zehn mahl hundert tauſend Seelen,
Die alle, zu des Schoͤpfers Ehr,
Jn ihrer Luſt, die Macht und Lieb erzehlen,
Die taͤg-ja ſtuͤndlich ſich bey ihnen noch vermehrt.
Hieruͤber wacht ich auf. Und ob mir gleich die Pracht
So vieler Schoͤn- und Seltenheiten,
So ungemeiner Herrlichkeiten,
Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen bracht;
So war ich doch von der Durchdringlichkeit
Der dort geſehnen Creaturen
Noch mehr, als den vortrefflichen Figuren,
Recht inniglich geruͤhrt. Wie die Beſchaffenheit,
Daß ſie nicht fuͤhlbar ſind, nicht nur ein klares Zeichen
Von ihrer ſteten Daur, (da blos dadurch allein,
Daß hier die Coͤrper feſt und undurchdringlich ſeyn,
Sie den Veraͤndrungen faſt unaufhoͤrlich
Sind ausgeſetzt, und ihnen muͤſſen weichen,
Einfolglich ſtets vergaͤnglich und zerſtoͤrlich,
Und unbeſtaͤndig ſind:) ſo zeigt es gleichfalls an,
Daß, wie man ja nicht leugnen kann,
Dergleichen Weſen ſeyn und leben muͤſſen,
Wir auch daher nicht unwahrſcheinlich ſchlieſſen,
Daß man vielleicht auch ſchon in dieſem Leben
Mit Creaturen ſey uͤmgeben,
Die ſo, wie jene dort, nicht fuͤhlbar, aber doch
Nicht minder wuͤrcklich ſind.
Dieß war zuerſt, was ich aus meinem Traum gedachte,
Bis er mich ferner noch auf die Gedancken brachte:
GJch
Der Froſch.
Jch war von den vereinten Schaaren,
Die, da ſie mit unzehligem Vergnuͤgen,
So allen allgemein, ſich fuͤgen,
Und Glieder eines Coͤrpers waren,
Recht ſonderlich von neuen eingenommen,
Bis ich dadurch auf die Gedancken kommen:
Wie, dacht ich, kann es moͤglich ſeyn,
Daß Menſchen iemahls auf der Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden?
Da ieder blos fuͤr ſich allein
Gedencket, handelt, iſt und lebet,
Da ieder fuͤr ſein einzigs Ein,
Mit aller Ausſchluß, ſorgt und ſtrebet;
Da ieder Wolluſt, Ehre, Geld,
Des Gluͤckes Vorwuͤrff’ in der Welt,
Auf ſolche Art fuͤr ſich begehrt;
Daß das, was er erhaͤlt,
Ein andrer miſſen muß. Je mehr dein Gut ſich mehrt;
Je mehr beraubſt du mich
Desjenigen, ſo mein geliebtes Jch
Erhalten und beſitzen koͤnnte.
Wie waͤr es denn, nach meiner Eigen-Liebe,
Die mich, nur mich zu lieben, triebe,
Doch moͤglich, daß ich dir es goͤnnte?
Wenn nicht die Furcht der Straff’ allein,
Die auf Entwaͤltigung geſetzet ſeyn,
Mir die natuͤrlichen Begierden und Gedancken
Zwar in die vorgeſetzte Schrancken,
Jedoch fuͤrwahr gezwungen, hielten.
Der
Der Froſch.
Der Zwang allein iſt der Ratur ſo ſehr
(Wenn durch Gewohnheit wir ihn nicht was minder fuͤhl-
ten)
Entgegen und zuwieder;
Daß ſonder Zweifel ſich ein ieder,
Muͤſt er ſich nicht befuͤrchten oder ſchaͤmen,
Das meinige mir weg zu nehmen,
Sich ohne Zweiffel leicht bequemen,
Und ſchnell entſchlieſſen wuͤrd’. Es zeigt ſich dieſes klar:
Weil eben auf den Raub der Ehre
(Wie es iedoch wohl noͤthig waͤre)
Kein’ Art von Straff’ abſonderlich geſetzt,
Und daß man, ohn Gefahr,
Des Naͤchſten Leumuth raubt, und ihn dadurch verletzt;
So ſeh man doch, wie wir zum tadlen, affterreden,
Zum laͤſtern, ſpotten, zum verdrehn,
Die Menſchen unter ſich ſo fertig ſehn.
Es wird ſich keiner leicht entbloͤden,
Um ins geheim ſein Jch hinauf zuruͤcken,
Des Naͤchſten Ruhm zu unterdruͤcken,
Und bloß, daß man ihn moͤge kluͤger heiſſen,
Des Naͤchſten Ehren-Bau heruͤm zu reiſſen.
Pfuy! daß man, wieder alle Pflichten,
Sich nicht entſieht, fuͤr ſich, was man dem Naͤchſten ſtahl,
Zu nehmen, und ſein Ehren-Mahl
Auf jenes Schand-Mahl aufzurichten!
Wie noͤthig hier in dieſer Welt
Die Naͤchſten-Lieb’, und die Geſelligkeit,
Hat Moſes im Geſetz uns nicht nur vorgeſtellt;
Selbſt Chriſtus hat der Chriſtenheit
G 2Nicht
Der Froſch.
Nicht unſre Freunde nur, ſo gar den Feind zu lieben,
Als wie ein ſolch Gebot zur Regel vorgeſchrieben,
Das faſt dem groͤſſeſten Gebot nicht weicht,
Und ſich an Wichtigkeit dem GOttes-Dienſt vergleicht.
Je mehr wir dieſe Lehr erwegen,
Je mehr ſtrahlt eine Goͤttlichkeit,
Erkenntniß, Wahrheit, Heil und Segen
Aus ihr, als wie ein Licht.
Kein Laſter ſcheint faſt uͤbrig mehr zu bleiben,
Koͤnnt einer nur
Von unſrer menſchlichen Natur,
Der Eigen-Liebe Gifft vertreiben.
Es iſt daher gewiß, und bleibt dabey,
Daß die Geſelligkeit und Naͤchſten-Liebe
Nicht nur ein Feind der laſterhaften Triebe,
Nicht nur der Jnbegriff von aller Tugend ſey;
Nein, daß vermuthlich gar in jener ſeelgen Hoͤhe
Hierin ein groſſes Theil der Seeligkeit beſtehe,
Durch andrer Freud und Luſt die ſeine zu vermehren:
Da ſich auf ſolche Weiſ’, ohn alle Maaß und Zahl,
Vergnuͤgungen und Anmuth auf einmahl,
Stat einer einzigen auf dieſer Welt,
(Ja die man noch faſt nie erhaͤlt)
Jn ſteter Fuͤlle zu uns kehren.
Ach wenn doch dieſer Satz, naͤchſt unſrer Glaubens-Lehre,
Die Richtſchnur unſers Lebens waͤre!
Wir wuͤrden nicht nur gluͤcklich hier allein,
(Jndem es wahr, was jener ſchriebe,
Wilt du geliebet ſeyn, ſo liebe)
So gar, von vielen Suͤnden rein,
Auch dort vergnuͤget ſeyn.
Schoͤn-
Schoͤnheit der Bluhmen.
Schoͤnheit der Bluhmen.
Jn der holden Roſen-Zeit
Fuͤllten ungezehlte Arten
Schoͤner Bluhmen meinen Garten
Mit erwuͤnſchter Lieblichkeit.
Aller Bluhmen klare Blaͤtter,
Von der Sonnen Gluth durchſtrahlet,
Kamen, bey ſo heiterm Wetter,
Jn gefaͤrbter Wunder-Zier,
Mehr beflammet als bemahlet,
Feurig mehr, als bunt, mir fuͤr.
Auch das Kraut und Laub ſo gar,
Da die Blaͤtter zart und klar,
Wann die Sonne durch ſie ſchien,
Zeigt’ ein tauſend-faͤrbig gruͤn:
Ja dieß gruͤn ſchien Wunder-ſchoͤn
Auch in gruͤnem Feur zu ſtehn.
Jn wie ſchoͤnem Schimmer bluͤhte
Alles, was mein Auge ſah!
Jn gefaͤrbten Flammen gluͤhte
Der von Licht durchſtrahlte Mah.
Seine zarte Blaͤtter werden
Jn der That illuminirt.
Sagt mir, was iſt auf der Erden
Herrlicher, als er, geziert?
Seht das funckeln! Seht die Menge!
Seht der Liljen weiſſen Blitz!
G 3Seht
Schoͤnheit der Bluhmen.
Seht des Roſen-Stocks Gepraͤnge!
Welche Feder, welcher Witz
Wird der ſuͤſſen Farben brennen
Wuͤrdiglich beſchreiben koͤnnen?
Sonderlich wann ſanfte Winde
Jhre bunte Pracht gelinde
Lieblich durch einander treiben;
Da der bunten Gluht bewegen
Und das glimmen bunter Kertzen
Jn den angeflammten Hertzen
Uns ein Anmuths-Feur erregen.
Unausdruͤcklich iſt die Freude,
Die ſo holde Augen-Weide
Dem in ſeine Seele druͤckt,
Der ſie, GOTT zum Ruhm, erblickt.
Die
Die Roſe.
Die Roſe.Andere Betrachtungen der Roſen ſiehe Tom. I. pag. 81. 92.
Tom. II. p. 194. Tom. III. p. 616. Tom. IV. p. 69.
Willkommen, friſche Fruͤhlings-Roſen,
Die ihr die Seele ſelbſt, in eurer Lieblichkeit,
Durch Aug’ und Naſe, liebzukoſen,
So wunderbar erſchaffen ſeyd:
Die ihr von Fingern der Natur
Mit ſolcher lieb- und zaͤrtlichen Figur
Bewunderns wehrt begabt,
Und eine Balſam-Krafft von ihr empfangen habt.
Da ich euch ietzt zum erſten mahl
Jn dieſem Fruͤhling wieder ſehe,
So deucht mich, daß von euch ein kleiner rother Strahl
Mir durch den Blick ins Hertze gehe:
Wodurch ich eigentlich empfinde,
Wie er daſelbſt von Andacht und von Luſt
Ein helles Feur in meiner Bruſt,
Mit froher Danck-Begier vermiſcht, entzuͤnde.
Jch lencke mich, mit lechzendem Vergnuͤgen,
Zur ewig ſeeligen allmaͤchtgen Liebes-Gluht,
Die alle dieſe Wunder thut;
Durch welche bloß allein
Die Roſen ihrer Farben Schein,
Und Hertz-erquickenden Geruch und Kraͤffte kriegen.
Jch dencke nach: wo kommt die Anmuth her,
Die in der holden Bluhme gluͤhet,
Die ein vernuͤuftigs Aug’ ohn’ innre Luſt nicht ſiehet,
Und die die Seel’ aus ihr auch durch die Raſe ziehet,
Als bloß von GOTT allein?
G 4Mit
Die Roſe.
Mit welchen ungezehlt- und unzehlbaren Schaͤtzen
Von Anmuth, Schoͤnheit, Glantz, Pracht, Majeſtaͤt, Ergetzen,
Muß ſich das unbegraͤntzte Meer
Der ewigen allmaͤchtgen Gottheit fuͤllen!
Aus dem ſo unzehlbar’ und mannigfaltge Kraͤffte,
Woraus ſo Balſam- reiche Saͤffte,
Die wir, nur bloß in Bluhmen, ſehn,
Und die uns an die Seele gehn,
Durch mehr als einen Sinn, als kleine Baͤchlein, quillen.
Ach GOTT! da Deine Creaturen
Von Deiner Allmacht nicht allein,
Zugleich von Deiner Lieb’ und Guͤte, Wunder-Spuren
Uns durch der Sinnen Thuͤren zeigen;
So laß uns doch dafuͤr erkenntlich ſeyn,
Laß uns von Deinem Ruhm nicht ſchweigen,
Und durch ſie, HErr, zu Dir im danck- und loben ſteigen!
O welche Tieffe! welche Hoͤhe
Von ſuͤſſen Kraͤfften, und von Trieben
Uns zu beſeeligen, die ich bereits alhier
Mit leiblichen, noch mehr mit Glaubens-Angen ſehe!
Ach! moͤgten wir
Aus Seinen herrlichen, uns hier gezeigten Wercken,
Jn ſtiller Luſt, zu Seiner Ehr,
Wie uͤberſchwencklich mehr
Er hat, und uns dereinſt noch geben wird, bemercken!
Wie wuͤrden wir, bereits auf dieſer Erden,
Die Gottheit immer mehr zu lieben,
Zu ehren, zu erhoͤhn, nicht froͤhlich angetrieben,
Und immer bruͤnſtiger in Jhrem Dienſte werden!
†Die
Die Schnee-Ball-Bluhme.
Die Schnee-Ball-Bluhme.
Wie iſt mir? ſeh ich recht? ich ſeh,
Jm ſchwuͤlen Strahl der Sonnen, Schnee,
Und zwar recht als in runden Ballen,
Auf gruͤn belaubten Zweigen wallen.
Kann Schnee ſich mit der Gluth, und Laub mit Schnee
vertragen?
So deucht mich, hatt’ ich recht zu fragen,
Als ich dein blendend weiß, geliebte Bluhme,
Die man mit Recht, vom Schnee-Ball, Schnee-Ball heiſſt,
Mit einem inniglich geruͤhrten Geiſt,
Jn meiner Luſt, zu deines Schoͤpfers Ruhme,
Mit aufmerckſamen Aug’ erblickte.
Du ſchoͤner Bluhmen-Baum, du zeigſt, in deiner Zier,
Die Weisheit, Macht und Huld desjenigen, ſo dir
Dein Weſen mitgetheilt, der dich ſo lieblich ſchmuͤckte:
Und dieß ergetzet mich. Nicht nur die Seele ſpuͤret,
Daß ſie ein Andachts-Strahl, ein Trieb zur Unſchuld ruͤhret,
Dem Schoͤpfer, ſo wie mir dein unbefleckter Schein
Gefaͤllt, in reinem Glantz gefaͤllig auch zu ſeyn.
Ach! laß, o ewigs Gut, mein bruͤnſtiges Verlangen
Von Dir erhoͤret ſeyn: weil wir ſo gar das Wollen,
Dasjenige zu thun, was wir verrichten ſollen,
Nicht haben, wo wir es von Dir nicht auch empfangen!
Nachdem ich nun hierauf verſchiedene gepfluͤcket,
Um ihre Bildung recht zu ſehu,
Und wie ſie von der Hand der bildenden Natur
So Circul-rund, als wie ein Ball, gedruͤcket;
G 5Er-
Die Schnee-Ball-Bluhme.
Erblickt’ ich, voller Luſt, nicht nur,
Daß von dem Stengel ſich fuͤnf Haupt-Zweig’ artig ſtrecken.
Ein ieder theilte ſich in eben ſo viel Ecken,
Und iede breitete von neuen
Sich in fuͤnf Stengelchen, auf deren iedem denn
Ein Bluͤmchen mit fuͤnf Blaͤtterchen,
Die ſo an Form als Farbe ſchoͤn,
Unmittelbar, und ohne Kelch, zu ſehn,
Und die, da alle gleiche weit
Von ihrem Mittel-Punct entfernet ſtehen,
Jch in ſo angenehm-vollkommner Ruͤnde
Mit ſonderbarer Anmuth finde.
Von ungemeiner Lieblichkeit
Jſt dieſer Bluhmen Weiß. Es bricht
(Da ihre Blaͤtterchen ſo zart, und doch ſo dicht,
Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen
Auf vierzehn hundert Blaͤtter zeigen,
Die ſich auf manche Weiſe beugen)
Auf manche Weiſe ſich das Licht:
Wodurch wir, da bey ſo viel Hoͤhen
Die ein Schnee-weiſſer Glantz beſtrahlt,
Auch eben ſo viel Tieffen ſehen,
Die ein faſt ja ſo weiß- und heller Schatten mahlt;
Ja der kein Schatten faſt mit Recht zu heiſſen.
Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus ſanfterm Weiſſen,
Womit ein lieblich Gruͤn ſich miſchet,
Macht unſerem Geſicht
Solch eine ſuͤſſe Daͤmmerung,
Die unſer Aug’ ergetzet und erfriſchet.
Aus dieſer Dunckelheit ſo holder Farb’, entſprung
Jn meiner Seel’ ein helles Freuden-Licht.
Ver-
Vergnuͤgte Sinnen.
Vergnuͤgte Sinnen.
Es war die laue Fruͤhlings-Zeit
Jn ihren hoͤchſten Flor gekommen;
Der Monat Junius hatt’ allbereit,
Mit Roſen ausgeſchmuͤckt, den Anfang juͤngſt genommen;
Als Gottlieb, da der Tag ſich etwas abgekuͤhlt,
Und man bereits ein Abend-Luͤfftchen fuͤhlt’,
An einem klaren Bach ſpatzierte,
Au deſſen Ufer rechter Seits
Ein gruͤnes Waͤldchen ſtand,
Das ſeiner Fluth Cryſtall mit einem Bilde zierte,
Das ſelbſt ein Waͤldchen ſchien. Es glaͤntzt’ in ſeiner Hand
Ein ſchoͤner Roſen-Strauß, der rings uͤmher die Lufft
Erfuͤllete mit einem Balſam-Dufft’,
Und welcher den Geruch erquickt.
Ein Apfel, den uns China ſchickt,
Den er von ungefehr in ſeiner Taſche fand,
Erfriſchte ſeinen Gaum. Der Silber-reine Schall
Von einer in bebluͤhmten Hecken
Hell muſicirenden verliebten Nachtigall
Drang ihm durchs Ohr ans Hertz. Mit einem ſuͤſſen
Schrecken,
Mit halb entzuͤcktem Blick, ward er zugleich, wie klar,
Wie guͤlden, wie voll Glantz, wie Wunder-Wunder-ſchoͤn
Die Licht- und Lebens-Quell, die Sonn’, im untergehn,
Jn unvergleichlicher Vollkommenheit,
Durch das noch zarte gruͤn, gewahr.
Er
Vergnuͤgte Sinnen.
Er ſtutzt’, als er die Mannichfaltigkeit
Der Lieblichkeiten auf der Welt,
Sich vor ſein Seelen-Auge ſtellt’:
Wie Erde, Lufft und Fluth an Pracht und Luſt ſo reich,
Und daß dennoch, da er es uͤberlegte,
Wie alle Sinnen ihm von ungefehr zugleich
Vergnuͤget wuͤrden es ihn doch nicht mehr bewegte,
Und er es kaum bemerckt. Mein GOtt! rieff er woher
Entſteht dieß Ungluͤck doch, daß wir ſo oͤffters blind,
Geſchmack-Geruch-Gehoͤr- und Fuͤhl-los ſind?
Daß wir, fuͤr das Geſchoͤpf, im Schlummer gleichſam lie-
gen?
Wie faͤllt es uns, ach leider! doch ſo ſchwer,
Uns im Vergnuͤgen zu vergnuͤgen!
Er fand darauf ſo viel, wie er recht in ſich gieng,
Daß unſer Geiſt fuͤr mehr als einerley
Auf einmahl nicht geſchaffen ſey.
Weshalben er, in ſeinem dencken,
Ein’ Ordnung an zu halten fieng,
Und einem ieden Sinn ein’ eigne Zeit zu ſchencken,
Auf ihn abſonderlich der Seelen Krafft zu lencken,
Mit allem Recht beſchloß. Worauf er alſo dachte,
Und ſeinem Schoͤpfer ſeine Luſt,
Auf dem Altar der Flammen-reichen Bruſt,
Zu einem Opfer folgends brachte:
So offt die Balſam-Krafft, die aus der Roſe quillet,
Durch den Geruch, Gehirn und Geiſt erfuͤllet,
Dacht’ er beym Athem-ziehn, fuͤr Anmuth: ach wie ſuͤß!
Und ein GOtt Lob! wann er ihn von ſich bließ.
So
Vergnuͤgte Sinnen.
So offt ſein Blick der Sonnen Strahl geſehn,
Rieff ſeine Seel’ in ihm: GOtt Lob, daß er ſo ſchoͤn!
So offt der Nachtigall durchdringender Geſang
Sein Ohr durchdrang, erſchallt’: wie rein iſt dieſer
Klang!
GOtt Lob! daß er ſo rein!
GOtt Lob! daß wir in dieſer Welt
So vieler Anmuth faͤhig ſeyn!
Wann der gelinde Weſt die Haut ihm ſanfte ſtreichelt,
Und ihm ſein kuͤhler Hauch mit linden Blaſen ſchmeichelt,
So dacht er bey ſich ſelbſt, vergnuͤget durchs Gefuͤhl:
GOtt Lob, daß er ſo ſanft! GOtt Lob, daß er ſo kuͤhl!
Wann reiffer Fruͤchte Safft ihm in die Zunge dringet,
Und durch ihr ſaͤurlich ſuͤß ihm Luſt und Aumuth bringet;
So rufft die Zung’ erfreut: GOtt Lob, daß es ſo ſchmeckt!
GOtt Lob, daß ſolche Luſt in Zung’ und Fruͤchten ſteckt!
Ach roͤche, ſaͤhe, fuͤhlt’ und hoͤrte, GOtt zum Preiſe,
Jch und ein ieder Menſch doch offt auf ſolche Weiſe!
Wir-
Wirckung des Vergnuͤgens.
Wirckung des Vergnuͤgens.
Da ietzt, im bebluͤhmten Lentzen,
Alle Dinge herrlich glaͤntzen,
Und ich hier im Garten gehe,
Kraͤuter, Laub und Bluhmen ſehe;
Hemm’ ich meinen Schritt, und ſtehe
Still, fuͤr Anmuth faſt erſtarrt.
Denn mich deucht, es zeige mir
Der Geſchoͤpfe Pracht und Zier
Selbſt des Schoͤpfers Gegenwart.
Seine Weisheit, Macht und Guͤte
Ruͤhrt mein froͤhliches Gemuͤthe,
Und ich fuͤhl in ihrer Fuͤlle,
Wie, aus der, durch alle Luſt
Gleichſam ausgedehnten Bruſt,
Andacht, Lob und Liebe quille.
Mein entflammt Gemuͤth wird rege,
Wann ich in der Wercke Pracht
Des, der ſie hervor gebracht,
Weisheit, Macht und Lieb’ erwege.
Wie nun, wann das Hertz erquicket,
Man es aͤuſſerlich auch ſieht,
Und wie ein vergnuͤgt Gemuͤth
Unſer gantzes Weſen ſchmuͤcket;
So verhoffen Seel’ und Sinn,
Wenn ich hier auf dieſer Erden
Durch Dein Werck vergnuͤget bin,
Dir auch angenehm zu werden.
Die
Die Stille.
Die Stille.
Nach einem heitern Tag, und kuͤhler Abend-Zeit,
Brach, voller reinen Heiterkeit,
Auch eine kuͤhl’ und heitre Nacht,
Erleuchtet durch die mannichfache Pracht,
Und durch der hellen Sternen Schein,
Mit Schatten, die dennoch voll Licht, gemach herein.
Jch ſtand, und lenckte Blick und Hertz,
Mit ſtillem dencken, Himmel-waͤrts;
Jch ſenckte mich ins tieffe Meer
Des tieffen Raums, doch ohn’ Gefahr, hinein;
Weil nicht ein Pol-Stern nur, ein gantzes Heer
Von Pol-Geſtirnen mir, mit ihrem hellen Schein,
So mancher Leit-Stern war.
Es war die Lufft ſo heiter und ſo rein,
Daß aller Sternen glimme Schaar
Nicht feſt, wie ſonſt an der ſapphirnen Buͤhne,
Rein, frey, und faſt zu ſchweben ſchiene.
Jch ſahe, einzeln bald, bald uͤberhaupt ſie an,
Und ward zwar ebenfalls von ihrem Glantz und Strahl,
(Als die man ſonder Luſt nicht ſehen kann)
Jedoch fuͤr dieſes mahl
Durch die ſo ſtille Majeſtaͤt
Am innigſten geruͤhrt.
O GOTT! rieff ich, Dem ewig Ruhm gebuͤhrt,
Wo etwas Deine Macht erhoͤht,
So iſt es dieſer Zug von Deinen Schaaren.
Nun-
Die Stille.
Nunmehr, ſeit ſo viel tauſend Jahren,
Jſt Dein allgegenwaͤrtger Wille,
Dein Wincken, ihr Geſetz. Ein ehrerbietigs ſchweigen
Pflegt hier, bey Koͤnigen, die Demuth anzuzeigen:
So deucht mich, daß auch hier der Himmel tieffe Stille
Die Gegenwart des Schoͤpfers aller Welt,
Nebſt ihrer Ehr-Furcht, uns vor Augen ſtellt.
Jch blieb, bey dieſer Still’ in tieffer Stille ſtehn,
Und dachte der ſo ſchnell- und dennoch ſanften Weiſe,
Jn welcher ſich ſo ungemeßne Kreiſe,
Ja gar die Himmel ſelber drehn,
Mit ſtiller Seele nach:
Bis unverhofft ein laͤrmendes Gewaͤſche,
Ein wild verwirrt Gequack der Froͤſche,
Mein ſtilles dencken unterbrach.
Ja, dacht ich, hiedurch kann der Erden
Unnuͤtzes eiteles Getuͤmmel
Mit jener ſanften Still’ am Himmel
Jn einen Gegen-Satz geſetzet werden.
Man handelt hier, man wandelt, rennt und laͤufft,
Man lacht, man weint, man liebt, man keifft,
Man ſiehet ein verwirrtes ſchwaͤrmen,
Man hoͤrt ein unnuͤtz muͤhſam laͤrmen,
Und alles iſt dennoch, wie ein Geſchrey,
Wann man ein jegliches fuͤr ſich erwegt, vorbey.
Der Koͤnig ſtirbt: es ſtirbt der Baur imgleichen,
Die Armen ſterben, nebſt den Reichen,
Und ihr Gewuͤhl iſt mit den Lebens-Stunden,
So wie der Tag, der geſtern war, verſchwunden.
Ein-
Die Stille.
Einfolglich iſt ihr Thun ſo eitel, als der Froͤſche
Geſchaͤfftiges unnuͤtzliches Gewaͤſche.
Wo aber eine Zeit auf Erden
Wol angewendet koͤnnte werden,
So waͤr’ es die ja wol, wenn man der Wercke Pracht,
Zu Ehren Des, der ſie gemacht,
Jn ſtiller Achtſamkeit erwegte,
Und Seine weiſe Macht, in ihnen, uͤberlegte,
Um durch ſolch dencken angetrieben,
Den HErrn der Creatur zu ehren und zu lieben.
Sollt’ ein dadurch geruͤhrt-in Lieb entbrannter Wille
Der Seel’, in der, als wie im Wiederſchein,
Sich alle Schoͤnheit zeigt auf Erden und im Himmel;
Sollt’ eine ſolche Seelen-Stille
Dem Schoͤpfer nicht weit angenehmer ſeyn,
Als alles irdiſche Getuͤmmel?
HSchmuck
Schmuck der Seele.
Schmuck der Seele.
Wie fromme GOTT-ergebne Seelen,
Die mit den Wundern ſich vermaͤhlen,
Die Seine Lieb’ hervorgebracht,
Durch ihre Pracht
Vergnuͤgt erquicket,
Durch ihre Schoͤnheit ſelbſt geſchmuͤcket,
Dem Schoͤpfer Himmels und der Erden
Vergnuͤgen und gefallen werden;
So kommen ſolche Seelen mir,
Die nichts gehoͤret, nichts betrachtet,
Auf alle Wunder nicht geachtet,
Als eckelhaffte Monſtra fuͤr,
Die gleichſam ſonder Naſ’ und Ohren,
Ohn Zung’ und Aug’ und Hand gebohren,
Ja, welche durch ſelbſt eigne Schuld
Sich ſelbſt geſtuͤmmelt und der Gaben
Der Vater-Liebe, Gnad’ und Huld
Muthwillig ſich beraubet haben.
Ob ſie in dieſem Stand’ entbloͤſſ’t von allen,
Was GOTT gefallen kann, dem Schoͤpfer doch ge
fallen,
Wird wol kaum glaublich ſeyn.
Ach
Schmuck der Seele.
Ach laſſt uns denn, vom Undancks-Laſter rein,
Wann wir des Schoͤpfers Werck mit Luſt und Danck
erblicken,
Und man Sein’ Allmacht, Huld und weiſe Lieb’ em-
pfindet,
Durch die empfundne Luſt, im Danck, die Seelen ſchmuͤ-
cken!
Damit wir Dem, der an den Menſchen-Kindern
Sein Goͤttliches Vergnuͤgen findet,
Sein Goͤttliches Vergnuͤgn nicht vermindern.
H 2Wunſch.
Wunſch.
Wunſch.
Jch ſahe juͤngſt im lauen Leutzen,
Zu ihr- und meines Schoͤpfers Ehr,
Jm bunten Schmuck, ein gantzes Heer
Von Farben-reichen Bluhmen glaͤntzen,
Nachdem der Morgen-Sonne Glantz,
Als wie ein uͤberſchwemmend Meer
Von Waͤrm und Licht, dieſelben gantz
Bedecket, ſie uͤmgeben, ſie befloſſen,
Und mit gefaͤrbter Gluht ſich uͤber ſie ergoſſen.
Jch ſah’ ſie mit vergnuͤgten Blicken,
Ja mit faſt innigem Entzuͤcken,
Bald uͤberhaupt, bald einzeln, an.
Jhr gleichſam feuriges Gepraͤnge,
Die unterſchiedne Groͤſſ’ und Laͤnge,
Der Form und Farben Pracht und Menge,
Die ſelbſt ein Gaͤrtner-Aug’ unmoͤglich zehlen kann,
Befaſſten mein erſtaunt Gemuͤthe.
Jch ſtutzt’, und glaubt’, in ſtiller Luſt,
Und mit von Andacht heiſſer Bruſt
Des Schoͤpfers Allmacht, Weisheit, Guͤte,
Jn dieſen Wundern Wunder-ſchoͤn,
Zu Seinen Ehren, anzuſehn.
Es regte ſich ſo gleich in mir
Ein Trieb gerechter Danck-Begier.
Ach!
Wunſch.
Ach! dacht ich, moͤgte meine Freude
Ob dieſer ſchoͤnen Augen-Weide
Und aller Wunder Pracht und Schein,
Mein Vater, Dir gefaͤllig ſeyn!
Ach moͤgte alles das, was mein,
HERR, Deinen Ruhm zu mehren tuͤgen!
HERR, laß, aus Lieb’ und Gnad allein,
Auch mein Vergnuͤgen Dich vergnuͤgen!
H 3Som-
Sommer-Betrachtung.
Sommer-Betrachtung.
Alles ſtehet ietzt im Licht, alles glaͤntzet, alles gluͤhet,
Alles iſt voll Waͤrm’ und Schimmer: Und der Son-
nen Lebens-Schein
Glimmt und flammet uͤberall. Jedem Vorwurff, den man
ſiehet,
Floͤſſet ihre Segens-Quelle Fruchtbarkeit und Farben ein.
Eine lieblich blaue Gluth fuͤllt das tieffe Firmament,
Wann ein Silber-weiſſes Feuer in beſtrahlten Wolcken
brennt:
Eine Purpur-farbne, guͤldne, eine Roſen-farbne Gluth
Brennt in ihnen, ja verdoppelt ihren Glantz in glatter Fluth.
Eine lieblich gruͤne decket Wieſen, Felder, Berg’ und Auen,
Wann wir, in gefaͤrbten Flammen, bunte Gaͤrten funckeln
ſchauen.
Moͤgte doch ſo manches Feur, das wir allenthalben
finden,
Durch das Aug’ in unſre Bruſt auch ein Andachts-Feur
entzuͤnden!
Moͤgte doch der Schoͤpfer dieſes auch nicht minder Wunder-
ſchoͤn,
Als ein geiſtig Feuer-Werck, Jhm zur Ehre, brennen ſehn!
Die
Die lehrende Mah-Bluhme.
Die lehrende Mah-Bluhme.
Wo ich geſtern tauſend Bluhmen von dem allerſchoͤn-
ſten Mah
Jn den reinſten Farben bluͤhen,
Ja im bunten Feuer gluͤhen,
Glaͤntzen, prangen, funckeln ſah;
Eben da
Seh ich nichts als ihre Koͤpfe,
Von der bunten Pracht beraubt,
Von den Blaͤttern gantz entlaubt,
Als ſo viele Todten-Toͤpfe.
Faſt durch nichts wird auf der Welt
Aller Dinge dieſer Zeit
Fluͤchtige Beſchaffenheit
So natuͤrlich vorgeſtellt.
Aber in dem fluͤchtgen Weſen
Kann man, daß ſie doch beſtehn,
Und nicht, wie es ſcheint, vergehn,
Eben an den Knoͤpfen leſen.
Da ſie, recht als Samen-Toͤpfe,
Einen Geiſt in ſich enthalten,
Der ſie nimmer laͤſſt veralten,
Nicht verkommen, nicht verderben,
Nicht vernichtigt ſeyn, nicht ſterben:
H 4Son-
Die lehrende Mah-Bluhme.
Sondern deſſen Eigenſchaft,
Durch uns unbekannte Krafft,
Alſo ſich in ſich verjuͤnget,
Und ſich ſelber wiederbringet.
Noch hab ich an dieſen Bluhmen, wann die Knospen
offen gehn,
Da ſie krumm gebogen ſtehn,
Daß die meiſten Erd-waͤrts ſehn,
Mehr als einmahl ſelbſt betrachtet, auch wohl ſonſt davon
gehoͤrt.
Aber eh’ und wann ſie ſterben,
Und die Blaͤtter ſich entfaͤrben,
Sind ſie Himmel-waͤrts gekehrt.
Dadurch werd auch ich belehrt,
Daß ie aͤlter ich hier werde,
Jch auch billig Seel und Sinn
Von den Tieffen dieſer Erde
Wende nach dem Himmel hin.
So wird, wie ein’ irdſche Crone
Dieſen Bluhmen, alſo mir,
Jn nie welcker Pracht und Zier,
Eine himmliſche zum Lohne.
Noch
Die lehrende Mah-Bluhme.
Noch kann dieſer Bluhmen Flor
Auch den Groſſen dieſer Erden
Ein belehrend Sinn-Bild werden.
Wenigſtens kommt mir es vor,
Recht, als ſagte dieß Geſchoͤpfe,
Das gekroͤnt ſo wol als ſie:
Trotzt nicht auf die Herrlichkeit.
Merckt es! auch gekroͤnte Koͤpfe
Sind ein Raub der ſchnellen Zeit.
H 5Ein
Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Hier ſteh’ ich an dem Strand der Elbe,
Und ſeh mit Luſt, wie Lufft und Fluth
Jn ſanft und glatter Stille ruht.
Zumahl ergetz’ ich mich am himmliſchen Gewoͤlbe,
Ob gleich es ein Gewolck erfuͤllt,
So zwar den Sonnen-Strahl verhuͤllt,
Jedoch mit ſolcher klaren Pracht
Sich und das Firmament zu einem Schau-Platz macht,
An dem ſo wenig unſre Augen,
Jndem er gar zu Wunder-ſchoͤn,
Sich ſatt zu ſehn,
Als Hand und Feder ſie recht zu beſchreiben, taugen.
Jch ſeh mit tauſend zarten Bildern
Von angenehm gebrochnen Wolcken, ſich
Jn ſuͤſſer Harmonie den gantzen Himmel ſchildern;
Woran die Schatten ſelbſt ein Schein,
Und nur von einem hellern Licht,
Das hin und wieder durch ſie bricht,
Dem Anſehn nach, zu Schatten worden ſeyn.
Durch dieſe ward das Licht noch mehr erhoben:
Unglaublich angenehm, und recht verwunderlich
Hat ihrer Theil’ unzehlbar Heer,
Dem Anſehn nach, ein Ungefehr
So in einander eingeſchoben,
Daß von verſchiednen Creaturen
Faſt nicht zu zehlende Figuren
Jn einem lieblich grau- und gelblich weiſſen Schein
Darin zu ſehen ſeyn.
H 5Ein
Ein bedeckter, doch heller Himmel.
Ein ſanft gemildert Licht iſt allgemein,
Und faͤrbet Huͤgel, Thaͤler, Felder,
Auch auf entlegnen Hoͤhn erblickte Waͤlder:
Ja uͤberall, wo Baͤume, Buͤſch’ und Hecken
Den Augen ſich entdecken.
Kein Schatten iſt bey dieſem Licht zu ſehn:
Jch mercke ſonderlich, mit vieler Luſt, wie ſchoͤn
Die Harmonie der Himmels-Gluth
Auch auf der Elbe glatten Fluth
Jn ſolcher ſanften Klarheit ruht.
Des Waſſers angenehme Glaͤtte
Jſt unvergleichlich ſchoͤn,
Und anders faſt nicht anzuſehn,
Als wenn zum Spiegel ſie die Lufft gewehlet haͤtte:
Und kurtz: Mir wird hiedurch entdecket,
Daß auch ſo gar ein Dunſt, ein Dufft
Uns Anmuth, Freud und Luſt erwecket;
Und daß, auch in bedeckter Lufft,
Noch eine Lieblichkeit
Und ſonderbare Schoͤnheit ſtecket.
Mein GOTT! da ich hier Deine Wercke
Mit inniger Bewundrung mercke,
Ergetz’ ich mich, zu Deiner Ehr.
Ach! laß mich ferner mehr und mehr
Sie ſo zu mercken mich beſtreben,
Um ſo, in meiner Luſt, zu Deinem Ruhm, zu leben!
Der
Der drey-faͤrbige Amaranth.
Der drey-faͤrbige Amaranth.
Was laͤſſet ſich doch meinen Blicken
Hier fuͤr ein neues Wunder ſehn!
Hier will ein Kraut ſich ja ſo ſchoͤn,
Als wie die ſchoͤnſten Bluhmen, ſchmuͤcken.
Nicht nur ein faſt Smaragdnes gruͤn,
Nicht nur ein gleichſam guͤldner Schein,
Der Glantz vom flammenden Rubin,
Nimmt einen Platz auf ſeinen Blaͤttern ein.
Es ziert ein gantzes Bluhmen-Bette,
Und pranget in dem Bluhmen-Reich
Mit allen Bluhmen um die Wette,
Von tauſend iſt ihm keine gleich.
Es brauchet nichts von fremdem Ruhme,
Jndem es keine Bluhme traͤgt.
Die gantze Staud’ iſt eine Bluhme
Mit buntem Schmeltz-Werck eingelegt.
Jſt dieß nicht eine neue Probe
Von einer Unerſchoͤpflichkeit?
Auch dieſes Krauts Vollkommenheit
Gereicht nur Dir, o HERR, zum Lobe.
O Schoͤpfer, Deſſen ich mich freue,
Mein GOTT, da nichts auf dieſer Erden,
Das von ſich ſelbſt ſich bilden kann;
So zeigt uns dieſes Kraut aufs neue
Dein’ Allmacht, Lieb’ und Weisheit an.
Es zeiget mir, zu Deiner Ehr,
Jndem ich es genau betrachte,
Und
Der drey-faͤrbige Amaranth.
Und auf die Farb und Bildung achte,
Dieß bunte Bluhmen-Kraut noch mehr.
Wie ich ein Blat davon gepfluͤcket,
Um in der Naͤh’ es anzuſehn;
Fand ich in ſelben Wunder-ſchoͤn
Durch Form und Farben ausgedruͤcket
Ein rothes Hertz, draus gelbe Flammen,
Mit einem gruͤnen Rauch uͤmringt,
Als wie aus einer Quelle, ſtammen.
Es ſcheint, daß beides aufwaͤrts dringt.
Bey dieſer ſchoͤnen Farben Schein
Und Bildung, fiel mir dieſes ein:
„Ach wuͤrde dieſes ſchoͤne Kraut
„Von uns, zum Unterricht, doch oͤffters angeſchaut!
„Ach moͤgt’ es uns zum Lehr-Bild dienen!
„Ach triebe doch auch unſer Hertz,
„Jn Andachts-Flammen, Himmel-waͤrts,
„Die Luſt von dem empfundnen gruͤnen!
„Ach moͤgte doch die Pracht der ſchoͤnen Erden,
„So bald ihr gruͤner Schmuck mein Hertz entzuͤndet,
„Jn Andachts-Flammen aufwaͤrts ſteigen,
„Dem Naͤchſten mein Vergnuͤgen zeigen,
„Und GOTT, der Luſt am Menſchen findet,
„Ein wolgefaͤllig Opfer werden!
Ver-
Vergnuͤgliche Betrachtung
Vergnuͤgliche Betrachtung eines gegen
meiner Wohnung uͤber ſtehenden ſchoͤnen
Linden-Baums.
Pracht der kuͤhlen Gruͤnen Straſſe! Luſt- und Schatten-
reiche Linde,
Woran ich noch mehr Vergnuͤgen, als du Blaͤtter traͤgeſt,
finde!
Seh’ ich deine gruͤne Schoͤnheit mit Verwunderung von
oben,
Reitzet mich die holde Pracht, Den, der ſie gemacht, zu
oben.
Schau ich mitten in die Zweige, wie in einen Wald, hinein,
Laß ich ſie, als eine Laube, meiner Blicke Ruh-Platz ſeyn.
Seh ich dich von unten an, wird durchs hole Blaͤtter-Zelt
Ein Gewoͤlb’, als wie ein Bergwerck von Smaragd, mir vor-
geſtellt.
Dein durch Licht beſtrahltes Gruͤn dringet mir durchs Aug’
ins Hertze:
Ebenfalls dringt in die Seele deiner Schatten gruͤne
Schwaͤrtze.
Beide zeugen, durch die Luſt, einen Trieb zur Danckbarkeit,
Den in Andacht zu beſingen, der mir ſolche Freude ſchencket,
Welche meinen Leib vergnuͤgt, und den Geiſt zum Schoͤpfer
lencket.
Beides muß zuſam̃en ſeyn, wo wir unſers GOttes Willen,
Und den Endzweck Seiner Abſicht, da er Menſchen ſchuff,
erfuͤllen,
Und als Menſchen leben wollen. Sprecht, ob ſonſten wol
ein Thier
Minder einem Schoͤpfer dienen, und Jhn ehren kann, als wir.
Wir
eines Linden-Baums.
Wir beſtehn aus Seel’ und Leib: folglich muͤſſen alle beide,
Durch Empfindlichkeit geruͤhrt, im Vergnuͤgen ſich ver-
binden,
Dann wird allererſt der Menſch eine rechte Menſchen-
Freude,
Die der Schoͤpfer bloß nur ihm, nicht dem Vieh, beſtimmt,
empfinden.
Auf denn! mein entflammter Geiſt, nimm der Sinnen
Krafft zuſammen,
Laß aus dem Betrachtungs-Samen, einen Baum, der gei-
ſtig, ſtammen,
Welcher nimmermehr verwelcket, der im ſchaͤrffſten Winter
gruͤnt,
Den die Hitze nicht verſenget, den kein wilder Sturm ent-
laubet,
Den kein Wetter, Blitz noch Donner ſeiner ſuͤſſen Frucht
beraubet,
Welche geiſtig, die der Seelen recht zu einer Nahrung dient,
Ja ſie gleichſam ſelbſt verſchoͤnert, daß dem Schoͤpfer aller
Welt
Jhr nur Jhn betrachtend Weſen, immer mehr und mehr
gefaͤllt.
Laß uns einer Creatur mehr als Wunder-ſchoͤne Pracht,
Die der Schoͤpfer werden laſſen, Dem zum Ruhm, der ſie
gemacht,
Mit beſeelten Farben ſchildern! ſo daß (wie der Leib geruͤhrt
Durch des Urbilds Schmuck und Kuͤhlung) unſers Geiſtes
denckend Weſen,
Wann wir die Copey betrachten, wann wir die Beſchreibung
leſen,
Auch dadurch vergnuͤgt erquickt, und ſein Blick geſtaͤrcket
werde.
Kuͤh-
Vergnuͤgliche Betrachtung
Kuͤhles Schirm-Dach in der Hitze, Schmuck der Luͤffte,
Pracht der Erde,
Schatten-reicher Linden-Baum, der du meine Wohnung
deckeſt,
Der du mit dem hohen Stamm faſt biß an die Wolcken
ſteigſt,
Und auf reich belaubtem Wipfel gleichſam gruͤne Wolcken
zeigſt,
Der du deine ſchlancke Zweige in der Ruͤnde von dir ſtre-
ckeſt,
Eine gruͤne Daͤmmrung zeugſt, wann Licht, Kuͤhlung, Waͤrm
und Schatten,
Unter den gebognen Aeſten, ihre Kraͤfft’ einander ſchwaͤchen,
Und mit ſanftem Gegendruck ihre Wirckung unterbrechen,
Daß ſie, in gelinderm Grad, ſich in ſuͤſſer Stille gatten:
Da denn ihre Harmonie und ihr ſanftes Gleich-Gewicht
Unſrer Lungen, unſrer Haut, auch nicht minder dem
Geſicht,
Ja durch dieſe ſelbſt der Seelen, ein vergnuͤgliches Gefuͤhl,
Und, wo ſie am Schoͤpfer dencket, einen Trieb zum Lob’ er-
reget.
Deine Schoͤnheit zu beſingen, bin ich ietzt aufs neu beweget,
Angereitzet, angetrieben, angeflammet. Du allein,
Da ich meine Wohnung aͤndre, da ich Wieſen, Gaͤrten,
Felder
Nicht ſo frey erblicken kann, noch den Schmuck der gruͤnen
Waͤlder;
Kanuſt mir ietzt mit allem Recht, Wieſe, Wald und Garten
ſeyn.
Un-
eines Linden-Baums.
Unſre gantze Gaſſe gleicht, ſo durch dich, als deines gleichen,
Einem dicken duncklen Walde. Welches denn in einer
Stadt
Eine ſeltne Schoͤnheit iſt, und die viel Bequemlichkeit
Dem, der ſie bewohnet, bringet, ſonderlich zur Sommer-
Zeit.
Ja durch dieſer Baͤume Dicke ſcheinet, nach dem Augen-
Schein,
Jeder Zweig ein eigner Buſch, ieder Baume in Wald zu
ſeyn.
Wie ſo Regel-recht formirt iſt dein ſchoͤner Stamm!
wie glatt,
Wie gerade, feſt und ſtarck! gleicht er nicht in allen Theilen
Denen in der ſchoͤnſten Maſſe kuͤnſtlich ausgehaunen Saͤu-
len?
Wie verbreiten ſich uͤmher deine Blaͤtter-reichen Aeſte,
Welche nebſt den ungezehlten duͤnn- und ſchlancken Neben-
Zweigen,
Von des Laubes Laſt gekruͤmmet, recht gewoͤlbt ſich abwaͤrts
beugen!
Dieſe gruͤnende Gewoͤlbe, dieſe deine ſchoͤne Bogen
Seh’ ich an als Ehren-Bogen, Dem zum Ruhm, Der deine
Pracht
So verwunderlich, ſo lieblich zu der Menſchen Luſt, ge-
macht,
Und bewegliche Gewoͤlber ſelber in der Lufft gezogen.
Wenn gelinde Winde kuͤhlen, heben ſie ſich ſanft, und
fallen,
Steigen wieder, ſincken nieder mit gelind- und ſanftem Wallen
Recht wie gruͤne Feder-Buͤſche, deren lind- und ſanftes ſpielen,
Die zu ſehr erhitzten Luͤffte, gleich den Faͤchteln, ſchmeich-
lend kuͤhlen,
JUnd
Vergnuͤgliche Betrachtung
Und uns neue Luſt verſchaffen: Jn dem wallen, in dem
ſchweben,
Scheinen ſie nicht leblos mehr, ſondern in der That zu leben.
Jhr ſo ſuͤß Geraͤuſch und Liſpeln, welches uns ſo wol gefaͤllt,
Sollt uns alle billig reitzen, ihrem und dem HERRN der
Welt
Durch ein lieblichs Lob-Gethoͤne, und ein Jhm gefaͤlligs
Leben
Uns, ſo wie ſie uns gefallen, zu gefallen, zu beſtreben.
Wie ſo herrlich iſt das Licht, wie iſt es ſo Wunder-ſchoͤn,
Durch der Blaͤtter gruͤne Schatten noch verſchoͤnert, an-
zuſehn!
Gruͤnliche Parteyen Licht, gruͤnliche Parteyen Schatten
Sieht man hier zertheilet glaͤntzen, bald vereinet dort ſich
gatten:
Bald ſieht man bey dunckel gruͤnen, helle Lichterchen ſich
fuͤgen,
Bald auf gelblich gruͤnen Stellen, dunckle Schatten-Blaͤtte
liegen.
Jn der Sonnen guͤldnen Strahlen, ſcheinen bey entwoͤlckten
Wetter
Gruͤn und Silber angeſtrahlte, gruͤn und Gold durchſtrahl
te Blaͤtter.
Hoͤchſt erfreut erblicket man, wie des ſchoͤnen Tages Pracht
Gleichſam ſich im Baum vermaͤhlet mit der allerſchoͤnſten
Nacht.
Hier erblickt man auf den Blaͤttern, die ſich drehn, auch ab-
waͤrts hangen,
Mehr das Licht auf einer Stell’, als auf einer andern
prangen,
Ein
eines Linden Baums.
Ein zu uns gekehrter Ort laͤſſt die Strahlen ruͤckwaͤrts
prallen,
Wann von denen hangenden oder weggekehrten Seiten
Die dadurch geſchwaͤchten Strahlen auch mit ihnen abwaͤrts
gleiten,
Und ſo ſtarck nicht, doch auch ſchoͤn, uns durchs Aug’ ins
Hertze fallen.
Halbe Lichter ſpielen hier, halbe Schatten ſchertzen dort.
Wann in einem gantzen Licht, an den gantz beſtrahlten Zwei-
gen,
Die illuminirte Blaͤtter tauſend gruͤne Wunder zeigen;
Zeigen ſich im halben Glantz halb verklaͤrt an jenem Ort
Tauſend Wunder, die nicht minder, als das allerhellſte Licht
Durch ein ſuͤß gemildert Feur, und durch einen ſanften
Schein
Einem menſchlichen Gemuͤthe, durchs betrachtende Geſicht,
Angenehm, vergnuͤglich, lieblich, luſtig und erfreulich ſeyn.
Ja ſo gar die duncklen Tieffen, die dem angeſtrahlten
gruͤnen,
Durch den Gegen-Satz die Schoͤnheit und den Glantz noch
mehren, dienen
Uns die Anmuth auch zu mehren. Dieſe gruͤne Dunckel-
heit
Laſſt uns oͤffters deutlicher, als man ſie ſonſt ſaͤhe, ſehn,
Wie mit froher Gauckeley, und beſondrer Schnelligkeit,
Bunte Fliegen hin und wieder, mit ſanft ſumſendem Gethoͤn
Schertzen, ſchwaͤrmen, ſchweben, fliegen, offt im fliegen ſtille
ſtehn,
Daß die mindeſte Bewegung nicht in ihrem Flug zu ſehn,
Offt mit ſo geſchwindem Schuß, daß ſie zu verſchwinden
ſcheinen,
J 2Die
Vergnuͤgliche Betrachtung
Die durchſtrahlte Luͤffte theilen: Offt als eine kleine Schaam
Sich verſammlen, bald ſich trennen, und bald wiederuͤm
vereinen.
Dieſes ſchwaͤrmen, ſpielen, ſchertzen der auf dunckel-
gruͤnem Grunde
Gantz allein beſtrahlten Fliegen
Hat in der ſo ſuͤſſen Stille, offt ein inniges Vergnuͤgen
Und bewundern mir erregt. Die Geſchwindigkeit, das
ſchweben
Jn den Luͤfften, ohne ſich von der Stelle zu begeben,
Deuchte mich kein kleines Wunder; ſonderlich begriff’ ich
nicht,
Wie auf der ſo duncklen Stelle ein ſo hell und ſchnelles
LichtBloß allein die Fliegen traff. Endlich aber fiel mir ein
Daß die duncklen Stellen auch voller Licht und Sonnen-
Schein,
Und nicht minder, als die andern, wo es hell, voll Strahlen
ſeyn.
Aber weil das Licht fuͤr ſich gar nicht ſichtbar; ſiehet man
Solches, ſonder Gegenſchlag, ſelbſt als Nacht und Schatten
an.
Dieſes giebt uns ein Exempel, wie auch in der dickſten
Nacht,
(Sieht man gleich nicht das geringſte von der Sonnen-
Strahlen Pracht,)
Doch das gantze Firmament voller Strahlen, Glantz und
Licht,
Voller Glut und Schimmer ſey. Welches aber unſer’ Augen
Als die, ſonder Gegenſchlag, keinen Strahl zu ſehen taugen
Ehe
eines Linden-Baums.
Ehe nicht, bis ein Planet, ſonderlich der Mond, den Strahl,
Der ihn trifft, zuruͤcke wirfft, und indem ſein Coͤrper dicht,
Ob er dunckel gleich und finſter, doch das an ihn fall’nde
Licht
Wie die Fliegen, ſichtbar macht.
Lieblich laͤſſt es gleicher Weiſe, wann mit ſchnell- und
regen Schwingen
Kleine Voͤgel auf den Zweigen, die ſo ſchlanck und biegſam,
fliegen,
Sie mit ihrer leichten Laſt etwas, doch nicht voͤllig, biegen,
Durch die dichte Blaͤtter ſchlupfen, huͤpfen, gauckeln, zwit-
ſchern, ſpringen,
Und in ihrer ſchoͤnen Wohnung, Den, der ſie gemacht, be-
ſingen.
Wann wir ihre leichte Coͤrper, ihr ſo hurtiges bewegen,
Jhrer bunten Federn Schmuck, ihrer ſchlancken Haͤlſe drehn,
Jhrer Koͤpfchen ſchnelle Wendung, ihrer kleinen Schnaͤbel
regen,
Samt der Kehlen gurgelnd zittern, wann ſie aͤmſig ſingen,
ſehn,
Und ihr lieblichs zwitſchern hoͤren; denckt mit Recht ein
ſtiller Geiſt,
Der der Unempfindlichkeit zaͤhen Schlamme ſich entreiſſt:
Dieſer netten Creatur, der geſchwinden Voͤgel Schaar,
Zeigt auf eine neue Weiſe, wie Du, GOTT, ſo
wunderbar!
Noch muß man der Linden-Bluͤhte Zier, und Bildung
nicht vergeſſen,
Womit zu gewiſſer Zeit, dieſer Baum ſich deckt und ſchmuͤckt.
Wann man dieſer Bluhmen Schoͤnheit, Zierde, Farb’ und
Meng’ erblickt;
J 3Wann
Vergnuͤgliche Betrachtung
Wann wir den Geruch verſpuͤren, der uns inniglich erquickt,
Finden wir aufs neue Wunder, wuͤrdig daß wir ſie ermeſſen.
Jedes Blat zeigt an dem Fuß, recht, wo es am Stengel feſt,
Eine Knoſp’ aufs kuͤnftge Jahr,
Die aufs neu die weiſe Guͤte
Jhres Schoͤpfers, der vorher ſorgt und wircket, ſehen laͤſſt.
Bey den allermeiſten nun wird man noch dazu gewahr,
Daß, an eben dieſen Stellen, noch ein drittes Kind, die
Bluͤhte,
Wunderbar geformt erſcheint. Ein ſchoͤn gelblich langes
Blat,
Da das Laub ſonſt gruͤn und rund, waͤchſt daſelbſt an einem
Stiel,
Der es bis zur Mitte bindet (als ein ſonderliches Spiel
Der geſchaͤfftigen Natur) dann ſich aber abwaͤrts ſencket,
Und, nachdem er ſich aufs neu in verſchiedne Stengel lencket,
Viele ſchoͤne Bluhmen traͤgt: deren Schmuck und Bildung
man
Niemahls gnug behertzigen, niemahls gnug bewundern kann.
Wann ſie nun die lauen Luͤffte eine Zeitlang balſami-
ret,
Welckt die Bluhme: dann erſcheint, was inzwiſchen die Natur
Jn derſelben Schooß gebildet, deren liebliche Figur,
Wenn wir ſie genau betrachten, wieder neue Luſt gebieret.
Tauſend kleine gruͤne Kugeln, die ein zartes Peltzwerck
deckt,
Halten in den runden Baͤuchen, wunderbar verwahrt, ver-
ſteckt
Jhren eblen Schatz den Samen. Wunder! in ſo engen
Raum
Liegt Geheimniß-voll verſchraͤncket, mehr ein Wald faſt, als
ein Baum.
An
eines Linden-Baums.
An den lang- und ſchlancken Zweigen, die ſich weit vom
Stamme ſtrecken,
Koͤnnen wir beſondre Wunder, wenn man ſie erwegt, ent-
decken.
Daß ſie lang und rund zugleich, zeiget eine Weisheit an,
Deſſen der ſie werden laſſen, welche billig iederman
Finden und bewundern ſollte. Wahrlich nicht von ungefehr
Kommt die Bildung an den Zweigen, daß ſie rund und lang
zugleich,
Sondern aus der Weisheits-Quelle und aus einer Allmacht
her,
Die zugleich an Lieb und Guͤte ewig unerſchoͤpflich reich.
Die Betrachtung zeigt uns deutlich, daß derſelben Glaͤtt
und Ruͤnde
Sie ſowol fuͤr Faͤulung ſchuͤtzet, als auch fuͤr die Macht der
Winde.
Da hingegen, bey der Ruͤnde, der gedehnten Zweige Laͤnge
Schatten, Pracht und Schoͤnheit traͤget, ſam̃t der Bluͤht’ und
Blaͤtter Menge.
Daß dieſelben nicht zu ſtarr, aber doch auch nicht zu weich,
Und daß ſie, indem ſie ſchlanck, wuͤrcklich hart und weich zu-
gleich,
Zeiget abermahl die Weisheit ihres Schoͤpfers offenbar,
Und zugleich Deſſelben Guͤte, ſamt der Allmacht, Sonnen-
klar.
Waͤren ſie zu hart, zu ſtarr; wuͤrde ſie der Winde Schaar
Leicht zertruͤmmern, leicht zerbrechen. Waͤren ſie zu weich
hingegen;
Wuͤrde ſie die Laſt der Lufft abwaͤrts biegen, niederdruͤcken,
Folglich wuͤrden ſie beſtaͤndig auf einander, gleich den Stri-
cken,
Sich uͤm ihre Staͤmme legen,
J 4Und
Vergnuͤgliche Betrachtung
Und verwirret abwaͤrts hangen;
Da ſie ietzt in ſtoltzer Breite, Ruͤnd’ und Hoͤhe herrlich
prangen,
Und als groſſe Garten-Lauben, nett geflochten, Wunder-
ſchoͤn,
Beſſer, als die Haͤnge-Gaͤrten Babels, in den Luͤfften ſtehn.
An das angeſtrahlte Haus ſiehet man bey heiterm
Wetter,
Um die Anmuth noch zu mehren, tauſend, tauſend Schatten-
Blaͤtter
Durchs gehemmte Licht gebildet, an die rothe Mauer fallen,
Und, zuſammt den wircklichen, lieblich hin und wieder
wallen.
Da man nun fuͤr iedes Blat,
Wenn man es genau betrachtet, GOtt zu dancken Urſach hat;
Wie vielmehr ſoll unſer Geiſt, wenn man auf der Baͤume
Cronen
Jhrer ſo viel tauſend ſieht, ja ſo viele Millionen,
Den, der ſie zu unſerm Nutzen, und zu unſrer Luſt gemacht,
Loben, preiſen, und Jhm dancken, ſo am wuͤrdigſten geſchieht,
Wann man an den Schoͤpfer dencket, dann, wann mans Ge-
ſchoͤpfe ſieht.
Auf denn! laſſt uns kuͤnfftig hin im Vergnuͤgen uns be-
ſtreben,
Durch das dencken an den Geber, Jhm den beſten Danck zu
geben!
So verlaͤngern wir die Luſt, ſo empfinden wir ſie beſſer,
So wird unſre Lieb’ und Ehr-Furcht zu dem groſſen Schoͤpf-
fer groͤſſer.
Ja
eines Linden-Baums.
Ja da man den nahen GOtt in den Creaturen ſpuͤhret,
Wird ſo gar ein GOttes-Dienſt aus der Anmuth, die uns
ruͤhret.
Groſſer Schoͤpfer! der Gedancke zeigt aufs neu’ uns
abermahl
Von der Liebe Deiner Gottheit uͤberzeuglich einen Strahl,
Da Du Deinen heilgen Dienſt Selbſt mit unſrer Luſt ver-
bindeſt,
Und ſo gar in unſrer Freude Deines Nahmens Ehre findeſt.
Da Du unſer, durch die Schoͤnheit Deiner Werck’ erregtes
lallen,
So aus unſrer Freude quillet, Dir aus Gnaden laͤſſt ge-
fallen.
Sollte man denn, einem GOtt, der ſo liebreich iſt, zu Ehren,
Nicht mit froher Seele ſehn, riechen, ſchmecken, fuͤhlen,
hoͤren?
J 5An-
Anmuth
Anmuth in Betrachtung der
Creaturen.
Wenn wir des Schoͤpfers Werck bewundernd uͤberle-
gen,
So finden wir, daß nicht allein
Die Creaturen uns zu GOTT zu fuͤhren pflegen,
Und gleichſam Himmels-Leitern ſeyn;
Wir finden, wenn wir ſie recht mit Vernunft erwegen,
Daß ſie ein Freuden-Licht, und einen Anmuths-Schein
Jn ihrem Weſen wircklich hegen.
Die unſer Schoͤpfer in der That
Als einen Lohn darin zu legen,
Sie gnaͤdiglich gewuͤrdigt hat.
Sprich nicht, geliebter Menſch: ich ſeh ein ſolches Licht,
Solch einen Anmuths-Schein und Lohn in ihnen nicht.
Wenn ſolch ein Freuden-Glantz die Creatur erfuͤllt,
So waͤr ſie ja wol nicht ſo ſehr darin verhuͤllt,
Verborgen und verſteckt. Du irreſt dich. Denn hoͤre,
Wofern dein Mund nie Honigſeim geſchmeckt,
Und wo Erfahrung dir es nicht entdeckt,
Daß dieſe Suͤſſigkeit in bunten Bluhmen ſteckt,
Du leugneteſt gewiß, ſo ſtarck, als unſre Lehre,
Daß in den Bluhmen Honig waͤre,
Der doch wahrhaftig da. So ſteckt auf gleiche Weiſe,
Zu deiner Luſt, und deinem GOTT zum Preiſe
Auch
in Betrachtung der Creaturen.
Auch eine wahre Seelen-Speiſe
Ein Seelen-Honig in der Bluͤhte,
Ja uͤberall in ieder Creatur.
Laß dein aufmerckſames vernuͤnftiges Gemuͤthe
Der regen Bienen Stelle nur
Jn fleiſſigen Betrachtungen vertreten:
So wird, wie ſie, mit frohem ſumſen, thun,
Auch dein vergnuͤgter Sinn nicht ruhn,
Voll froher Danckbarkeit, den Schoͤpfer anzubeten.
Je mehr du nun darin Sein’ Allmacht wirſt ergruͤnden;
Je groͤſſ’re Suͤßigkeit, Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen,
Die wunderbar darin verborgen liegen,
Wird dein erquickter Geiſt, zu ſeiner Nahrung, finden.
Ja nicht nur dir allein;
Auch andern wird der ſuͤſſe Safft
Der in der Creatur verhandnen Eigenſchaft
Ein ſuͤſſer Seelen-Honig ſeyn.
Noth-
Nothwendigkeit, ſich der Sonne zu freuen.
Nothwendigkeit, ſich der Sonne
zu freuen.
Dein Coͤrper ſpuͤhrt das guͤldne Sonnen-Licht,
Wie Thier’ und Pflantzen; anders nicht.
Allein, wo aus dem Licht der Sonne
Nicht auch zugleich ein Freuden-Licht,
Ein heller Strahl, von Luſt und Wonne,
Jn deiner Seele Weſen bricht;
Und nicht darin ein Andacht-Feur erreget,
Und dich nicht zu dem Schoͤpfer lenckt,
Der ihre Herrlichkeit erſchuff, und ſie dir ſchenckt,
Und dich zum dancken nicht beweget;
So ſieheſt du wahrhaftig ſie,
Nicht anders an, als wie ein Vieh.
Spie-
Spiegel des Geiſtes.
Spiegel des Geiſtes.
Wie die Augen alle Dinge, doch ſich ſelber anders nicht,
Als im Spiegel, ſehen koͤnnen; alſo kann der Geiſt,
allein
Jn der Creaturen Spiegel, ſeine Krafft und wahres Seyn
Sehn, begreiffen und erkennen: Ja wie wir, nicht nur
durchs Licht,
Sondern ſelbſt das Licht im Spiegel ſehen; alſo werden
wir
Nicht nur, daß wir durch den Schoͤpfer alles ſehen; ſon-
dern gar
Jn der Wercke Spiegel, Seiner, als der Licht-Quell ſelbſt,
gewahr.
Noth-
Nothwendiges Lob GOttes ꝛc.
Nothwendiges Lob GOTTES durch
mehr als zweene Sinnen.
Unſre Seele hat bisher durch das Ohr, in guten Lehren,
Vieles, unſerm GOTT zum Ruhm, in der Kirchen
koͤnnen hoͤren.
Unſre Seele hat auch noch von der Gottheit Wunder-Weſen
Durch das Aug’ in vielen Schriften etwas Gutes wol ge-
leſen:
Aber es iſt einmahl Zeit, unſer’ andre Sinnen auch
Dem allgegenwaͤrtgen Schoͤpfer zum gefaͤlligen Gebrauch
Anzuwenden, und der Seelen auch durch ſie was zuzufuͤhren,
Daß ſie, unſerm GOTT zu Ehren, moͤge ſchmecken, fuͤhlen,
ſpuͤhren.
Denn daß dieſes Sein Verlangen, und Sein Endzweck,
zeiget Er,
Durch die Gabe nicht allein, ſondern durch Sein Wort.
Wir leſen,
Daß wir ſehn und fuͤhlen ſollen im Geſchoͤpf Sein Goͤttlichs
Weſen:
Und beym David: ſchmeckt und ſehet, wie ſo freundlich
GOTT der HERR.
Nacht-
Nacht-Wanderer.
Nacht-Wanderer.
Wenn ich der Menſchen Thun betrachte,
Auf ihren Zweck, den Trieb und ihre Wirckung
achte;
So kommt ihr gantzes Leben mir
Nicht anders, als das Thun mondſuͤchtger Wandrer
fuͤr.
Dieſelben thun verſchiedne Sachen,
Der feſten Meinung, daß ſie wachen:
Sie ſteigen, klettern, gehen, ſtehn,
Sie glauben, daß ſie hoͤren, ſehn;
Da ſie doch wircklich taub und blind
Fuͤr alles, und nur blos fuͤr eins empfindlich ſind.
So geht es leider auf der Welt:
Der eine Theil von uns ſtrebt nach der Ehre Wind;
Der andre laͤufft und rennt: was ſucht er? nichts als
Geld;
Der dritte, mit entflammter Bruſt,
Sucht bloß bey Wein und Weibern Luſt.
Ein ieder iſt ſo ſehr auf ſeinen Zweck erpicht,
Daß er nichts anders ſieht noch hoͤret,
Empfindet, achtet, noch begehret.
Einfolglich iſt, was iſt, fuͤr ihn, als waͤr’ es nicht.
Wir
Nacht-Wanderer.
Wir ſehen das, was unſer GOTT geſchaffen,
Nicht anders an, als wenn wir ſchlaffen,
Denn minder, als verſchiedne wachend ſehn
Des Schoͤpfers Werck, kann es im Schlaffe kaum
geſchehn.
Erwache doch, geliebter Menſch! die Pracht
Der Creatur, des Himmels Licht,
Der Glantz und Nutz der Fluth, der Schmuck und Nutz
der Erden
Verdient, erfordert es, daß ſie betrachtet werden,
Zum Preiſe Des, der ſie gemacht.
Es will und heiſcht es unſre Pflicht:
Denn wo man nicht auf dieſe Weiſ’ erwacht,
Verſincket man gewiß in eine ew’ge Nacht.
Sinn-
Beſtraffung der Unachtſamkeit.
Sinn-reiche Beſtraffung der Un-
achtſamkeit.
Juͤngſt hoͤrt’ ich abermahl, du Auszug weiſer Geiſter,
Der edlen Hammon-Stadt beruͤhmter Buͤrgermeiſter,
Du theurer Anderſon, ein Wort von dir,
So wuͤrdig, damit es beſtaͤndig bleibe,
Daß man’s in feſten Stahl, und harten Marmor ſchreibe.
Als iemand dich beſchaͤfftigt fand,
Durch ein Vergroͤſſrungs-Glas ein Wuͤrmchen anzuſeheu,
Und, wie es Dein bedachtſamer Verſtand
Nach allen Theilen durchzugehen
Sich viele Muͤhe nahm, gewahr ward, auch ſogleich,
Wie es doch moͤglich ſey, ein ſo veraͤchtlich Thier
So muͤhſam zu beſehn, mit ernſtem Schertz, ja ſchier
Mit halben Hohn-Gelaͤchter, fragte;
So hoͤrt’ ich, wie Dein Mund ihm dieß zur Antwort ſagte:
Es hielte GOTT der HERR, der Schoͤpfer aller Dinge
Dieß kleine Thier nicht zu geringe:
Das ew’ge Wort, die Quell der Himmel und der Erden
Hielt’ es der Schoͤpfung wehrt, und hieß dieß Wuͤrmchen
werden:
Und ich ſollt es nicht wehrt, es zu betrachten,
Ja nicht einmahl des Anſehns wuͤrdig, achten?
KVer-
Vermahnung.
Vermahnung.
Liebſte Menſchen, braucht die Sinnen beſſer, als ihr
ſie gebraucht!
Sucht von eurer Augen Spiegel, den die Leidenſchafft be-
haucht,
Der Gewohnheit Dufft zu wiſchen. Gleich wird durchs
Geſichts Cryſtallen,
Der Geſchoͤpfe Wunder-Pracht ſtrahlend in die Seele
fallen;
Und ſie wird in einer Menge GOTT-gefaͤlliger Jdeen,
Weisheit, Lieb’ und Macht des Schoͤpfers, ja den Schoͤpfer
ſelber, ſehen.
Ge-
Gegenwart des Guten.
Gegenwart des Guten.
Wie wir, wann wir Aurora Roſen-Licht
Nicht mehr am Firmamente ſehen,
Selbſt in Aurora Farben ſtehen,
Merckt es gleich unſer Auge nicht;
Und wie wir in den Abend-Stunden
Das Abend-Roth nicht eh’ empfunden,
Als bis es ſich von uns entfernet, und vergeht;
So mercken wir das Gluͤck, das GOTT uns goͤnnet,
Jn ferner Hoffnung nur, auch wann ſichs von uns trennet;
Nur dann am wenigſten, wanns uns am naͤchſten ſteht.
Ach liebſte Menſchen, lernet! lernet
Das gegenwaͤrtge Gluͤck erkennen;
Nicht, wann es noch nicht da! nicht erſt, wann ſichs ent-
fernet,
Und nicht in Furcht und Hoffnung nur allein,
Nein dann, wann ihr es ſeyd, vergnuͤgt zu ſeyn!
So duͤrftet ihr vielleicht, in wol empfundnen Freuden,
Aus bloſſer Danckbarkeit, die Laſter meiden.
K 2Noth-
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Wann dich ſelbſt in das Paradieß
Der Schoͤpfer wuͤrdigte zu ſetzen,
Und Eden ſelbſt bewohnen ließ;
So wuͤrdeſt du, wenn du mit Edens Schaͤtzen
Richt anders handelteſt, als mit dem Schmuck der Erden,
Dadurch nicht gluͤcklicher, und nicht vergnuͤgter werden:
Jndem Luſt, Anmuth und Vergnuͤgen
Allein in der Betrachtung liegen.
Ein-
Einfluß der Witterung.
Einfluß der Witterung.
Wann der Himmel aufgeklaͤret, und der Sonnen helle
Glut
Alle Vorwuͤrff’ uͤberguͤldet; wann das Heer der Winde
ruht;
Deucht mich, daß bey dieſer Stille, bey dem allgemeinen
Schein,
Da, in ſuͤſſem Gleich-Gewicht, Lufft und Erd’ und Fluth ſich
ſchmuͤcken,
Wir zu zaͤrtlichen Gedancken, etwas lieblichs auszudruͤcken,
Und was ſchoͤnes zu beſchreiben, beſſer aufgeraͤumet ſeyn.
Wann hingegen dunckle Wolcken, oder Wind, die Luͤfte
fuͤllen,
Und der Schoͤnheit Quell, die Sonne, durch geſchwaͤrtzten
Dufft verhuͤllen;
Deucht mich, daß zu ernſten Lehren,
Auch die Wirckung der Natur zu verſuchen, zu erklaͤren,
Unſre Seelen-Kraͤffte faſt faͤhig- und geſchickter waͤren.
K 3Welt-
Welt-Opera.
Welt-Opera.
Jn der ſchoͤnſten Opera ſchlieff Chryſander juͤngſt. Jch
lachte.
Als ich aber bald darauf dieß von neuen uͤberdachte,
Lacht’ ich ferner nicht daruͤber, ſondern ich betruͤbte mich:
Denn es fiel mir dieſes bey: Ach wie viele finden ſich,
Die im Schau-Platz dieſer Welt, wo am Himmel, wo auf
Erden
Jmmer Wunder uͤber Wunder praͤchtigſt vorgeſtellet
werden,
Und die uns ſowol zum Nutz, als zu unſrer Freud’ er-
ſchaffen,
Da ſie ſelbe nicht betrachten, eigentlich nichts thun, als
ſchlaffen!
GOT-
GOttes Groͤſſe.
GOttes Groͤſſe.
Was ein Menſchen-Leib an Groͤſſe bey der Erden Coͤr-
per iſt,
Jſt die Erde, wenn man ſie gegen alle Himmel miſſt,
Noch bey weitem nicht einmahl. Gegen GOtt, dem HErrn
des Lichts,
Wird der Himmel Himmel Groͤſſe nicht nur klein, nein,
gar zu nichts.
K 4Schul-
Schuldigkeit der Menſchheit.
Schuldigkeit der Menſchheit.
Die Menſchheit iſt nicht das, was ſie zu ſeyn geden-
cket;
Wo ſie, wie GOTT die Welt ſo wunderbar geziert,
Nicht mit vergnuͤgter Seele ſpuͤhrt,
Noch auf des Schoͤpfers Werck mit Luſt die Augen len-
cket.
Fabel.
Fabel.
Fabel.
Hans war ein feines Kind, und eines Koͤnigs Sohn,
Den man, damit ſein Geiſt des Vaters Cron’ und
Thron,
Durch einen Gegenſatz, noch hoͤher achten moͤgte,
Und daß er ja ſein Gluͤck um deſto mehr bedaͤchte,
Jn einem ſchlechten Dorff’ hatt’ auferziehen laſſen.
Damit er alles nun auf einmahl moͤgte faſſen,
Hieß ſein Herr Vater einſt den Hof ſich herrlich ſchmuͤcken;
Ließ alles in geheim uͤm Hanſens Huͤtte ruͤcken.
Es ſtand nunmehr der Hof, nach erſt vergangner Nacht,
Jn ſeiner hoͤchſten Pracht:
Von Silber, Gold, Rubin und andern Edelſteinen
War ein gefaͤrbter Glantz, und ein faſt blendend ſcheinen
So hell als allgemein. Ein ſchimmernd blitzend Licht
Beſtrahlte Hertz und Bruſt,
Erfuͤllte das Geſicht
Mit Anmuth und mit Luſt.
Hans oͤffnete ſogleich die ſtarren Augen-Lieder,
Und ſprach: Ey das iſt ſchoͤn! Und damit kehrt’ er wieder,
Und ſetzte ruhig ſich in ſeiner Huͤtten nieder.
Der Hans iſt ieder Menſch, der aller Himmel Pracht,
Der Sonnen Wunder-Licht, und, bey geſtirnter Nacht,
Die ungezehlte Zahl der Sonnen in den Sternen
Erſtaunet nicht beſchaut, und Den, der ſie gemacht,
Jn ſeiner Luſt nicht will bewundern lernen.
K 5Aen-
Aenderung.
Aenderung.
Die Anmuth, die man fruͤh, (durch ſuͤſſen Schlaff er-
friſcht
Und halb verjuͤngt) verſpuͤhrt; die Anmuth, die uns nehrt,
Wann uns ſo vielerley wird aufgetiſcht,
Wie zweymahl ordentlich uns taͤglich wiederfaͤhrt;
Die Wolluſt, wann der Menſch die muͤden Glieder
Des Abends wiederum, mit vieler Anmuth, nieder
Auf weiche Federn ſtreckt; wodurch die lange Zeit
Verkuͤrtzt, der Arbeit Laſt, und andere Beſchwerden
Beſtaͤndig unterbrochen werden,
Sind alle Tage da. Wer aber denckt daran,
Daß GOTT, der Schoͤpfer, uns in dieſem Leben,
Selbſt in der Aenderung, ſo manche Luſt gegeben?
Die
Die Reiſe.
Die Reiſe.
Man kann, wie herrlich und wie ſchoͤn
Des Schoͤpfers Werck, zu Seinem Preiſe,
So gut in keiner Handlung ſehn,
Als wann man etwan auf der Reiſe.
Wie groß, wie viel, wie mancherley
Das Heer der Creaturen ſey,
Giebt ieder Augenblick, im Wechſel, zu verſtehn.
Bald zeigen nett befurchte Felder,
Bald Luſt- und Schatten-reiche Waͤlder,
Hier Gras und Kraut, dort Laub und Bluͤhte,
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Guͤte.
Hier zeigt ein Berg, und dort ein Thal
Geſchoͤpf’ und Vorwuͤrff ohne Zahl.
Bald wird in bunt bebluͤhmten Wieſen
Der, ſo ſie ſchuff, mit Recht geprieſen.
Hier machet eine fette Weide
Voll Schaff’ und Kuͤh’ uns neue Freude.
Dort ſcheint ein Feld voll Korn und Weitzen
Zugleich zur Luſt und Andacht uns zu reitzen.
Hier wird bey einem gruͤnen Huͤgel,
Der klare Bach ein Himmels-Spiegel.
Die Erd’, indem man faͤhrt, ſcheint ruckwerts ſtets zu
lauffen,
Um gleichſam unſerm Blick mit Hauffen
Von immer angenehmern Dingen
Stets neuen Vorraht zuzubringen.
Hier
Die Reiſe.
Hier hebet ſich ein Thurm empor;
Da ſinckt der Blick in tieffe Thaͤler; dort
Erſtreckt er ſich auf einer Ebne fort.
Hier tritt ein Buſch, und dort ein Berg hervor.
Das Kutſchen-Fenſter ſtellet mir
Stets eine neue Schilderey
Von einer ſtets verneuten Landſchaft fuͤr.
Es giebt des Fenſters vordrer Theil
Mir eben ſo viel Gegenwuͤrff’ in Eil’,
Als mir, das hintre raubt.
Wie herrlich glaͤntzt, wie lieblich glimmt
Das Sonnen-Licht, wann auf der Fluth Cryſtallen
Derſelben Strahlen fallen!
Offt ſiehet man von weitem hohe Gipfel
Von Bergen, gantz bedeckt durch dichter Baͤume Wipfel;
Worauf, da Zweig’ und Laub ſich angenehm verſchraͤncken,
Und in die Tieffen ſich der Sonnen Strahlen ſencken;
Die krauſen hell-beſtrahlten Hoͤhn
Noch einſt ſo angenehm und ſchoͤn,
Durch dunckel-gruͤnen Wechſel, ſtehn.
Wie ſanft verſinckt der Blick (als wie das Licht
Jn einen gruͤnen Sammt mit Luſt verſincket)
Jn dicht belaubtes Buſchwerck nicht!
Wie lieblich laͤſſt es doch, wann das Getreide reifft,
Und unſer Blick ſo dann die Flaͤchen uͤberlaͤufft!
Hier drengt von reiffen Korn ein ſchmahler gelber Strich
Durch dunckel-gruͤne Wieſen ſich.
Dort ſiehet man von dunckel-gruͤnen Buͤſchen
Sich lange Strich’ in gelbe Felder miſchen,
An
Die Reiſe.
An deren lieblich gruͤn- und lieblich gelben Pracht,
Jn welcher die Natur uns gleichſam ſelbſt anlacht,
Die Augen ſich erquicken und erfriſchen.
Die Wege ſelber kommen mir,
Als eine ſonderbare Zier
Von einer ſchoͤnen Landſchafft fuͤr:
Jndem ich offt durch ſie ein’ angenehme Ruͤnde,
Bey viel gevierten Feldern, finde.
Es laͤufft der Regen Raͤder Gleiſe
Bald in die quer, bald Schlangen-weiſe,
Und wie ein S. bald in der Mitten
Gleich einem groſſen X. durchſchnitten.
Hier laͤufft die roͤthlich braune Trade
Als wie ein Bogen, dort gerade.
Hier lauffen ſie durch gruͤne Matten,
Durch helle Flaͤchen dort, und da durch dunckle Waͤlder,
Bald zwiſchen gaͤhe Berg’, und bald durch ebne Felder,
Bald hier im Licht, bald dort im Schatten.
Vor allen iſt ein Wald auf Reiſen angenehm:
Das Auge kann in ſchattigten Gebuͤſchen
Sich nicht allein ergetzen und erfriſchen;
Dem gantzen Coͤrper iſt, zumahl in ſtrenger Hitze,
Die kuͤhle Dunckelheit vergnuͤglich nuͤtze.
Wie lieblich klingt in ihm der reine Schall
Der Wunder-ſuͤſſen Nachtigall,
Verdoppelt durch den Wiederhall;
Wie ruͤhrend klingen nicht die zwitſchernden Geſaͤnge
Der andern Voͤgel ohne Zahl!
Vermiſcht ſich hier und ſchertzt das Licht
Auf tauſendfache Art, mit gruͤnen Schatten, nicht?
Und
Die Reiſe.
Und kurtz: Man kann, von GOttes Wunder-Wercken
Die Anmuth, Pracht und Herrlichkeit,
Die Menge, Zier, und Unterſcheid
Am beſten auf der Reiſe mercken.
Ach GOTT! da ich auf dieſer Welt beſtaͤndig gleichſam
auf der Reiſe;
So gieb, daß ich mit ſteter Luſt, es ſey in Thaͤlern oder
Hoͤhn,
Die Herrlichkeit der Creatur, o groſſer Schoͤpfer, Dir zum
Preiſe,
Mit nimmer muͤder Achtſamkeit, mag fuͤhlen, ſchmecken,
hoͤren, ſehn!
Das
Das Groſſe im Kleinen.
Das Groſſe im Kleinen.
Wir haben zu des Schoͤpfers Ruhme, wol eh’ uns in
die Hoͤh’ geſchwungen,
Und, zu des Allerhoͤchſten Ehren, wol eh’ vom Groſſen was
geſungen:
Wir haben ebenfalls den Geiſt auch in die Enge wol
gezogen,
Und das, was klein in der Natur, mit Andacht, gleicher
Weiſ’ erwogen.
Auf! laſſet uns denn ietzt mit Luſt, und Ernſt, und An-
dacht uns beſtreben,
Auf einen groſſen Satz, der gleichfalls ſo wahr als die, recht
Acht zu geben.
Nicht nur was klein, iſt in dem Groſſen; was Groſſes,
ob wirs gleich nicht meinen,
Jſt uͤberall unendlich groß, und folglich groß auch in
dem Kleinen.
Wenn die Materie den Geiſt vermoͤgend waͤre auszu-
ſchlieſſen,
So wuͤrde, wenn man dieſes glaubte, unſtreitig daraus
dieſes flieſſen:
Daß ſelbſt die Gottheit Grentzen haͤtte; daß Sie, bis zur
Materie
Nur bloß, und dann nicht weiter geh.
Wie laͤch-und laͤſterlich nun dieß, wird ja ein ieder leicht
erkennen,
Dem GOTT nur den geringſten Theil von einer Seele
wollen goͤnnen.
Durch-
Das Groſſe im Kleinen.
Durchdringt hingegen eine GOTTHEJT (ſo wie ſie ja
unſtreitig thut,
Da Sie allgegenwaͤrtig iſt) an allen Orten alle Dinge;
So iſt kein Coͤrperchen ſo klein, und kein Geſchoͤpfe ſo ge-
ringe,
Das Sie nicht durch und durch erfuͤllt; in welchem Sie
nicht wirckt und ruht.
Erkenne denn, geliebter Leſer, wie nahe GOTT dir ſey
nicht nur;
Erkenne, daß allgegenwaͤrtig Er in der kleinſten Creatur,
Ohn allen Wiederſpruch, vorhanden. Daß folglich unſer
GOTT in allen,
Was wir auf dieſer Welt bemercken, Betrachtungs- und
Verehrungs-wehrt,
Ja einzig anzubeten ſey. Da denn Vernunft und Glaube
lehrt:
Es werd’ ein ſolcher GOTTES-Dienſt verhoffentlich
GOTT nicht mißfallen.
Ge-
Gedancken uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Gedancken uͤber einen Hof voll Feder-
Vieh, abſonderlich uͤber die Schoͤnheit des
Pfauen, bey Gelegenheit, als mir eine Ruſ-
ſiſche, Tuͤrckiſche und Groͤnlaͤndiſche Gans
geſchencket worden.
Broſſer Schoͤpfer, ich verſpuͤre,
Wie hier dieſer fremden Thiere
Unterſchiedene Geſtalt,
Mit vergnuͤglicher Gewalt,
Mein Gemuͤth aufs neue ruͤhre.
Hier erblick ich abermahl,
Wie die Wercke Deiner Haͤnde
Sonder Grentzen, Ziel und Ende,
Ohne Maſſe, ſonder Zahl.
Jede Landſchaft bringt nicht nur,
Von ſo mancherley Figur
Farb’ und Arten, manches Thier,
Uns allein zum Nutz, herfuͤr;
Sondern in derſelben Zier
Sollen wir,
Wie die Creatur ſo ſchoͤn,
Unſerm GOTT zu Ehren, ſehn.
Wer einen Hof voll Feder-Vieh
Mit aufgeraͤumt betrachtendem Gemuͤth,
Und aufgeklaͤhrten Sinnen, ſieht,
Ergetzet ſich mit Recht, erſtaunt, bewundert ſie.
LWie
Gedancken.
Wie lebhaft, angenehm und niedlich
Jſt das Gewuͤhl der Huͤner! wie verſchiedlich
Jſt ihre Farb’ und Form! wie froͤhlich ihr Geſchrey!
Wie aͤmſig all ihr Thun! wie kraͤfftig wohnt der Hahn
Bald der, bald jener Hennen bey!
Jſt er nicht gleichſam angethan
Mit einem Helm, mit Spornen an den Beinen?
Wie muthig ſtraͤubt er ſich, wann etwan ein Compan
Mit ſeiner Weiber Schaar ſich ſuchet zu vereinen!
Da er die Fluͤgel ſchlaͤgt, und ſich zum Kampfe ruͤſtet.
Die Welſchen Huͤner ebenfalls
Sind ſchoͤn, ſind trefflich ſchoͤn. Man ſeh’ den Hals
Vom Welſchen Hahn nur an, wann er erhitzt ſich bruͤſtet.
Wie feurig iſt das roth, wie iſt ſein Kropf ſo blaͤulich,
Wie iſt ſein Zorn, der in den Augen flammt,
Zugleich ſo laͤcherlich und graͤulich!
Die Federn ſind, als wie ein ſchwartzer Sammt,
An welchem wir ein Weiß an allen Ecken,
Als waͤren ſie mit Silber eingefaſſt,
Nicht ohn’ Verwunderung entdecken.
Wie artig iſt das ſchnatternde Gethoͤn
Der Gaͤnſ’ und Enten anzuhoͤren,
Und ihre Bildung anzuſehn!
Die uns nicht ohn Erbauung lehren,
Wie alle Glieder ſonderbar,
Um ſich nach ihrer Art zu naͤhren,
Vom Schoͤpfer weislich zugericht.
Nicht minder giebt der muntern Tauben Schaar,
Wenn ſie bald gehen, und bald fliegen,
So
uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
So dem Gehoͤr, wie dem Geſicht,
Ein angenehm, ein ungemein Vergnuͤgen.
Mit Recht ſieht niemand ſonder Luſt
An ihrem Halſ’, und an der Bruſt,
Den wandelbaren Glantz der glatten Federn ſchimmern.
Wie lieblich klingt ihr ſuͤſſes wimmern,
Jhr Girren, ihr Geklatſch, wann ſie ſich aufwaͤrts heben,
Und, bald in blauer Lufft, in groſſen Kreiſen ſchweben,
Bald ſchnaͤbelnd, auf der Giebel Spitzen,
Verliebet bey einander ſitzen.
Durch ihre mancherley Figur
Wird man nicht nur,
Durch ihre Schoͤnheit auch, zum HErrn der Creatur
Gefuͤhrt, geleitet und gewieſen.
Wird wol mit allem Recht der Schoͤpfer nicht ge-
prieſen,
Wann wir, in bunt gefaͤrbtem Glantz,
Den Spiegel-voll-und hell beaugten Schwantz
Des uͤber-Wunder-ſchoͤnen Pfauen,
(Wie ihn der treffliche beruͤhmte Triller nennt)
Worin ein buntes Feur brennt,
Mit, trotz der Achtlosheit, erſtaunten Blicken ſchauen?
Man leg’ ein ſilbernes und guͤldenes Gewand
Drap’ d’or und Drap d’argent genannt,
Woran von Seid’ und Sammt der ſchoͤnſten Farben Pracht,
Nach aller Kunſt, durch menſchlichen Verſtand,
Zugleich mit angebracht,
Bey dieſem glaͤntzenden Gefieder
Zur Probe nieder:
L 2So
Gedancken
So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-ſchoͤn,
Mit uͤberfuͤhrten Blicken ſehn.
Wie zierlich iſt doch die Figur
Der mehr als Kaiſerlich geſchmuͤckten Creatur,
Der man mit Unrecht Wuͤrd’ und Nahmen
Vom Paradieſes-Vogel raubt.
Wie ſchlanck iſt doch ſein Hals, wie ſpitzig nett ſein Haupt,
Das eine Crone ſchmuͤckt!
Ein halber Silber-weiſſer Kreis
Umgiebt ſein ſchwartzes Aug, ein Strich der auch ſo weiß,
Wird an des Schnabels Horn erblickt.
Es ſcheinet die Natur auf dieſes Thier
Mit vollen Haͤnden
Der Bildungs-Pracht, der Farben Zier,
Zum Wunder gleichſam zu verſchwenden.
Mit Farben ſcheineſt du allein nicht einſt zufrieden:
Denn in derſelben bunten Schein
Miſcht ſich bey dir,
O allerſchoͤnſtes Wunder-Thier,
Zugleich ſo Gold als Silber ein.
Der Schoͤpfer hat dir noch viel mehr beſchieden:
Dein Gold iſt bund, und nicht allein nur guͤlden:
Mich deucht, daß ich ſo gar das helle Blau
Von jenen Himmliſchen Gefilden,
Wann ſie recht heiter ſind, an deinem Halſe ſchau.
Doch nein!
Es iſt ja gruͤn. Wie iſt mir? Auf der Welt
Jſt kein Smaragden-gleicher Feld.
Es ſcheint ſein gruͤner Schweiff
Recht deutlich vorzuſtellen
Der
uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Der ſchoͤnſten Wieſen Schmuck, voll blauer Gentjanellen,
Ja ſelbſt von einem gruͤn- und bunten Garten,
Voll Bluhmen ungezehlter Arten,
Die unverwelcklich ſind; zumahl im Sonnen-Schein,
Scheint er der Jubegriff und Auszug recht zu ſeyn.
Er ſchleppt ſo gar,
Weit mehr als Kaiſerlich,
Den praͤchtigſten Talar,
Ja gar ein Bluhmen-Feld und Garten hinter ſich.
Es ſcheint der Erden Pracht, und auch des Him̄els Schein,
Zugleich in dir zu ſehn, und als vereint zu ſeyn.
Ja dieſes nicht allein.
Mich deucht, ich ſeh in deinem ſchoͤnen Schwantz
So gar der Sonnen Licht und Glantz,
Und auch zu gleicher Zeit, o Wunder! alle Pracht
Von einer hell-geſtirnten Nacht.
Mich deucht, daß ich darin, zu neuer Augen-Freude,
Copernici ſo herrlichs Stern-Gebaͤude,
Und in demſelbigen, auf eine neue Weiſe,
Viel Sonnen- und Planeten Kreiſe,
An ſtat in blauer Tieff’, an einer gruͤnen Hoͤhe,
Jn ſtillen Wirbeln glaͤntzen ſehe.
Ja was noch mehr verwunderlich
Und welches einen Reichthum zeiget,
Der allen menſchlichen Begriff weit uͤberſteiget,
Jſt, daß dieß ſchoͤne Thier in jedem Jahre ſich
(Man dencke nach wie weit ſich die Naturkraft ſtrecket,
Und wie das ſchoͤneſt auf der Welt
Jhr ſo gar leicht zu bilden faͤllt!)
Jn neuen Federn ſich verneu’t entdecket.
L 3Jch
Gedancken
Jch ſahe juͤngſt ſein ausgebreitet Rad,
Das zehn Fuß, und noch mehr, im Durchſchnitt hat,
Und hab’ auf ſelbigem, ſo daß kein einzigs fehlt,
An Spiegeln von Saphir zwey hundert zwoͤlf gezehlt.
Unglaublich iſt noch uͤber dieſe Menge,
Jn welcher Ordnung und Gepraͤnge,
Jn welcher Symmetrie ſie ſitzen,
Und wie ſie in der Sonnen blitzen.
Der aͤuſſern Federn zarte Spitzen
Sind gruͤn- und guͤldnen Franjen gleich.
Jſt nun der ſchoͤne Schweiff voll blauer Himmels-Spiegel
Und, an gefaͤrbtem Schimmer, reich;
So prangen ebenfalls die bunten Fluͤgel
Jn einer gantz beſondern Zier.
Es ſtellt ihr glattes Grau das Reich des Waſſers fuͤr,
Worauf die duncklen halben Kreiſe
Erhabne kleine krauſe Wellen
Natuͤrlich ſcheinen vorzuſtellen.
Die Wirckungen des Lichts ſind auf der Welt
Vortrefflich herrlicher und beſſer,
Die Schoͤnheit deutlicher und groͤſſer
Von keinem Vorwurff dargeſtellt,
Als im Gefieder eines Pfauen.
Denn, daß die Pracht nicht in den Federn ſteckt,
Hat die Phyſiqu’ uns laͤngſt entdeckt.
Hier laͤſſt ſich eigentlich des Lichtes Schoͤnheit ſchauen.
O groſſer GOTT! wer weiß noch, wie ſo ſchoͤn
Das Licht, dem der es ſelbſt kann ſehen, anzuſehn.
Un-
uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Unſtreitig ſetzt dieß Wunder-ſchoͤne glaͤntzen
Noch Deiner Allmacht keine Grentzen:
Weil, ſo wie Du unendlich biſt,
Dein’ Allmacht, Weisheit, Lieb’ auch unerſchoͤpflich iſt.
Einſt hab’ ich ſchoͤner Bluhmen Zier,
Fuͤr Anmuth gantz erſtaunt faſt auſſer mir,
Bey Licht im bunten Feur geſehen.
Da denn, zumahl der Blaͤtter gruͤn,
Zuſammt dem zierlichen Geaͤder,
Gantz unverbeſſerlich und unvergleichlich ſchien.
Allein es bracht von ungefehr
Mein Marianchen eine Feder
Aus einem Pfauen-Schwantz mir her.
Mein GOTT! wie ſtach derſelben gruͤner Glantz
Der Blaͤtter Farben weg! Sie werden gantz,
Haͤlt man der Federn Glantz und gruͤne Glut daneben,
Veraͤndert, ſchmutzig, blaß und ohne Leben.
Jch ſtutzte recht, erſtarrt’, und kunte mich
Jn die Veraͤnderung ſo gleich nicht finden.
Jch uͤberlegt’, erſtummt, es erſtlich innerlich,
Bis endlich, wie ein Strohm, ein frohes Ach!
Aus meiner Bruſt, nebſt dieſen Worten brach:
Du Allmachts-voller GOTT! wer kann ergruͤnden
Den Abgrund Deiner Macht,
Die Tieffe Deiner Herrlichkeit?
L 4Da
Gedancken uͤber einen Hof voll Feder-Vieh, ꝛc.
Da die ſo Wunder-reiche Pracht,
Die im Metall- und Pflantzen-Reich ſich zeiget,
Jm Thier-Reich noch viel hoͤher ſteiget.
Ach! moͤgt’ es denn doch meiner Seelen,
O groſſer GOTT, an Schoͤnheit auch nicht fehlen!
Ach! moͤgt’ ihr geiſtiger in Andacht froher Schein
Dir ſo, wie Dein Geſchoͤpf mir iſt, gefaͤllig ſeyn!
Ach! moͤgteſt Du in ihr Dein Werck gedoppelt ſchoͤn,
Jn Deiner Creatnr Betrachtung, immer ſehn!
So dacht’ ich ungefehr bey meinem Feder-Vieh.
Und da ich es ietzt aufgeſchrieben,
So bitt’ ich dich, geliebtes Menſchen Kind,
Sey nicht, wann du dergleichen ſieheſt, blind.
Betrachte Farb’ und Form, und Nutz! beſchaue ſie
Und ſuch’, in deiner Seelen Freuden,
Zu deines Schoͤpfers Ruhm, den Blick daran zu weiden!
Natur
Natur und Kunſt.
Natur und Kunſt.
Liebſter Menſch, gebrauche doch den erforſchenden
Verſtand!
Nimm nur einſt von einer Bluhme eine Zwiebel in die
Hand:
Schau ſie an! Sprich, kannſt du wol die verborgne Krafft
ergruͤnden,
Und den unbekannten Geiſt, der darin verborgen, finden?
Von ſich ſelber ſcheint ſie ſchwanger, ſie empfaͤngt auch
ſelbſt von ſich
Ein recht Wunder-ſchoͤnes Kind; da ſie ſelbſt doch aͤuſſerlich
Aller Schoͤnheit, Form und Farben faſt beraubet. Nichts
als Haut,
Welche Schuppen-weiſe ſitzet, wird an ihr von uns ge-
ſchaut.
Und doch iſt in ihr verborgen, und zwar in ſo engem Platz,
Ein nicht gnug zu ſchaͤtzender und bewunderns wehrter
Schatz
Von Geruch, von Farb’ und Schoͤnheit. Kann wol aus
ſo ſchlechten Sachen
Jemand ſolche ſchoͤne Arbeit, auſſer einer Gottheit, machen?
Wer iſt, der nicht erſtaunt, wann er mit Ernſt be-
dencket,
Daß die bewegende, die bildende Natur
Solch auserleſene vollkommene Figur,
Gantz ſonder Hand, formir’t; wie ſie die Zaͤſer lencket,
So Kunſt-reich, ſonder Kunſt, und, ohne Regel, recht.
Welch ein unſichtbarer Euclides ſtellt ſich mir
Jn dieſem Wunder-Bau der Samen-Zwiebel fuͤr!
L 5Der
Natur und Kunſt.
Der nach ſo netter Maaß ſein kuͤnſtlich Werck bezirckt,
Und der, nach Linien, ſo nicht verhanden, wirckt.
Dieß fuͤhret uns gewiß viel tieffer, als es ſcheinet.
Es zeigt uns eine Krafft, die gantz auf andre Weiſe,
Zu des allmaͤchtigen Lieb-reichen Schoͤpfers Preiſe,
Verfaͤhrt und wirckt, als wir. Wir werden uͤberfuͤhret,
Daß, vor der unſrigen, ihr weit der Preis gebuͤhret.
Wir thun dadurch zugleich
Jn der beſchaͤfftigten Natur
Sonſt unerkanntes Reich
Gar einen ſcharffen Blick. Wir kommen auf die Spur,
Daß wir uns kuͤnfftighin nicht mehr ſo ſehr vergeſſen,
Und alle Kraͤffte bloß nach unſerm Leiſten meſſen.
Es iſt vielmehr, was Menſchen hier verrichten,
Allein nur eine Art von Kraͤfften, der die Welt
Vielleicht viel tauſend in ſich haͤlt,
Und kann die unſrige mit nichten
Der andern Richtſchnur ſeyn.
Was der Menſchen Seele wircket, heiſſt man Kunſt,
und unterſcheidet
Sie von dem, was die Natur wirckt, bereitet, ziert und
kleidet,
Als wenn, ſonder alle Kunſt, ſonder Zweck, ein Ungefehr
Von den Wercken der Natur bloß ein blinder Leiter waͤr.
Dieſer vorgefaſſte Wahn ſchadet uns mehr, als man meinet,
Weil dadurch der Menſch allein kuͤnſtlich und vernuͤnftig
ſcheinet:
So daß er, faſt eiferſuͤchtig, kaum mit gutem Auge ſieht,
Wann die bildende Natur, ſonder ihn, was kuͤnſtlichs zieht.
Ar-
Natur und Kunſt.
Armer Menſch! erwege doch, daß du ſelbſt, ſamt deiner
Kunſt
Seyſt von der Natur gebildet. Daß bereits im Mutter-
Leibe
Jhre Kunſt dir deine gab.
Zieh dich von dem eitlen Ehr-Geitz doch mit allen Kraͤff-
ten ab:
Brauche deiner Seelen Kraͤffte, GOttes Wunder anzuſehn,
Und dadurch, in deiner Freude, Seine Weisheit zu erhoͤhn.
Auf die Weiſe opferſt du Dem, von Dem du alles haſt,
Deiner Seelen ſchoͤnſte Frucht, Danck, Erkentlichkeit und
Liebe,
Andacht, Ehr-Furcht, einen Willen,
Seinen Willen zu erfuͤllen.
Da wir ſonſt, als haͤtten wir alles von uns ſelber, leben,
Und, nur bloß auf uns erpicht, uns nur zn| vergoͤttern,
ſtreben.
Pflicht-
Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Pflicht-maͤſſige Aufmerckſamkeit.
Worin kann Adams Herrlichkeit
Jm Paradieſe ſonſt beſtanden haben,
Als daß er ſich an der Vollkommenheit
Der Creaturen koͤnnen laben?
Als daß er ſeiner Seelen Kraͤffte
Mit ſeinen Sinnen ſo verbunden,
Daß er dadurch, (o ſeliges Geſchaͤffte)
Jn aller Creaturen Pracht
Des groſſen Schoͤpfers weiſe Macht,
Voll ſtetiger Bewunderung, gefunden?
Haͤtt’ er ſie, wie wir ſie betrachten, auch betrachtet,
Und ſie nicht ſeines Blicks noch denckens werth geachtet;
So haͤtt’ er, ſo wie wir, auch keine Luſt empfunden.
Das gantze Paradies, mit allen ſeinen Schaͤtzen,
Haͤtt’ ihm ſo wenig Luſt, Vergnuͤgen und Ergetzen
Jn ſeiner Seel’ erwecket und erregt,
Als leider ietzt die Welt uns zu erregen pflegt.
Woraus denn klaͤrlich zu erweiſen,
Daß, wo wir unſer dencken
Nicht auf die Creaturen lencken,
Und in derſelbigen Genuß den Schoͤpfer preiſen,
Wir, weder unſers Schoͤpfers Willen,
Der uns aus Lieb’ ergetzen will, erfuͤllen,
Noch ie in einem Stand’ auf Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden.
Hingegen, weil darin gewiß was Goͤttlichs ſteckt,
Wird dem, der GOTT zum Ruhm, ſieht, hoͤret, riecht und
ſchmeckt,
Solch
Pflicht-maͤßige Aufmerckſamkeit.
Solch eine Art von Luſt darin entdeckt,
Die wahrlich alle Luſt der Welt,
Die man ſich iemahls vorgeſtellt,
Bey weitem uͤbertrifft. Jch hab’ es dann und wann
(Weil wir ja leider uns nicht immer gleich,
Und man auch dieſes ſich nicht ſelber geben kann)
Jch ſage dann und wann, verſpuͤrt,
Da mich ein ſolcher Strahl von Luſt geruͤhrt,
Daß ich mit einem Koͤnigreich
Sie wahrlich nicht vertauſchet haͤtte.
Ach groſſer GOTT! weil alles Dein,
So goͤnne mir, und vielen neben mir,
Daß wir, uͤm Dir mit unſrer Luſt zu dienen,
Fuͤr Dein Geſchoͤpf empfindlich ſeyn!
Ach gieb, daß mich nebſt ihnen
Dein herrlich Werck mag oͤffters ruͤhren.
Laß ſolchen Ausbruch ſuͤſſer Luſt,
Jn unſrer durch die Welt geruͤhrten Bruſt,
Zu Deinem Ruhm, uns offt verſpuͤren!
Flos
Flos Admirabilis.
Flos Admirabilis.
Ja, ja, man nennet dich gewiß,
O ungemeine Wunder-Bluhme,
Mit Recht Flos Admirabilis.
Wo ihrem Schoͤpfer ie zum Ruhme
Ein irdiſches Gewaͤchs gebluͤht,
So thut es wahrlich deine Pracht,
Da alles, was man an dir ſieht,
Uns in der Form und Farb’ anlacht.
Wann ich beym glaͤntzenden Gepraͤnge
Von deiner ſchoͤnen Staude ſteh;
Wann ich der bunten Bluhmen Menge,
Die deinen Buſch bedecket, ſeh:
Erſtaun’ ich, weil ihr Reichthum mir
Den Schatz und Reichthum der Natur,
Die unerſchoͤpflich ſind, nicht nur,
Nein, auch zugleich in ihrer Zier
Ein’ Ordnung, eine Weisheit, zeiget,
Die allen menſchlichen Verſtand,
Wie weit er geht, weit uͤberſteiget.
Es iſt vielleicht den wenigſten bekannt,
Daß ieder Tag zu ſeinem Theil’
Ein eignes Heer von Bluhmen hat.
Sie kommen und vergehn in Eil.
Es oͤffnet ſich ihr Circkel-rundes Blat,
Woraus ihr Coͤrper gantz beſteht,
Des Nachmittags, wann bald der Tag vergeht.
Sie
Flos Admirabilis.
Sie lebt die gantze Nacht,
Und ſtirbet meiſtens fruͤh um acht.
Kaum iſt ihr fluͤchtigs Heer vergangen,
So faͤnget zur gemeldten Zeit,
Jn eben der Vollkommenheit,
Ein ander Heer von neuen an zu prangen.
Und dieſes waͤhrt (o Wunder, das man nicht
Genug bewundern kann!) offt bis ins vierte Licht
Des Monden. Welche Zahl,
Die kaum zu zehlen iſt, trifft man
Von Bluhmen folglich auf dir an,
Geſchmuͤckter Bluhmen-Buſch.
Mein GOTT! wann ich erwege,
Und ernſtlich bey mir uͤberlege
Die Wunder-Krafft, die in den Wunder-Saamen
Von dieſer Wunder-Bluhm, o HERR, von Dir geſenckt,
So preiſ’ ich Deinen groſſen Nahmen.
Wer ſonſt, als GOTT, hat eine Menge
Von ſo viel tauſend tauſend Bluhmen,
Jn ſolche Enge,
Nebſt allen Blaͤttern, eingeſchraͤnckt?
Geheimniß! welches dem, der GOTT im Wercke preiſet,
Zugleich ſein Nichts, und GOTTES Groͤſſe, weiſet!
Jndem nun die Natur
Der Bluhmen Schmuck ſo ſchoͤn,
Und ihren lieblichen Geruch ſo kraͤfftig,
So ſuͤß formirt und macht, iſt ſie zugleich geſchaͤfftig,
Jn einer ieden Bluhm’ auch fuͤr zukuͤnftge Zeiten
Damit ſie nicht verkommen, nicht vergehn,
Den Samen kuͤnſtlich zu bereiten.
Ein
Flos Admirabilis.
Ein Wunder, welches dem, der es bedenckt,
Unfehlbar muß zu einem Weſen leiten,
Das anders, kuͤnſtlicher, und weiſer wirckt, als wir.
Ach daß man dem dafuͤr
Nicht wenigſtens, nebſt froher Danck-Begier,
Die Ehre der Betrachtung ſchenckt!
Noch ſtellt uns dieſer Bluhmen Zier
Jn ihrem Unterſchied ein neues Wunder fuͤr.
Wenn alle Bluhmen ſonſt einander voͤllig gleichen,
Die einer Mutter Kinder ſeyn;
So kommt bey dieſer hier
Nicht eine mit der andern uͤberein.
Sie ſind an Aenderung ſo unbeſchreiblich reich,
Daß es unglaublich iſt. Steht etwan dieſe gantz
Jn einer rothen Gluht, ſo ſtehet jene
Der erſten Nachbarin, nicht minder ſchoͤne
Jn einem lieblich gelben Glantz.
Halb gelb, halb roth iſt die bey jener ſitzet,
Jnzwiſchen daß ein kleiner gelber Strich
Dort auf der vierten Purpur blitzet.
Wann dort ein rother Streiff durch gelbe Bluhmen laͤufft,
Sind hier die rothen gelb geſtreifft.
Ein groſſes Theil punctiret ſich
Auf ſtets veraͤnderliche Weiſe.
Viel zeigen Linien und Punct’ in einem Kreiſe.
Laͤſſt ſich auf manchem Buſch nur roht und Purpur ſehn,
So ſieht man gantze Buͤſch’ in Weiß und Purpur ſtehn.
Bewunderns-wuͤrdig iſt noch ferner, daß ſich hier,
Bey ſolcher Mannigfaltigkeit
Jn
Flos Admirabilis.
Jn Farben, auch dergleichen Unterſcheid
Jn denen Knospen mir
An ihrer Groͤſſ’ und Kleinheit zeiget,
Jndem ſie theils ſo groß und theils ſo klein,
Daß ſie kaum ſichtbar, ſeyn.
Jhr unterſchiednes Gruͤn veraͤndert ſich
Mit ihrem Wachsthum ordentlich.
So lange ſie noch jung und ungeformt erſcheinen,
Sind ſie mit weißlichem und zarten Haar bedeckt,
Wann aber ihre Groͤß ſich weiter hin erſtreckt
Vergeht das rauhe Haar,
Womit ſie ſich vereinen,
Allmaͤhlich, und man wird gewahr,
Daß, auf bewunderns-werthe Weiſe,
Ein gruͤnes kuͤnſtliches Gehaͤuſe
Sich aus fuͤnf Blaͤtterchen, ſo lieblich gruͤn, formirt.
Aus dieſen wird darauf die Bluhme nach und nach
Hervor gefuͤhrt,
Die Anfangs ſpitzig iſt, die aber allgemach
Bey ihrer Oeffnung ſich recht wunderbar verbreitet,
Und einen Vorrath zeiget
Von einem zarten Tafft, gewebt, gefaͤrbt, bereitet,
Von Fingern der Natur, den ihre Schooß verſteckt:
Der aber auch, ſo bald er hoͤher ſteiget,
Sich wunderbar entwickelt und entdeckt;
Da ein vollkommner Kreis und Circkel ihr ſo dann
An Ruͤnde kaum ſich gleichen kann.
Einſt hab’ ich dieſer Bluhmen Pracht
Auf ihrem Buſch, in dunckler Nacht
Bey Licht, faſt halb erſtaunt geſehn,
MDie
Flos Admirabilis.
Die Farben wurden doppelt ſchoͤn,
Theils durch den duncklen Grund der Schatten,
Die alles eingenommen hatten,
Theils durch das nahe Licht. Denn deſſen Glantz und Schein
Traff dieſen Bluhmen-Buſch allein;
Zumahl, da meine Hand,
Daß ſich der Strich des Lichts nicht in mein Auge ſtreckte,
Und es verblendete, das Licht bedeckte,
Und durch den Zwiſchenſtand
Und Schatten meine Blicke ſtaͤrckte,
Wodurch ich alles denn weit deutlicher bemerckte.
Wie herrlich gluͤhte, glaͤntzt’ und ſchien
Das von dem Licht durchſtrahlte Gruͤn!
Allein mit welcher Gluth, mit welchem Glantz und Licht
Beſtrahlte mein erſtaunt Geſicht
Der tauſendfach gefaͤrbten Bluhmen-Heer!
Faſt wie der Sternen Glantz an den Sapphirnen Zimmern,
Sah’ man den bunten Glantz der bunten Bluhmen ſchim̃ern,
Und auch zugleich der Knoſpen Spitzen
Jn gleich gefaͤrbtem Schimmer blitzen.
Jch habe dieſe Pracht zuweilen ſolchen Augen,
Die aus Gewohnheit ſonſt faſt nichts zu ſehen taugen,
Jn dieſem Stand’ und Lieblichkeit gewieſen.
Doch war kein einziger, der nicht dadurch geruͤhrt
Ein’ ungewohnte Regung ſpuͤhrt’,
Und, was ſie ſonſt ſo leicht nicht thun,
Ward hier von ieglichem des Schoͤpfers Macht geprieſen.
Bevor wir die Betrachtung nun
Von dieſer Wunder-Bluhme ſchlieſſen,
Wird man noch eins erwegen muͤſſen:
Wann
Flos Admirabilis.
Wann alle Bluhmen ihre Pracht
Allein vom Licht der Sonne haben,
Und ſie ſich folglich auch am Licht der Sonne laben;
So ſcheinet dieſe Bluhm’ allein
Faſt fuͤr die Nacht
Gemacht zu ſeyn.
Wir koͤnnen ſie am Tage daß ſie ſchoͤn
So wenig als die Sterne ſehn.
Hier, deucht mich, find’ ich eine Spur,
Und ſcheinet faſt hieraus zu flieſſen,
Daß Creaturen auch vielleicht in der Natur,
Verhanden, die geſchickt, auch ſonder Sonnen-Schein,
Verſchiedner Schoͤnheit zu genieſſen,
Und die an der Geſchoͤpfe Schaͤtzen,
Wie andere bey Tag, des Nachts ſich auch ergetzen.
Jedoch es ſey ſolch’ eine Welt,
Weil ſie uns unbekannt, dahin geſtellt;
Wofern ſie aber wircklich waͤre,
Verminderte ſie nicht des groſſen Schoͤpfers Ehre.
Jch ſchlieſſe denn hiemit, o ſchoͤne Wunder-Bluhme,
Was ich in meiner Luſt, zu deines Schoͤpfers Ruhme,
Von deiner Zierde ſang.
Ach moͤchte meiner Lieder Klang
Doch Jhm auch angenehm, und nicht nur mir allein,
Auch manchem Leſer, nuͤtzlich ſeyn!
M 2Das
Das Erdbeeren-Land.
Das Erdbeeren-Land.
Jndem ich juͤngſt, uͤm, Hamburgs Laͤndereyen,
Wovon ein Theil mir anvertraut, zu ſehn,
Und auch zugleich, da ſie ſo Segens-reich, ſo ſchoͤn,
Mich ihrer, und dabey des Schoͤpfers, zu erfreuen,
Bald hier-bald dorthin fuhr, und unter andern auch,
Wie es bey uns im Junio der Brauch,
Jm ſo genannten Erdbeern-Lande
Mich, nebſt den Meinigen, befande;
Ward, durch das liebliche Gepraͤnge
Der Vorwuͤrff’, und derſelben Menge,
Mit welcher ſich daſelbſt Lufft, Erd’ und Waſſer ſchmuͤckt,
Mein Geiſt ob allen dem, was man erblickt,
Auch was man ſchmeckt und riecht, geruͤhret halb ent-
zuͤckt,
Und in der Luſt, zugleich des Schoͤpfers Macht geprieſen.
Es ſchien das Feld kein Feld, die Wieſen keine Wieſen,
Wol aber an Geſtalt, an Frucht, an Pracht, an Schein,
An Ordnung, an Gewaͤchs, an Bluhmen mancher Arten,
Ein wol geordneter und eingericht’ter Garten,
Wo nicht faſt gar ein Paradies zu ſeyn.
Es fehlte nichts als das, wodurch wir insgemein
Der Garten-Beeten Grentzen
Umgeben und bekraͤntzen,
Der Buxbaum nemlich, bloß allein.
Man
Das Erdbeeren-Land.
Man ſah’, wohin ſich auch die Augen drehten,
Faſt nichts, als ungemeſſne Beeten
Von Erbſen, Bohnen, Kohl, die wir in Gaͤrten ſehen.
Recht nach der Linie gepflantzete Alleen
Formirten, in kaum abzuſehnder Laͤnge,
Viel Luſt-und Schatten-reiche Gaͤnge,
Als ſo viel ausgehaune Waͤlder.
Zumahl ergetzeten die, in ſo groſſer Menge,
Und, recht auf Garten Art, nett angelegten Felder
Der Erdbeern, Aug’ und Hertz. So weit die Augen
Den ſchnellen Blick zu fuͤhren taugen,
Sieht man zuweilen nichts, als nur das ſchoͤne Gruͤn
Vom Kraut der Erdbeern, ſonder Grentzen,
Auf ſich ſanft ruͤndenden erhabnen Beeten glaͤntzen:
Worunter ich, zumahl
Von denen, die mir in der Naͤhe
Die Frucht ſo roth, als wie Rubin,
Abſonderlich im Sonnen-Strahl,
Fuͤr Luſt erſtaunet, funckeln ſehe.
Doch, ach! rieff ich an vielen Orten,
Mit noch von neuer Luſt offt unterbrochnen Worten,
Bei eifrig eingezogner Lufft:
Mein GOTT! von welchem ſuͤſſen Dufft
Aus Ambra, Jelſomin, Moſch, Balſam und Zibeth
Verwunderlich gemiſcht, der uns ans Hertze geht,
Sind hier die Luͤffte voll! ein parfumirter Schwall
Wird, fuͤr der Menſchen Naſen,
Aus Bluhmen, Fruͤcht- und Kraͤutern uͤberall
Hier ausgeduͤnſtet, ausgeblaſen.
M 3Kaum
Das Erdbeeren-Land.
Kaum kann die ſtrenge Lieblichkeit
Von bluͤhenden Orange-Straͤuchen
Den angewuͤrtzten Duͤfften gleichen.
Erweget doch, mit Danck, und mit Zufriedenheit,
Jhr Buͤrger Hamburgs, die ihr hier
Die holden Duͤffte riecht, die ihr der Felder Zier,
Pracht, Schmuck und Anmuth ſeht, die ihr die ſuͤſſen
Fruͤchte,
Und mancherley daraus bereitete Gerichte
Jm Uberfluß genieſſt. Kommt, laſſt uns doch den Segen
Nur erſt mit Luſt genieſſen, dann erwegen,
Daß GOTT ſie wachſen laͤſſt, daß GOTT ſie uns ge-
ſchenckt,
Und daß Er nichts dafuͤr verlangt, als eine Bruſt,
Die durch Empfindlichkeit zur Luſt,
Und durch die Luſt gereitzet und getrieben,
Den, der es ſchafft und ſchenckt, zu ehren und zu lieben.
So wenig iſts, was Er fuͤr ſo viel Gaben
Von uns verlangt zu haben.
Ja wenn mans recht erwegt, ſo will Er nichts fuͤr Sich:
Denn unſre Luſt iſt eigentlich
Dasjenige, woran Er ſich (o groſſe Lieb!) ergetzet;
Jndem Er unſre Freud’ als Seine Freude ſchaͤtzet.
Ach! laſſt uns denn mit Freuden uns beſtreben,
Mit unſrer Sinnen Krafft, im froͤlichen empfinden,
Das dencken zu verbinden!
So werden wir mit Luſt nach Seinem Willen leben.
Kaum hatten wir
Von dieſem holden Luſt-Revier
Den
Das Erdbeeren-Land.
Den Ruͤck-Weg wiederuͤm genommen,
Auf dem beſchatteten, und mit ſo manchem Stamm
Von Eſch-und Pappeln rings umher bepflantzten Damm,
Auf welchem hin und wieder
Die lieblich bluͤhenden Schnee-weiſſen Flieder,
Wie weiſſe Roſen, ſtehn,
Als unſer Blick, ſo bald wir im Reth-Brok gekommen,
Ein’ andre Art von Herrlichkeit verſpuͤhrte,
Da Aug’ und Hertz zugleich ein neuer Schau-Platz ruͤhrte.
Es flieſſt ein ſchoͤner Arm der Elbe,
So man die Dove nennt, durch dieß gluͤckſelge Land.
Der dicht bebuͤſchte Strand,
Voll Bluhmen, Schilff und Klee, bekraͤntzt und mahlt
dieſelbe,
Mit Farben, die nicht coͤrperlich,
Mit Bildern, deren ſchoͤner Schein
Dem Urbild Wunder-wuͤrdig glich.
Auf dieſer ſtill-und klaren Fluth,
Die einem Spiegel aͤhnlich, lud
Der Land-Voigt uns zu einer Luſt-Fahrt ein.
Wir fuhren denn, und kunten uns nicht ſatt
An allem, was wir ſahen, ſehn.
Es war der Fluth Cryſtall ſo glatt,
Daß iedes Kraut, daß iedes Blat,
Daß iede Bluhme Wunder-ſchoͤn
Sich doppelt wies. Man ſah’ im Dunckel-gruͤnen
Der Jris Gold, der Flieder Silber-weiß,
Blau, Purpur, mancher Art, auch Bluhmen, die Rubinen
An Roͤthe gleichen, ſtehn.
M 4Un-
Das Erdbeeren-Land.
Unglaublich reich an Kraͤutern, Bluhmen, Buͤſchen,
Jſt hier der fette Strand; da nicht die Meng’ allein,
Die Arten ſelbſt faſt nicht zu zehlen ſeyn,
Die ſich im gruͤnen bald, und bald im bunten miſchen:
Fuͤnf-Adern, Butter-Blat, Klee, Lottig-Kraut, Dolldillen,
Schilff, Muͤntze, Kaͤlber-Kropff,
Geerſch, Haaſen, Poͤppeln, Gras, und zwar ſo mancher Art.
Ach! ſeht in welchem Glantz, in welcher Zier,
Die ſchoͤnen Waſſer-Liljen hier
Nicht nur wie Gold und Silber bluͤhen;
So gar in ſilbernem und guͤldnem Feuer gluͤhen.
Es ſcheint, ob prangt hier Kraut und Bluhmen in die
Wette,
Als ob ein iedes mehr und mehr,
Zu ſeines Schoͤpfers Preis und Ehr,
Zu prangen, ein Verlangen haͤtte.
So offt nun durch die Lufft das Urbild ſanft ſich reget;
Wird die Copie zugleich ſanft auf der Fluth beweget.
Hier, wo ſich dunckel-gruͤne Schatten
Von Buͤſch-und Baͤumen, auf der Fluth,
Die an derſelben Wurtzeln ruht,
Mit ihrer hellen Klarheit gatten,
Kommt dieſer gruͤne Glantz, in ſeiner duncklen Zier,
Den Augen faſt nicht anders fuͤr,
Als ob man wircklich in der Naͤhe
Jn ein Smaragden-Bergwerck ſaͤhe.
Jn dieſer dunckel-gruͤnen Tieffe
Scheint offtermahls ein Ort verguͤldet;
Ja wenn das Abend-Roth in dem Cryſtall ſich bildet,
Er-
Das Erdbeeren-Land.
Erſcheinet in dem duncklen gruͤnen,
Jn einem unverhofften Schein,
Ein ander Bergwerck von Rubinen.
Hier ſiehet man vom himmliſchen Saphir
Den blauen Glantz auf mancher Stelle ſchwimmen,
Und dort ſo gar der Sonnen Strahl und Gluth
Jn einem Roſen-Farb-und guͤldnen Feuer glimmen.
Es glaͤntzt die obre Flaͤch’, und funckelt nicht allein;
Man ſiehet offt, indem der Fluß ſo klar,
Und gantz bis auf den Grund durchſtrahlet war,
Daß, ob die Strahlen gleich ſich auf der aͤuſſern Flaͤchen,
Wo ſie ſich brechen, auch ſich ſchwaͤchen,
Nicht ohne Luſt, wie ſchoͤn, wie bunt,
Wiewol in ſanfftem Gruͤn, der auch entdeckte Grund.
Hier ſah man langes Gras, das unvergleichlich gruͤn,
Zumahl, wenn es der Sonnen-Strahl beſchien,
Durch die bewegte Fluth beſtaͤndig gleichſam ſchweben,
Und bald ſich ſtrecken, bald ſich heben.
Dort wird ein gleichſam guͤldner Sand
Jn dieſer klaren Fluth entdecket,
Jn welchem hie und dort ein buntes Steinchen ſtecket.
Geſegnetes, gebenedeytes Land!
Rieff ich, durch alle Pracht geruͤhret,
Hab ich dich erſt ein Paradieß genannt,
So deucht mich, daß allhier die ſchoͤne Fluth,
Die ſolche Ufer traͤnckt, auf ſolchem Sande ruht,
Wo ihr der Nahme ſelbſt von Piſon nicht gebuͤhrt,
Doch wol mit ihm verglichen werden kann.
M 5Denn
Das Erdbeeren-Land.
Denn trifft man gleich darin ein wircklich Gold nicht an;
So hat doch Piſon ſelbſt, vom Sonnen-Licht beſtrahlt,
Von hellern Farben nicht im Wiederſchein bemahlt,
Jn einem buntern Glantz, durch beſſer’ Ufer rennen,
Und lieblicher der Erd’ und auch des Himmels Zier,
Jn reinerm Spiegel bilden koͤnnen,
Als die bebuͤſchte Fluth der klaren Elbe hier.
Laß offt, o groſſes All! Du Schoͤpfer aller Dinge,
Von Deiner Creatur Pracht, Schoͤnheit, Glantz und
Schein,
Des Fluſſes Spiegel mir den klaͤrſten Spiegel ſeyn!
Damit ich Deine Werck’ und Allmacht offt beſinge!
Laß Hamburgs Buͤrger auch an dieſer Laͤnder Schaͤtzen
Zu Deinem Ehren, offt ſich laben und ergetzen!
Die
Die Schiff-Fahrt.
Die Schiff-Fahrt.
Jn einem groſſen Schiff, das unlaͤngſt erſt gebaut,
Hatt’ ich mich juͤngſt den wilden Wellen,
Jn Ampts-Geſchaͤfften, anvertraut.
Jndem nun gleich darauf die hohlen Segel ſchwellen,
Der Nord-Wind ſchnaubt und ſauſt,
Das Waſſer ſchaͤumt und brauſt;
Brach, nach verſuncknem Sonnen-Schein,
Die Nacht mit duncklen Schatten ein:
Und, wie es ſpaͤt ward, legt’ ein ieder,
Nicht aller Furcht entohniget, ſich nieder,
Auf Betten, die (wie es der Brauch
Jn Schiffen) in des Schiffes Bauch.
Jndem ich nun, da ſich der Sturm vermehrte,
Gantz nah’ an meinem Ohr, der Fluthen Brauſen hoͤrte,
Gedacht ich bey mir ſelbſt, indem die andern ſchlieffen:
Wie nahe ſind mir ietzt die finſtern Tieffen!
Mein GOTT! ein Holtz, nur wenig Daumen dick,
Jſt bloß der Zwiſchen-Stand,
Und haͤlt den Schwall der duncklen Fluth
Von mir, und von dem Pfuhl des Abgrunds mich, zuruͤck,
Jn welchem ungezehlte Heere
Von Taumlern, Kabeljauen, Stoͤre,
Und andre Waſſer-Thiere ſchwaͤrmen.
Das brauſende Geraͤuſch der Fluth kam meinem Ohr,
Dem es ſo nahe war, nicht anders vor,
Als ob ſo gar das Heer der nahen Fiſche
Mit
Die Schiff-Fahrt.
Mit der beſchaͤumten Fluthen laͤrmen
Jhr ſchnaubendes Getoͤſe miſche.
Wo auf der Welt ein Stand, der uns, auf GOTT
zu dencken.
Und Seel’ und Sinn auf Seine Huld zu lencken,
Mit Recht bewegen ſollt, ſo iſt es dieſer wol,
Da zwiſchen Tod und Leben
Nur wenig Zoll
Uns eine Scheide-Wand ſo gar zerbrechlich, geben.
Jndem ich alſo lag und dachte,
Schlieff ich gelaſſen ein.
Und wie ich fruͤh erwachte,
Und meinem GOTT gedanckt fuͤr Seinen Schirm und
Schutz,
Macht’ ich mir, was ich ſah’, aufs neu zu Nutz.
Jch ſahe denn darauf die weite Waſſer-Welt,
Als wie ein blau unabzuſehend Feld,
Mit deſſen weit entlegnen Grentzen
Der Himmel ſelbſt, dem Schein nach, ſich verband.
Jch ſah dies rege blau vom hellen Sonnen-Licht,
Das ſich mit ſchnellem Blitz an hohlen Wolcken bricht,
An manchem Ort, wie flieſſend Silber, glaͤntzen.
Jch ſah’ auf dieſer Flaͤch’ ein’ ungezehlte Menge
Geſchwollner Segel mancher Art,
Als pfluͤgten ſie das Feld der Fluthen hin und her,
Bald in die Qwer,
Bald in die Laͤnge,
Mit halber theils, und theils mit gantzer Fahrt,
Die
Die Schiff-Fahrt.
Die durch den ſchnellen Druck beſchaͤumte Wellen theilen,
Und oͤffters, wie ein Pfeil, bey mir voruͤber eilen.
Jch dachte: Groſſer GOTT! wie ſcharff iſt der Ver-
ſtand,
Wie groß die ſinnende Beſchaffenheit,
Wie groß die Faͤhigkeit,
Die mit dem menſchlichen Geſchlecht, bloß durch Dein Wort,
Sich fuͤget und verband;
Daß wir ſo ungeheure Laſten,
Mit hohlen Segeln, hohen Maſten,
Von einem zu dem andern Ort,
So leicht, bequem, geſchwinde,
Durch Huͤlffe wolgetheilter Winde,
So fuͤglich fortzubringen wiſſen;
Daß offt ein einzger Mann
Mit einer Hand das Schiff regieren kann,
Und waͤr’ es noch ſo groß.
Dies zeiget eine Groͤſſ’ in unſerm Geiſt,
Die wunderbar, die nicht begreifflich iſt.
Jndem mein Geiſt nun dieſes recht ermiſſt,
Und dieſe Hoheit der Gedancken
Mich faſt der Menſchlichkeit entreiſſt;
So lenckt’ ein anderer mich wieder
Jn die uns zugemeſſne Schrancken.
Er zeigte mir, indem die Menſchen weder Wind,
Noch Wetter, im geringſten nicht
Zu aͤndern maͤchtig ſind;
Wie wir zugleich ſo ſchwach, ſo klein,
Bey der geglaubten Groͤſſe, ſeyn.
Jn-
Die Schiff-Fahrt.
Jndem ich alſo dacht,
Trieb der erzuͤrnte Weſt
Uns unverhofft auf eine Sand-Banck feſt.
Es war der Stoß gewaltig, alles kracht,
Die Segel ſchlotterten, und ſchlugen auf und nieder;
Es peitſchte ſie die ſtrenge Wuth
Der wilden Winde hin und wieder:
Es ſchaͤumte die gedrengte Fluth.
Dennoch entſtand, o HERR, durch Deine Gnade,
Aus allen uns nicht der geringſte Schade.
Es nahmen uns aufs neu die Wellen auf den Ruͤcken:
Die Laſt der regen Lufft druͤckt’ uns von dieſem Ort,
Mit guͤnſtiger Bewegung, fort,
Und fuͤhrt’ uns bald vergnuͤgt zu Lande;
So daß ich ietzt den Geiſt an unſerm Elbe-Strande
Zum HERRN der Elementen ſchwinge,
Und Jhm, fuͤr Seine Huld, ein helles Danck-Lied bringe.
Mahl-
Mahl-Werck.
Mahl-Werck.
Wie herrlich mahlt die bildende Natur!
Wie zierlich zeichnet ſie ſo mancherley Figur!
Wie lieblich ſtellt ſie uns, in bunter Harmonie,
Die ſchoͤnſte Landſchaft vor, voll Thaͤler, Berg’ und Waͤlder;
Hier Fluͤſſe wie Cryſtall, dort Aehren-reiche Felder;
Bald Baͤche voller Fiſch’ und Wieſen voller Vieh!
Das Mahl-Werck iſt ſo ſchoͤn, ſo ſchoͤn die Schilderey,
Daß, wenn man es nur recht betrachten wollte;
Man, halb erſtaunt, faſt dencken ſolte,
Daß es ein wuͤrcklich Stuͤck vom Paradieſe ſey.
Doch ſieht ſo mancher Menſch dieß ſchoͤne Mahl-Werck an
Wie S‥ Denners Bild, das man
Ein wuͤrcklich Wunder heiſſen kann,
Und welches recht, als wenn es lebt’ und ſpraͤche, ließ.
Denn, wie wir an zu lauſchen fingen,
Was er doch immer wuͤrde bringen
Zu dieſes groſſen Meiſters Ehr;
So ſagt er anders nichts als dieß:
Ey! Ey! wo kriegen ſie den ſchoͤnen Firniß her?
Traum-
Traum-Geſicht.
Traum-Geſicht.
Nachdem mein Geiſt, wie er zum oͤfftern pfleget,
Die mancherley Geſchoͤpfe, die die Welt
Zu unſrer Luſt, in ſich enthaͤlt,
Mit Luſt und mit Verwundrung uͤberleget;
Nahm, nach entwichnem Sonnen-Schein,
Und bey gekuͤhlter Abend-Zeit,
Der Glieder Muͤdigkeit
Kein ordentlicher Schlaff, ein’ Art von Schlummer, ein.
Es kam mir vor, als wuͤrd’ ich weggeruͤckt,
Und durch ein weites Leer voll ſchwartzer Dunckelheit,
Jn unbeſchreiblicher Geſchwindigkeit,
Von einer fremden Krafft gefuͤhrt, und als entzuͤckt.
Nachdem ich lange Zeit ſo hefftig fortgezogen,
Und, wie ein ſchneller Pfeil, beſtaͤndig fortgeflogen;
Erblickt’ ich in der freyen Lufft,
Nicht weit von mir, ein groſſes Rund von Dufft,
Das, recht als eine groſſe Welt,
Sich mir vor Augen ſtellt,
Wohin, ſo wie es ließ, mein Reiſen zielte,
Und wohinein ich mich gefuͤhret fuͤhlte.
Jch war derſelben Welt noch nicht gar nah gekommen,
Als ich bereits von einer Lieblichkeit,
Die unbeſchreiblich iſt, mich nicht nur eingenommen,
Gantz angefuͤllet fand. Ein angewuͤrtzter Schwall
Des trefflichſten Geruchs nahm uͤberall
Und
Traum-Geſicht.
Und zwar auf viele Meilen,
Den Kreis der Lufft, in allen Himmels-Theilen,
Um dieſe Kugel ein.
Je naͤher ich dem groſſen Coͤrper kam,
Je mehr ein ſuͤſſer Duuſt mich ein-und uͤbernahm.
Die Seele lebete faſt im Geruch allein.
Die fuͤnfffach ſonſt getheilte Krafft
Vereinte ſich, und wirckt’ in meiner Lung’ und Bruſt
Ein’ ungemeine Luſt.
Auf einen hohen Berg gelangt’ ich Anfangs an:
Und, ob ich gleich, in meinem ſchnellen Flug,
An deſſen Haͤrtigkeit mich zu verletzen,
Mit Recht mich fuͤrchtete, war er doch weich genug,
Die Felſen gaben nach. Jhr Weſen kunnte man
Nicht haͤrter, als das Laub auf dichten Wipfeln, ſchaͤtzen.
Hier hemmte ſich iedoch mein ſchnelles fliegen,
Und fand ich mich nicht weit von einem Fluß,
An eines hohen Baumes Fuß,
Auf einem weichen Boden liegen.
Jch richtete mich auf, uͤm dieſes Berges Hoͤhen
Ein wenig in die Fern zu ſehen;
Allein,
Es ſenckte ſich der Sonnen Schein,
An ſtat, wie ſonſt, zuruͤck zu prallen,
Und ſo uns ins Geſicht zu fallen,
(Weil alle Coͤrper weich,) in ſie hinein.
NDaher
Traum-Geſicht.
Daher denn dieſe Welt ein’ ew’ge Daͤmmrung deckte;
So daß mein Blick ſich nicht gar fern erſtreckte,
Und ich nur kaum die Gegenwuͤrffe ſah,
Die mir auf wenig Schritten nah.
Jndeß entdeckt’ ich doch erhabne graue Waͤlder,
Die, ſtat der Blaͤtter, Bluhmen tragen;
Wie auch bewachſne gruͤne Felder,
Woraus, ſtat Gras und Klee, ſonſt nichts als Bluhmen
ragen.
Die Erde ſelbſt iſt grauem Ambra gleich,
An Farb und am Geruch. Kein Balſam iſt ſo reich
An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth:
Aus allen Dingen dampft, aus allen Coͤrpern quillet
Ein ſuͤſſer Dufft, der, wie aus einer Gluth
Vom Rauch-Faß, immer ſteigt, und Erd und Lufft er-
fuͤllet.
Wer, dacht ich, mag doch wol in dieſem Orte leben?
Jch ſah’ uͤmher, und ward ein ſanftes ſchweben
Von einer ungezehlten Schaar
Beſonderer Geſchoͤpf gewahr.
Verwunderlich und nie erhoͤrt kam mir
Jhr Weſen, ihre Bildung fuͤr.
Unzehlig war der Unterſcheid
Und die Veraͤndrung der Geſtalten:
Man ſah’ an Jungen und an Alten
Ein’ ungemeine Fluͤchtigkeit.
Mit Schwanen-Federn iſt der meiſten Leib bedeckt,
Der meiſtens wol gebaut, und zierlich von Figur.
Zum
Traum-Geſicht.
Zum riechen ſcheint iedoch derſelbigen Natur
Abſonderlich gemacht: Das zeiget ihr Geſicht,
Und giebt von ihrer Art Bericht.
Sechs Naſen haben ſie: Zwo, wo die Augen ſitzen,
Die eine, wo der Mund, und zwo dergleichen Spitzen
Sind an der Ohren Stat.
Wie ungewohnt es ſcheint, ſo find’ ich in der That,
Welch’ eine Zierlichkeit und Gleichheit in den Theilen
Dieß Wunder von Geſchoͤpfen hat.
Die Augen brauchen ſie, aus Mangel von dem Licht,
Auch weil ſie durch der Coͤrper Weichheit nicht
Verletzbar, gleichfalls nicht: imgleichen iſt der Ohren
Gebrauch und Luſt fuͤr ſie verlohren.
Hier ſchallt und thoͤnet nichts. Nur bloß ein ſanſtes
Hauchen
Vernimmt man hie und da.
Sie ſchwebten, wie ich ſah’,
Gelaſſen, einig, voll Zufriedenheit,
Jn Schaaren, recht wie Bienen fliegen,
Und funden, in der Bluͤht’ und Bluhmen Lieblichkeit,
Ein unausdruͤckliches Vergnuͤgen.
Vor inniglicher Luſt und ſuͤſſem Sehnen,
Wann ihnen ein Geruch recht in ihr Jnners drunge,
Sah man an ihnen offt die Bruſt und Lunge
Sich woͤlben und ſich dehnen.
Mit Haͤnden waren ſie verſehen,
Die, wie der Schnee, ſo weiß.
Mit dieſen gaben ſie gantz deutlich zu verſtehen,
Da ſie ſie falteten, und an die Bruſt
Fuͤr unausſprechlich ſuͤſſer Luſt,
N 2Sie
Traum-Geſicht.
Sie ſo gefaltet ſanfte druͤckten;
Wie ſo viel Lieblichkeiten
Sie gleichſam ihnen ſelbſt entzuͤckten.
Dieß ſcheinen Seelen,
Die bloß durch einen Sinn ſich mit der Welt vermaͤhlen;
Und die dennoch in dieſem Sinn’ allein,
Weil ſeine Vorwuͤrff’ nicht zu zehlen,
Genaͤhrt und auch vergnuͤgt, ja faſt halb ſelig ſeyn:
Weil, allem Anſehn nach, ſie an den Geber dencken,
Und Jhm, in ihrer Luſt, ein lieblich Opfer ſchencken.
Jch kunnte mich nicht finden, und erſtaunte
Ob dieſer Wunder-Welt; als ein, ich weiß nicht was,
Mit ſcharffer Stimme mir ſchnell in die Ohren raunte:
Dieß iſt nicht alles das,
Was du zu ſehen haft: Du muſt noch weiter fort.
Die vorgefuͤhlte Krafft ergriff mich auf das neue,
Und fuͤhrte mich von dieſem ſtillen Ort,
Mit ſolcher Schnelligkeit,
Daß ich mich faſt annoch daran zu dencken ſcheue.
Wind, Pfeil und Blitz ſind langſam bey der Eile,
Mit welcher ich, in kurtzer Zeit,
Die unterſchiednen Himmels-Theile
Durchdrang, durchfuhr, durchflog.
Jch ſah’ auf dieſer Reiſe,
Wo alles dunckel ſchiene, nichts.
Ob dieſes aus der Fern’, und Wenigkeit des Lichts,
Wie? oder aus der Schnelligkeit,
Die mir mein Auge ſchloß, entſtand,
Jſt mir noch unbekannt.
Zu-
Traum-Geſicht.
Zuletzt ſchien etwas mich in meinem Flug zu hin-
dern,
Und meine ſtrenge Fahrt gemach ſich zu vermindern.
Jch ſchoͤpfft’ ein wenig Lufft, die ich faſt gantz verlohren.
Allein, o Himmel! welch ein Klang
Fiel mir auf einmahl in die Ohren!
Ein mehr als Engliſcher Geſang
Erfuͤllte alles dergeſialt,
Als wenn ein Waſſer etwas fuͤllet.
Aus allen Lufft-Partickeln quillet,
Jm lieblichſten zuſammen-hallen,
Die angenehmſte Harmonie.
Ein unaufhoͤrlich gurgelnd ſchallen
Von allen Nachtigallen,
Die ie gelebet, hoͤrt’ man hie.
Jch ſah’, ſo viel ich ſehen kunnt:
Allein, ich kunnte wenig ſehen;
Weil dieſer Erden thoͤnend Rund,
Zu welchem voͤllig nicht der Sonnen Strahlen gehen,
Jn einer dichten Daͤmmrung ſtund.
Die Creaturen, die hier lebten,
Und gleichſam Geiſter waren, ſchwebten,
Und ſchwammen in vollkommner Luſt.
So offt dieſelben ſich bewegten,
So offt ſie ihr Gefieder regten,
Entſtand ein liebliches Gethoͤn,
Das ihnen ſelbſt aus Hertze ſchien zu gehn.
N 3Und
Traum-Geſicht.
Und deucht mich, daß ſie Dem ein ſtetes Lob-Lied ſungen,
Durch Deſſen Liebe ſie,
Von einer ſuͤſſen Symphonie
Bis in ihr Jnnerſtes durchdrungen,
Ein’ allgemeine Wolluſt ruͤhrte,
Die ieder, weil er ſtets daran gedachte, ſpuͤhrte.
Ob ſie nun, weil ſie nichts von mehren Sinnen wiſſen,
Mit einem Sinn ſich gleich behelffen muͤſſen,
Jndem ich weder Sehn, noch Schmecken,
Noch Riechen, faͤhig war, an ihnen zu entdecken;
So waren ſie dennoch bloß durchs Gehoͤr erquickt,
Und durch den Wollaut halb entzuͤckt.
Hier ſchwand mein Traum-Geſicht, und ich erwachte:
Da ich denn dieß bey mir gedachte:
Daß in verſchiedenen Planeten
Die Buͤrger nur mit einem Sinn allein
Begabet ſind, kann moͤglich ſeyn:
Und ſind vermuthlich auch damit zufrieden.
Wir aber, ob uns gleich ſo mancher Sinn beſchieden,
Wodurch, als durch ſo viele Thuͤren,
Sich Vorwuͤrff’ an die Seele fuͤhren,
Die uns ergetzen und erquicken,
Vergnuͤgen koͤnnen, und entzuͤcken,
Sind unvergnuͤgt; indem wir nicht drauf achten,
Und bloß nur Geld hier zu erwerben trachten;
Zu welchem Zweck doch wol der Menſchen Orden
Vermuthlich nicht erſchaffen worden.
Noch fiel bey meinem Traum mir bey,
Ob es nicht moͤglich, ja ſo gar auch glaubhaft ſey,
Daß,
Traum-Geſicht.
Daß, da des Schoͤpfers Macht nicht zu erſchoͤpfen iſt,
Nicht noch verſchiedne Erden
Jm Reiche der Natur vielleicht geſunden werden,
Jn welchen den Bewohnern nicht allein
Fuͤnf Sinnen, noch vielmehr, vielleicht geſchencket ſeyn.
Aufs wenigſt’ mindert doch, wenn es auch nicht ſo waͤre,
Jndem es Jhm an Kraͤfften nicht gebricht,
Ein ſolches dencken nicht
Des allgewaltgen Schoͤpfers Ehre.
Da wir indeß ſo manchen Sinnes Gaben
Auf dieſer Welt von GOTT empfangen haben;
Ach! daß wir denn mit Luſt, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Nicht fuͤhlen, ſchmecken, ſehn, nicht riechen, und nicht
hoͤren!
Und an ſo mannigfaltgen Schaͤtzen,
Zu unſers GOTTES Ruhm, uns nicht ergetzen!
N 4Das
Das Licht.
Das Licht.
1.
Wann ich, in des Himmels Hoͤhe,
Deinen Glantz, o Sonne, ſehe,
Deine Schoͤnheit, deine Pracht;
Ruͤhmt mein froͤhliches Gemuͤthe
Deſſen Allmacht, Weisheit, Guͤte,
Welcher dich ſo ſchoͤn gemacht.
2.
Jn der Luſt, die ich empfinde,
Fuͤhl ich, daß ich mich entzuͤnde.
Die entflammte Seele ſpricht:
Da ſie an den Schoͤpfer dencket:
Der Du mir dieß Licht geſchencket,
Schencke mir das ew’ge Licht.
Be-
Betrachtung verſchiedener Jnſecten.
Betrachtung verſchiedener zu unſerem
Vergnuͤgen belebten Jnſecten.
Man ſiehet ietzt faſt uͤberall mit Hauffen,
Viel bunte Kaͤferchen, gefaͤrbte kleine Fliegen,
Zu unſrer Augen-Luſt, ein Leben kriegen,
Und in dem Graſ’, auf Kraut, auf Laub und Bluhmen
lauffen.
Mein GOTT! wenn ich die bunte Meng’ erwege,
Und ihrer Farben und Figur
Bewunderns-werthe Zierlichkeit,
Bewunderns-werthen Unterſcheid,
Jn ſtiller Muſſ’ erweg’ und uͤberlege,
Wie ſchnell ſie huͤpffen, fliegen, rennen,
Wie fertig ſie ſich regen koͤnnen,
Ergetzet mich die ſpielende Natur.
Jch freue mich: denn ich kann deutlich ſehn,
Da ſie ſo mancherley, ſo zierlich und ſo ſchoͤn,
Daß die Natur ſie dazu bilden wollen,
Daß wir des Schoͤpfers Wunder-Macht,
Auch in derſelben Farben-Pracht,
Jn unſrer Luſt betrachten ſollen.
Wer wird der Farben Meng’ und ihre Schoͤnheit nennen,
Erzehlen und beſchreiben koͤnnen,
Mit welcher die Natur die kleinen Thierchen ſchmuͤckt?
Wie mancherley hab ich mit innigem Vergnuͤgen,
Nur bloß an Fliegen einſt erblickt!
Woran die Farben ſich recht wunderbarlich fuͤgen,
Braun, gelblich, roͤthlich, ſchwartz und grau,
N 5Gruͤn,
Betrachtung
Gruͤn, roth, gelb, hell-und dunckel-blau,
Bald Gold mit gruͤn, bald Gold mit roth, gemenget;
Bald iſt der Fluͤgel kuͤnſtlichs Paar
Wie ein Cryſtall ſo weiß, ſo klar;
Bald ſind auch die gefaͤrbt und bunt geſprenget.
Bald ſcheinet ſich in ihrer Fluͤgel Glantz
Der bunten Jris halber Crantz
Jn ſchoͤn gemiſchten Schmuck zu bilden.
Bey dieſem iſt der Leib, bey dem die Fluͤgel, guͤlden.
Durchſichtig ſind ſie bald, bald wiederſcheinend bunt;
Bald haben rothe blau-, bald gruͤne rothe Koͤpfe;
Bald ſind die Koͤpfchen platt, bald ſind ſie lang, bald rund:
Es zieren ſelbige bald kleine ſchwartze Zoͤpfe,
Bald Hoͤrnerchen, die eingekerbt und bunt.
Wie lieblich ſieht es aus, wann ſchlancke Graſe-Metzen,
Die blauer noch, als ein Tuͤrckis, gemahlet,
Auf Blaͤttern, die Smaragd an gruͤnem Glantze gleich,
Auf Blaͤttern, welche hier beſchattet, dort beſtrahlet,
Bald ſanfte ſchweben, bald ſich ſetzen!
Kein ſchoͤner Schmeltz iſt in der Welt,
Als den der blaue Glantz, vom ſchwartzen noch erhoben,
An dieſem Thierchen uns vor Augen ſtellt.
Hier gluͤhen, auf dem holden Gruͤnen,
Die Sonnen-Kinderchen, wie lebende Rubinen.
Dort blitzt, auf weiſſer Bluhmen Zier,
Ein gleichfalls lebender Sapphir,
Ein Wuͤrmchen, deſſen Blau faſt wie der Himmel ſcheinet.
Wie manche Art von Wespen und von Bienen
Erblicket man in dem bebluͤhmten Gruͤnen!
Die
verſchiedener Jnſecten.
Die Hummel fliegt mit brummen hin und her;
Jhr Coͤrper ſcheinet in ſich ſchwer,
Als wenn er in der Luft ein kleiner Vaͤr
Mit Fluͤgeln waͤr.
Noch mehr: Man ſiehet offt an einer Roſen hangen
Faſt aller Edelſteine prangen,
Jm Mayen-Kaͤferchen vereint.
Sprecht, ob die ſpielenden Opalen
Veraͤnderlicher ſtrahlen.
Wer muß ſich nicht recht inniglich ergetzen,
Und in der Luſt ſich nicht zugleich entſetzen,
Wann er das Heer der bunten Schmetterlinge
Beſieht, und ihren Putz erweget?
Es ſind wahrhaftig Wunder-Dinge
Den bunten Fluͤgeln eingepraͤgt.
Man wird mit groſſem Rechte koͤnnen
Sie fliegende lebendge Bluhmen nennen.
Man theilet ſie, nicht unrecht, insgemein
Jn Nacht-und Tage-Eulchen ein,
Die alle wunderlich formiret,
Die alle wunderlich gezieret:
Damit ſo gar des Nachts die Luft nicht leer
Von Goͤttlichen Geſchoͤpfen waͤr.
Man kann der Farben Unterſcheid,
Man kann der Bildung Nettigkeit,
Aus welcher ſie beſtehn,
So wenig, als die Zaͤſer, zehlen.
Dieß Wunder der Natur hab’ ich erſtaunt geſehn
Jn Vincentz Cabinet, in Holland, wo die Pracht,
Die
Betrachtung verſchiedener Jnſecten.
Die GOTT ſo gar im Ungezieffer macht,
Aus Oſt und Weſt zu Hauff gebracht,
Uns einen Schatz, der nicht zu ſchaͤtzen, zeiget.
Jmgleichen zeigt das Schatz-Haus der Natur
Jn Hamburg, (ich verſteh, Du groſſer Buͤrgermeiſter,
Beruͤhmter Anderſon, Dein Haus,) uns eine Spur,
Auf welche Weiſe weiſe Geiſter,
Wenn ſie auf GOTTES Werck und Allmacht Achtung
geben,
Geſchickt ſind, gleichſam ſich zum HERRN der Creatur,
Auf bunten Fluͤgeln zu erheben.
Jndem ſie, da ſie ſich, durchs Werck, zum Schoͤpfer
ſchwingen,
Den, Der unendlich groß, auch in den kleinſten Dingen,
Wenn ſie dieſelbigen mit Luſt beſehn, beſingen,
Und Jhm, in ihrer Luſt, ein Liebes-Opfer bringen.
Rothe
Rothe Glas-Scheibe.
Rothe Glas-Scheibe.
Wann mein ausgeklaͤrter Blick uͤber gruͤne Wieſen
ſchieſſet,
Welche mit belaubten Baͤumen hin und wieder ausge-
ſchmuͤckt,
Sonderlich, wann ihre Schoͤnheit von der Sonnen ange-
blickt,
Und das durch derſelben Pracht ein ſich ſchlaͤngelnd Baͤchlein
flieſſet.
Das den himmliſchen Saphir, hin und wieder ſchoͤn ver-
guͤldet,
Durch der Wolcken Gegen-Schlag, als im glatten Spiegel,
bildet,
Scheints, daß ſich der Erden Pracht mit der Himmels-Pracht
verbinde.
Dieſe Schoͤnheit ſtellt ſich mir
Als ein herrliches Spectackel, und als einen Schau-Platz, fuͤr,
Welcher von des Schoͤpfers Hand, auf uns unbekannte
Weiſe,
Uns zur Anmuth, Jhm zum Preiſe,
Wunderbarlich vorgeſtellt.
Als ich juͤngſt mich dergeſtalt an der ſchoͤnen Welt
vergnuͤgte,
Und, zu meiner Augen-Luſt, ein GOTT ſchuldigs dancken
fuͤgte;
Sah’ ich dieſer Landſchafft Pracht, durch ein rothes Scheibgen
Glas,
Mit Erſtaunen, mit Vergnuͤgen, aber halb mit Schrecken, an.
Alles Gruͤne war dahin, roth war alles Laub und Gras,
Huͤgel, Thaͤler, Waſſer, Waͤlder,
Aecker, Haͤuſer, Gaͤrten, Felder.
Him-
Rothe Glas-Scheibe.
Himmel, Wolcken, Thier’ und Menſchen, alle Vorwuͤrff’, die
ich ſah
Fern und nah,
Waren alle, wie Rubinen, feurig, doch nicht minder ſchoͤn,
Als vorhero, anzuſehn.
Ob mich die Veraͤndrung nun gleich im Anfang ſehr ergetzte,
Und, fuͤr lieblicher Verwirrung, gleichſam aus mir ſelber
ſetzte;
Fiel mir dennoch, voll Erſtaunen, mitten in der Freude, bey,
Wie dieß eine groſſe Probe irdſcher Ungewißheit ſey.
Was ſind eigentlich die Farben? ſind ſie etwas? ſind ſie
nichts?
Jſt was weſentlichs in ihnen? oder ſind ſie bloß allein
Eine leere Phantaſey, nur ein Blendwerck, bloß ein Schein,
Der nichts wircklichs an ſich hat, bloß Veraͤndrungen des
Lichts?
Jſt das Gruͤne denn nicht gruͤn? ſind die Bluhmen denn nicht
bunt?
Kann ein Umſtand, der ſo klein,
Auszurichten faͤhig ſeyn,
Daß der gantze Kreis der Welt anders ſcheinet, anders wird?
Denn wer weiß, ob unſer Auge ſich bishero nicht geirrt.
Haͤtten wir ein rothes Haͤutchen in den Augen uͤberkom̃en,
Haͤtte ja fuͤr uns die Welt andre Farben angenommen,
Und wer weiß, ob in den Coͤrpern, welche wir Planeten
nennen,
Nicht dergleichen den Geſchoͤpfen zugeordnet werden koͤnnen,
Daß denſelben alle Vorwuͤrff’ anders, als ſie wircklich, ſchei-
nen,
Und, durch ein gefaͤrbtes Auge, ſie, von Coͤrpern, bald vermeinẽ,
Daß ſie roth, dort, daß ſie blau, da ſie doch von allem nichts,
Und nur blos ein falſches Blendwerck eines irrenden Geſichts.
Die-
Rothe Glas-Scheibe.
Dieſer Zweifel quaͤlte mich, und ich kunnte mich nicht
faſſen,
Aber endlich fiel mir bey:
Da das roth in iedem Vorwurff durch das Glas nur ei-
nerley,
Wir hingegen tauſend Arten, durch die nicht getaͤuſchten
Augen,
Von Vermiſchungen der Farben uͤberall zu ſchauen taugen;
So ergiebt ſich deutlich gnug, daß wir hie auf dieſer Erden
Durch die weiſſe Feuchtigkeit, und durch ungefaͤrbten Schein,
Den wir in den Augen haben, nicht betrogen koͤnnen werden.
Laſſt euch dieſes, liebſte Menſchen, doch ein neues Wun-
der ſeyn,
Daß uns alle Vorwuͤrff’ hier in die ſpieglende Cryſtallen,
Durch die ungefaͤrbte Haut unſrer Augen, richtig fallen.
Aber, ob in andern Welten, oder anderen Planeten,
Die bey uns begruͤnte Felder ſich nicht etwan wircklich
roͤthen,
Oder blau, wie ein Sapphir, oder gelb, wie Gold, vielleicht,
Oder ſonſt gefaͤrbet ſind, kann man nicht mit Recht vernei-
nen:
Weil des Schoͤpfers Wunder-Werck’ in der bildenden
Natur,
Jn derſelben Form und Farben Mannigfaltigkeit nicht nur,
Sondern in der Aenderung unerſchoͤpflich ſind und ſcheinen.
Ficus
Ficus Indica.
Ficus Indica.
Wie? wachſen Roſen ſonder Stengel denn gar aus ei-
nem Blat hervor?
So rieff ich mit erſtaunter Seel’, als ich an Jndianſchen
Feigen,
(Wie man ſie nennt) zwo gelbe Bluhmen aus einem Blat
unmittelbar,
So mir ein wircklich Wunder ſchien, in ſchoͤnſter Bildung
ſahe ſteigen.
Ach ja! was juͤngſt Fabricius, der Weiſen Wunder,
ſagt’, iſt wahr,
Und trifft es immer mehr und mehr, wenn man es unterſu-
chet, ein:
Daß alle moͤgliche Figuren vermuthlich auch vorhanden
ſeyn.
Ach laß mich denn ie mehr und mehr, aus Deinen Wunder-
vollen Wercken,
O groſſer Schoͤpfer aller Dinge, Dein’ Allmacht, Lieb’ und
Weisheit mercken!
Gera-
Geranium.
Geranium.
Die verſchiedlich rothe Gluth, das Rubinen-gleiche
funckeln
Von den Tulpen, von den Roſen, Malva, Nelcken, Mah,
Ranunckeln,
Hab’ ich mit vergnuͤgter Seelen, offt erſtaunet angeblickt,
Offt zu GOTTES Ruhm betrachtet, offt Den, Der ſie ſo
geſchmuͤckt,
Jnniglich geruͤhrt beſungen. Jetzt erblick ich abermahl
Eine neue rothe Schoͤnheit, einen Flammen-reichen Strahl,
Der mir, wie ein ſchneller Blitz, durch das Aug’ ins Her-
tze flieget,
Meiner Andacht Gluth entzuͤndet, mich recht inniglich ver-
gnuͤget,
Ja fuͤr Luſt mich faſt verwirret. Fuͤr Verwundrung ward
ich ſtumm,
Als ich juͤngſt dein Feur erblickte, funckelndes Geranium.
Deine lieblich helle Roͤthe, ob ſie gleich ein wenig blaß,
Jſt dennoch von ſolcher Krafft, daß ſie dem Rubin-Balaß
Nicht nur gleicht; ihn uͤbertrifft. Wie es laͤſſt, ſo ſtrahlt,
ſo bricht
Aus deſſelben glatten Blaͤttern keine Farb’, ein roͤthlich
Licht,
Und dringt durch das Aug’ ins Hertze, weckt den einge-
ſchlaffnen Sinn
Vom Gewohnheits-Schlummer auf, facht der Andacht Flam-
men an,
Lenckt der Seelen rege Krafft, durch die Luſt, zum Schoͤpfer
hin;
Deſſen Allmacht, Weisheit, Liebe man am beſten ehren kann,
ODurch
Geranium.
Durch Empfindlichkeit der Wunder, die Sein’ Allmacht,
Weisheit, Guͤte,
Aus der tieffen Nacht des Nichts, voller Schoͤnheit, Glantz
und Pracht,
Voller Nutzen, voller Krafft, durch ein Wort hervor ge-
bracht.
Ein, durch eine ſolche Luſt, Jhm zum Ruhm, geruͤhrt
Gemuͤthe
Jſt dem Schoͤpfer angenehm, daruͤm laſſet uns allhier
Etwas naͤher noch betrachten dieſer Bluhmen Schmuck und
Zier.
Wenn wir dieſer Bluhmen Stengel, woran hundert
tauſend Spitzen,
(Wer begreifft es, ob ſie nuͤtzen, oder ob ſie zieren,) ſitzen,
Mit Betrachtungs-vollen Blicken, wie wir billig ſollten
ſehn,
Und von unten mit den Augen allgemaͤhlig aufwaͤrts gehn;
Finden wir, daß alle Stengel, wie die Stengel insgemein,
Allgemach ſich auch verduͤnnen. Und hieruͤber fiel mir ein:
Ach! wie unbegreifflich ſind, zu bewundernde Natur,
Deine Wercke! wer kann faſſen, wer begreiffet, wie behende
Dein Gewerbe, deine Wege? Wo des Stengels Gruͤn zu
Ende,
Zeigt ſich gleich ein feurig Roth. Wer facht dieſe rothe
Gluth
Eben an dem Ort doch an? Welcher Finger, welche Hand,
Welcher Pinſel, welche Kunſt, welch erfindender Verſtand
Faͤrbt die Stelle ſonder Farben? Hier erſtaunen unſre
Geiſter,
Und, weil mans nicht faſſen kann,
Beten ſie mit Luſt und Ehrfurcht, und mit Andacht billig an
Den Allmaͤchtigen, in Wercken bloß allein, erblickten Meiſter,
Der
Geranium.
Der ohn Ende Wunder thut. Spitz geſchliffenen Rubinen,
Jn polirten Schmeltz gefaſſt, gleichen, in dem ſchoͤnen gruͤnen,
Die noch halb geſchloſſne Knoͤpfchen. Aber wann ſie offen
gehn,
Sind ſie, wie geſagt, von Farben ſchoͤner faſt, als Wunder-
ſchoͤn.
Laub und Blaͤtter ſind zugleich, an der ſchoͤnen Creatur,
Von recht kuͤnſtlichem Gewircke, von beſonderer Figur.
Faſt fuͤnf Sechstel eines Circuls, der mit Regel-rechter Zier
Auf den Ecken ausgeſchnitten, ſtellen ſie den Augen fuͤr.
Jhre Farb iſt dunckel-gruͤn, ihr Geweb’ iſt dicht und weich,
Und dem allerfeinſten Tuche, ja faſt gar dem Sammet, gleich.
Wann im Herbſt faſt uͤberall nichts als gelbe Bluh-
men bluͤhen,
Sieht man dich, o herrlichs Bluͤhmchen, noch in voller Noͤ-
the gluͤhen,
„Laß mich auch von deiner Gluth, wann die Tage ſich entfer-
nen,
„Die des Lebens Sommer gab, auch im kalten Alter lernen,
„Auch, nach aller Moͤglichkeit, in der Andacht Gluth zu ſtehn,
„Zu des groſſen Schoͤpfers Ehren, wie die Creatur ſo ſchoͤn,
„Mit Bewunderung, mit Freuden, und mit dancken anzuſehn!
O 2Neue
Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Neue Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Voll Ehr-Furcht hab’ ich dieß offt bey mir uͤberdacht:
Wo auf der Welt, von GOttes Wunder-Macht
Und Weisheit, eine Probe ſich,
Zum nie begriffnen Wunder, zeiget,
Die allen Witz weit uͤberſteiget;
So iſt es die, wenn man erweget,
Und mit geziemender Betrachtung uͤberleget,
Wie unbegreifflich ordentlich,
Jn ſo unordentlich-und wiederwaͤrtgen Dingen,
Woraus in dieſer Unter-Welt
Faſt alle Ding’ entſtehen und entſpringen,
Doch alles wunderbar vereinet, ſich erhaͤlt.
Aus Waͤrm’ und Kaͤlt’, aus Erd’ und Gluth,
Aus Licht, aus Dunckelheit, aus Lufft und Fluht,
Aus ſaur und ſuͤß, aus tauſendfachen Saͤfften,
Aus Ruh, Beweglichkeit, und tauſendfachen Kraͤfften,
Aus treiben, hemmen, ruhen, eilen,
Aus lauter widerwaͤrtgen Theilen
Beſtehet ein harmoniſch Gantz.
O unbegreifflich groſſ-Anbetungs-wuͤrdger GOTT!
Wie herrlich ſtrahlt hieraus der ewgen Weisheit Glantz!
O Schoͤpfer aller Ding’, HERR Zebaoth,
O unergruͤndlich weiſes Weſen,
Das ich geoffenbar’t in dieſer Miſchung ſeh!
Was haſt Du fuͤr Materie
Zum Zeugniß Deiner Macht erleſen!
Was
Betrachtung Goͤttlicher Wunder.
Was ſich verletzen ſollt’ und ſchaden, muß ſich nuͤtzen;
Was ſich zertruͤmmern muͤſt und ſtuͤrtzen, muß ſich ſtuͤtzen;
Was ſich vernichten ſollt, zernichtiget ſich nicht.
Aus groſſer Ungleichheit entſteht ein Gleich-Gewicht:
Aus immerwaͤhrndem Krieg’ entſteht ein ſteter Friede.
Ach! wuͤrd’ ich doch Zeit Lebens nimmer muͤde,
Von allen Deinen Wunder-Wercken,
Doch dieß, als eins der groͤſten, zu bemercken!
Ach! daß an unſrer Welt, vor allen andern Erden,
Dieß, als was ſonderlichs moͤgt’ angeſehn,
Und alle Dinge, die in ſelbigen geſchehn,
Als Proben Deiner Macht, o HERR! betrachtet werden!
O 3Schnel-
Schneller Wechſel.
Schneller Wechſel.
Jch ſtand, an einem heitern Morgen,
Nachdem das falbe Heer der Schatten
Sich mit der kuͤhlen Nacht verborgen,
Bey meines Brunnens Waſſer-Strahl’;
Und ſahe, mit vergnuͤgten Blicken,
Wie, von dem Morgen-Licht, ſich alle Tropfen ſchmuͤcken.
Die Wolcken, die bisher die Lufft verhuͤllet hatten,
Zertheilten ſich, und lieſſen Wunder-ſchoͤn,
Jn hellen Silber-weiſſen Grentzen,
Die holen Tieffen, wie Sapphir,
Ja aller Creaturen Zier,
Das Gold der Sonnen ſelber, ſehn.
Der helle Glantz, der Welt und Himmel fuͤllet,
Ward an dem Ort, woſelbſt das Waſſer quillet,
Und wo es wieder nieder faͤllt,
Jn einem Schimmer vorgeſtellt,
Der unbeſchreiblich iſt. Die regen Wellen wallen
Und bilden recht des Himmels Licht,
Als wie in Spiegeln von Cryſtallen.
Jhr unaufhoͤrliches bewegen
Macht, daß die Strahlen ruͤckwaͤrts prallen,
Uns durch das Aug’ ins Hertze fallen,
Und eine Seelen-Freud’ erregen
Demjenigen, der an der Creaturen Schaͤtzen
Sich dann und wann gewehnt hat zu ergetzen.
Es
Schneller Wechſel.
Es | blitzt, es glaͤntzt, es funckelt auf der Fluth,
Jm hellen Wiederſchein, der Sonnen Wunder-Gluth,
Die aller Farben Schoͤnheits-Quelle.
Es blinckt auf einer glatten Stelle,
Es blinckt auf einer ieden Welle,
Die ſich in Circkelchen formirt,
Vom Sonnen-Licht gefaͤrbet, und geziert.
Man ſiehet Licht und Glantz auf regen Kreiſen ſchwimmen;
Man ſieht, als wie ein Feur, das rege Waſſer glimmen.
Zumahl
Da, wo der Waſſer-Strahl
Das untre Waſſer trifft und bricht,
Jndem daſelbſt, als wenn ſie leben,
Die Tropfen ſprudelnd ſich erheben,
Und ſchaͤumend kochen, huͤpfen ſpringen:
Wodurch ſie ein beſtaͤndigs Licht,
Als deſſen Theilchen, an und in ſie dringen,
Dem ſie beſchauenden Geſicht
Mit tauſend Luſt, im ruͤckwaͤrts prallen, bringen.
Jndem ich nun vergnuͤget ſtehe,
Und dieſen weiſſen Glantz beſehe,
Bedeckt ein falber Wolcken-Schleyer
Von ungefehr des Himmels Feuer.
Nicht zu beſchreiben iſt, was auf der Fluth
Der Umſtand gleich fuͤr Wirckung thut.
Das Licht verſchwand, der Silber-Glantz
O 4War
Schneller Wechſel.
War fort. Ein falb und daͤmmrich grau,
Das ich nicht ſonder Grauſen ſchau,
Beſchattete das Waſſer gantz,
Vertrat des weiſſen Lichtes Stelle,
Und machte manchen Platz
Der dunckeln Fluth, durch ſchwachen Gegen-Satz,
Zwar dunckler mehr, doch ſich nicht helle:
Kalt, wiedrig, truͤb’, verdrießlich, fuͤrchterlich
War alles, was vor zwo Secunden ſich
Jn ſolchem Schimmer wieſ’,
Und das ſo helle, faſt als wie der Himmel, ließ.
Mein GOTT! rieff ich daruͤber, ach wie bald
Veraͤndert auch der Menſch die Minen und Geſtalt,
Wenn etwan nur ein Truͤbſals-Dufft
Sein Licht der Freuden und der Wonne,
Wie hier in heitrer Lufft
Ein Wolcken-Dufft die Sonne,
Verhuͤllet und verdeckt:
Jhm kocht, entfernt von Freud’ und Schertzen,
Ein ſchwartzer Unmuth in dem Hertzen:
Er weiß von keinem Freuden-Schein,
Und es iſt offt nichts als ein Dunſt allein,
Der in ſo ſchwartze Traurigkeit,
Jn ſolch empfindlichs Hertzeleid,
Daß er bis auf den Tod ſich kraͤncket,
Sein kurtz vorher ſo muntres Hertze ſencket.
Jn-
Schneller Wechſel.
Jndem ich alſo ſtand und dacht,
Zertheilten ſich die Wolcken auf einmahl.
Des Waſſers Schwaͤrtze wich, es glaͤntzt’ ein weiſſer Strahl
Faſt heller, wie vorhin, auf der ſo truͤben Fluth,
Worauf nunmehr aufs neu ein heller Schimmer ruht:
Es ſcheint, als ob ſie ſich im Augenblick verguͤlde.
Wobey ich denn ſo an zu dencken fieng:
„Es ſcheinet, daß auch hier die Fluth die Menſchen bilde:
„Denn iſt im Leiden und im Schertz
„Nicht meiſtens aller Menſchen Hertz
„Ein trotzig und verzagtes Ding?
„Doch iſt hiebey am meiſten zu bedauren,
„Daß offtermahl
„Ein bloß durch einen Dufft in uns erregtes trauren
„So gar der Gottheit Allmacht-Strahl
„Jn unſern Waſſer-weichen Seelen
„Vermoͤgend ſey zu tilgen, zu verhelen.
O 5Be-
Betrachtung
Betrachtung des Blanckenburgiſchen
Marmors, in einem Hirten-
Gedichte.
Des | Firmaments entwoͤlckte Buͤhne,
War voller Strahlen, Glantz und Schein:
Die Quell’ des Lichts, die guͤldne Sonne, ſchiene
Des Himmels Mittel-Punct zu ſeyn.
Von oben fiel ihr gantz gerader Strahl,
Erhellt’ und fuͤllete, mit einem ſtrengen Licht’,
Das ſonſt beſtaͤndig kuͤhl-von Schatten ſchwartze Thal.
Der Lufft-Kreis glimmt’ und kocht’, es lechtzte Gras und
Laub.
Silvanders Heerde kunnte nicht,
Jn denen faſt verſengten Heiden,
Fuͤr Mattigkeit und Hitze laͤnger weiden.
Die Schaaffe ſtreckten ſich in den verbrannten Staub.
Druͤm er ſie Seiten-waͤrts in einen dicken Wald,
Der holden Kuͤhlung Sitz, der Schatten Aufenthalt,
Dem friſches Gras den Grund, und Laub den Wipfel zierte;
Mit ſanften Schritten floͤtend fuͤhrte.
Zumahlen er in den bebuͤſchten Gruͤnden
Beraldo, ſeinen Freund, verhoffte vorzufinden,
Der mehrentheils im Schatten dichter Baͤume,
Die Schaaffe weidete; wo er, durch ſuͤſſe Reime,
Die Gottheit, die mit Klee und Gras
Die Wieſen, und mit Laub die duncklen Waͤlder, ſchmuͤcket,
Der uns zu rechter Zeit, ein heilſam Naß,
Jm kuͤhlen Thau und Regen, ſchicket,
Wo-
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Wodurch die Wollen-reichen Heerden
Getraͤncket und genehret werden;
Das Weſen, (Dem dafuͤr von allen Hirten Ehre,
Als einem ſolchen HErrn und Hirten, ſtets gebuͤhrt,
Der aller Welt und Sonnen Heere,
Als eine Heerde Schaaffe, fuͤhrt)
Jn mancherley Beſchreibungen beſang,
Daß Berg und Thal davon erklang.
Um ihm ein ſchoͤn Gedicht, auf ein geſchmiedet Eiſen,
So er den Vormittag verfertiget, zu weiſen.
Jhr beſter Zeit-Vertreib war eben dieß:
Daß einer ſeines Geiſtes Fruͤchte,
Die in der Einſamkeit erfundene Gedichte,
Zu beider Nutz, zu beider Luſt,
Da keiner was vom Neid und bittrer Scheel-Sucht wuſt,
(Ein Stand, bey Dichtern rar) dem andern ſehen ließ.
Er traff ihn aber nicht, wol aber Damon, an,
Der ihm berichtete:
Beraldo waͤr’, in fruͤher Morgen-Stunde,
Schon aus dem Schatten-reichen Grunde,
Auf jenes Berges ſteile Hoͤh’,
Des Wipfel man,
Fuͤr Wolcken, nicht von unten ſehen kann,
Nachdem er ſeine Heerd’ ihm anvertraut, geſtiegen.
Silvander bat hierauf, ſo bald er dieß gehoͤrt,
Daß Damon ſeine Schaaff’, abſonderlich die Ziegen,
Auch mit beachten moͤgt’, und eilte, voll Verlangen,
Beraldo wieder zu uͤmfangen,
Jhm nach, und gleich den Berg hinan:
Nach-
Betrachtung
Nachdem er eine Flaſche,
Voll friſcher Milch, in ſeine bunte Taſche
Zum Labſal eingeſtecket.
Das rauhe Hartz-Gebirg’ erſtrecket,
Erhebt und thuͤrmet ſich
Faſt unerſteiglich, ſchroff und gaͤhe,
Alhier zu einer ſolchen Hoͤhe
Die ſelbſt dem Blick faſt fuͤrchterlich.
Doch ließ er ſich die Schwierigkeit nicht hindern,
Noch die ihn treibende Begier dadurch vermindern.
Er trat die rauhe Bahn
Mit frohen Schritten an.
Und, weil ein Fuß-Steig ihm nicht unbekannt;
Verkuͤrtzt’ er ſeinen Weg, ſo, daß, in kurtzer Zeit,
Trotz des Gebirges Rauhigkeit,
Er oben auf des Berges Spitzen,
Mit muͤden zwar, doch frohen Fuͤſſen, ſtand.
Hieſelbſt ſah’ er, auf einem groſſen Stein,
Mit Steinen gantz uͤmringt, Beraldo gantz allein,
Vertiefft im dencken, ſchreibend ſitzen.
Jndeſſen daß, von ſeiner Hand,
Er ein beſchrieben Blaͤtchen fand,
So ihm der Wind entfuͤhrt. Er hubs begierig auf,
Und laſe dieſe Worte drauf:
„Jndem das Feld mit Schnee der dunckle Winter decket,
„Und ſcharffes Eis die Fluth verſtecket,
„Sitz ich alhier,
„Wo ich, vergnuͤgt, mir ſelber lebe,
„Und von der eitelen Begier
„Mich zu entfernen, mich beſtrebe,
Bey
des Blanckenburgiſchen Marmors.
„Bey einem frohen Feur, befreit vom Neid und zancken.
„Bald ſchreibt mein reger Kiel,
„Bald ſing’ ich, bald erklingt mein Saiten-Spiel.
„Und, wenn, voll Ehr-Suchts-Dunſt, ſich ſchleichende Ge-
dancken
„Von neuen etwan meine Sinnen
„Zu fuͤllen unterſtehn; treibt die Erinnerung,
„Die mich zur Vorſicht bringt, dieſelben ſchnell von hin-
nen.
„Pracht, Hoheit, Titel, Geld, Ruhm, Reichthum, Ehre,
Wuͤrde!
„Was ſeid ihr eigentlich?
„Daß eurentwegen ſich
„Die Menſchen ſo zerfoltern? Eine Buͤrde,
„Die, ohn Ergetzen, druͤckt; ein uͤberzuckert Gifft,
„Ein’ unbeſtaͤndge Luſt, ein daurhaft Unvergnuͤgen.
„Jch fieng auch ehmahls an vermeſſentlich,
„Wie Jcarns, empor zu fliegen.
„Jetzt aber ſitz ich hier, und lache mich,
„Sam̄t meiner Thorheit aus.„ Ja, fieng Silvander
an,
Beraldo, du haſt recht: wie wol haſt du gedacht!
Wie gluͤcklich iſt, der es ſo weit gebracht!
Wie gluͤcklich iſt, der alſo dencken kann!
Er fand darauf annoch an einem andern Orte,
Auf einem Zettul, dieſe Worte:
„Der Hof iſt wie ein Bau von Marmor aufgefuͤhrt;
„Da viele Hoͤflinge ſehr hart, doch ſehr polirt.
Er lachte,
Wie er auf die Vergleichung dachte.
Drauf
Betrachtung
Drauf naͤhert’ er ſich ihm, doch in geheim, und ſchlich
Gemach zu ihm hinan.
Doch, da ein duͤrrer Aſt, zertreten, brach und kracht,
Fuhr jener, durchs Geraͤuſch erſchreckt, ſo ſtarck in ſich,
Daß, von der regen Hand, die von der Stelle flog,
Ein ſchneller langer Strich
Sich uͤber ſein Papier, das er beſchrieben, zog.
Sie lachten hertzlich alle beide,
Bezeugten Wechſels-weiſ’ einander ihre Freude,
Und, wie ſie mit der Milch den Durſt, den beide fuͤhlten,
Nachdem ſie ſie vorhin in einer Quelle kuͤhlten,
Nicht ohne Luſt geſtillt, ſich beide niederſetzten,
Und an der bunten Pracht
Der Landſchaft ſich ergetzten;
Ließ das, womit ſein Kiel beſchaͤfftiget geweſen,
Beraldo ſeinen Freund, auf ſein Verlangen, leſen.
Des rauhen Hartzes rauhe Pracht
Hatt’ er, durch ſeine Pflicht getrieben,
Zu Ehren dem, der ihn zum Schatz-Behalter macht,
Faſt mehr geſchildert, als beſchrieben.
Abſonderlich hatt’ er des glatten Marmors prangen,
Den Blauckenburgs Gebirg’ uns hier,
Jn einer tauſendfach gefaͤrbten Zier,
Zu einem Wunder bringt, zu bilden angefangen.
Es wiederholete der Wiederhall,
Mit einem ſanften Schall,
Aus mancher Klufft, von mehr als einem Orte,
Als er, wie folget, laſ’, faſt alle Worte:
Welch
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Welch eine Laſt von Stein! welch eine Felſen-Welt
Wird meinem ſtarren Blick’ hier vorgeſtellt!
Faſt alles, was allhier die Augen ſchauen,
Gebieret Furcht, ſucht ein geheimes Schrecken
Auch dem, der ſonſt nicht bange, zu erwecken.
Es hauchet Wiedrigkeit und Grauen,
An dieſem Ort, faſt ieder Vorwurff aus.
Es ſehn zugleich die ſcheuch- und ſtarren Blicke
Hier ungeheure Felſen-Stuͤcke,
Bald feſt und gantz, und bald zerbrochen und zerſpalten:
Bald Abgruͤnd’, Hoͤlen, Moß und Graus.
Ein gantz verwirrt Gemiſch von allerley Geſtalten,
Materien und Farben, ſtellet hier
Uns gleichſam recht ein Chaos fuͤr.
Leim-Marmor-Kieſel-Berg’, unordentlich vermengt,
Unordentlich erhoͤht, unordentlich zerbrochen,
Als waͤren ſie, durch ungefehren Fall,
So wunderlich in ſich gedrengt,
Erblickt man uͤberall.
Von erſt geſchmoltznem Schnee, kommt hier ein traͤger
Bach,
Vermiſcht mit Schlamm und faulem Moß,
Aus kleinen Oeffnungen gekrochen:
Vermehrt ſich aber allgemach,
Wird, eh man ſichs verſiehet, groß,
Erzuͤrnt ſich, ſchaͤumt und brauſt, und, was erſt kaum ge-
floſſen,
Kommt, uͤber ſchroffe Stein’, erboſt herab geſchoſſen,
Reiſſt
Betrachtung
Reiſſt ſelbſt den Boden | mit, ſtuͤrtzt, mit beſchaͤumtem Grimm,
Bejahrte dicke Baͤum’ und ſchwere Felſen uͤm.
An manchem Orte ſind der Berge rauhe Hoͤh’n
Recht ungeheuer ſchoͤn.
Die Groͤſſe kann uns Luſt und Schrecken
Zugleich erwecken.
Entſetzlich iſt der Klippen Hoͤh’ und Dicke:
Entſetzlich groß ſind abgerollte Stuͤcke:
Entſetzlich ſchwartz ſind aufgeſpaltne Kluͤffte:
Entſetzlich tieff, wie Rachen, hole Gruͤffte:
Die mehrentheils verwirrte Dornen-Hecken,
Die voller Furcht und Grauen ſtecken,
Mit Klauen-gleichen Stacheln decken.
Die Gegenden ſind meiſtens wuͤſt und wild,
Mit ſteter Daͤmmerung und Schatten angefuͤllt.
Die Einſamkeit allein
Scheint hier Bewohnerin zu ſeyn.
Jedoch, erſtarrter Sinn, begreiffe dich!
Die furchtbare Geſtalt iſt nicht ſo fuͤrchterlich.
Sieh nicht allein der Berge wildes Weſen,
Sieh auch derſelben Schmuck, zuſammt dem Nutzen, an!
Du kannſt hier mehr, als man leicht ſonſten kann,
Des Schoͤpfers Huld und Macht, aus ihrer Anmuth, leſen.
Es wird kein Menſch die Vortheil’ alle nennen,
Die ein Gebirg’ uns bringt, noch ſie beſchreiben koͤnnen.
Es ſtecken koſtbare Metallen,
Es ſtecken klare Berg-Cryſtallen,
Sammt
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Sammt Silber, Gold, der Menſchen Luſt,
Jn ihrer finſtern Bruſt.
Das Waſſer, das von ihren Gipfeln faͤllt,
Beſtroͤmt und traͤnckt die duͤrre Welt.
Ja, ſelbſt die Rauhigkeit, die wir an vielen ſehn,
Kann andrer Lieblichkeit und Anmuth noch erhoͤhn
Durch ihren Gegen-Satz. Wie manchen Huͤgel ſchmuͤcket
Des Graſes gruͤner Sammt, der ſchoͤnſten Kraͤuter Pracht!
Wie manche gruͤn’ und holde Nacht
Wird hier, im dichten Buſch’, erblicket!
Wann dort, bald an der Berge Gipfel,
Bald an der hohen Baͤume Wipfel,
Ein ſchnelles Licht, ein heller Strahl
Mit frohem Schimmer faͤllt; wird im bebuͤſchten Thal,
Auch ſelber in den Mittags-Stunden,
Ein’ angenehme Kuͤhl- und ſanfte Daͤmmerung,
Offt in der Nachbarſchaft deſſelben Strahls, gefunden.
Es aͤndern, wechſeln, trennen, gatten,
Vermiſchen, faͤrben, bilden ſich
Viel tauſend Lichter, tauſend Schatten,
So lieblich als verwunderlich.
Es zeigen hier der Berge rauhe Ruͤcken,
Auf welchen offt, ſtat Kraͤuter, Gras und Klee,
Ein graues Eis, bejahrter Schnee,
Die ſchroff-und rauhen Haͤupter druͤcken,
Den Winter: wann, zu gleicher Zeit,
Mit gruͤn bebluͤhmter Lieblichkeit
Viel Huͤgel, wie im Herbſt, dort andre, wie im Lentzen,
Und hier verſchiedne, recht als wie im Sommer, glaͤntzen.
PSo,
Betrachtung
So, daß man hier nicht nur die Tages-Zeiten; gar
Die Jahres-Zeiten auch zugleich, und zwar
Auf einmahl, fuͤhlt und ſieht.
Erwege dieß mit Luſt und Andacht, mein Gemuͤth!
Es laſſen des Gebirgs ſo rauh’ als ſchoͤne Hoͤhen
Ein Bild von irdiſchen Verwirrungen uns ſehen:
Jndem ja Freud und Leid, und Schertz und Schmertz auf
Erden,
Wie Luſt und Grauen hier, vereint gefunden werden.
Allein, was ſeh ich ferner hier
Bey dieſes Berges rauher Zier?
Was muͤſſen nicht fuͤr Reichthum, welchen Segen
Von Marmor und Metall der Berge Baͤuche hegen!
Kann ich doch uͤberall
Den ſchoͤnſten Marmor-Stein in groſſen Stuͤcken
So gar ſchon auf der Flaͤch’ erblicken!
Wie glaͤntzet dieſer hier, als waͤr’ er ſchon polirt!
Wie bunt iſt jener dort! ich kann mich nicht enthalten,
Der unterſchiedlichen unzehligen Geſtalten
Und Farben Meng’ im Marmor zu beſehn,
Und, in der drob verſpuͤhrten Augen-Luſt,
Mit inniglich dadurch geruͤhrter Bruſt,
Ein all-erſchaffendes allmaͤchtges Wunder-Weſen,
Ohn Den nichts iſt, was iſt, bewundernd zu erhoͤhn.
Man kann alhier, ſowol vermiſcht als einzeln, ſchoͤn,
(Ob wir gleich von der Schrift den Jnnhalt nicht verſtehn)
Auch in gebrochnen Lettern leſen,
Daß, was geſchrieben, ſey, den Schoͤpfer anzuweiſen,
Um auch im Marmor-Stein Sein Wunder-Werck zu preiſen.
Man
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Man kann in tauſendfach veraͤnderlichen Zuͤgen,
Die ſich bald trennen, und bald ſuͤgen,
Allhier ein tauſendfach vermiſchtes Etwas ſehn,
Worin die ſpielende geſchaͤfftige Natur
So manche Bildungs-Art, und ſeltſame Figur,
Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch ſchoͤn
Verſtreuet und vereint, ſo durch einander gehn,
Daß es das Aug’ ergetzt; den Augen vorgeſtellt.
Es ſind ſo viel verworrene Figuren
Theils halb-Theils gantzer Creaturen,
So viele Miſchungen von klein-und groſſen Stuͤcken,
Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken;
Daß, ſo von Form als Farb, auch er ein Chaos ſcheint,
Das etwan auf einmahl erſtarrt ſey und verſteint,
Hier ſieht man ſtille Wirbel ſich,
Dort trockne Strudel gleichſam regen.
Hier ſcheinen ſich die Wellen eigentlich,
Ohn’ daß ſie ſich bewegen, zu bewegen.
Bald ſtellt der Marmor Baͤum’ und Thier’,
Und bald gebrochne Stein’ nnd Ertz natuͤrlich fuͤr.
Offt ſcheint ein rother Marmor-Stein
Zu Stein gewordnes Fleiſch zu ſeyn.
Viel groſſe Adern ſind mit kleinern offt durchkrochen,
Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen,
Bald an-und in-bald durch einander lauffen,
Woraus ſo mancherley Figur und Form entſteht.
Die ſchoͤnen Farben ſind auf tauſend Art gebrochen,
Auf tauſend Art gemiſcht, vertieffet und erhoͤht,
Bald hell und bald gedaͤmpfft, bald feurig und bald matt.
P 2Es
Betrachtung
Es ſind ſowol die Meng-als Graden nicht zu zehlen.
Auch wird es ihnen nie an einem Firniß fehlen,
Als der mit ihnen waͤchſt, und der ihm einverleibt.
Denn, eben daß er glatt,
Vermehret ſeinen Wehrt, erhebet ſeinen Preis.
So bald man nur das rauhe von ihm reibt,
Wie ſolches hier des Kuͤnſtlers Fleiß
Recht kuͤnſtlich zu verrichten weiß;
So iſt kein Spiegel-Glas ſo glaͤntzend und ſo rein,
Als wie, in Blanckenburgs polirtem Marmor-Stein,
Die abgeſchliffnen Flaͤchen ſeyn.
Wie offt hab ich in ihm, als wie im reinſten Spiegel,
Gebuͤſche, Feld’ und Wald, und Thal, und Berg’ und Huͤgel,
Ja gar, mit inniglichen Freuden,
Bald im verwachſnen Thal, bald auf den ſteilen Hoͤhn,
Auch meine liebſte Heerde weiden,
Und meine Ziegen klettern ſehn.
Man kañ in Blanckenburgs Gebirg’-und ihren Gruͤnden,
Von allen Farben Marmor finden,
So wie man ihn verlangt:
Da bald ein helles Weiß im rothen Grunde prangt;
Da er bald braun, bald ſchwartz, vermiſcht mit weiß und
grau,
Bald gelb und gruͤn ſo gar,
(Das, ſelbſt in Griechenland und Welſchland, Wunder-
rar)
Bald bunt geſprenget iſt, mit roth, mit gruͤn und blau.
Wer bildet nun des Marmors bunte Pracht?
Wer hat die Felſen ſelbſt ſo ſchoͤn, ſo glatt gemacht?
Der-
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Derſelbe, der der bunten Bluhmen Zier
So wunder-wuͤrdig faͤrbt, der faͤrbet gleichfalls hier,
Zu unſrer Augen-Luſt, den Sand, und ſchmuͤckt den Stein
Mit tauſend-faͤrbigen Figuren, Glantz und Schein.
Und eben Der verlieh’ |auch uns den Witz,
Denſelbigen ſo kuͤnſtlich zu poliren,
Da er ja ſonſten uns zu nichtes nuͤtz.
Wie ſolte denn auch dafuͤr nicht
Der Allmacht, ohne die nichts, was geſchicht, geſchicht,
Erkenntlichkeit und Danck gebuͤhren?
Wir ſollten billig nie den Blick
Auf den ſo ſchoͤn- und bunten Marmor lencken;
Ohn’ auf die Krafft, die ihn formirt, zuruͤck,
Bey unſrer Augen-Luſt, zu dencken.
O! welch ein Schatz demnach, der nicht zu ſchaͤtzen,
Sowol zum Nutzen als Ergetzen,
Zur Zier und mancherley Gebrauch,
Liegt hier in dieſes Berges Bauch!
Wer wird doch alle Dinge nennen,
Beſchreiben und erzehlen koͤnnen,
Die man, ſowol zur Dauer, als zur Pracht,
Aus Blanckenburgs polirten Marmor macht!
Begluͤcktes Blanckenburg! in deſſen Gruͤnde
Der Himmel ſolchen Schatz geſenckt,
Und ſolchen Marmor dir geſchenckt,
Daß ich in Welſchland ſelbſt nicht ſeines gleichen finde,
Selbſt der, den Paros zeugt, kann ihm, an Glantz, nicht
gleichen,
Und der aus Tenarus muß ihm an Farben weichen:
P 3Da
Betrachtung
Da er, von Jaſpis hier, und dorten von Achat
Den Glantz, die Farb’ und Adern hat.
Was ſag ich? ja bey dem, da er ſo ſchoͤn geziert,
So Jaſpis, als Achat ſelbſt ſeinen Preis verliert.
Doch, noch weit mehr begluͤckt, ja dreymahl mehr
annoch
Begluͤcktes Blanckenburg, durch den, der dich regiert!
Dein ietziger Beherrſcher iſt es wehrt,
(Jch ſag’ es ohne Schmeicheley)
Daß Jhm ein ſolches Land beſchert,
Woſelbſt, uͤm Sein Verdienſt, (das nie genug zu ſchaͤtzen,)
Jn feſten Marmor einzuaͤtzen,
An Marmor kein Gebrechen ſey.
Jſt ehedem ein Berg, wie ich einmahl geleſen,
Zur Bild-Seul’ einem Helden dort,
Zum Nach-Ruhm, zugedacht geweſen;
So iſt ja wol kein beſſ’rer Ort,
Um dieſem Herrn ein Ehren-Mahl zu bauen,
Als jenen Marmor-Berg, den wir dort vor uns ſchauen,
Der Seine Wohnung traͤgt, fuͤr Jhn zurecht zu hauen.
Wie wenig Fuͤrſten ſind auf Erden,
Die von den Unterthanen mehr
Geliebet, als gefuͤrchtet werden!
Wie wenig ſind geſchickt, ein Krieges-Heer
Mit eignem Vorgang anzufuͤhren!
Wie wenig Fuͤrſten ſind, die ſelbſt regieren!
Bey denen Froͤmmigkeit ſich mit der Staats-Kunſt paart!
Wie
Des Blanckenburgiſchen Marmors.
Wie ſelten iſt ein Fuͤrſt, der im Gelehrten Orden,
Auf Schwartzburgs Guͤnthers Art,
Zum Mit-Glied nicht allein, zum Wunder worden,
Wie LUDWIG RUDOLPH hier, Dem dieſes Land
gehoͤrt,
Den ſelbſt der Sechſte CARL als Schwieger-Vater ehrt!
Wer zehlt die Tugenden, die gleichfalls ſonder Zahl,
An Deſſen wuͤrd’gem Eh-Gemahl,
Der theuerſten CHRISTIN LOUISE?
Die ſo, wie Er den Fuͤrſten, den Fuͤrſtinnen
Von ie her ſich mit Recht zu einem Muſter wieſe;
Und die, nicht nur Jhr Unterthan,
Ein ieder, er ſey fern und nah,
Der Sie nur einmahl ſah,
Mit Ehr-Furchts-voller Lieb’, als unvergleichlich, prieſe.
Was hab ich nicht, eh ich den Hof verlaſſen,
Um mit dem Hirten-Stab die Ruh’ hier zu uͤmfaſſen,
Von Jhrem Hohen Geiſt geſehen und gehoͤrt!
Was hat Sie nicht, durch Großmuth angetrieben,
Zum Heil des Teutſchen Reichs, mit eig’ner Hand ge-
ſchrieben!
Wie wird nicht dieſes Paar in Oſt und Weſt geehrt!
Nicht Teutſchland nur, Europa wuͤnſchet Jhnen,
Abſonderlich fuͤr die ſo ſchoͤne Kaiſerinn,
So Sie der Welt geſchenckt, aus Danck-erfuͤlltem Sinn,
Damit ſie lange noch in ſtetem Gluͤcke gruͤnen:
P 3Him-
Betrachtung
Himmel, laß es doch geſchehn,
Daß Jhr fuͤrſtlich Wohlergehn,
An der Dauer, Marmor gleiche!
Daß dieß theure Fuͤrſten-Paar
Noch ein offt vervielfacht Jahr,
Ja das ſpaͤtſte Ziel erreiche,
So alhier in dieſem Leben
Einem Sterblichen gegeben!
Kaum kam Beraldo mit dem leſen
So weit; als ihn Silvander unterbrach,
Und, voller Freuden, rieff und ſprach:
Wie lieb, Beraldo, iſt es mir,
Daß Teutſchlands Ehre, Ruhm und Zier
Fuͤrſt LUDWIG RUDOLPH dir,
Ein Vorwurff deines Kiels geweſen!
Auch ich hab’ geſtern Nachmittag,
(Jndem ich es mir laͤngſtens vorgenommen)
Jn einem Liede viel von Seinem Ruhm erzehlt,
So ich dir zeigen will, wann wir zuruͤck gekommen.
Und, weil daran nichts, als der Schluß, noch fehlt,
So wirſt du, auf mein Bitten,
Jn meiner Schatten-reichen Huͤtten,
Fuͤr Sein lang daurendes Vergnuͤgen,
Auch deinen Wunſch zu meinem fuͤgen.
So
des Blanckenburgiſchen Marmors.
So dann, und ehe nicht, will ich, was auf das Eiſen
Von mir verfertigt ward, unausgeſetzt dir weiſen.
Ja! rieff Beraldo, ja! ich bin dazu bereit,
Und zwar uͤm deſto mehr zu dieſer Zeit,
Da mich ein ungewohnt- und froher Trieb will zwingen,
Was kuͤnftiges, ſchon zum voraus, zu ſingen,
Wie ich wol eh gethan:
Mich deucht, ich ſehe ſchon, da Er ein mehrers wehrt,
Jhm werd’ ein mehrers auch in kurtzen noch beſchehrt!
P 5Ver-
Verſtockte Blindheit.
Verſtockte Blindheit.
Der nimmer ruhige verſchmitzte Cacopiſt,
Ein Arbeit-ſeelger Alchymiſt,
Der Tag und Nacht aus Bley, und aus verbrannten Kohlen,
Der Weiſen Stein beſchaͤfftigt war zu holen;
Dem aber nun, weil er ſo offt betrogen,
Sein letzter Heller auch aus dem Camin geflogen,
Ward von dem maͤchtigen und reichen Agathander
Jn ſeiner Klufft beſucht, wo ſchwartz berauchte Waͤnde,
Wo Schlacken ſonder Maaß, wo Tiegel ohne Zahl,
Wo Oefen ſonder Ende,
Und welche nun, ſeit ſo viel Jahren,
Zum erſten mahl
Vom Feur und Kohlen leer und kalt,
Bey Hauffen anzutreffen waren.
Aus dieſem Schwefel-Loch und finſtern Aufenthalt,
Wird Cacopiſt, mit vieler Hoͤflichkeit
Und Bitten, in ein Schloß gezogen,
Das Agathander erſt vor kurtzer Zeit,
Nebſt einem mehr als Koͤniglichen Garten,
Erbaut und angelegt. Die Pracht, Vollkommenheit,
Die Bau-Kunſt, tauſend Arten
Von fremder Seltenheit,
Fontainen, Grotten und Alleen;
Die faſt nicht abzuſehen ſeyn;
Gebuͤſche voller Nachtigallen
Gewaͤſſer die von Stein auf Stein
Mit murmelndem Gerieſel fallen|,
Sind ja ſo ſchoͤn daſelbſt, als zu Jertzbeck, zu ſehen.
Was
Verſtockte Blindheit.
Was denckſt du nun, wie Cacopiſt,
Der nunmehr mehr im Paradiſe
Als wie in einem Garten iſt,
Sich gegen alle Pracht erwieſe?
Was meineſt du?
Er ſtopffte Naſ’ und Ohr, und knipff die Augen zu;
Um in den eitlen Gold-Gedancken
Sich nicht zu ſtoͤren,
Auch ſeinen Goͤnner nicht zu ehren,
Wollt er nicht riechen, ſehn noch hoͤren.
Die Bosheit nun ward Agathander gleich,
Doch ohn Betruͤbniß nicht, gewahr:
Und, ſonder ſich mit ihm zu zancken und zu ſtreiten,
Ließ er ihn wiederuͤm in ſeine Hoͤle leiten.
Ach leider! waͤren nur nicht viele| Chriſten
Jn dieſer ſchoͤnen Welt dergleichen Cacopiſten!
Noth-
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Geliebter Menſch, da dich das ſchoͤne Bluhmen-Reich,
Und alles was demſelben gleich,
So wenig, ja faſt gar nicht ruͤhret,
Und, wie doch billig waͤr, zu GOttes Lob nicht fuͤhret,
Ob es gleich noch ſo ſchoͤn, ſo lieblich zugericht;
So handelſt du ja wider deine Pflicht.
Es waͤre denn, (da nichts uͤmſonſt hervor gebracht)
Daß alle dieſe Pracht
Fuͤr dich ſo wenig ſey, als fuͤr das Vieh, gemacht,
Und daß vielleicht, dem groſſen All zum Preiſe,
Jn unſers Lufft-Raums weitem Kreiſe
Gantz andre Creaturen lebten,
Die GOttes Wercke hoͤher ſchaͤtzten,
Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten,
Und die, den Schoͤpffer zu erheben,
Jn froher Andacht ſich beſtreben;
Und daß denn eigentlich
Fuͤr die, und nicht fuͤr dich,
Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht,
Erſchaffen worden und gemacht.
Mir ſchauert faſt die Haut, wann ich dieß uͤberlege,
Daß unſer Geiſt hiedurch faſt aus der Menſchen Orden
Herausgeriſſen ſey, und gantz zum Vieh-Geiſt worden.
Ach! laſſt uns denn doch kuͤnftig uns bemuͤhn,
Uns dieſem Ungluͤck zu entziehn.
Laſſt uns die Faͤhigkeit, die uns von GOTT gegeben,
Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun,
Und Seinen Ruhm dadurch beſtaͤndig zu erneun,
Doch beſſer, als bisher, wol anzuwenden ſtreben!
Die
Die Uhr.
Die Uhr.
Es ſieht der eitle Menſch, im Reiche der Natur,
Sich ſelbſt (wofern nicht gar fuͤr einen, der ſie machet)
Aufs wenigſt an fuͤr eine Uhr:
Da er ſich doch nicht einſt fuͤr einen einz’gen Zahn
An einem Rad’ in dieſem Welt-Gebaͤude
Mit Rechte ſchaͤtzen laſſen kann.
Denn, wenn in einer Uhr ein Zahn zerbricht,
Verhindert es ſogleich die Richtigkeit,
Und mindert die Vollkommenheit:
Doch dein Zerbrechen fuͤhlt der Kreis der Erden nicht.
Er-
Erwegung einiger
Erwegung einiger von GOTT, auch
denen armen Menſchen, alle Tage gegoͤn-
neten Ergetz- und Bequemlich-
keiten.
Da wir auf dieſer Welt in ſtetem Unvergnuͤgen,
Auch ſelbſt im Uberfluß, und wann wir gluͤcklich ſeyn,
Durch Unerkenntlichkeit des guten bloß allein,
So ungluͤckſeelig liegen;
Auf! auf! mein Geiſt, die Ordnung der Natur,
Die ſie mit Menſchen haͤlt, ein wenig zu erwegen!
Und ob es ihre Schuld, daß ſo gar wenig nur
Ohn Unzufriedenheit zu leben pflegen.
Jch ſpreche nicht allein von Reichen; auch von denen,
Die duͤrftig ſind, will ich allhier erwehnen.
So fuͤr die Armen, als die Reichen,
Sieht man des Morgens fruͤh die dunckle Nacht
Mit ihren falben Schatten weichen.
Fuͤr beide zeiget ſich der Morgen-Roͤthe Pracht,
So die nur erſt vergehnde Schwaͤrtze
Jn der Veraͤnderung uͤm ſo viel ſchoͤner macht.
Jhr Leib wird alle Nacht ohn Ausnahm ja geſtaͤrcket
Durch dieſes Wunder der Natur:
Wobey der Geiſt zugleich verneute Kraͤffte mercket,
Durch einen ſuͤſſen Schlaff, der ihn die Zeit nicht nur
Vergnuͤgt verbringen laͤſſt; der Gram und Leid vermindert,
Ja ihn, in dem ſchon angefangnen Lauff
Der Schwehrmuth, fortzufahren hindert.
Und kurtz: wir ſtehn, an Leib und Geiſt verneuet, auf.
Jn
Ergetz- und Bequemlichkeiten.
Jn dieſer Gab’ allein iſt, wenn mans recht bedencket,
Uns ein unſchaͤtzbar Gut und groſſer Schatz geſchencket.
Die Sinnen ſind, wann ſie der Schlaf erquickt,
Aufs neu geſtaͤrckt, und mehr, als wie vorhin, geſchickt,
Die Creatur, die durch das Morgen-Licht
Zugleich verſchoͤnert wird, zu ſehn und zu betrachten.
Ach moͤgten wir dieſelbigen nur nicht
So klein, und unſers Blicks nicht wuͤrdig achten!
Da die Gewohnheit ſonſt durch ihre ſtrenge Macht
Uns alles Gute raubt; ſo wird durch Tag und Nacht
Die ſchaͤdliche Gewalt derſelben unterbrochen.
Jhr Wechſel giebt und nimmt, und zwingt uns faſt, von
neuen,
Der Schoͤnheit, die bald kommt, bald weicht, uns zu er-
freuen.
Bey vielen geht hierauf nun zwar die Arbeit an,
Die mancher wol nicht allezeit
Fuͤr einen Zeit-Vertreib und Anmuth halten kann;
Doch, auſſer daß ſie ihn ernehret,
Jſt ſie auch mehrentheils von der Beſchaffenheit,
Daß ſie die Eſſens-Luſt vermehret.
Da ſchmeckt das Morgen-Brodt. Jſt dieſes keine Luſt?
Fuͤrwahr, wer es erwegt,
Wie in den Appetit ſo Nutzen als Ergetzen
Von GOTT ſo wunderbar gelegt,
Wird dieſe Zungen-Luſt nicht ſo geringe ſchaͤtzen.
Hat ihm der Morgen nun, der unſers Tages Lentzen,
Ein’ angenehme Freud’ im Anbiß erſt beſchehrt;
So wird noch eine groͤſſre Luſt,
Wann erſt des Mittags Strahlen glaͤutzen,
Mit
Erwegung einiger
Mit noch vergroͤſſertem Vergnuͤgen unſrer Bruſt,
Wann man ſein Mittags-Mahl verzehrt,
Vervielfacht und vermehrt.
Nur zu bedauren iſts, daß wir, was GOTT ins Eſſen
Fuͤr eine Luſt geſenckt, nicht achten, nicht ermeſſen.
Erſtaunens wehrt iſt ja des Schmeckens Krafft,
Erſtaunens wehrt der Zungen Eigenſchafft,
Erſtaunens wehrt, wie viel, wie mancherley
Veraͤnderung, Empfindlichkeit, Vergnuͤgen,
Jn ſo verſchiednen Coͤrpern liegen,
Und wie ſo Gaum als Zahn formiret ſey,
Durch ein Zermalmen, preſſen, druͤcken,
Uns zuzueignen, zu entdecken
Die Saͤffte, die in Coͤrpern ſtecken;
Und die, wann wir den Magen fuͤllen,
Nicht nur den Durſt und Hunger ſtillen;
Nein, die zugleich (o Wunder!) uns erquicken,
Und in ſo ſehr verſchiednem ſchmecken,
Uns ſo verſchiedne Luſt erwecken.
Ein Handwercks-Mann ſollt hier abſonderlich be-
dencken
Die weiſe Guͤtigkeit des Schoͤpfers, der nicht nur
Den Reichen ſolche Luſt gewuͤrdiget zu ſchencken,
Daß ſie, durch den Gebrauch ſo mancher Creatur,
Und tauſendfach gewuͤrtzte Speiſe,
Abſonderlich vergnuͤget werden;
Ach nein! er wird vergnuͤgt auf gleiche Weiſe,
Jndem der Hunger ja, wie die Erfahrung lehrt,
Das niedlichſte Gewuͤrtz, der beſte Koch auf Erden.
Nach
Ergetz- und Bequemlichkeiten.
Nach den bey Tiſch’ erhaltnen neuen Kraͤfften,
Eilt ieder wiederuͤm zu ſeinen Haus-Geſchaͤfften,
Wer klug iſt, wolgemuth.
Denn was man froͤhlich thut,
Geht wolgerathener von ſtaten.
Ja iſt bey einigen die Arbeit wircklich ſchwer;
Gewohnheit wird ſie immer mehr und mehr
Ertraͤglich machen und vermindern;
Zumahlen wenn man, GOTT zur Ehr,
Dabey ein froͤhlich Lob-Lied ſinget,
Und Jhm, fuͤr ſeine Huld, ein Freuden-Opfer bringet,
Wird alle Muͤh’und Laſt, verringert, bald ſich lindern,
Und wenigſtens ertraͤglich ſeyn.
Bald ſtellet ſich darauf ein kuͤhler Abend ein,
Und unterbricht aufs neu was etwan uns beſchwert,
Damit wir nicht dadurch erliegen;
Ja bringet uns annoch ein neu Vergnuͤgen,
Wann man die Abend-Koſt verzehrt.
Kaum haben wir dieſelbige genoſſen,
So wird uns allererſt die groͤſſte Suͤſſigkeit
Von der gewogenen Natur geſchencket,
Jndem ſie uns zu dieſer Zeit
Jn einen ſanften Schlaff aufs neu verſencket.
Ja wenn wir etwas muͤd’, und uns nur niederſetzen,
Empfindet, durch die nachgelaſſnen Sehnen,
Der Coͤrper, der ſich ſonſt gewohnt war auszudehnen,
Gedenckt man nur daran, ein ungemein Ergetzen.
Wie wird nicht Muͤdigkeit und Kummer,
Durch einen ſanften Schlummer
QGe-
Erwegung einiger
Gemindert und verjagt! ſo daß am fruͤhen Morgen
Man, meiſtens frey von Gram und Sorgen,
Und halb verjuͤngt, vom Schlaff erwacht,
Sich wiederuͤm an ſeine Arbeit macht.
Auf ſolche Weiſe wird das Leben,
Auch von den Duͤrfftigen, auf Erden zugebracht.
Was ſoll ich nun von denen ſagen,
Die, da ſie Geld und Gut beſitzen,
Befreit von Arbeits-Laſt und Plagen,
Jhr Stuͤcklein Brodt nicht erſt erſchwitzen,
Und uͤm die Koſt nicht aͤngſtlich wircken duͤrfen?
Wie mancherley Bequemlichkeiten
Kann ſich ein Reicher zubereiten!
Es ſind dieſelben nicht zu zehlen.
Von hundert tauſenden nur eins zu wehlen,
Das, wenn er es nur wol bedenckt,
Jhm tauſendfach Vergnuͤgen ſchenckt:
Die ſo verachtete als wunderbare Kunſt
Zu ſchreiben und zu leſen,
Jſt ja wol durch des Himmels Gunſt
Zum erſten uns geſchenckt geweſen.
Wie manchen Zeit-Vertreib von ſo verſchiednen Sachen
Kann man ſich nicht mit Buͤcher-leſen machen!
Wir gehn durch ſie in die vergangne Zeiten:
Wir machen uns durch ſie derſelben gleichſam Meiſter,
Genieſſen, durch Erkenntniß fremder Geiſter,
Gantz unbekannte Suͤſſigkeiten.
Wir koͤnnen uns durch ſie erbauen und belehren,
Und
Ergetz- und Bequemlichkeiten.
Und faſt auf ungezehlte Weiſe
(Ach thaͤten wir es doch dem Geber ſtets zum Preiſe!)
Den Nutzen und die Luſt vermehren.
Noch mehr: Wie mancherley Vergnuͤglichkeiten
Vermag, nebſt dem Gebrauch der uns geſchenckten Sinnen,
(Die ſo von auſſen, als von innen,
Uns ungezehlte Luſt bereiten)
Die Rede nur allein uns zu gewehren!
Fuͤrwahr man muß dafuͤr den Schoͤpfer billig ehren
Auf eine Art, die unſre Danckbarkeit
Fuͤr ſolch ein wuͤrdiges Geſchencke
Jn froher Andacht zeigt. Denn, lieber Menſch, bedencke:
Wenn alle Menſchen ſtumm; wuͤrd’ unſre Lebens-Zeit
Nicht elend, unſer Geiſt nicht brach, und ohn’ Vergnuͤgen,
Jn viehiſcher Unwiſſenheit,
Ja aͤrger faſt, als viehiſch, liegen?
So aber hat uns GOTT in unſerm Leben
Nicht nur die Red’, einander zu verſtehn;
Auch eine Faͤhigkeit, in Schriften zu erſehn
Was eine Seele denckt, o Wunder-Gut! gegeben.
Ach! laſſt uns denn fuͤr ſo viel ſeltne Gaben,
Die wir von GOTT allein empfangen haben,
Nicht immer unempfindlich ſeyn!
Erwegt, wenn alles dieß uns fehlen
(Wie GOTT uns ja nichts ſchuldig iſt)
Wie? oder auch entnommen werden ſollte;
Wie man ſodann ſich finden wollte:
Und, da man dennoch leben muͤſt’,
Jn wie viel Wieder-Sinn und Unmuth unſre Seelen
Q 2Die
Bewegung einiger Bequemlichkeiten.
Die gantze Zeit von unſerm Leben,
Fuͤr Mangel, Plag’ und Pein, unfehlbar wuͤrden ſchweben.
Ach! groſſes All, aus Deſſen weiſem Willen,
Aus Deſſen Lieb’ und Macht allein
Der Geiſter Krafft, der Coͤrper Weſen quillen;
Durch Welchen wir bloß das ſeyn, was wir ſeyn;
Ach! gieb, daß wir ie mehr und mehr
Zu unſrer Luſt, zu Deiner Ehr,
Die Guͤter, die Du uns in dieſem Leben
So vaͤterlich gegeben,
Und die Du uns ſo reichlich wollen goͤnnen,
Jn froͤhlichem Gebrauch betrachten und erkennen!
Gieb, daß wir uns an dieſen Schaͤtzen,
So lange wir auf dieſer Welt,
Auf eine Art, die Dir gefaͤllt,
Vergnuͤgen und ergetzen;
Jn Hoffnung, daß Du dort mit noch vermehrten Freuden
Die ſeel’gen Seelen wirſt auf Himmels-Auen weiden!
Mond-
Mond-Schein.
Mond-Schein. Noch andere Betrachtungen des Mond-Scheins ſiehe p. 84.
Wann wir, in einer ſtillen Nacht, bey heitrer Luft, von
Monden-Schein,
Und deſſen ſanftem Licht befloſſen, beſtrahlet und erleuchtet
ſeyn,
Gedenckt man, (ob gleich, leider! ſelten) wol an den Mond,
und ſieht ihn an,
Blickt in den reinen Silber-Kreis, und zieht darauf den kur-
tzen Blick,
Mit einer kalten Laͤſſigkeit, die bald ſich ſatt geſehn, zuruͤck:
Spricht auch noch wol: wie ſcheint der Mond ſo hell, ſo
angenehm, ſo ſchoͤn!
Allein, wie wenig ſind doch derer, die ihres geiſtigen
Geſichts
Vernuͤnftgen Blick hinaufwaͤrts ſchicken, und zu dem Ur-
ſprung dieſes Lichts,
Zur Sonnen, als dem wahren Licht, die froͤhlichen Gedan-
cken lencken!
Die, daß der Mond kein Licht beſitze, und daß, wenn ſie im
Mond-Schein gehn,
Sie in dem wahren Sonnen-Schein ſpatziren; faſſen und
verſtehn!
Ja wie viel minder ſind noch derer, die, voller Andacht,
ferner dencken
Auf Den, wovon die Sonn’ ihr Licht, ſo wie der Mond von
ihr, erlangt;
Der einzig, ewig unerſchaffen, im Licht, das undurchdringlich,
prangt;
Und die Jhm ein geruͤhrtes Hertz, fuͤr Sein Geſchoͤpf, zum
Opfer ſchencken!
Q 3Troſt
Troſt im Tode.
Troſt im Tode.
Da, was von unſrer Zeit vergangen,
Dahin, was kuͤnftig, noch nicht iſt,
Jndem es noch zu ſeyn nicht angefangen;
Und ſich demnach, wenn man es recht ermiſſt,
Das kuͤnftge ſo mit dem vergangnen bindet,
Daß man die Gegenwart kaum kaum dazwiſchen findet;
So giebt uns dieſes eine Lehre,
Die billig offt zu uͤberlegen waͤre:
Da unſer kurtzes JETZT all’ Augenblick verſchwin-
det,
Und man doch den Verluſt nicht mercket noch empfindet;
So wird auch, wann der Tod uns raubt des Tages
Schein,
Des Lebens ſchwindend JETZT uns auch unfuͤhlbar
ſeyn.
Nuͤtz-
Nuͤtzl. Betr. einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Nuͤtzliche Betrachtung einer praͤchtigen
Nichtigkeit.
Jch ſahe juͤngſt, nicht ſonder Freude,
Ein zier- und kuͤnſtliches Gebaͤude,
Erhaben in der Lufft an einem Orte ſtehn,
Wo ich vor kurtzer Zeit noch nichts geſehn.
Die Regel-recht verfertigte Figur
War gantz vollkommen rund:
Die Balcken, Waͤnd’ und alles war nicht nur
Poliret, glatt, voll Glantz und herrlich bunt;
Sie waren, wenn zumahl die Sonne ſie beſtrahlet,
Mit ſolchen Farben uͤbermahlet,
Die mehr als coͤrperlich. Der Jris buntes Kleid
Verlohr bey dieſer Pracht den Preiß. An dieſen Schein
Kann nicht nur kein Opal, mit ſeiner Lieblichkeit
Der ſpielenden gemiſchten Farben, reichen;
Es muß ſo gar ein Demant-Stein
Der Farben feurigem und bunten Wechſel weichen.
Jch ſage nicht zu viel,
Und kann ich dieſe Pracht und dieſes Farben-Spiel
Geliebter Leſer, dir gar deutlich zeigen.
Was aber meineſt du, wer der Bewohner wol
Von dieſem Pallaſt ſey; wem dieſes Lufft-Schloß eigen,
Und wer es wol erbaut? Ein Moͤrder, ein Tyrann,
Ein Raͤuber, welcher nichts als alles wuͤrgen kann,
Was ihm zu nahe kommt; der unverſoͤhnlich iſt,
Und der, Lycaon gleich, die Gaͤſte wuͤrgt und friſſt.
Q 4Kurtz:
Nuͤtzliche Betrachtung
Kurtz: Wilt du ihn und ſeinen Pallaſt kennen,
So darfſt du nur den Blick der regen Spinne goͤnnen,
Und ihr Gewebe ſehn. Sprich nicht: ich taͤuſche dich,
Und mach’ aus Muͤcken Elephanten,
Aus Spinneweben Diamanten.
Nein, hoͤre mich erſt aus: dann tadle mich.
Es zeigt uns die Natur von allen Wundern ſchier
Nichts, das ſo Wunder-reich,
Als dieß verworffne Thier.
Jſt dieſer Kuͤnſtlerin wol ie ein Kuͤnſtler gleich?
Der Faͤden, die ſo duͤnn und zart,
Und doch ſo zaͤh’ und ſtarck, auf ſo geſchickte Art,
Ohn’ Hand und Finger, ſpinnen kann?
Wer gab ſich ie zu ihrem Meiſter an?
Wer zeiget ihr der Symmetrie Geſetze,
Nach welchen ſie ihr nuͤtz- und zierlich Netze
Zu ihrer Wohn- und Nahrung webt?
Wie wunderbar iſt, daß ein ſolcher Faden
So ſtarck, daß er ſich laͤſſt mit ihrer Laſt beladen!
Wie wunderbar, daß er an alles klebt,
Was er nur einſt beruͤhrt, und zwar ſo feſt,
Daß er ſich gleich zur Bruͤcke brauchen laͤſſt,
Woruͤber alſobald von einer Seit’ zur andern
Die Spinnerin vermag zu wandern!
Wer lehrte ſie, wann ſie die Wand
An des Gewebes langen Stuͤtzen,
Die bloß durch ihre Kunſt in ſolcher Ordnung ſitzen,
Jn einer netten Ruͤndung ſpannt;
Daß,
Einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Daß, ehe ſie den Faden feſte macht,
Sie ihn, mit groſſem Vorbedacht,
Mit einem Fuß vorher verlaͤngt,
Damit, wann Wind und Luft die Wohnung draͤngt’,
Und etwan gar zu hefftig zoͤge,
Dieſelbe nicht zerreiſſen moͤge.
Wer wieſ’ ihr, daß, wenn wo von ungefehr
Ein Blaͤttchen, oder ſonſt was, in ihr Netze faͤllt,
Sie ieden Faden, der es haͤlt,
Nicht nur zerbeiſſt, nein, mit dem Fuß,
Daß es hinauswaͤrts fallen muß,
Und es das Netz im Fallen nicht verſehre,
Hinauswaͤrts ſtoͤßt: wie ich, daß ſolches offt geſchehn,
Offt mit verwunderndem Erſtaunen angeſehn,
Und wie es iederman,
Durch Einwurff eines Blats, gar leicht probiren kann.
Von ihrer Schlauigkeit, die Fliegen und die Muͤcken,
Zu ihrer Nahrung zu beruͤcken;
Auch wie ſie die Natur ſchon in der Jugend lehrt,
Daß, weil die kleine Brut in ſolcher Menge,
Wie ſie hervor kommt, ſich an einem Ort nicht nehrt,
Sie Faͤden von gnugſamer Laͤnge,
Daß es ſie tragen kann,
Bey ſtillem Wetter von ſich laſſen;
Die iede dann,
Wohin ein Ungefehr ſie bringet,
Sich durch die Lufft zur neuen Heymat ſchwinget:
Woſelbſt ſie denn ſo gleich ſich haͤußlich niederlaͤſſt;
Auch wie im Fall ſie gleich an ihrem Faden feſt;
Q 5Und
Nuͤtzliche Betrachtung
Und daß recht eigentlich die Spinnen bloß allein
Der Lufft Bewohnerinnen ſeyn;
Von allem dieſen will ich nichts gedencken,
Und mich noch einſt, indem ſie gar zu ſchoͤn,
Ob wir es gleich nicht immer deutlich ſehn,
Zur Schoͤnheit ihrer Wohnung lencken.
Wenn man ihr glatt Geweb in hellen Sonnen-Strahlen
Recht mit Aufmerckſamkeit erwegt,
Und, wie mit buntem Schein ſich alle Faͤden mahlen,
Der ſonderlich, wenn ſich die Lufft ein wenig regt,
Mit kleinen Blitzen ſpielt, und bald in gelben, gruͤnen,
Bald einem rothen Feur, gleich funckelnden Rubinen,
Glaͤntzt, ſchimmert, wallt und glimmt, bewundernd uͤberlegt;
Faͤllt die Betrachtung uns wol nicht mit Unrecht ein:
Wie angenehm muß nicht in dem ſo bunten Schein,
Den Spinnen ihre Wohnung ſeyn!
Wo iſt ein Fuͤrſtlicher Pallaſt,
Der ſolchen Demant-Schein in ſeinen Waͤnden faſſt?
Zumahl wenn man bedenckt, daß in der That,
Stat zweyer, eine Spinn’ acht Augen hat,
Womit ſie ja, an ihren bunten Schaͤtzen,
Noch drey mahl mehr als wir ſich kann ergetzen.
Ja ſelber in des Mondes Licht
Fehlt ihr dergleichen Glantz und Schimmer nicht,
Und iſt ihr Haus ſodann nicht minder ſchoͤn,
Wie ich ſie einſt des Nachts, durchs Fenſter wircken ſehn.
So hell ſchien ihr Geſpinnſt, ſo ſchimmernd und ſo rein,
Als waͤr ein ieder Draht ein Theil vom Monden-Schein.
Sie
einer praͤchtigen Nichtigkeit.
Sie weiß in ihrem Schloß von keinem Schatten nicht:
Jhr gantz Gebaͤude ſteht des Nachts im Silber-Licht;
Des Tages kann kein ſchuͤtternder Brillant,
An einer ſtoltzen Hand,
Mit mehr Veraͤnderung von Feur und Farben ſchimmern,
Als wir, in ihren hellen Zimmern,
Ein buntes Feur beſtaͤndig, Wunder-ſchoͤn
Sich aͤndern, blitzen, gluͤhn, vergehn,
Und wiederuͤm entſtehen ſehn.
Mir fiel, bey des Geſpinnſtes Schein,
Jndem ich ſeine Pracht erwegte,
Und auch zugleich dabey ſein Weſen uͤberlegte,
Nachfolgende Betrachtung ein:
Von Eitelkeit und Stoltz kann auf der Erden
Kein beſſer Sinn-Bild ie gefunden werden,
Als wie der bunte Glantz, der Spinneweben ſchmuͤckt.
Die Nichtigkeit, die Daur, und Unbeſtaͤndigkeit,
Wird durch dieß Vorbild recht uatuͤrlich ausgedruͤckt.
Mit Diamanten bruͤſtet ſich
Ein ſtoltzer Narr mit Unrecht nur;
Da ja die ſpielende Natur
Denſelben Schein und Glantz, den eigentlich
Ein koͤſtlicher geſchaͤtzter Demant heget,
Auch Spinneweben eingepraͤget,
Zum Zeichen, daß ſie beide Tand.
So wie die Fliegen nun der bunte Draht verſtrickt,
So wird, durch bunten Glantz von Gold und Diamant,
Die Menſchheit, leider! auch beruͤckt,
Und in das Ungluͤcks-Garn getrieben.
Kaum
Nuͤtzliche Betrachtung
Kaum hatt’ ich dieß Gedicht geſchrieben,
Da fing ich an, von einem Ort zum andern
Jn der Allee bald auf-bald ab zu wandern.
Der Seiger gieng auf vier; die Sonne ſenckte ſich.
Wie ich nun Weſten-waͤrts an einen Gang gelangte,
Der auch durch Baͤume gieng; entſetzt’ ich mich
Fuͤr eine bunte Gluht, die in derſelben prangte.
Viel tauſend zarte Regen-Bogen
Sah’ ich von Baum zu Baum, faſt ohne Zahl, gezogen.
Sie ſchienen aus Chryſtall gedreht, aus Gold geſponnen;
Beweglich waren ſie; ſie wallten auf und ab:
Das denn im hellen Strahl der Sonnen
Ein Wunder-ſchones Schau-Spiel gab.
Ein Schau-Platz aus geſchliffenen Cryſtallen
Kann ſchoͤner nicht in unſer Auge fallen.
Ein dick Gebuͤſch, das gantz zu Ende ſtund,
War ein beſchatteter und dunckler Grund,
Worauf die bunte Pracht noch tauſend mahl ſo ſchoͤn,
So hell, ſo Feuer-reich, ſo voller Glantz zu ſehn.
Es ſtellt ſo bunten Schein, ſo ſchoͤn gefaͤrbte Zier,
Und wie ſo wunderbar, ſo herrlich ſie geſchmuͤcket,
Unmoͤglich ſich ein menſchlich Auge fuͤr,
Das dieſe Pracht nicht ſelbſt erblicket.
Bis es zuletzt mich auf den Schoͤpfer zog,
Und ſo zu dencken mich bewog:
Wie reich an Herrlichkeit, an Schein,
An Glantz, an Schoͤnheit, Pracht und Licht,
Muß der gewaltge Schoͤpfer nicht
Jn Seinen Allmachts-Tieffen ſeyn!
(Man
einer praͤchtigen Nichtigkeit.
(Man ſchau’ es nicht ohn Andacht an!)
Da er, was Nichts, ſo hoch erheben,
Und auch ſo gar die Spinneweben
So Wunder-wuͤrdig ſchmuͤcken kann.
Allein, da ich mit aufmerckſamen Blicken
(Erſtaunt, wie Wunder-ſchoͤn ſich alle Theile ſchmuͤcken,)
Der ſpinnen bunt Geſpinnſt noch eins betracht’;
Nehm ich Bewundrungs-voll in Acht,
Daß alle Schoͤnheit anders nichts,
Als eigentlich der Glantz des Sonnen-Lichts,
Von welchem uns nur bloß der Spinnen Werck die Pracht
Die ſonſt nicht ſichtbar, ſichtbar macht:
Auch Spinnenwebe ſcheint geſponnen
Zum Lobe Des, der ſie bereit:
Es zeigt uns ihr Geſpinnſt der Sonnen,
Wie die, des Schoͤpfers, Herrlichkeit.
Die
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Es ſenckte ſich der Erden Theil, worauf Hammonia ge-
gruͤndet,
Des Abends von der Sonnen abwaͤrts; wodurch denn, was
das Auge ſieht,
Jn noch verſchoͤnertem, vermehrten, und buntern Glantz
und Feuer gluͤht;
Jndem man durch verlaͤngte Schatten die Coͤrper doppelt
herrlich findet.
Es war, durch erſt gefallnen Regen, Lufft, Erde, Laub
und Kraut erfriſcht,
Und, in den noch verhandnen Tropffen, ſah man der Sonnen
Gluht gemiſcht.
Daher denn alles glaͤntzt’ und gluͤhte. Die ſchoͤnſte Schau-
Buͤhn’ auf der Welt
Ward meinen halb entzuͤckten Augen, im hellen Schimmer,
vorgeſtellt.
Aufs wenigſt hat kein einzigs mahl
Ein menſchlich Aug’ ein herrlicher Portal
Von einem Schau-Platz, ie geſehn, und kann auch nimmer-
mehr auf Erden
Was groͤſſers und was praͤchtigers, als dieſer Bau, gefun-
den werden,
Noch auf der Welt geſehen ſeyn. Denn kurtz: Es war
der groſſe Bogen,
Den ſelbſt des Schoͤpfers groſſes Wort gefaͤrbt, am Firma-
ment gezogen:
Er ſtrahlt’ in voller Pracht und Gluht, es ſchien von allen
Edelſteinen
Der Farben Pracht und Schoͤnheit ſich in dieſem Kreiſe zu
vereinen.
Un-
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Unglaublich war der bunte Schimmer, unglaublich der ge-
faͤrbte Glantz.
Man ſah ihn, wie man ſelten ſiehet, in ſeiner halben Ruͤn-
dung, gantz.
Durch dieſes praͤchtige Portal nun war nicht minder
Wunder-ſchoͤn
Jn der beſtrahlt-und feuchten Landſchaft, ein heller Schau-
platz anzuſehn.
Das niedre Licht, die langen Schatten, vereinten ſich, zu
beider Pracht,
Jn ſolchem angenehmen Glantz, in ſolcher ſanften Har-
monie,
Daß, wo nicht ſelbſt vom Paradieſe das Urbild, minſtens
die Copie
Sich dem Geſicht zu zeigen ſchien. Der Himmel und die
Erde lacht’
Jn ihrem Schmuck uns gleichſam an. Ein Aug’ und Hertz
erquickend Grun
Das, durch der Sonnen Strahlen, gelblich, ja gleichſam
uͤberguͤldet ſchien,
War, da es recht als wie ein Licht, durchs Aug’ uns in die
Seele fiel,
Nicht nur den faſt entzuͤckten Blicken; der Seelen ein ſo lieb-
lichs Ziel,
Daß ſich ihr gantzes Weſen faſt, durch ein ununterbrochnes
dencken,
Jn einer reinen Luſt verlohr. Sie wuͤnſchte, gantz von
Sehn-Sucht heiß,
Jn aller Schoͤnheit Quell und Urſprung, im Danck ſich herr-
lich zu verſencken.
Lob, Ehr-Furcht, Andacht, Lieb’ und Danck, und Ehr
und Macht, und Ruhm und Preis,
Sey
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Sey Dir allein, o groſſer Schoͤpfer! rieff ich, mit Thraͤnen
in den Augen,
Worin ein Freuden-Feuer brannt’. Ach moͤgte mein ge-
ruͤhrter Sinn,
Ob dem, was mir ſo wol gefaͤllt, Dir, HERR, durch Den
ich, was ich bin,
Und was ich ſehe, bin und ſeh’, aus Lieb’ auch zu gefallen
taugen!
Ach moͤgt’ ich Dich in Deinen Wercken doch ſtets, Dir wol-
gefaͤllig, loben!
Der angenehm bebuͤſchten Wieſen hell-gruͤn-beſtrahlte
Herrlichkeit
Ward durch die an dem Horizont noch uͤberbliebne Dun-
ckelheit
Von einer halben Regen-Wolcke, die ſuͤdlich noch im Oſten
ſtund,
Und einen Strich daſelbſt noch ſchwaͤrtzte, recht als durch
einen duncklen Grund,
Noch ſo viel ſchoͤner vorgeſtellt, noch deſto kraͤfftiger erhoben.
Man ſah zugleich die helle Fluth der klaren Alſter,
zwiſchen Huͤgeln,
Ju einem faſt Saphirnen Glantz, vom Himmel ſo gefaͤrbet,
flieſſen,
Und oͤffters ſanft auf fette Wieſen, und Gras und Bluhmen
ſich ergieſſen.
Da Binſen, Rohr und Kraut, und Bluhmen ſich denn in ihr
ſo hell beſpiegeln,
So lieblich, angenehm und bunt, ſo deutlich, rein und
klar, ſo ſchoͤn,
Daß von der wahr-und falſchen Bildung kaum kaum der
Unterſchied zu ſehn.
Des
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Des klaren Waſſers Himmel-Blau, des Feldes uͤberir-
diſch Gruͤn,
Betrachtet’ ich mit frohem Wechſel. Doch muſte ſich an
neuer Freude
Mein Blick auf ein im gruͤnen Buſch belegnes praͤchtiges
Gebaͤude,
Durch die beſtrahlten Fenſter-Scheiben, die, gleich dem flam-
menden Rubin,
Die Gluth der Sonnen ruͤckwaͤrts trteben, und ihren Blitz
gezwungen, ziehn,
Jndem er gar zu feurig flammte. Der rothe Glantz, der
mit den Buͤſchen,
Die er bald hier, bald dort, durchſtrahlte, ſich gleichſam
ſuchte zu vermiſchen,
Und offt ein feuriges Gebuͤſch aus ihnen zu formiren ſchien,
Worin ſich Pracht und Anmuth miſchte, durchſtrahlte mein
erſtaunt Geſicht,
Und fuͤhrte meinen frohen Geiſt erſt auf das helle Sonnen-
Licht,
Und von der Sonnen auf den Schoͤpfer, verſenckt in Deſſen
Gottheit Glantz,
Draus Millionen Sonnen quillen, von Luſt und Andacht
heiß, mich gantz:
Und fing, nachdem ich Lufft und Landſchaft, wie ſie ſo ſchoͤn,
ſo Wunder-ſchoͤn,
Mit abermahl erſtaunten Blicken, noch einmahl fleißig an-
geſehn,
So viel ich mich erinnern kann,
Dem Schoͤpfer dieſes Lob-Lied an:
Haͤtt’ ich himmliſche Gedancken,
Stat der Menſchen-, Engel-Zungen,
RWuͤr-
Die herrliche Schau-Buͤhne.
Wuͤrde dieſer irdſche Schein
Doch kaum wuͤrdig gnug beſungen,
Herrlich gnug beſchrieben ſeyn.
HERR, was muͤſſen, in den Gruͤnden
Deiner Gottheit, Deiner Macht,
(Gegen die, was hier zu finden,
Schatten, Finſterniß und Nacht,)
Doch vor Uberſchwenglichkeiten
Seeliger Vollkommenheiten,
Majeſtaͤt, Pracht, Glantz und Licht,
Die der Seeligen Geſicht,
Mit verhimmelndem Ergetzen,
Ewig in Vergnuͤgen ſetzen,
Sonder Zahlen, Maſſ’ und Greutzen,
Wunder-Wunder- wuͤrdig glaͤntzen!
HERR, ich habe das Vertrauen,
Deiner Gottheit Licht und Strahl,
Wie Du Deinen Thron geſchmuͤckt,
Durch ein mehr als tauſend mahl
Schoͤn-und herrlicher Portal,
Als das, ſo ich hier erblickt,
Ewig ſeelig und entzuͤckt,
Dir zu Ehren, anzuſchauen.
Jrr-
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Ach; wenn du, lieber Menſch, einſt in dich gehen,
Und recht mit Ernſt die eigenen Jdeen,
Die von der Gottheit du dir machſt, betrachten wollteſt;
Wir wuͤrden, wenn du ſie uns recht erklaͤren ſollteſt,
Vermuthlich anders nichts in ihnen ſehen,
Als ein Ehr-wuͤrdig Bild von einem alten Mann,
Der groß und maͤchtig iſt, in und nach dieſem Leben,
Gluͤck und den Himmel dir zu geben;
Und der dich auch verdammen kann.
Viel weiter geht man nicht. Hieraus nun folget klar:
Wenn nichts alhier von GOTT fuͤr dich
Zu hoffen und zu fuͤrchten waͤre,
Erzeigteſt du wol ſicherlich
Der wahren Gottheit wenig Ehre.
Jſt alſo das, was dich zum GOTTES-Dienſte triebe,
Wenn man es unterſucht, nur Eigen-Liebe.
Wir bitten meiſt, daß GOTT, in dieſer Zeit,
Uns Brodt und gute Tage gebe,
Und daß man dort in Ewigkeit,
Frey von der Hoͤllen, ſeelig lebe.
Einfolglich iſt es leider mehr als wahr,
Daß Eigen-Nutz und Eigen-Lieb’ allein
Die Stuͤtzen deiner Andacht ſeyn.
Waruͤm betrachteſt du das, was durch GOtt geſchicht,
Jn ſeinen Wundern nicht?
R 2War-
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Waruͤm willt du in Seinen Wercken
Nicht Seine Liebe, Macht und Weisheit mercken?
Und waruͤm beteſt du Den, welcher alles kann,
Den, welcher alles wirckt, Den, welcher alles liebet,
Den, welcher allen alles giebet,
Jn heiliger Bewunderung nicht an?
Erinnre dich, wie ſchoͤn,
Vom Mißbrauch GOTT zu lieben,
Wie wir ſchon einſt gezeigt, ſo gar ein Tuͤrck geſchrieben:
Jch ſahe, ſchreibet er, juͤngſt auf der Gaſſen wandern
Ein groſſes Frauen-Menſch, die in der rechten Hand
Ein brennend Feuer trug, und Waſſer in der andern.
Gefragt: Zu welchem Zweck? Sprach ſie: der Hoͤllen
Brand
Loͤſch ich mit dieſer Fluth:
Und mit des Feuers Gluht
Will ich das Paradis verbrennen und verheeren,
Daß keiner GOTT aus Furcht, noch uͤm Belohnung eh-
ren;
Nein, bloß uͤm Seiner ſelbſt allein
Jhn lieben mag, und Jhm ergeben ſeyn.
Du ſprichſt vielleicht, daß ich mit Unrecht hier
Der Eigen-Liebe Trieb verdamme;
Da, aus der nuͤtzlichen Begier,
Uns zu erhalten, dir und mir
Doch ſo viel nuͤtzliches und gutes ſtamme;
Ja
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Ja daß dieſelbige nicht nur
Uns von der guͤtigen Natur
Jn unſer Blut uud Hertz geſencket;
Nein, daß ſo gar, wenn man es recht bedencket,
Des Schoͤpfers Ehre ſelbſt mit ihr vereint:
Da man von Jhm nichts Gutes wuͤnſchen kann,
Ohn’ daß man nicht von Jhm zu gleicher Zeit auch meint,
Er habe Macht und Weisheit, iederman
Zu helffen, wenn es Jhm gefaͤllt.
Du faͤhrſt vielleicht noch fort, und ſprichſt, daß in der
Ehre,
Die ich dem Schoͤpfer dieſer Welt,
Jn den Betrachtungen von Seinen Wundern, weih’,
Nicht minder Eigen-Liebe ſey.
Du zweifelſt noch wol gar, obs eine Ehre waͤre,
Des Schoͤpfers Wercke zu betrachten:
So dien ich dir hierauf, und bitte, drauf zu achten.
Jch tadele den Trieb der Eigen-Liebe nicht,
Und ich verſencke mich ins Boden-loſe Meer
Der Myſtiſchen Vernunft ſo blind nicht, wie du meineſt.
Jch glaube nicht, wie du von mir zu glauben ſcheineſt,
Als ob es nicht erlaubet waͤr’,
An das uns ſelbſt von GOTT geſchenckte Weſen
Nur im geringſten zu gedencken.
Ach nein! es kann gar wol zuſammen ſtehn,
Des Schoͤpfers Creatur bewundernd anzuſehn,
Und auch zugleich fuͤr uns die Gottheit anzuflehn,
Und alle Hoffnung bloß auf Jhn allein zu lencken,
Als worin Er zugleich mit wird verehrt.
R 3Al-
Jrrthum der Eigen-Liebe.
Allein, der Seelen Krafft ſo gar auf uns zu lencken,
Daß wir des Schoͤpfers nicht, als uns zum Nutz, gedencken,
Zeigt wenig Menſchlichkeit, und heiſſt fuͤrwahr geheuchelt.
Ein Hund der hungrig iſt, und ſeinem Herren ſchmeichelt,
Verrehret ihn ja nicht: er ſucht fuͤr ſeinen Magen
Nur bloß die Koſt durch ſchmeicheln zu erjagen.
Um weiter nun zu gehn, ſo meineſt du,
Daß in Bewunderung der ſchoͤnen Creaturen
Auch klare Spuren
Der Eigen-Liebe ſtecken:
So geb ich dieſes dir, ja noch ein mehres, zu.
Daß nemlich eigentlich die Triebe
Von einer wahren GOTTES-Liebe
Sich ſelber im Geſchoͤpf’ entdecken.
Da GOTT der Menſchen Luſt mit Seiner Ehr verbindet,
Und Seinen Ruhm, (o Lieb!) in unſrer Freude findet.
Dein letzter Zweifel iſt: ob es der Schoͤpfer achte,
Wenn man die Herrlichkeit in Seinem Werck betrachte.
Allein ſelbſt GOTTES Wort zeigt dieſes deutlich an,
So daß kein Menſch mit Recht hieran mehr zweifeln kann;
Er woll’ uns denn die Biebel, und den Glauben,
Die Menſchheit uns, und GOtt, den Vater-Nahmen, rauben.
Laſſt uns denn GOTTES Werck’ mit Freuden ſehn
Laſſt uns derſelben HErrn, als Schoͤpfer, doch erhoͤhn!
So werden wir darin, ie mehr wir ſie ergruͤnden,
Des Segens, Gluͤcks, und der Vergnuͤgung Frucht,
Die ſonſt die Eigen-Lieb’ uͤmſonſt geſucht,
Jn GOttes Lieb, aus Gnad’, hier und dort ewig finden.
Der
Der Lammes-Kopf.
Der Lammes-Kopf.
Man hatte juͤngſt, zum Mittags-Mahl, mir einen Lam̃s-
Kopf aufgetiſchet:
Wie ich nun die zerlegte Knochen von ungefehr recht ange-
ſehn,
Befand ich ſie gantz ſonderbar, ja wunderns-wehrt gebildet
ſtehn,
Und ward zu fernerer Betrachtung dadurch, wie billig, an-
gefriſchet.
Jch ward Bewundrungs-voll gewahr, daß gantz ver-
ſchiedne Sorten Knochen
Den nett formirten Kopf formiren; da mancher hart, als
wie ein Stein;
Ein ander weich; der knorpelhaft; der voller Loͤcher, und
durchbrochen;
Der recht wie Schiefer; dieſer rund; da viele lang und
ſpitzig ſeyn;
Verſchiedne ſchienen eingedruͤckt; mit Strichen ſind viel’
uͤberzogen;
Der iſt gerade wie ein Stock; der, wie ein Hake, krumm
gebogen;
Jn dieſem ſind gewoͤlbte Hoͤlen, der Augen Schirm-Dach;
wann ſich dort
Beſondre Oeffnungen der Ohren, und noch an einem andern
Ort
Von noch gantz unterſchiedner Gattung, am fordern Kno-
chen, recht als Thuͤren,
Zu des Geruchs Canal und Gang, noch andere ſich ſchmahl
formiren,
Die forn beweg-und weichlich werden. Verſchiedene ſind
nett durchbohrt,
R 4Daß
Der Lammes-Kopf.
Daß zarte Nerven durch ſie gehen; es endigen ſich viel’ in
Sehnen.
Die Kiefern ſieht man eingetheilt in viele Faͤcherchen mit
Zaͤhnen.
Noch wird ein wirckliches Gewoͤlbe von groͤſſern Umfang,
von der Stirn,
Bis hinten durch den gantzen Kopf, als ein Behaͤlter zum
Gehirn,
Jm harten Knochen angetroffen. Jch ſtutzt’, als ich dieß
alles ſah,
Und dachte mit geruͤhrter Seele: Wie ward dieß alles?
welche Hand
Hat dieſes kuͤnſtliche Gebaͤude formirt, errichtet, ausge-
ſpannt?
Nach welcher Richtſchnur legt ſies an?
Was fuͤr ein Werck-Zeug brauchte ſie,
Es auszuhoͤlen, es zu bilden? woher nahm ſie die Symmetrie,
Daß alles ſo gar Negel-recht, daß alles gleich auf beiden
Seiten?
Woher ein ſo geſchaͤrfft Geſicht? da ſo viel kleine Kleinigkeiten
Mit Fleiß allhier zu bilden waren: Jch find’ hier weder
Hand noch Augen,
Die ſolch ein uͤberkuͤnſtlich Werck zu ſehn und zu formiren
taugen:
Jch finde nicht einmahl ein Licht, wobey ſolch Kunſt-reich
Werck gemacht,
Jndem es, wie bekannt, im dunckeln gewirckt wird und her-
vor gebracht.
Hier ſtehet all mein dencken ſtill. Jch ſeh’ allhier gantz
andre Kraͤffte,
Als alle Kraͤffte, die die Menſchheit, trotz ihrem Duͤnckel, ie
beſaß;
Ob ſie bisher gleich mehrentheils, nach ihrem Maß-Stab,
alles maß.
Es
Der Lammes-Kopf.
Es muͤſſen eigne Kraͤffte ſeyn, die zu ſo kuͤnſtlichem Geſchaͤffte,
Mehr Faͤhigkeit, mehr Wiſſenſchaft, mehr Kunſt, Geſchick-
lichkeit und Gaben
Vom groſſen Schoͤpfer aller Dinge vermuthlich uͤberkom-
men haben.
Denn daß man ſpricht: es iſt gewachſen; und anders
nichts; dieß kommet mir
Faſt eben vor, als wenn man ſpricht: es koͤmmt von unge-
fehr herfuͤr.
Jch kann, wenn ich es recht erwege, vom Woͤrtchen Wach-
ſen nichts begreiffen,
Als daß von einem Coͤrper ſich deſſelben Theile mehren,
haͤuffen,
Sich dehnen, fuͤllen, groͤſſer werden, ſich in die Breit’ und
Laͤnge ſtrecken.
Dieß heiſſet wachſen eigentlich. Allein wer erſt die Theile
fuͤgt,
Die Urſtands-Theil’, indem ein iedes ſolch eine Krafft zu
wircken kriegt,
Die alles ſo, nicht anders wirckt; dieß kann mir wachſen
nicht entdecken.
Du ſprichſt: im Samen ſteckt dieß alles. Gar wol!
allein, was iſt der Same?
Ein Wort, das mich nicht kluͤger macht, ein unverſtaͤndlich
leerer Nahme.
Sie treffen beid’ an Dunckelheit, wie mich beduͤnckt, wol
uͤberein.
So weit wir unſer dencken ſchaͤrffen, ſo tieff auch unſre Sin-
nen gehn,
So koͤnnen wir vom wahren Urſprung des Samen-Weſens
nichts verſtehn.
Wie aber wir, ohn Witz, nichts kuͤnſtlichs von Menſchen ie
formirt geſehn;
R 5So
Der Lammes-Kopf.
So ſcheint es billig, auch zu glauben, daß das, ſo die Natur
formirt,
So kuͤnſtlich webt, ſo fleißig fuͤget, ſo nett verſchraͤnckt, ſo
herrlich ziert,
Nicht ſonder Witz, Verſtand und dencken, ohn’ Arbeit, Fleiß
und uberlegen,
Nur bloß von ungefehr geſchehe. Ach nein! Die Vollen-
kommenheit
Der Coͤrper die der Menſchen Arbeit, an Ordnung, Maſſe,
Zierlichkeit
Und Kunſt, bey weitem uͤberſteigt, erweiſet, wenn wirs wol
erwegen,
Daß es nicht ungereimt zu dencken: Der Schoͤpfer hab’ aus
vielen Geiſtern,
Die er in ſolcher Meng’ erſchaffen, verſchiedene zu Bildungs-
Meiſtern
Allein erſchaffen und geordnet; als daß man wollt’ ein Un-
gefehr,
Das blind im Samen wircket, glauben, und nicht was wei-
ſers zugeſtehn.
Mir kommt es wenigſtens ſo vor, es ſtimme mit des
Schoͤpfers Ehre
Am allerbeſten uͤberein, wenn alles, was wir kuͤnſtlichs ſehn,
Auch durch vernuͤnftige Geſchoͤpfe vernuͤnftig zugerichtet
waͤre.
Denn ſollt’ ein ſchoͤnes Marmor-Bild, das lange doch ſo
kuͤnſtlich nicht,
Wol von ſich ſelbſt entſtehen koͤnnen, wofern es nicht durch
Menſchen-Hand
Und, uͤm noch deutlicher zu reden, durch Menſchen Kunſt und
durch Verſtand
Nach Maſſ’ und Schnur gehauen waͤre, und nach der Regel
zugericht?
Jch
Der Lammes-Kopf.
Jch meine, nein! denn ob wir gleich an GOTTES Macht
nicht zweifeln ſollen;
So ſcheint es doch aus der Natur, GOtt habe ſo nicht wollen
wollen.
Will einer noch hingegen ſagen, daß es der Finger
GOTTES ſey,
Der alles das unmittelbar verrichte; ſo geſteh’ ich frey,
Es ſcheine mir die erſte Meinung von GOTTES Weisheit,
Groͤſſ’ und Macht,
Geſchickter, wuͤrdiger, erhabner, und GOTT anſtaͤndiger
gedacht.
Denn, auſſer, daß ich in den Worten, und in der wircklichen
Jdee
Vom Finger GOttes, was verbluͤhmtes, und nicht was ei-
gentlichs verſtehe:
So deucht mich, daß dergleichen Wercke durch Seine Die-
ner machen laſſen,
Sey einer Gottheit wuͤrdiger, als Selbſt damit ſich zu be-
faſſen.
Vermindert es ja doch die Ehre des Schoͤpfers im ge-
ringſten nicht,
Wenn ſo viel kuͤnſtliches auf Erden durch Menſchen-Witz
und Hand geſchicht;
Sonſt koͤñte ja der Schoͤpfer auch, als Dem es nicht an Macht
gebricht,
Aus Holtz und Stein formirte Bilder, Gebaͤude, Gaͤrten,
Kleider, Tuͤcher,
Auch Glaͤſer, Haus-Geraͤthe, Schraͤncke, Gemaͤhlde, Fenſter-
Scheiben, Buͤcher,
Ohn unſern Beytritt, wachſen laſſen. Wir ſehen aber auf
der Welt,
Daß es Jhm, unſer ſich dabey auch zu gebrauchen, nicht miß-
faͤllt.
Und
Der Lammes-Kopf.
Und wie ſo ſehr wuͤrd’ einer nicht in ſeiner Meinung
ſich vergehn,
Der, weil er etwan ſolche Dinge von Menſchen niemahls
machen ſehn,
Daß ſie gewachſen waͤren, glaubte? daruͤm iſt dieſes auch
vielleicht
Noch lange nicht ſo ungereimt, als wie es etwa manchem
deucht.
Jedoch, da unſer Wiſſen hier nur Stuͤck-Werck; ſoll
auch meine Lehre
Dem, der mir beſſre Gruͤnde bringt, nicht widerſinnig wie-
derſtehn.
Laß dir zugleich, geliebter Leſer, was wir von ſolchen Gei-
ſtern meinen,
Nicht eine neuerliche Lehre, nicht fremd und nicht gefaͤhrlich
ſcheinen.
Vielleicht ſind wir nicht unterſchieden, vielleicht iſt es faſt
einerley,
Ob, was ich Geiſter nenne, kraͤfftig; ob, was du Krafft heiſt,
geiſtig ſey.
Denn wir begreiffen ja ſo wenig, was eigentlich dergleichen
Krafft,
Als was von Geiſtern, welche bilden, recht eigentlich die Ei-
genſchaft.
Genug iedoch, wenn wir hiedurch von der Gewohnheit
uns entfernen,
Und GOttes kuͤnſtliche Geſchoͤpfe mehr achten und bewun-
dern lernen.
Dieß iſt mein Endzweck hier geweſen, erbaue dich nebſt mir
daran,
Daß uns zur Demuth und zur Andacht ſo gar ein Lamms-
Kopf leiten kann.
Einige
Einige aus dem Engl. genom̃ene Gedancken.
Einige aus dem Engliſchen genommene
Gedancken.
Der erſte Prediger, der zu des Schoͤpfers Ehren,
Und zur Verherrlichung von Seiner Majeſtaͤt,
Die alles alles uͤbergeht,
Sich laͤſſet hoͤren,
Jſt das erhabne Firmament:
Wo, neben Sonn und Mond, ein ungezehltes Heer
Von Sternen funckelt, blitzt und brennt.
Es kann dieß groſſe Buch allein
Mit Lettern, ſo von Licht geſchrieben,
Die Menſchen, wenn ſie GOTT nicht ehren, fuͤrchten, lieben,
Zu uͤberfuͤhren gnugſam ſeyn,
Wie ſehr ſie ſich vergehn.
Doch iſt des Schoͤpfers Weisheits-Licht
Nicht minder in den kleinſten Wercken,
Die durch Sein groſſes Wort entſtehn,
Mit tieffer Ehr-Furcht anzuſehn,
Und mit Erſtauen zu bemercken.
Jn dieſen hat Er gleichſam ſich,
Wenn man ſo ſagen darf, zu uns herab gelaſſen,
Und ſcheinet es, ob lad’ Er eigentlich,
Jhn naͤher anzuſehn, und von Jhm was zu faſſen,
Uns ſelbſt in ihnen ein.
Die Pflantzen koͤnnen uns hievon belehren.
Und unverwerffliche gewiſſe Zeugen ſeyn.
Auch
Einige aus dem Engliſchen
Auch die veraͤchtlichſte von ihnen machet ſich
Der allerweiſeſten und groͤſſten Geiſter,
Durch ihre kuͤnſtliche Zuſammenfuͤgung, Meiſter:
Ob ſie von ihnen gleich nur das, was coͤrperlich,
Und was das groͤbſte nur, zu ſehen taugen.
Da ja dasjenige, durch welches ſie ſich nehren,
Wodurch ſie leben, ſich vermehren,
Sowol den geiſtigen als coͤrperlichen Augen
Unſichtbar, unbekannt. Kein Blat iſt uͤbergangen;
Ein iegliches hat Ordnung, Symmetrie,
Jn einem reichen Maß empfangen.
Es iſt erſtaunens wehrt, auf welche Weiſe ſie
Sich von einander unterſcheiden,
An Balſam, an Figur,
An Kraͤfften, an Natur,
An Farben und an Schmuck, in welchen ſie ſich kleiden.
Was haben wir von dem, was in dem Samen ſtecket,
Durch Microſcopia nicht allererſt entdecket!
Allein, was hat nicht GOTT fuͤr mannichfache Krafft,
Fuͤr Wirckungen und Eigenſchaft,
Bloß durch ein Wort in ſie geſencket!
Wodurch er gleichſam denn das Pflantzen-Reich
Mit einer Art Unſterblichkeit beſchencket.
Jſt etwas, wofuͤr GOtt mehr Ehr und Danck gebuͤhret,
Und welches auch zugleich
Bewunderns-wuͤrdiger, als wie der Farben Schein,
Der allen Pflantzen allgemein,
Und welcher Feld-und Waͤlder zieret?
Haͤtt
genommene Gedancken.
Haͤtt er auf dieſer Welt
Wald, Huͤgel, Thaͤler, Berg’ und Feld
Weiß oder roth gefaͤrbt; wer haͤtt’ ihr brennen
Und ihrer Farben Haͤrt’ ertragen koͤnnen?
Haͤtt’ er dieſelben nun mit einer Dunckelheit
Von Farben angethan; wer koͤnnt’ Ergetzlichkeit
Jn ſolchem traurigen und wuͤſten Anblick haben?
Wer koͤnnte ſich an ſolcher Schwaͤrtze laben?
Ein lieblich holdes Gruͤn hat zwiſchen beiden
Mit Recht den Mittel-Nang.
Und mit der Augen Bau und zarten Sehnen
Solch einen richtigen Zuſammenhang,
Daß es, an ſtat ſie auszudehnen,
Sie nachlaͤſſt, ſtaͤrckt, erquickt, ja unterhaͤlt und nehret,
Und ſie an Kraͤffter nicht erſchoͤpft, noch ſonſt beſchweret:
Ja das, was Anfangs bloß nur gruͤn,
Und eine Farbe ſchien,
Hat ſolch unzehliche Veraͤnderung, daß man
Sie nie genug bewundern kann.
An allen Orten iſt es gruͤn: Allein
Jſt es an einem wol daſſelbe? Nein!
Kein’ einzige von allen faͤrbet ſich
Wie ſich die andre faͤrbt: und dieſer Unterſcheid,
Der ſo verwunderlich,
Daß keine Menſchen-Kunſt noch Fleiß
Die Mannichfaltigkeit
Begreiffen, weniger ſie nachzuahmen weiß,
Wird noch in iedem Kraut,
Auf mehr als eine Art, geſchaut:
Jn-
Einige aus dem Engliſchen
Jndem ſowol, wann ſie zuerſt entſtehn,
Als auch wann ſie hernach im Wachsthum weiter gehn;
Nicht minder wann ſie reiff, an ihnen
Ein’ unterſchiedne Art vom gruͤnen,
Die alle ſchoͤn und lieblich ſind, zu ſehn.
Man kan dieſelbe Meng’ und Unterſcheid entdecken
Jn der Figur der Pflantzen, auch im ſchmecken,
Und im Geruch derſelben, eben auch
Jn ihrer Nahrungs-Krafft, nicht minder im Gebrauch
Zur edlen Artzeney.
Von den unzehligen will ich nur einerley
Zu mein-und deiner Lehr erwegen:
Wenn GOTT der Schoͤpfer nicht dem Heu,
So gar dem trockenen, auch wenn es alt, den Segen
Und eine Nahrungs-Krafft, fuͤr Ochſen, Pferd’ und Kuͤh,
Und ander groſſes Vieh
So reichlich beygelegt; wie fuͤnd’ ein Ackers-Mann,
Ja ſelbſt der reichſte Menſch, ein Futter doch fuͤr ſie?
Da ſie ſo groß, und da ſie, bloß allein
Durch ihre Staͤrck, uns nuͤtzlich ſeyn.
Wenn man im Gegentheil von einem Menſchen wollte,
Daß er auf gleiche Weiſ’, als ſie, ſich nehren ſollte;
Wie? oder wenn man ihm (da ihm das Heu zu kaͤuen,
Noch ſolches zu verdaͤuen
Nicht moͤglich) aus dem Heu und Stroh die Krafft
Jn etwan einem Safft’
Heraus zu ziehn, und ihm zu geben
Bemuͤhet waͤre; ſprecht, ſollt’ dieſes ihm ſein Leben
Wol zu erhalten faͤhig ſeyn?
Dieß
genommene Gedancken.
Dieß truckne Gras dient anderm Vieh dennoch,
Die Euter, die von Milch ſo uͤberfluͤſſig quillen,
Des Tages zweymahl anzufuͤllen:
Womit ſich doch
Und zwar ſtat andrer Speiſ’ allein,
Viel tauſend Menſchen-Kinder nehren.
Betrachtete man doch, dem weiſen GOTT zu Ehren,
Dieß Wunder, welches man ſonſt leider nicht betrachtet,
Und, durch Gewohnheit, kaum des denckens wuͤrdig achtet;
Man wuͤrd, o groſſer GOTT, dich weiſ’ und groß zu
nennen,
Sich nicht erſaͤttigen, ſich nicht ermuͤden koͤnnen.
Bluhmen.
Hierauf begeb’ ich mich in meinem Sinn
Nach einem Bluhmen-reichen Garten,
Und bluͤhendem Gefild’, im dencken, hin.
O welch ein Schmeltz! wie viele Arten
Von ſchoͤnen Farben! welche Menge!
Und auch zugleich, o welche Symmetrie!
Wie ſtimmt dieß glaͤntzende Gepraͤnge,
Jn einer ſuͤſſen Harmonie,
Und, in dem bunten Wunder-Schein,
Die holde Miſchung doch ſo lieblich uͤberein!
Welch eine Schilderey! wer hat die Pracht
So unbegreifflich ſchoͤn gemacht?
Mit welchem Uberfluß ſind hier die Zierlichkeiten
SVer-
Einige aus dem Engliſchen
Verſchwendet! ach woher? aus welcher Schoͤnheits-Quelle
Sind ſolche reitzende Beſchaffenheiten,
Die wir aus einer ieden Stelle
Jn ſolcher Fuͤlle ſehn, entſprungen, herzuleiten?
Was iſt doch an ihm ſelbſt der Urſprung ſolches Lichts,
Der Freud, Ergetzlichkeit, und Nahrung des Geſichts?
Allein,
Wir wollen von dem Glantz und Schmuck, der allgemein,
Nun etwas weiter gehen,
Und nur, von einigen inſonderheit,
Die Zierde, Pracht, und Bildung ſehen.
Laſſt uns diejenigen, ohn auf die Wahl zu achten,
So ungefehr zuerſt uns aufſtoͤſſt, erſt betrachten!
Sie bricht nur eben auf, und hat noch allen Glantz
Der friſchen Lieblichkeit.
Trifft man bey Menſchen wol ſo helle Farben an?
Und die, zu gleicher Zeit,
So ſanft, ſo angenehm? Jſt eine Kunſt zu finden,
Wodurch in einem Zeug man Faͤden mancher Art
So gar erſtaunlich duͤnn’ und zart
Zuſammen weben und verbinden,
So uͤberkuͤnſtlich fuͤgen kann.
Man bringe hier,
Bey dieſer bunten Blaͤtter Zier,
Selbſt Salomonis Kleid,
Den Purpur ſeiner Herrlichkeit:
Wie grob, wie ungleich, rauch! ja recht wie haarne Decken,
Wie ſchlecht gefaͤrbt, wie voller Flecken
Jſt dieſes, bey der Bluhmen Pracht,
Gewebt, gefaͤrbet und gemacht!
Wenn
genommene Gedancken.
Wenn aber auch die Bluhme nicht ſo ſchoͤn
Jn allen ihren Theilen waͤre;
Kann man was zierlichers, als wie ihr Gantzes, ſehn
Jn ihrer Symmetrie? ſeht den Zuſammenhang,
Wie Regel-recht der Blaͤtter Nang!
Wie richtig, ordentlich iſt im Zuſammenhalt
Der gantzen Bluhmen Form und zierliche Geſtalt:
Man ſollte, wenn man recht, mit achtſamen Gemuͤth
Des Schoͤpfers Weisheit, Macht, ja faſt Gefaͤlligkeit,
(Wenn ich ſo ſagen darf) in der Vollkommenheit
Von einer Bluhme ſieht,
Faſt glauben, daß derſelbe Schein
Beſtaͤndig werd’ und muͤſſe prangen.
Allein,
So iſt ſie allbereit,
Vom Morgen bis zur Nacht, verwelckt, und ſchon vergangen.
Was ſollen wir denn nicht gedencken
Vom unermeßlichen und tieffen Ocean
Der Vollenkommenheit, aus welchem auf ein Kraut
Sich ſolche Zier und Pracht, in ſolcher Fuͤlle ſencken,
Die man doch ſo vergaͤnglich ſchaut.
Wie wird ein ſolcher GOTT nicht Geiſter ſchmuͤcken
koͤnnen,
Und ſie beſeeligen! Er, der mit ſolchem Schein
Der Thiere Futter ſchmuͤckt! kann man ſo blind denn ſeyn,
Nach Schoͤnheit, Jugend, Ehr, mit ſolchem Ernſt zu rennen,
Und ſelbe wahre Guͤter nennen?
Da ſelbe doch, den Bluhmen gleich, verſchwinden,
Und oͤffters morgen ſchon nicht mehr zu finden.
S 2Fruͤch-
Einige aus dem Engliſchen
Fruͤchte.
Bishero haben wir die Erde bloß allein
Als eine Wieſ’ und Bluhmen-Garten,
Mit vieler Anmuth, angeſehn.
Runmehro zeigt ſie ſich nicht minder ſchoͤn,
Als einen Hof voll Baͤum’ und Fruͤchte mancher Arten,
Die nicht ſo gleich (o neues Wunder-Werck,
So wuͤrdig, daß ich es mit Ehr-Furcht merck!)
Nein, allgemach und Wechſels-weiſ’ entſtehn.
Jch ſehe ſolchen Baum, von welchem ieder Aſt
Gebogen und gekruͤmmt, durch ſeiner Fruͤchte Laſt.
Und deren liebliches Gepraͤnge,
Mit frohen Blicken, durch Geruch und Farb’, entdecken,
Wie niedlich ſaͤurlich ſuͤß die Fruͤchte, deren Menge
Nicht zehlbar, werden ſchmecken.
Mich deucht, es ſprech durch ſeiner Fruͤchte Zier
Ein ſolcher Baum zu mir:
Erkenne doch in meiner Pracht,
Wie groß die Guͤte, Macht und Majeſtaͤt
Desjenigen, der mich fuͤr dich gemacht.
Jch bin ja nicht fuͤr Jhn ſo reich, auch nicht fuͤr mich,
Jhm fehlet nichts, und ich
Kann das, was Er mir gab, nicht brauchen.
Laß Jhm zu Ehren denn dein Andachts-Opfer rauchen.
Und pfluͤcke meine Laſt: danck’ Jhm mit froher Bruſt,
Und, weil Er mich gemacht zum Werck-Zeug deiner Luſt;
So werde du fuͤr mich, zu dieſer frohen Zeit,
Ein Werck-Zeug meiner Danckbarkeit.
Es
genommene Gedancken.
Es kommt mir vor,
Ob hoͤre mein vergnuͤgtes Ohr,
So gar von einem ieden Orte,
Dergleichen Lehr-und Anmuth-reiche Worte.
Je weiter ich nun ferner gehe,
Je mehr entdeck’ ich, hoͤre, ſehe,
Und treff’ ich neue Vorwuͤrff’ an,
Die mich mit neuer Freude ruͤhren,
Die mich im Danck zum Schoͤpfer fuͤhren,
Und die ich nie genug bewundern kann.
Bey einem ieden Schritt werd’ ich aufs neue
Veraͤndrungen gewahr, woruͤber ich mich freue.
Hier ſeh ich, wie die Frucht in einer Rinde ſteckt:
Da haͤlt ein ſchoͤnes Fleiſch den Kern verdeckt:
Die dort, iſt in und auſſen weich:
Die Frucht iſt, vielen andern gleich,
Aus einer Bluhm’ entſproſſen: Jene hier
Kam, ſonder Bluhm’ und Bluͤht’, aus hartem Holtz’ herfuͤr:
Die kommt, wann ſich der Sommer zu uns wendet,
Und jene, wann er ſich geendet.
Die eine faͤllt und welckt, wird ſie nicht bald gepfluͤckt,
Die andre reiffet nie, wo man nicht warten kann:
Die haͤlt ſich lange Zeit; die bricht ſich zeitig an:
Durch die wirſt du geſtaͤrckt, wann jene dich erquickt.
Kurtz: Alles, was mein Aug’ erblickt,
Vergnuͤget mich an iedem Orte,
Durch ſtets veraͤnderten Genuß;
So daß ich des Propheten Worte
Fuͤr Freuden wiederholen muß:
S 3Auf
Einige aus dem Engliſchen
Auf Dich, o Schoͤpfer aller Dinge, ſind aller Augen hin
gekehrt:
Sie warten alle, bis daß ihnen von Dir die Nahrung wird
beſchehrt.
Du oͤffneſt Deine Wunder-Hand: Du ſaͤttigſt alles, gie-
beſt allen
Die Nothdurft, und erfuͤlleſt alles, was lebt, mit Speiſ-
und Wolgefallen.
Baͤume.
Wir haben, bey der Frucht, der Baͤume ſchon gedacht.
Allein dieſelbigen verdienen,
Daß hier inſonderheit von ihnen
Noch etwas werde beygebracht.
Es giebet Baͤum’, auf deren Rinden
Wir zweymahl Fruͤcht’ in einem Jahr,
Mit billigem Erſtaunen, finden:
Wann noch auf andern gar
Sich Jahr’ und Jahres-Zeiten binden.
Da wir auf ihnen, ſonder Zahl,
Nicht reiff’ und reiffe Fruͤcht’ und Bluhmen,
Woran zugleich ſich Zung und Naſ’ und Aug’ erquicken,
Mit einer gantz von Luſt durchdrungnen Seel’ erblicken.
Jndem wir ja darin von unſers Schoͤpfers Macht
Die unumſchraͤnckte Freiheit ſehen;
Daß, da Er der Natur Geſetz veraͤndern kann,
Er ihr Beherrſcher ſey, und daß, von allen Sachen,
Er alles, was Er will, zu aller Zeit kann machen.
Jch
genommene Gedancken.
Jch finde, daß die Baͤnme, welche klein
Und von der Mittel-Gattung ſeyn,
Die niedlichſten und beſten Fruͤchte bringen.
Je mehr ſie in die Hoͤhe dringen,
Je minder iſt die Frucht fuͤr uns bequem.
Woraus ich dieſe Lehre nehm,
Und deucht mich, daß inſonderheit die Reben
Jn ihrer Sprache mir dieſelbe deutlich geben:
Daß in der Niedrigkeit, und nahe bey der Erden,
Die beſten Fruͤchte meiſt gefunden werden.
Die andern, welche nichts als Blaͤtter tragen, nuͤtzen
Nicht weniger, als die, ſo fruchtbar, da durch Staͤrcke
Sie in den Haͤuſern uns fuͤr Froſt und Regen, ſchuͤtzen.
Sie dienen ferner uns in mancherley Gewercke,
Zur Schiff-Fahrt ſonderlich; ſo daß in ihnen,
Da ſie uns noch faſt mehr, als die, ſo fruchtbar, dienen,
Wenn wir es mit Vernunfft und ernſtlich uͤberlegen;
Man Goͤttliche Verſehung auch deßwegen
Nicht guug erhoͤhn und preiſen kann.
Wenn man, von ſo bewunderns-wehrten Hoͤhen,
Und Dicke, keine Baͤum’ in Waͤldern ie geſehen
Und angetroffen; ſollte man
Wol glauben und begreiffen koͤnnen,
Daß ſie von wenig Tropffen Regen
Zur Gnuͤge Krafft und Nahrungs-Segen,
Zu ſolchem Wachsthum zu gelangen,
Auch ein ſo fruchtbar Saltz in ſelbigen empfangen?
Denn ſie gebrauchen einen Safft,
Der voller Geiſtigkeit, voll Saltz und voller Krafft,
S 4Von
Einige aus dem Engliſchen
Von mancherley Beſchaffenheit,
Wodurch der Stamm, die Wurtzel und die Aeſte
So daurhaft ſind, ſo ſtarck und feſte
Und von beſondrer Haͤrtigkeit.
Auch iſt nicht weniger bewunderns wehrt,
Je mehr wir an dergleichen Baͤumen
Die Pfleg’ und Wartung gantz verſaͤumen,
Je groͤſſer iſt der Dienſt, der ihnen wiederfaͤhrt,
Je ſchoͤner werden ſie. Sie werden ſchwach hingegen,
Wenn wir derſelbigen, wie andrer Baͤume, pflegen.
Ach HERR! dieß zeigt uns klar, daß Du allein
Dieſelbigen formirt. Auch kann man hieraus faſſen,
Daß Menſchen Muͤh und Fleiß fuͤr dich nur unnuͤtz ſeyn,
Und daß, wenn du, von Baͤumen, ihnen
Haſt einige zur Aufſicht uͤberlaſſen,
Um ſie mit Fleiß und Vorſicht zu bedienen;
Es bloß geſchehen ſey,
Sie zu beſchaͤfftigen, und ſie zugleich dabey
Noch zu belehren,
Daß, weil ſie ſelbſt ſo ſchwach,
Auch ſchwache Dinge nur fuͤr ſie gehoͤren.
Noch werd ich von der Baͤume Schaar
Verſchiedener gewahr,
Die, ſonder Aendrung, allezeit
Der gruͤnen Zier Vollkommenheit
Behalten; dieſes ſtellet mir
Sich, als ein Bild von der Unſterblichkeit,
So wie die anderen, die ihrer| Blaͤtter Zier
Jm kalten Winter gantz verlieren,
Um ſich aufs neu im Lentzen ſchoͤn zu zieren,
Als wie ein Bild der Auferſtehung, fuͤr.
Fiſche.
genommene Gedancken.
Fiſche.
Welch ungeheure Meng’ an Fiſchen klein und groß,
Die alle Zahlen uͤberſteiget,
Wird in des weit-und tieffen Meeres Schooß,
O HERR, zu Deiner Ehr, und uns zum Nutz, erzeuget!
Jch ſehe dieſe Waſſer-Thier’
Und ihre Form bewundernd an:
Sie kommen mir nicht anders fuͤr,
Als haͤtten ſie nur Kopf und Schwantz allein.
Sie haben weder Arm noch Bein,
Ja ſelbſt ihr Kopf iſt feſt, und kann ſich nicht bewegen,
So daß, wenn wir nur bloß von ihnen die Geſtalten
Betrachten, ſehn, und uͤberlegen;
Wir anders faſt nicht dencken koͤnnen,
Als haͤtte die Natur, ſie zu erhalten,
Denſelben gar kein Mittel wollen goͤnnen.
Doch was ich auch bey ihnen aͤuſſerlich
Fuͤr ſchlechtes Werck-Zeug immer finde;
Sind ſie dennoch ſo liſtig, ſo geſchwinde,
Und ſchneller ſich zu nehren, ſich zu retten,
Als wenn ſie viele Haͤnd’ und viele Fuͤſſe haͤtten.
Ja der Gebrauch, den ſie, beym Mangel andrer Sachen,
Aus ihrem Schwantz und Floß-Gefieder machen,
Treibt ſie in ſo geſchwinder Eil’,
Als wie der Wind, als wie ein Pfeil.
Da ſich dieß Waſſer-Volck einander friſſt;
Wie? daß es, ohn ſich aufzureiben,
S 5An-
Einige aus dem Engliſchen
Annoch in ſeiner Art zu bleiben,
Sich zu erhalten, faͤhig iſt?
Dafuͤr hat GOTT geſorgt: indem Er, ſie zu nehren,
Mit ſolcher Fruchtbarkeit dieſelbigen verſehn,
Daß wenn ſie ſich auch noch ſo ſtarck verzehren,
Sie doch nicht koͤnnen untergehn:
Jndem dasjenige, was ſie zerſtoͤret,
Bey weitem nicht ſo ſtarck, als das, ſo ſie vermehret.
Nur iſt mir Angſt, wie doch die Kleinen
Den groſſen ſich entziehn;
Auf welche Weiſe ſie denſelbigen entfliehn,
Die ſie, als ihren Raub, nur zu betrachten ſcheinen,
Und die ſie ſtets verfolgen: aber hoͤret:
Dieß ſchwache Volck iſt hurtiger im Lauff’,
Auch haͤlt es ſich da, wo das Waſſer ſeicht,
Und wo die groſſen es nicht leicht
Verfolgen koͤnnen, auf.
Es ſcheint, ob habe GOTT ſie, daß ſie fuͤr Gefahren
Sich ſelber faͤhig zu bewahren,
Mit einer Vorſicht ausgeruͤſt,
Die mit der Schwaͤch’ und Noth von gleichem Nachdruck iſt.
Auf welche Weiſe geht es an,
Daß in des Meeres Fluht,
Worin ein Saltz von ſolcher Schaͤrffe ruht,
Daß keiner es im Munde dulden kann;
Die Fiſche ſo geſund und munter leben koͤnnen?
Und wie behaͤlt ein Fiſch,
Recht mitten in dem Saltz, ſein Fleiſch ſo ſuͤß und friſch?
Wo-
genommenẽ Gedancken.
Woher kommts, daß die beſten ſich
Nicht gerne weit von unſern Ufern trennen,
Und gleichſam ſelbſt uns in die Netze rennen?
Hingegen die, ſo nicht ſo nuͤtz ſind, ſich bemuͤhen
Von unſern Ufern fern zu fliehen?
Wie geht es zu, daß die, ſo in der Zeit
Der ausgelaſſnen Fruchtbarkeit
Zu ihrem Aufenthalt entfernte Oerter nahmen,
Woſelbſt ſie zu gewiſſer Groͤſſe kamen,
Zu einer feſten Zeit mit ungezehlten Hauffen
Den Fiſchern gleichſam ſelbſt in Retz-und Barcken lauffen?
Durch welchen Trieb ſieht man viel Arten aus der
See,
Und zwar die niedlichſten, ſo haͤuffig ſich erheben,
Und in der Fluͤſſe Mund, gantz in die Hoͤh’,
Und zu den Quellen ſich begeben;
Damit, ſelbſt aus des Meeres Gruͤnden,
Den Vortheil, auch die weit entlegnen Oerter finden?
Wo iſt die Hand, die ſie ſo wunderbar regieret,
Sie leitet, und fuͤr uns ſo weite Wege fuͤhret?
Wann es die Deine nicht, O HERR! ob iederman,
Da die Verſehung ja ſo ſicht-und fuͤhlbar iſt,
Daß man nichts deutlichers faſt ſehen kann,
Des danckens, leider! gleich gar offt dafuͤr vergiſſt.
Dieſelbige Verſehung zeiget ſich
An allen Arten. Sonderlich
Giebt uns der Schnecken-Haͤuſer Menge,
Die, mit unzehligem veraͤnderten Gepraͤnge
Von
Einige aus dem Engliſchen
Von Farben und Figur, des Meeres Strand bedecken,
Dieſelbige vor andern zu verſtehn:
Da kleine Fiſch’ in ihren Schalen ſtecken,
Woran wir kaum ein Leben ſehn,
Und die iedoch, zu rechter Zeit,
Um friſches Waſſer einzuſaugen,
Sich oͤffnen, und zugleich,
Mit ſeltſamer Geſchwindigkeit,
Den uͤberraſchten Raub mit einzuziehen taugen.
Die Voͤgel.
Es iſt in unterſchiednen Thieren
Ein Etwas, welches faſt vernuͤnftig ſcheint.
Allein dergleichen iſt faſt nirgend ſo zu ſchauen,
Als in der Voͤgel Kunſt, womit ſie Reſter bauen.
Zum erſten: welcher Meiſter hat
Denſelbigen gezeigt, daß ſie ſie noͤthig haͤtten?
Wer lehrte ſie, daß ſie, uͤm ſich zu retten,
Dieſelben nicht zu ſpat
Verfertigten? und wer bracht’ ihnen bey,
Auf welche Weiſ’ ein Neſt zu machen ſey?
Was fuͤr ein Mathematicus
Gab ihnen die Figur, ſo, wie man bauen muß?
Welch Kuͤnſtler hat dieſelbigen gelehrt,
Daß ein gewiſſer Grund zum Bau gehoͤrt?
Da ſie ja, ſonder ie zu fehlen,
Dergleichen Oerter immer wehlen.
Welch
genommene Gedancken.
Welch eine Mutter zeigt, aus Vorſorg’, ihnen,
Um ihr klein Neſtchen weich zu machen,
Sanft, niedlich und bequem, ſtat andrer Sachen,
Sich zarter Woll’ und Federn zu bedienen?
Ja, wenn dergleichen nicht zu finden ſeyn,
Wer gab ſo denn denſelbigen die Triebe,
Von einer Kunſt- erfuͤllten Liebe,
Und zaͤrtlichen Erfindung, ein?
Daß ſie aus eigner Bruſt die Federchen zu nehmen,
Mit ihrem Schnabel ſich bequemen;
Damit die zarte Zucht in einer weichen Wiegen
Mag ſanft, bequem und ruhig liegen?
Durch welche Weisheit ſind die Voͤgel angefuͤhrt,
Daß iede Art ihr Neſt, auf eigne Art, formirt?
Begreifft es wol ein Menſch, wie ſolch ein Neſt
Auf tauſend Arten ſich zuſammen ſetzen laͤſſt?
Wer floͤſſet ſolchen Muth und ſolch Vertrauen
Der ſchnellen Schwalben ein, ihr Neſt bey uns zu bauen?
Jndem ſie uns ihr Werck zu weiſen ſich nicht ſchent,
Uns recht zu Zeugen nimmt, ſich gleichſam ſelbſt erbeut,
Aufrichtig alles uns zu zeigen.
Sie bauet nicht aus Heu, auch nicht aus kleinen Zweigen,
Sie bauet recht aus Kalck und Thon ihr Neſt;
Und zwar ſo ſtarck und feſt,
Daß, braucht man ſich dazu nicht Krafft und Staͤrcke,
Es ſich nicht leicht zerſtoͤren laͤſſt.
Und doch bedient ſie ſich zu dieſem Wercke
Des Schnabels bloß allein.
Man
Einige aus dem Engl. genommene Gedancken.
Man mache (koͤnnt’ es moͤglich ſeyn)
Den groͤſten Meiſter einſt ſo klein
Als eine Schwalb: man laß ihm den Verſtand,
Doch, ſtat der Werck-Zeug, und der Hand,
Nichts als den Schnabel nur, dann ſchaue man,
Ob er dergleichen machen kann.
Betrachtete man doch, dem weiſen GOTT zu Ehren,
Die Wunder, welche man ſonſt leider nicht betrachtet,
Und, durch Gewohnheit, kaum des denckens wuͤrdig achtet;
Man wuͤrd’, o groſſer GOTT! Dich weiſ’ und groß zu
nennen,
Sich nicht erſaͤttigen, ſich nicht ermuͤden koͤnnen.
Ge-
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Wenn wir durch ſchattigter Alleen
Gerade Laͤnge vorwaͤrts ſehen,
Jſt unſer Auge ſo formirt,
Daß es, was oberwaͤrts, herabwaͤrts fuͤhrt,
Was unterwaͤrts, hinauf: wodurch es denn geſchieht,
Daß alles ſich zuletzt in ein klein Puͤnctchen zieht.
Der Himmel und die Erde ſcheinen
Sich in dem aͤuſſerſten Geſicht-Punct zu vereinen.
Dieß ſah ich juͤngſt aufmerckſam an, und dachte:
Je mehr ich dieſen Grund des Perſpectivs betrachte;
Je mehr kann ich, was mir und andern nuͤtzt,
Aus der verkleinten Groͤſſe lernen:
Je weiter ſich von mir die Linien entfernen,
Und alles ſich in ein klein Puͤnctchen ſpitzt,
Je mehr werd ich gewahr,
Daß alles ſich aus einem Puͤnctchen zieht.
Hieruͤber ſtutzte mein Gemuͤth,
Und fielen mir die Puncte jener Sternen
Jm tieffen Firmament daruͤber ein,
Die mir, alſo zu dencken, Anlaß gaben:
Was muͤſſen das fuͤr Perſpective ſeyn,
Die ſolche groſſe Centra haben!
2. Wenn
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
2.
Wenn unſer Blick von unten aufwaͤrts ſteiget,
Wird alles irdiſche ſo ſehr verkleint,
Daß es ein Punct zu werden ſcheint.
Doch zeigt uns dieſer Punct weit mehrers, als man meint;
Jndem ſich nah’ an ihm, ein Punct des Himmels zeiget,
Der, wenn ihm unſer Blick nur folget, ſich verbreitet,
Und uns in einen Raum, der unumſchraͤncket, leitet.
3.
Jch freue mich, da ich alhier verſpuͤre,
Wie, durch die ſich erhoͤh’nde Erde,
Der Blick mit ihr ſich aufwaͤrts fuͤhre,
Und Himmel-waͤrts geleitet werde.
Ja da mein Blick auf ſolche Weiſe ſteiget,
Werd ich gewahr,
Daß auch ſo gar
Der Himmel ſelbſt zu uns ſich abwaͤrts neiget.
4.
Jndem ich dieſen Punct noch ernſtlicher betrachte,
Und daß die Linien aus ihm entſtehn,
Und alle wieder in ihn gehn,
Mit froͤhlicher Bewunderung beachte;
Wird meine Seel’ hiedurch recht inniglich geruͤhret,
Und
Gedancken uͤber ein Perſpectiv.
Und auf den Urſprungs-Punct, draus alle Ding’ entſtehn,
Beſtehn, und wieder in Jhn gehn,
Voll ehrerbietiger andaͤchtger Luſt, gefuͤhret.
Mein gantzes Weſen ſenckt, voll heiſſer Freuden-Triebe,
Allmaͤchtigs All, in Dich, Du ew’ge Liebe,
Sich gantz und gar hinein,
Und wuͤnſcht, mit heiſſen Freuden-Thraͤnen,
Und bloß auf Dich gelencktem Sehnen:
Ach moͤgteſt Du, o wahrer GOTT,
Unendlichs All, HERR Zebaoth,
Allgegenwaͤrtger Mittel-Punct, allein
Doch meines frohen Geiſts Geſicht-Punct ewig ſeyn!
TKlaͤg-
Klaͤgliches Vacuum.
Klaͤgliches Vacuum.
Jſt auf der Erd’, iſt in dem Meer’,
Jſt in des Himmels Abgrunds-Gruͤnden
Auch wol ein ſolcher Ort zu finden,
Der von des Schoͤpffers Wercken leer?
Ach ja! doch zeig’ ich ihn dir nicht ohn Gram und Schmertz:
Es iſt ein GOTTES Werck nicht achtend Menſchen-Hertz.
Un-
Unverantwortliche Unempfindlichkeit ꝛc.
Unverantwortliche Unempfindlichkeit
der Menſchen, uͤber entferntes
Ungluͤck.
Gefuͤhl-los menſchliches Geſchlechte,
Mehr unempfindlich, als ein Stein!
Mit welchem Fug, mit welchem Rechte
Verlangeſt du begluͤckt zu ſeyn?
Vortrefflich ſind dir alle Dinge,
So lange du ſie nur nicht haſt:
Kaum ſind ſie dein, ſind ſie geringe,
Ja werden dir offt gar zur Laſt.
Ein Mittel, uns ein Ding zu nehmen,
Jſt, wenn man uns daſſelbe ſchenckt.
Denn, wenn wir alles uͤberkaͤmen,
Verliert mans, wenn man dran nicht denckt.
Um dieſer Plag’ uns zu entziehen,
Um danckbar und vergnuͤgt zu ſeyn;
Will ich anietzo mich bemuͤhen,
Nur erſtlich die entfernte Pein,
Die uns iedoch betreffen koͤnnen:
Auch nachmahls das, ſo in der That
Des Schoͤpfers Guͤt’ uns wollen goͤnnen,
Und man von Jhm empfangen hat,
Mit frohem Ernſt zu uͤberlegen.
Vom Ungluͤck will ich viererley,
Wofuͤr uns GOTT bewahrt, erwegen:
Krieg, Hunger, Kranckheit, Selaverey.
T 2Gieb
Unempfindlichkeit der Menſchen
Gieb, hoͤchſter Herrſcher, Deinen Segen,
Daß es nicht ohne Nutzen ſey!
Wie ſchrecklich ſind die Krieges-Plagen!
Wie jaͤmmerlich iſts anzuſehn,
Wann, durch der Bomben ſchmetternd ſchlagen,
Selbſt GOTTES-Haͤuſer untergehn!
Wann, in der Minen rothem Blitze,
Der Stadt-Wall in die Luͤffte faͤhrt!
Wann uns die Blut-beſpruͤtzte Klingen
Durch Adern, Sehnen, Fleiſch und Bein,
Mit ziſchendem Geraͤuſche, dringen:
Erwegt, was dieß fuͤr Plagen ſeyn!
Wann ſolch ein Jammer uns verletzet,
Wie hoch wird, zu derſelben Zeit,
Der edle Friede nicht geſchaͤtzet!
Deß man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt’ ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT, Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Nicht minder ſchrecklich iſt der Jammer
Jn einer heiſſen Hungers-Noth:
Wann in der Scheun’ und Speiſe-Kammer
Kein Vorrath von Getraid’ und Brodt.
Wann
uͤber entferntes Ungluͤck.
Wann in den gantz verſchrumpften Magen,
Fuͤr Hunger ſchwartz, verdorrt und wild,
Die Menſchen Maͤuſ’ und Ratzen jagen,
Ja man ſich gar mit Unrath fuͤllt:
Wann ſie, fuͤr Hunger, Aeſer freſſen,
Ja gar fuͤr Angſt, fuͤr Pein und Wuht
Faſt ſelbſt der Menſchlichkeit vergeſſen,
Und wuͤten in ihr eigen Blut:
Da Weiber eigne Kinder ſchlachten,
Und durch ihr eigen Eingeweid
Jhr Eingeweid zu fuͤllen trachten:
Das heiſſt wol recht ein Hertzeleid!
Ja wie wir aus Geſchichten wiſſen,
Daß ſie aus ihrem eignen Arm’
Jhr eigen Fleiſch heraus geriſſen,
Zu fuͤllen ihren leeren Darm.
Wann ſolch ein Jammer uns verletzet,
Wie wird das Gluͤck zur ſelben Zeit,
Wann man ſein Brodt hat, nicht geſchaͤtzet!
Deß man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Ach! wenn wir auch erwogen haͤtten,
Wie jaͤmmerlich die Selaverey,
Wie unertraͤglich Band’ und Ketten,
Und der Verluſt der Freyheit, ſey!
T 3Wann
Unempfindlichkeit der Menſchen.
Wann wir nicht koͤnnen, was wir wollen;
Wann unſer Leib nicht unſer iſt;
Wann das gequetſchte Fleiſch geſchwollen,
Und uns das Ungezieffer friſſt;
Wann wir tyranniſcher Barbaren
Spott, Frevel, Bosheit, Ubermuth,
Grimm, Marter, Plag und Schlaͤg’ erfahren,
Die uns zerhenckern bis aufs Blut;
Die, mit faſt ſtuͤndlichem entſeelen,
Selbſt in des Kerckers Dunckelheit,
Uns mit der ſtrengſten Arbeit quaͤlen,
Ohn Aufſchub, ohn Barmhertzigkeit.
Wann ſolch’ ein Jammer uns verletzet,
Wie hoch wird zu derſelben Zeit
Die ſuͤſſe Freyheit nicht geſchaͤtzet!
Der man ſich, im Genuß, nicht freut.
Sollt’ ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt, mit froher Seele, ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Nicht | minder elend und entſetzlich
Jſt, wann die nimmer ſatte Peſt
Uns in geſundem Blute ploͤtzlich
Ein wildes Feuer wuͤten laͤſſt:
Wann uns ein unertraͤglichs brennen,
Als wie ein Blitz, den Leib durchfaͤhrt;
Wodurch, eh’ wir es hindern koͤnnen,
Der gantze Coͤrper fault und gaͤhrt.
Wann
uͤber ein entferntes Ungluͤck.
Wann uns ein Hoͤllen-Durſt die Zunge,
Die bittern Geifer ſchaͤumet, plagt;
Und unſer’ eiterichte Lunge
Den Gifft durch alle Adern jagt:
Wann wir der beſten Freund’ auf Erden,
Jn der durch uns verderbten Lufft,
Vergiffter, Heucker, Moͤrder werden,
Durch unſrer Coͤrper faulen Dufft.
Man ſieht nicht nur an Krancken kleben
Den Todes-Gifft; es ſcheint der Tod
Noch in den Todten ſelbſt zu leben.
O welch ein Stand! o welche Noth!
Wann man, von aller Welt verlaſſen,
Voll Schmertzen, Elend, Angſt, Verdruß,
Jn ſolchem Jammer-Stand’ erblaſſen,
Und unbegraben faulen muß.
Ja von den allergroͤſſten Plagen
Der Menſchen-moͤrderiſchen Peſt,
Die uns vertilgt, nicht einſt zu ſagen:
Sprich, wann dich nur ein Fieber preſſt;
Wie elend iſt ſchon dann dein Leben?
Wie foltert dein beklemmtes Hertz,
Bey auſſerordentlichem beben,
Ein kaltes Feur, ein wilder Schmertz!
Wie klopft es! ſcheinet nicht dein Ruͤcken,
Als wollt er in dem ſtrengen Froſt,
Nebſt allen Knochen ſich zerſtuͤcken?
Kein Safft, kein Thee, kein Vier, kein Moſt
T 4Taugt
Unempfindlichkeit der Menſchen
Taugt den erhitzten Durſt zu ſtillen;
Wann, nach verjagtem Froſt, das Blut
Jn Adern, lauter Flammen fuͤllen;
Wann uns die ungeſtuͤme Glut
Auch in den kleinſten Adern wuͤhlet;
Wann ein ergrimmter Feuer-Geiſt,
Den man bis in die Seele fuͤhlet,
Blut, Sehnen, Fleiſch und Marck durchreiſſt.
Ach! wann uns ſolcher Schmertz verletzet,
Wie hoch wird zu derſelben Zeit
Nicht der Geſundheit Schatz geſchaͤtzet!
Des man ſich, im Beſitz, nicht freut.
Sollt ieder, der von ſolchen Plagen,
Durch GOttes Huld, nichts fuͤhlt, nichts weiß,
Nicht offt mit froher Seele ſagen:
Mein GOTT! Dir ſey Lob, Ehr und Preis?
Es iſt ja wol ein groſſes Gluͤcke,
Von ſolcher herben Quaal und Pein,
Und ſo entſetzlichem Geſchicke,
Geſichert und entfernt zu ſeyn.
Ach lobt denn GOTT, wenn er hienieden,
Stat Sclaverey, Krieg, Hunger, Peſt;
Geſundheit, Nahrung, Freyheit, Frieden,
Uns ſchenckt, und uns erleben laͤſſt!
Mein GOTT, gieb mir es zu erkennen,
Und laß mich ſtets zu Dir allein
Jn froher Danck-Begierde brennen,
Und, fern von Ungluͤck, froͤhlich ſeyn!
Gieb
uͤber entferntes Ungluͤck.
Gieb, daß, wenn etwan Kleinigkeiten,
Wie leider ſtets bey uns geſchicht,
Mich zum Verdruß und murren leiten,
Jch ſelbſt mir dieſen Unterricht
Mit einem frohen Nachdruck gebe:
Da ich geſund, genehret, frey,
Und in erwuͤnſchtem Friede lebe,
Trag’ ich zu murren billig ſcheu.
Wofern man nun an dieſen Schaͤtzen
Mehr, als man leider ſonſten pflegt,
Zu GOTTES Ehren, ſich ergetzen,
Und ſtets zur Danckbarkeit bewegt,
Aus allen Kraͤfften Jhn zu lieben,
Und Seinen Nahmen zu erhoͤhn,
Zeit Lebens wird ſeyn angetrieben;
Wird man ſich recht begluͤcket ſehn.
T 5GOT-
GOTTES Groͤſſe.
GOTTES Groͤſſe.
Noch lange nicht ein Punct, und waͤr’ er noch ſo klein,
Ja bildeteſt du dir von ihm ein Theilchen ein,
Das weder in den Sinn, noch in Gedaucken faͤllt,
Das auch ein Mathematicus
Fuͤr unzertheilbar halten muß;
Jſt, gegen GOTT, die gantze Welt.
Fort-
Fortſetzung der Gedancken von der Sonne.
Fortſetzung der Gedancken von der
Sonne, Tomo 3. des Jrdiſchen Ver-
gnuͤgens.
Daß es der Wahrheit aͤhnlich ſcheint,
Wenn man von allen Sonnen meint,
Daß ſie nur Oeffnungen am Firmament,
Wodurch ein Theil vom Licht, ſo GOttes Thron uͤmſchraͤnckt,
Zum Nutz der Creatur, begrentzt ſich abwaͤrts ſenckt;
Darin hat mich noch juͤngſt ein heller Morgen
Noch mehr befeſtigt und beſtaͤrckt.
Mein gruͤner Vorhang hielte mich
Jm Bette, vor dem Strahl der Sonnen, noch verborgen,
Da ich in Schatten eigentlich
Den Durchbruch des ſo offt getheilten Lichts bemerckt.
Jch ſah’ an tauſend tauſend Orten,
Als ſo viel kleine runde Pforten,
Viel zarte Lichter, recht als helle Stern’, und zwar,
Nach mehr erweiterten, und mehr verengten Grentzen,
Von erſter, anderer, und dritter Groͤſſe, glaͤntzen.
Jhr unterſchiedlicher, nie gleicher Abſtand war
Ein dentlich Ebenbild der mancherley Figuren,
So die Aſtronomie uns in den Sternen zeigen.
Jch fand mit leichter Muͤh dieſelben Creaturen;
Weil ihre Menge mir Gelegenheit genug
Zu mehren, zu zerſtreun, zu theilen, zu vereinen,
Und vorzuſtellen gab: daß ich mit Fug
Den groſſen Baͤren, und den kleinen,
Orion,
Fortſetzung der Gedancken
Orion, Pleiades, den Fuhrmann, nebſt den Ziegen,
Den Schwan, Delphin, den Stier, durch ein gewiſſes fuͤgen,
Durch ein willkuͤhrliches verbinden und zertrennen,
Dir haͤtte deutlich zeigen koͤnnen.
Hieruͤber fielen mir aufs neu
Die vorigen Gedancken bey:
Wie ſehr wuͤrd’ einer, dacht ich, irren,
Wie laͤcherlich wuͤrd’ er, was wahr und falſch, verwirren,
Der dieſe Lichterchen fuͤr eigne Lichter nehmen,
Und ihren Urſprung nicht,
Bey einem allgemeinen Licht,
Beym Strahl der Sonnen, ſuchen wollte!
Er muͤſte ſich gewiß des groben Jrrthums ſchaͤmen.
So kann (und iſt es gantz vermuthlich) in der That
Das praͤchtige Sapphirne Firmament
Allein der Vorhang ſeyn,
Wodurch der hinter ihm vorhandne Schein
Von GOttes heilgem Thron, zu unſerm Nutzen brennt.
Es kommt aufs mindſte dieſes mir
Als ein Gedancke fuͤr,
Der, zu des Schoͤpfers Ruhm, was Groſſes in ſich hat.
Ja ſollten etwa Schwierigkeiten
Dadurch, daß wir rings uͤm die Sonne gehn,
Und andre Jrr-Stern’ auch ſich uͤm dieſelbe drehn,
Vielleicht bey dir entſtehn;
So laß dich dieß nicht gleich verleiten,
Die Meinung von der Quell der Sonnen zu beſtreiten.
Es wird ſich etwas doch von unſrer Antwort faſſen,
Und ziemlich ſcheinbar machen laſſen.
Haͤtt
von der Sonne.
Haͤtt’ etwa GOTT rings uͤm der Sonnen Rund,
Das Licht von Seinem Thron, das alle Tieffen fuͤllet,
So, wie es vor- und Seiten-waͤrts verhuͤllet,
Auch hinterwaͤrts verſchraͤncket und verſchloſſen,
Und daß der Sonnen Rund aus jenem Lichtes-Meer’,
Als wie ein Tropfen, nur gefloſſen,
Und, uns zum Nutz, ſammt der Planeten Heer,
Jm Mittel-Punct gelaſſen waͤr,
Damit wir, wenn wir rings uͤm dieſe Licht-Quell gingen,
Wir, Leben, Fruchtbarkeit und Waͤrm dadurch empfingen;
So wuͤrde dieſes nicht an unſrer Meinung hindern,
Noch den Begriff vom Licht und ſeinem Urſprung mindern.
Ach GOTT! wo dieſes wahr,
Wie es ja Deiner wuͤrdig ſcheinet;
So mach’ es ferner offenbar.
Denn daß von Deiner Groͤſſ’ und Majeſtaͤt und Licht
Man ſtets das herrlichſte ſich vorſtellt, denckt und meinet,
(Zumahl wenn dem Dein Wort nicht wiederſpricht)
Jſt unſre Schuldigkeit. Ach! ſend aus Deiner Hoͤhe
Der Weisheit Licht herab! Laß uns ie mehr und mehr,
Zu Deines Nahmens Preiſ’ und Ehr,
Von Deiner Majeſtaͤt allmaͤchtgem Wunder-Weſen
Die Wunder in den Wercken leſen!
Quelle
Quelle des Materialiſchen
Quelle des Materialiſchen und des Gei-
ſtigen Feuers.
Es ſcheint des Feuers reges Weſen, es ſcheinen Licht
und heiſſe Flammen
Von aller Waͤrm’ und Lichter Quell, dem Sonnen-Feuer,
abzuſtammen,
Und in gewiſſer Coͤrper Weſen, das ſich dazu vor andern
ſchickt,
Und mehr und minder ſchweflicht iſt, hinein geſenckt, hinein
gedruͤckt.
Die aber, wann ſich andre Theile, die feurig ſind, zu ihnen
fuͤgen,
Sich ſchnell entzuͤnden, und in Eil’, als lodernd, in die Hoͤhe
fliegen,
Daß wir dieſelben Theilchen aber, bevor ſie angezuͤndet
brennen,
Nicht ſcheinen, glaͤntzen, leuchten, ſtrahlen, und nicht, als lo-
dernd, ſehen koͤnnen,
Jſt ja ſo wenig zu bewundern, als daß man ſelber nicht
einmahl
Das Licht, ſo alle Ding’ erhellet, und deſſen eigentlichen
Strahl,
Jn ſeinem eignen Glantz allein, ohn andrer Coͤrper Gegen-
ſchlag,
Zu mercken, zu erblicken taugt, noch eigentlich zu ſehn ver-
mag.
Faſt auf dieſelbe Weiſe ſcheinet,
(Ob gleich, wie jenes, unſichtbar, und von dem Coͤrper einge-
ſchraͤnckt,)
Auch
und des Geiſtigen Feuers.
Auch unſers Geiſtes Licht vereinet
Mit der allgegenwaͤrtgen GOTTHEIT, und Jhrem Licht,
mehr als man dencket.
Dieß eingeſchraͤnckte Feur wird rege, wenn eine gleich-
falls ſtille Glut,
Die, durch des Schoͤpfers Wort und Willen, in Seinen Crea-
turen ruht,
Sich zu ihm fuͤget; dann entſtehet, durch die Verwundrung,
ein Bewegen:
Die Gluht der Andacht loͤſ’t ſie auf, wann Lieb’ und Danck-
Begier ſich regen:
Da ihre geiſtge Flammen denn, mit unausdruͤcklichem Ver-
gnuͤgen,
Sich zu der erſten Hoͤhe ſchwingen, ſich wieder zu der Ur-
quell fuͤgen.
GOT-
GOttes Groͤſſe aus Seinen Wercken.
GOttes Groͤſſe aus Seinen Wercken.
Auf! laſſet uns dasjenige, was ſchoͤn,
Was angenehm und herrlich auf der Welt,
Jn GOTTES Creatur, uns vorgeſtellt,
Mit aufmerckſamen Augen ſehn!
Die blaue Lufft, die gruͤne See,
Der Bluhmen Schmuck, der Berge Hoͤh’,
Das holde Prangen bunter Felder,
Die Anmuth-mehr als Schatten-reichen Waͤlder,
Das Firmament, der Mond, der Sonnen Licht und Flam̃en,
Die zeigen offenbar, daß ihrer Schoͤnheit Pracht,
Weil nichts ſich ſelber macht,
Aus GOTT allein entſtanden ſind, und ſtammen.
Wenn wir nun alles dieß verbinden
Jn eine Macht, und ſolche Macht bedencken,
Jn welcher alles dieß geweſen,
So werden wir ſolch eine Groͤſſe finden,
Wobey uns hier Verſtand, ſammt hoͤren, ſehn,
Verſchwinden und vergehn.
Ja wie viel groͤſſer wird annoch des Schoͤpfers Groͤſſe,
Wenn eine Zahl, die alle uͤberſteiget,
Von ſolchen Welten ſich an Aug’ und Seele zeiget!
Noch mehr, was auſſer dieſer Groͤſſ’ und Macht
Annoch fuͤr andere Vollkommenheiten,
Vortrefflichkeit- und Faͤhigkeiten
Jn andern Welten noch hervor gebracht,
Zeigt den darob erſchrockenen Gedancken
Ein’ Allmacht, ſonder End und Schrancken.
Der
Der Schoͤpfer aus dem Geſchoͤpf.
Der Schoͤpfer aus dem Geſchoͤpf.
Wie wir das Licht an ſich nicht ſonder Coͤrper ſehn;
So kann man, von dem ew’gen Licht’,
Wenn von der Creatur der Vorwurff uns gebricht,
So wenig daß-als was Es ſey, verſtehn.
UVer-
Vergnuͤgung aus der Betr. der Geſchoͤpfe.
Vergnuͤgung aus der Betrachtung
der Geſchoͤpfe.
Mein Schoͤpfer, deſſen Allmachts-Spuren
Jch einzig in den Creaturen,
Mit froͤhlichem Erſtaunen, ſeh’,
Und Deſſen Weisheit, ſammt den Trieben
Von Seinem vaͤterlichen lieben
Jch, wenn ich ſie beſchau’, erhoͤh.
Jn allem, was ſie mir entdecken,
Nimmt mir ein holdes heilges Schrecken,
Vermiſcht mit ſuͤſſen Freuden, ein.
HERR, Deine Wercke ſind ſo ſchoͤne,
Daß ſie ein ſeligs Lob-Gethoͤne
Von Menſch- und Engeln wuͤrdig ſeyn.
Ach! laß uns, wenn wir ſie ergruͤnden,
Dich ſtets allgegenwaͤrtig finden,
Wie Du allgegenwaͤrtig biſt.
So wird, was uns auch wiederfaͤhret,
Fruͤh oder ſpaͤt in Luſt verkehret,
Weil, wo Du biſt, kein Elend iſt.
Un-
Unempfindlichkeit des Guten.
Unbillige Unempfindlichkeit des gegen-
waͤrtigen Guten.
Recht erbarmens-wuͤrdig iſt, daß wir mit ſo kaltem
Muthe,
Ja faſt ohn’ Empfindlichkeit, alles gegenwaͤrtge Gute,
Und hingegen
Mit der innerſten Bewegung, was verdrießlich iſt, erwegen.
Die Geſundheit nicht einmahl, nicht einmahl ein gut Ge-
wiſſen,
(Welches doch die groͤſſten Schaͤtze, wie wir ja bekeñen muͤſſen)
Koͤnnen uns, wie ſie doch ſollten, eine lange Luſt erregen.
Aber, ſind ſie etwa fort; ach wie deutlich, hell und klar
Wird man dann derſelben Guͤte, Wehrt und Schaͤtzbarkeit
gewahr!
Ach wie elend ſind wir dann! wie ſo groß iſt unſre Noth!
Dann wird kein Juweel ſo rein und ſo ſchoͤn, kein Gold ſo
roth,
Wenn es auch aus Ophir waͤre, ſo ans Hertz gepicht gefunden;
Daß man ſie mit Luſt nicht gaͤbe, eine Sache zu beſitzen,
Die man erſt beſaß, iedoch nicht gekoſtet, nicht empfunden,
Dieß iſt unſer rechter Lohn, weil man ſich, von Jugend an,
Nicht dazu bequemen wollen, nicht dazu entſchlieſſen kann,
Die Gedancken, worin doch unſer Wohl allein beſtehet,
Mit den Sinnen zu verbinden, und nicht, wenn wir ſchme-
cken, hoͤren,
Wenn wir riechen, fuͤhlen, ſehn,
Uns beſtreben, daß es mag, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren,
Mit Bedacht und Luſt geſchehn.
U 2Die
Die Wolluſt.
Die Wolluſt.
Alle Wolluſt in der Welt hat ihr ſuͤſſeſtes am Ende,
Dieſes Ende wird ſo dann gleich ein Anfang vom
Verdruß.
Daß man ſich demnach daruͤber nicht ſo ſehr verwundern
muß,
Wenn, auf Erden, Freud’ und Luſt, Anmuth, Suͤßigkeit,
Vergnuͤgen
Von ſo kurtzer Dauer ſind, und nur gar zu ſchnell vergehn:
Da ſie faſt zu gleicher Zeit untergehen und entſtehn,
Schon in der Gebuhrt erſticken, und, ſo bald ſie da, ver-
fliegen.
Be-
Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes.
Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes
und derſelben herrliche Fruͤchte.
Jch bet’, o GOTT, in Deinen Wercken,
Voll heiliger Verwunderung, Dich an.
Ach! laß mich doch, ſo viel ich kann,
Von ihnen, Dir zur Ehr, in froher Andacht mercken!
Die Seele, die Du uns gegeben,
Kann ihres Denckens Eigenſchaft,
Als ihres Weſens beſte Krafft,
Zu keinem edlern Zweck’, in dieſem Leben,
Wol anzuwenden, ſich beſtreben;
Als wenn ſie ſich auf Dein Geſchoͤpfe lencket,
Deſſelben Schoͤnheit, Nutz und Ordnung uͤberdencket,
Und, in bewundernder Betrachtung, ſich,
O Allmachts-voller GOTT, in Dich,
Als aller Schoͤnheit Schoͤpfer, ſencket.
Durch dieſes ſeelige Geſchaͤffte
Vermehren ſich in ihr das Wollen und die Kraͤffte,
Des weiſen, maͤchtigen, und guͤtgen Schoͤpfers Willen,
Jn allen Handlungen und Pflichten, zu erfuͤllen.
Die, in der herrlichen Geſchoͤpfe Wunder-Pracht
Noch immer mehr und mehr erkannte weiſe Macht,
U 3Noch
Betrachtung der Geſchoͤpfe GOttes.
Noch immer mehr und mehr verſpuͤhrte Vater-Liebe,
Erzielen Luſt und Danck, erzielen Andachts-Triebe,
Jm Gluͤck ein frohes Hertz; ein ſehnliches Verlangen,
Fuͤr ſo viel Gnad’ und Huld, die wir von Jhm empfangen,
Zu thun, was Jhm gefaͤllt: Jn Wiederwaͤrtigkeit,
Die Jhm gefaͤllige Gelaſſenheit,
Vertrauen und Gedult. Denn wenn ichs recht verſtehe,
Daß eine maͤchtige und weiſe Lieb’ allein
Das, was geſchicht, befiehlt; ſo geh es, wie es gehe;
Ein GOTT vertrauend Hertz wird leicht getroͤſtet ſeyn.
Noch
Noch eine anm. Landſchaft uͤm Hamburg.
Noch eine anmuthige Landſchaft uͤm
Hamburg.
Unlaͤngſt gab ich dir, mein Leſer, die Gefild’ und holden
Auen,
Die Hammonia bekraͤntzen, nur von einem Ort, zu ſchauen:
Nehmlich, ſo viel man davon, wo mein Garten liegt, er-
blickt:
Aber glaube daruͤm nicht, daß vielleicht der Ort allein,
Durch die Haͤnde der Natur, ſo vortrefflich ſey geſchmuͤckt,
Daß er den Eliſer Feldern faſt ſey zu vergleichen: Nein!
Es umringen dieſe Stadt, (die der Himmel ſegne, ſtuͤtze,
Mit beſtaͤndigem Gedeyen uͤberſchuͤtte, kroͤne, ſchuͤtze)
Viele ſolche Gegenden, deren Anmuth, Glantz und Pracht
Alle, die ſie ſehn, nicht nur reitzt, vergnuͤget und ergetzet;
Sondern, durch gehaͤufften Schimmer, in ein ſuͤß Erſtaunen
ſetzet.
Denn, man wird, durch ihre Schoͤnheit, allenthalben ange-
lacht.
Um dir nun, von dieſer Wahrheit, eine Probe noch zu
geben;
Will ich ietzt noch einen Riß dir zu zeigen, mich beſtreben,
Von der Landſchaft, deren Lage, Schoͤnheit, Pracht und An-
muth man
Auch aus meiner Wohnung ſehen, in der Stadt erblicken
kann.
Daß man gar in einer Stadt, wo die Ausſicht ſonſt
verbauet,
Solch ein ſchoͤnes Stuͤck der Welt, ſolch ein holdes Luſt-
Revier,
U 4Gaͤr-
Noch eine anmuthige Landſchaft
Gaͤrten, Waͤlder, Felder, Wieſen, Berge, Fluß und Jnſeln
ſchauet,
Groſſe Schiffe ſegeln ſiehet; kommt vielleicht, mein Leſer,
dir
Faſt unglaublich, faſt unmoͤglich, und zwar nicht mit Un-
recht, fuͤr;
Aber es iſt doch die Wahrheit, und du ſollſt es deutlich
ſehn,
Daß ich nichts zu viel geſagt. Denn ich will mich ietzt be-
fleiſſen,
Nichts zu ſchmincken, ſondern alles nach dem Leben abzu-
reiſſen:
Ja was ſprech ich doch von ſchmincken: alles iſt ſo Wun-
der-ſchoͤn,
Daß man keine Farben findet, die die Schoͤnheit vorzuſtellen
Herrlich, rein und ſchoͤn genug, ſie nur etwas aufzuhellen.
Meine Wohnung in der Stadt kann, an vieler Pracht,
nicht reichen,
Und iſt mit der Nachbarn Haͤuſern nicht an Hoͤhe zu ver-
gleichen.
Aber wann der Nord-Wind ſchnaubet, auch die ſchwuͤhle
Lufft erhitzt,
Bin ich, durch derſelben Hoͤhe, ſo vor Hitz, als Froſt, ge-
ſchuͤtzt.
Dieſes hat mich offt belehret, durch bequeme Sicherheit,
Wie der Mittel-Stand recht guͤlden, wie ſo reich die
Niedrigkeit.
Wann ſie aber an den Wall, Gras-Brock und die Elbe
ſchieſſet,
Die, in ſtiller Majeſtaͤt, Schiff-reich hier voruͤber flieſſet;
Oeff-
uͤm Hamburg.
Oeffnet ſich den frohen Augen eine ſolche offne Weite,
Und man ſieht ein Stuͤck der Welt, von ſo groſſer Tieff’ und
Breite,
Daß die Augen ſich daran zwar ſo bald und leicht nicht ſatt,
Weil es gar zu herrlich, lieblich, luſtig, angenehm und ſchoͤn,
Aber ſich faſt muͤd und matt,
An des flachen Horizonts weit entlegner Ferne ſehn.
Erſtlich ſchieſſen an den Haͤuſern kleine nette Gaͤrten an,
Die faſt keiner, der ſie ſiehet, ſonder Anmuth ſchauen kann:
Weil ein ieder, Anmuths-voll, in beſondrer Zierde glaͤntzet,
Jn beſondrer Ordnung prangt. Alle dieſe ſind begrentzet
Erſt durch einen kleinen Graben; dann ſo gehet in die Quer
Ein beſonders langer Garten hinter alle Gaͤrten her,
Und vermehrt derſelben Schoͤnheit, und verlaͤngert ihre Zier.
Hieran ſtoͤſſt die Veſtung nun: Hamburgs Wunder-
wuͤrdge Waͤlle,
Die ſelbſt ſchoͤnen Gaͤrten gleichen, ſieht man, halb erſtan-
net, hier
Jn faſt nirgend ſonſt erblickter Zier und Pracht von dieſer
Stelle:
Wo ein ieder, nach belieben, gehen, reiten, fahren kann.
Nirgends trifft man ſolche Freiheit, nirgend ſolche Schoͤn-
heit an.
Dieſer Wall verdienet wircklich, daß man Buͤcher von ihm
ſchreibe,
Welches ich mir vorbehalte, und nur ietzt bey dem ver-
bleibe,
Was uns in die Augen faͤllt. An des hohen Walles Fuß
Siehet man im gruͤnen Thal, recht als einen breiten Fluß,
U 5Den
Noch eine anmuthige Landſchaft
Den mit Weiden und mit Hecken rings bekraͤntzten tieffen
Graben,
Deſſen gleichen wir in Teutſchland wenig, ja faſt keinen,
haben.
Ein polirtes Spiegel-Glas ſcheint die Silber-reine
Fluth,
Wann ſie, frey von Wind und Wellen, zwiſchen gruͤnen
Ufern ruht.
Oeffters glaͤntzt ſie, als verguͤldet, offt verdoppeln ſich in ihr
Der beſtrahlten Wolcken Farben, und des Firmaments Sa-
phir,
Welches, in bebluͤhmten Ufern, in der Landſchafft gruͤnen
Pracht,
Eine groſſe Schoͤnheit wircket, und den Schmuck gedoppelt
macht.
Aber es nicht genug: noch viel andrer Farben Sor-
ten,
Mannigfaltigkeit und glaͤntzen, die man ſonſt an andern
Orten
Nie in einer Landſchaft findet, trifft man, mit Verwundrung,
hier,
Und faſt mit Erſtaunen, an, in recht ungemeiner Zier.
Der Gewand-Bereiter Rahmen, wo man Tuͤcher auf-
gehangen,
Die bald roth ſind, und bald blau, bald in hellem Purpur
prangen,
Zeigen von verſchiednen Farben einen ſolchen Unterſcheid,
Und von einem bunten Glantz ſolche Mannigfaltigkeit,
Solche Schoͤnheit, Glantz und Schimmer, ſonderlich wann
Phoͤbus Licht
Durch ihr ausgeſpannt Gewebe, von der andern Seiten
bricht,
Daß
uͤm Hamburg.
Daß es ſchoͤn illuminiret, in gefaͤrbtem Feur zu ſtehen,
Und faſt recht zu gluͤhen ſcheinet. Dieſes feurige Gemiſche
Der durchſtrahlten Farben wircket, durch die nah gelegnen
Buͤſche,
Die, geziert, ſie wieder zieren, unſern Augen ſolche Luſt;
Daß die Seel in unſerm Haupt, daß das Hertz in unſrer
Bruſt,
Durch den bunten Glantz geruͤhrt, einen Trieb der Andacht
fuͤhlet,
Dem ſich danckbar zu erzeigen, Der uns fuͤr des Lichtes
Pracht
Und der ſchoͤnen Farben prangen, durch das Aug’ empfind-
lich macht:
Da Er, in ſo weiſer Ordnung, bloß auf unſre Luſt gezielt.
Noch trifft man in dieſen Rahmen, faſt, ſo weit man
ſehen kann,
Viele Garten-Haͤuſerchen, viele kleine Gaͤrten an,
Wo die Fruͤcht- und andre Baͤume manch roth Daͤchlein
halb bedecken,
Wann verſchiedne hinter andern ſich bald halb, bald gantz
verſtecken.
Hinter den bebuͤſchten Gaͤrten ſchieſſt, zu neuer Augen-
Freude,
Die vor andern ſonderlich, der beruͤhmte Gras-Brock an,
Der mit vielem Vieh bedeckt, als ein’ allgemeine Weide,
Und worauf ein ieder Pferde, Kuͤh’ und Ochſen treiben kann.
Dieß iſt eine breite Flaͤche, die ſich bis zur Elb’ erſtrecket,
Die ſie offtmals traͤnckt und netzt. Durch derſelben frucht-
bar Naß
Sieht man, wie der fettſte Klee, wie ein friſch und feines
Gras,
Jn
Noch eine anmuthige Landſchaft
Jn der allerſchoͤnſten Farbe, trotz dem gruͤnſten Sammt, ihn
decket.
Hie auf dieſem ſchoͤnen Teppich, auf den reich bebluͤhmten
Raſen
Sieht man Pferd’ und fette Kuͤh’ in ſo groſſer Menge gra-
ſen,
Daß man ſie kaum zehlen kann. Jhre bunt’ und glatte Haut,
Die bald ſchwartz, bald weiß, bald roth, wenn zumahl der
Sonne Strahlen
Sie mit ihrem Abend-Glantz gluͤhend warm, faſt feurig,
mahlen,
Und ſie wiederſcheinlich faͤrben, wird nicht ſonder Luſt ge-
ſchaut.
Hoͤret man, bey hellem wiehern, ein vergnuͤgt Gebloͤcke
klingen,
Siehet man die raſchen Gaͤule froͤhlich durch einander
ſpringen;
Wird man ſelbſt zur Luſt bewegt. Durch dieß ſanfte Frie-
dens-Bild
Wird ein ſtill vernuͤnftig Auge mit Vergnuͤgen gantz er-
fuͤllt.
An des Gras-Brocks ſchoͤnem Ufer ſiehet man, in net-
ter Laͤnge
Und ſehr ordentlich gerammt, groſſe Pfaͤhl’ in groſſer Menge,
Welche man Duc d’ Alben nennt. An denſelben ſiehet
man
Ebenfalls ſehr ordentlich eine Menge Floͤſſer liegen,
Die uns auch des Tages zwar, doch noch mehr des Nachts
vergnuͤgen,
Wann die vielen kleinen Feuer, zur Bereitung ihrer Speiſen,
Uns, in einem klaren Duncklen, viele Feuer-Wercke weiſen,
Die man, wegen ihrer Menge, ſonder Luſt nicht ſehen kann.
End-
uͤm Hamburg.
Endlich faͤllt in unſer Aug’ ein ſo ſchoͤner Gegenſtand,
Der uns neue Freude bringt. Unſer Elb-Strohm, deſſen
Breite
Hier recht praͤchtig anzuſehn, zeiget, in entfernter Weite,
Einen ebenfalls recht luſtig-angenehm-bebuͤſchten Strand.
Zwiſchen beyden holden Ufern, deren Gruͤn die helle Pracht
Und die holde Lieblichkeit von Smaragd faſt uͤbergeht,
Stroͤhmt mit einem ſanften Lauff, flieſſt in ſtiller Ma-
jeſtaͤt
Des beruͤhmten Elbe Strohms breit’ und Segens-reiche
Fluht,
Die zu Hamburgs Nutz und Wohlfahrt ſtets geſchaͤfftig,
nimmer ruht.
Da ſie bald von oben her, aus dem Reich, wo ſie ent-
ſpringet,
Bald von unten aus der See, reich beladne Schiffe bringet:
Da dieſelbe, mit der Fluht, bald zuruͤck und Oſt- waͤrts
flieſſet,
Bald, mit neu geladnen Wahren, Weſt- waͤrts ſich ins
Meer ergieſſet.
Wann die ſanft bewegte Wellen in der Sonnen Strah-
len glimmen,
Siehet man, wie in derſelben groſſe Jnſeln gleichſam
ſchwimmen,
Und in gruͤner Anmuth glaͤntzen,
Da ſie ſich mit krauſen Buͤſchen, Binſen, Rohr und Bluh-
men kraͤntzen.
Wenn wir, wie die glatte Flaͤche, und wie ihren blauen
Ruͤcken
Weiß und rothe groſſe Segel, Schiffe, wie die Schloͤſſer,
druͤcken:
Die,
Noch eine anmuthige Gegend uͤm Hamburg.
Die, mit Flaggen ausgeziert, mit faſt ungezehlten Wahren,
Aufwaͤrts bald, bald abwaͤrts fahren,
Und bald durch die Fluth, bald Ebbe, von- und bald nach
Hamburg gehn,
Mit recht Patriotiſchen, mit vergnuͤgten Blicken, ſehn:
Soll man billig Aug’ und Hertz zu dem groſſen Geber len-
cken,
Und fuͤr unſre ſchoͤne Lage fleißig dancken, und gedencken,
Daß wir blos durch Seine Gnade, daß wir blos durch Jhn
allein
So gegruͤndet, ſo geſegnet, und bisher erhalten ſeyn.
Herbſt-
Herbſt-Gedancken.
Herbſt-Gedancken.
Da ich die gruͤne Pracht der Baͤume zaͤrtlich liebe,
Und folglich mich anietzt im Herbſt, bey ihrem Fall,
Bey der Entblaͤtterung der Wipfel uͤberall,
Und der Vernichtigung des Laubes recht betruͤbe;
So deucht mir doch, ob hoͤr’ ich ſie, im fallen,
Zu meinem Troſte dieß, mit ſanftem Lispeln lallen:
„Du ſieheſt uns, von dem geliebten Baum,
„Nicht, uͤm denſelben zu entkleiden,
„Noch uͤm ihn nackt und bloß zu laſſen, ſcheiden;
„Ach nein, wir machen friſch- und ſchoͤnern Blaͤttern Raum.
Herbſt-
Herbſt-Cantata.
Herbſt-Cantata.
ARIA.
Mit beruhigtem Gemuͤthe,
Seh’ ich meines Schoͤpffers Guͤte
Jn des Herbſtes Frucht und Zier.
Bey dem aufgeklaͤrten Wetter,
Stellen mir die bunten Blaͤtter
Gar ein lieblich Schau-Spiel fuͤr.
Da Capo.
Laß liebſte Seele doch die Welt
Die GOTT im Herbſt ſo herrlich ſchmuͤcket,
Nicht, wie vorhin, unangeblicket!
Erwege das, ſo uns ietzt vorgeſtellt!
Der Waͤlder lieblich Blaͤtter-Zelt,
Stand erſt in gruͤner Farb’ allein:
Jetzt nimmt es einen neuen Schein,
Jndem es, da es ſich bepurpert und verguͤldet,
Recht wuͤrckliche Tapeten bildet.
Wem iemahl die ſo bunt’ als praͤchtigen Gezelte,
So zu verſchiedner Zeit den Tuͤrcken abgenommen,
Jn Wien einſt zu Geſicht gekommen;
Wird freilich, daß ſie Wunder-ſchoͤn,
Mit Luſt geſtehn.
Jedoch iſt dieſes wol der Zelten Schmuck zu gleichen,
Den uns im Herbſt der Baͤume Wipfel reichen?
Denn,
Herbſt-Cantata.
Denn, weil das helle Sonnen-Licht
Durch die ſo bunt-als zarten Blaͤtter bricht,
Erblicket man der Farben Harmonie
Jn einem klaren Glantz, und nicht verdickt
Als jene, die
Von dick- und dichter Seid’ entworffen und geſtickt.
Allein:
Wie bald vergeht der Blaͤtter bunter Schein!
Kaum ſeh’ ich ſie mit Luſt in hohen Luͤfften ſtehn,
So taumeln ſie herab, ſie welcken, ſie vergehn,
Doch ſelbſt ihr ſchoͤner Tod iſt billig hoch zu ſchaͤtzen,
Und giebt dem, ders erwegt, ein lehrendes Ergetzen.
ARIOSO.
Seh ich die Blaͤtterchen erbleichen,
So deucht mich, ihre kleine Leichen
Verdienen dieſe Grab-Schrift wol,
Die meiſtens ihnen zwar zur Ehre,
Doch aber dir, mein Leſer, auch zur Lehre,
Wofern du klug biſt, dienen ſoll:
„Wir kamen an die Welt, nach unſers Schoͤpfers Willen,
„Wir waren, Jhm zum Ruhm, der Erden Schmuck
und Zier.
„Jetzt ſieht man uns aufs neu Deſſelben Winck erfuͤllen.
„Wir machen denen Platz, die ſchoͤner ſind, als wir.
„Ein ordentlich-beſtaͤndger Unbeſtand
„Macht GOttes Wunder-Werck, im Wechſel ſelbſt, bekañt.
XWar-
Herbſt-Cantata.
Waruͤm willſt du, o Menſch, denn gegen GOTT dich
ſtreuben?
Waruͤm verlangeſt du noch laͤnger hier zu bleiben?
Ach! folge dem zwar ſanft-doch nie gehemmten Fluß
Der eilenden Natur, die GOTTES Wille treibet,
Die immer wandelbar verbleibet,
Nach dem unwandelbaren Schluß.
Es rieff dir GOTT. Du kamſt. Er rufft aufs neue:
gehe!
Gehorch’ Jhm! geh’, und ſprich: Dein Will’, o HERR,
geſchehe!
So wird Er, weil du wollen koͤnnen,
(Die Blaͤtter aber nicht) indem du wol gewollt,
Aus Gnaden dir gantz einen andern Sold,
Und einen andern Stand, als wie den Blaͤttern, goͤnnen.
Jn welcher Wunder-Pracht wirſt du in Salems Hoͤhen,
Zu GOTTES Ruhm und Luſt, in ew’ger Bluͤhte ſtehen!
Jn welchem fuͤhlbar-rein- und ſelig-hellem Schein
Wirſt du ein ew’ger Schmuck des Paradieſes ſeyn!
Fer-
Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur.
Fertigkeit zu leſen in dem Buche der
Natur.
Jn ieder Wiſſenſchaft und Kunſt, die Menſchen wiſſen,
Hat man ja Arbeit, Fleiß und Muͤh,
Sie zu erlernen, nehmen muͤſſen;
Durch wiederholen faſſt man ſie.
Die Faͤhigkeit, die in der Seelen ſtecket,
Entwickelt ſich allmaͤhlich, wird erwecket,
Und nimmt durch Ubung zu. Jſt denn die Wiſſenſchaft
Jm Buch der Creatur, den Schoͤpfer ſelbſt zu finden,
Und Seine Weisheit, Lieb’ und Allmacht zu ergruͤnden,
Nicht einſt der Muͤhe wehrt, daß wir der Seelen Krafft
Offt auf ſo edlen Vorwurff lencken,
Und, wann wir hoͤren, ſehn und ſchmecken, Des gedencken,
Der uns fuͤr ſo viel Guts, und Seiner Wercke Pracht
So wunderbarlich ſinnlich macht?
Je oͤffter man ſich uͤbt, die Creatur zu ſehn,
Je fertiger wird man im leſen,
Je deutlicher wird man der Gottheit Weſen,
Des Welt-Buchs Jnhalt, Kern und Zweck verſtehn,
Und, immer bruͤnſtiger, Sein herrlichs Lob erhoͤhn.
Ach ſo gewehnet euch, geliebte Menſchen, doch
Zu dieſer ſuͤſſen Muͤh, zu dieſem leichten Joch!
Beſchaͤfftigt euch, und lernt aufmerckſam, GOTT zu Ehren,
Empfinden, ſchmecken, ſehn und hoͤren!
X 2Der
Der Menſch.
Der Menſch.
Beym Eintritt in die Zeitlichkeit,
Jſt, an Verſtand, ein neu gebohren Kind,
Faſt mehr, als andre Thiere, blind.
Darauf verſpielet es die bald verſpielte Zeit.
Beym Fortgang waͤchſet zwar ſein Leib und ſein Verſtand
Doch ieder hat ſein Ziel. Nichts iſt ihm recht bekannt,
Von allem, was Natur, was Geiſt und Coͤrper heiſſet,
Wie ſehr er ſich zerdenckt, wie ſehr er ſich befleiſſet.
Es will kein Element, es will kein Koͤrnchen Sand
Von ihm ſich recht begreiffen laſſen.
Selbſt das, was in ihm denckt, womit er alles faſſen
Und gruͤndlich kennen will, iſt ihm ſo wenig kund,
Als alles, was er ſucht. Er, deſſen Hertz ein Tempel
Des Schoͤpfers ſollte ſeyn, ein Wohn-Platz Seiner Ehr,
Folgt, wann er aͤlter wird, dem ſtraͤfflichen Exempel
Der gantz verderbten Welt, betritt ie mehr und mehr
Die freche Laſter-Bahn, macht gleichſam einen Bund,
Zu thun, was er nicht ſoll, und was er ſoll, zu laſſen,
Zu lieben, was nicht gut, was liebens wehrt, zu haſſen.
Dann, kommt ſein Leib und Geiſt zu etwas mehrern Kraͤfften
Stat daß er im Geſchoͤpf den Schoͤpfer finden ſollt,
So uͤberhaͤufft er ſich mit eitelen Geſchaͤfften.
Sein Ziel, ſein einzger Wunſch, ſein Herr, ſein Gott,
Gold.
Wann
Der Menſch.
Wann willſt du, armer Menſch, von dieſer Sucht ge-
neſen,
Von dem Gewohnheits-Staar, von dieſem Seelen-Gift?
Jm Buch der Welt verlangt faſt gar kein Menſch zu leſen,
Wie ſchoͤn der Jnhalt gleich, wie herrlich ſeine Schrift.
Durch Gold-Staub, womit hier und dort die Schrift be
ſtreuet,
Wird er, der eitle Thor, nicht durch die Schrift, erfreuet.
Dieß, wie ein thoͤricht Kind, ſucht er nur abzuſchaben,
Nur hiervon will er viel in ſeinem Beutel haben:
Und GOTTES Herrlichkeit, Licht, Liebe, Weisheit,
Macht,
Wovon das Welt-Buch zeugt, das laͤſſt er aus der Acht.
X 3Auf
Auf meinen Gebuhrts-Tag.
Auf meinen Gebuhrts-Tag,
den 22. Sept.
Heut jaͤhrig haſt Du mich auf Erden,
Mein GOTT, gebohren laſſen werden.
Du haſt mir gar, in dieſem Leben,
Nunmehr ſchon funfzig Jahr gegeben,
Und in der gantzen Lebens-Zeit
Mich wunder-wunderbar gefuͤhret:
Wofuͤr, Quell aller Guͤtigkeit,
Nur Dir Lob, Ehr und Preis gebuͤhret.
Wie wenig unter vielen ſeyn,
Die an Gemuͤths- und Leibs-Staͤrck und Geſundheits-Gaben
Gluͤck, Guͤter, Ehre, Dir allein,
O GOTT, ſo viel zu dancken haben!
Mein Eh-Gemahl, ſo viele Kinder,
Die all’, an Seel’ und Leib, nicht minder,
Als ich, geſund ſind, zeigens an;
Abſonderlich daß mein Gemuͤthe
Von Deiner Weisheit, Macht und Guͤte
So viel geſehn, und ſehen kann.
Daß ich, o HERR, fuͤr Deine Wercke
Ein aufmerckſames Aug’ empfing;
Daß Deiner Lieb’ und Weisheit Staͤrcke
Mir offt durchs Aug’ ans Hertze ging;
So daß ich, inniglich geruͤhret,
Auch andern durch den Druck gezeigt,
Wie man durch ſie zu Dir gefuͤhret,
Und durchs Geſchoͤpf zum Schoͤpfer ſteigt.
O ewge
Auf meinen Gebuhrts-Tag.
O ew’ge Liebe! willſt Du mich
Noch laͤnger hier auf Erden laſſen;
So gieb, daß ich, in ihnen, Dich
Noch immer mehr vermag zu faſſen!
Verleihe mir Gelegenheit!
Gieb Weisheit! ſchaͤrffe meine Sinnen!
Gieb Eifer! gieb Bequemlichkeit,
Und ſegne ferner mein beginnen!
Damit, von allen Undancks-Wuſt
Wir uns ie mehr und mehr entfernen,
Und Dich, mit Lieb’ erfuͤllter Bruſt,
Als wahren GOTT, erkennen lernen!
Soll aber, HERR, nach Deinem Raht,
Jch bald vergehen und erkalten;
So laß mit Worten, Schrift und That
Die Meinigen mein Ampt verwalten!
Und mich in jenen ſeelgen Hoͤhn,
Wozu uns Deine Gnade rieffe,
Die unergruͤndlich tieffe Tieffe
Der wahren Gottheit ewig ſehn!
X 4Die
Die Wunder-reiche Erfindung.
Die Wunder-reiche Erfindung.
Auf, auf, mein Geiſt, auf, auf! verſammle deine Kraͤffte
Und folge williglich dem ietzt verſpuͤrten Zug!
Bereite dich zu einem hohen Flug!
Es reitzt und leitet dich ein wichtiges Geſchaͤffte
Zu einer nie betretnen Bahn.
Es wird dir eine Thuͤr zum Himmel aufgethan;
Ein Abgrund aufgedeckt, der allen unſichtbar:
Und welchen keinem Witz, bishero zu entriegeln,
Noch die Geheimniſſe derſelben zu entſiegeln,
Von allen Sterblichen bisher vergoͤnnet war.
Hier, deucht mich, hoͤr’ ich dich, mein Leſer, billig fragen:
Wo iſt dieß Wunder denn? Wolan! ich will dirs ſagen.
Von unſers Schoͤpfers Groͤſſ’ und Wunder mehr zu
faſſen,
Und Seiner Wercke Meng’ noch tieffer einzuſehn,
Als von der Menſchheit ſonſt geſchehn,
Hat Er die Menſchheit wehrt geachtet,
Und, vor nicht gar zu langer Zeit,
Ein Fern- und Groͤſſrungs-Glas erfinden laſſen.
Damit Sein’ Allmacht, Lieb’ und weiſe Herrlichkeit
Wuͤrd’ ehrerbietiger und mehr annoch betrachtet.
Dieß iſt wahrhaftig wehrt, ja nicht nur wehrt allein
Von Ehr-Furcht auſſer ſich dadurch geſetzt zu ſeyn;
Die groͤſſte Schuldigkeit erforderts, zu erwegen,
Welch ein Geheimniß-voller Segen
Jn dieſem Werck-Zeug ſteckt,
So uns des Schoͤpfers Huld, kein Ungefehr, entdeckt.
Jn
Die Wunder-reiche Erfindung.
Jn Dir, verborgner GOtt, nichts iſt, das auf der Welt
Von Deiner Majeſtaͤt was wuͤrdigers, was groͤſſers,
Was unbegreifflichers, was herrlichers, was beſſers,
So vor den leiblichen, als Seelen-Augen, ſtellt.
Nichts iſt, das Deine Macht, im groſſen und im kleinen,
Jn einem hellern Licht, in einer groͤſſern Klarheit
Jn unuͤmſtoͤßlicher und klarern Wahrheit
Uns uͤberzeuglich ſcheinen,
Und heller ſehen laͤſſt. Nichts, das auch unſern Geiſt
Zugleich ſo ſehr erhebt, und ſeinen Vorzug weiſt,
Als dieſes Wunder-Werck.
Das Schatz-Haus der Natur wird uns ietzt aufgedeckt:
Was in dem ſchwartzen Reich der tieffen Dunckelheit,
Ja faſt in einem Nichts, bisher fuͤr uns geſteckt,
Wird etwas, waͤchſt, wird viel. Der Wahrheit Heiterkeit
Faͤngt in dem Groͤſſten an, und faͤngt auch an im Kleinen,
Zu unſers Schoͤpfers Nuhm, in hellerm Licht zu ſcheinen.
Ward von Columbus dort uns eine neue Welt
Gezeiget und entdeckt; war es zwar viel; allein
Was heiſſt dieß gegen dem,
Was ich mich dir anietzt zu zeigen unternehm.
Nicht eine neue Welt, viel tauſend Welt’ entſtehen;
Es laſſen ſich ſo gar ſelbſt neue Sonnen-Heere,
Ja tauſend neue Himmel, ſehn.
Der unerfuͤllte Raum, das ungeheure Leere
Hoͤrt auf, und iſt nicht mehr.
Hier, da der Seelen Blick, durch dieſes Glas geſtaͤrcket,
Jn Grentzen-loſen Hoͤhen ſteiget,
Wird allererſt von ihr in Ehr-Furcht recht bemercket,
Jn welcher Herrlichkeit der Schaaren HERR ſich zeiget.
X 5Man
Die Wunder-reiche Erfindung.
Man ſieht der Tieffen Raum, als Sein unendlich Kleid,
Voll Millionen Edelſteinen,
Die alle Sonnen ſind, in ſolcher Herrlichkeit,
Jn ſolcher Majeſtaͤt, ſo hell, ſo praͤchtig, ſcheinen;
Daß man fuͤr Luſt und Furcht, ſich gantz in Jhm verliert,
Jedoch in dem Verluſt ſich allererſt recht findet,
Jndem die Seele ſelbſt, fuͤr Luſt, die ſie empfindet,
Jn ihrem Nichts ſo gar ſich gleichſam neu gebiert,
Und einer, bloß durch GOTT ihr eingefloͤſſten Krafft,
Und ihr verliehnen Eigenſchaft,
Sich recht mit inniglichen Freuden
Am groſſen und unendlichen zu weiden,
Jn ſich gewahr wird und verſpuͤhrt.
O ew’ger Urſtand aller Dinge,
Von Dem, was worden iſt, allein ſein Seyn empfinge,
Hab ewig ewig Danck! ſey ewiglich geprieſen,
Daß Du Dich gegen uns ſo Gnaden-reich erwieſen,
Und, bloß aus Lieb’ und Huld, der Menſchen Seelen
Mit ſolchen Kraͤfften zu vermaͤhlen,
Gewuͤrdigt und geſchickt gemacht!
Ach! laß doch dieſe Krafft zu Deiner Ehr allein
Und zur Bewunderung von Deiner Wercke Pracht,
Von uns ſtets angewendet ſeyn!
Wie herrlich, unuͤmſchrenckt, gewaltig und unendlich
Sich in den Himmeln nun des Schoͤpfers Groͤſſe zeigt;
So wird doch Seine Groͤſſ’ auch in dem Kleinen kenntlich,
Wenn unſer Blick, durchs Glas, ſich in die Tieffe neigt.
O Wunder! was ſind hier fuͤr Wunder nicht entdeckt,
Die bis daher vor aller Welt verſteckt!
Es
Die Wunder-reiche Erfindung.
Es laͤſſt der Schoͤpfer, auch im Kleinen,
Die Strahlen Seiner Allmacht ſcheinen,
Wovon uns bis daher ſo gar die Spuren
Verdeckt geweſen ſind. Von kleinen Creaturen
Wird eine gantze neue Welt,
Und in derſelben uns der Schoͤpfer vorgeſtellt
Jn einem neuen Glantz, in einer neuen Pracht,
Jn neuer Weisheit, neuer Macht.
Unendlich zeigt ſich GOTT in Kleinen ja ſo wol,
Als er ſich in dem groͤſſten zeiget:
So uns abſonderlich zum Troſte dienen ſoll.
Denn, waͤr der Schoͤpfer bloß im Groſſen groß allein,
Wie koͤnnt’ er uns, die wir ſo klein,
Mit Recht doch zugeeignet ſeyn?
So aber zeiget ſich die Gottheit ja ſo kraͤfftig,
Und iſt im Niedrigen nicht weniger geſchaͤfftig,
Als ſie im Groͤſſten iſt. Daß aber dem Verſtand
Bloß durch ein wenig Aſch’ und Sand,
Wenn es das Feur im rechten Grad
Vereint und zugerichtet hat,
Ein ſolches helles Licht
Jn dem geſchliffnen Glas entſtellet,
Da es des Coͤrpers Auge ſtaͤrckt;
Jſt etwas, wenn man es bemerckt,
Das uͤber alles dencken gehet.
Bey dieſem Wunder-Licht| kann unſre Seele leſen
Geheimniſſe, die ſonſt, von Anbeginn der Welt,
Der Menſchheit unbekannt, und gantz verdeckt geweſen;
Die aber GOTT der HERR uns ietzt vor Augen ſtellt.
O GOtt!
Die Wunder-reiche Erfindung.
O GOTT! ein ſeliges Erſtaunen nimmt mich ein.
Der Abgrund Deiner Macht und Weisheit ſtellet mir
Mich ſelber groß, Dich recht unendlich fuͤr.
Ja wenn ich noch erwege, wie ſo klein
Dieß Werck-Zeug, welches unſern Geiſt
Der dicken Finſterniß entreiſſt;
Komm ich annoch auf andere Gedancken.
Da GOttes Macht ohn Ende, ſonder Schrancken;
Was koͤnnen nicht fuͤr Herrlichkeiten,
Fuͤr Schoͤnheit- und Vollkommenheiten
Jn der Natur annoch verborgen ſeyn!
Die unſern Sinnen noch verhehlt,
Und die wir bloß daher vielleicht noch nicht bemerckt,
Weil uns dazu ein Werckzeug fehlt,
Das andre Sinnen, ſo wie Glas die Augen, ſtaͤrckt.
Urſprungs-Quell! aus Dem entſpringen
Alle Dinge, die ſo ſchoͤn!
Wovon wir in allen Dingen,
Wenn wir ſie bewundernd ſehn,
Seine Macht und Weisheit leſen!
Weſen! woraus aller Weſen
Weſen und die Krafft’ entſtehn!
Welches alles in der That
Wunderbar entnichtigt hat!
Weſen,
Die Wunder-reiche Erfindung.
Weſen, welches bloß die Liebe
Zu des Schoͤpfungs Wunder triebe,
Und von Dem, durch Lieb’ allein,
Jn den Himmeln und auf Erden
Alle Ding’ erhalten werden,
Laß uns Dir gefaͤllig ſeyn!
Laß uns uns mit Luſt beſtreben,
Dich in Ehr-Furcht zu erheben,
Dir allein zum Ruhm zu leben!
Laß uns doch in Deinen Wercken,
Uns zur Luſt, und Dir zur Ehr,
Deine Macht ie mehr und mehr
Mit vergnuͤgter Seele mercken!
Be-
Beweis, daß die Planeten keine leere Coͤrper.
Beweis, daß die Planeten keine leere
Coͤrper.
Mit uͤberzeuglich-wahren Schluͤſſen, und vielen Gruͤn-
den nicht allein,
Zeigt man, daß der Planeten Coͤrper erfuͤllet und bewoh-
net ſeyn;
Man kann den groſſen Satz ſo gar, aus deinem leugnen
ſelbſt erweiſen.
Weil wir fuͤr die ſo groſſe Coͤrper derſelben Schoͤpfer
gar nicht preiſen,
Und alles doch unwiederſprechlich, zu Seinen Ehren, iſt ge-
macht:
So folgt daraus: Daß ſonder Zweifel Geſchoͤpfe dort her-
vor gebracht,
Die das, was wir verrichten ſollten, in Luſt und Ehr-Furcht
dort veruͤben,
Und den Anbetungs-werthen Schoͤpfer verehren, dancken,
loben, lieben.
Troſt
Troſt in Traurigkeit.
Troſt in Traurigkeit.
Jſt etwan euer Geiſt beſchweret und betruͤbet;
So nehmet dieſen Raht von einem an,
Der aus Erfahrung ſprechen kann,
Daß er in Wiedrigkeit beſondre Lindrung giebet.
Schlieſſt ein paar Augenblick die Augen-Lieder zu.
Durch die Veraͤnderung wird das Gemuͤth,
Ob es ſich gleich nicht gantz der Traurigkeit entzieht,
Jn welcher es zu tieff verſencket,
Doch etwas von dem Weg der Schwermuth abgelencket,
Und kommt aufs wenigſte zum Anfang einer Ruh.
Hebt dann mit Langſamkeit die Augen wieder auf;
So werden, ſonderlich bey hellem Sonnen-Schein,
Die Vorwuͤrff der beſtrahlten Erden
(Die wir, wie herrlich ſie gleich waren, und wie ſchoͤn,
Doch, durch den Mißbrauch unſrer Sinnen,
Und durch Gewohnheit blind, vorhin nicht angeſehn)
Uns recht zu Freuden-Quellen werden:
Da ſie, indem ſie uns durchs Aug’ ins Hertze dringen,
Zugleich ein lieblichs Gnaden-Bild
Von dem, der ſie gemacht, der alle Ding erfuͤllt,
Von ihrem Schoͤpfer, mit ſich bringen.
Dieß kann nun ohne Troſt und Freude nicht geſchehn,
Weil die Erinnerung, den Schoͤpfer nah zu ſehn,
Uns
Troſt in Traurigkeit.
Uns billig zur Gelaſſenheit
Am ſtaͤrckſten treiben ſollt, und zu der Zuverſicht,
Der gegenwaͤrtge GOTT, der ſelbſt ein GOTT der
Freuden,
Dem es an Lieb’ und Macht und Weisheit nicht gebricht,
Und ohne Dem nichts, was geſchicht, geſchicht;
Werd, wenn Er uns, nach unſrer Moͤglichkeit,
(Denn was unmoͤglich iſt verlangt Er nicht)
Gelaſſen findet;
Zu rechter Zeit, die Er allein ergruͤndet,
Und die kein Menſch vermag zu faſſen,
Die wechſelnde Beſchaffenheit
Der meiſten Dinge dieſer Zeit
Uns gnaͤdig wiederfahren laſſen.
Der
Der Tag, der geſtern vergangen.
Der Tag, der geſtern vergangen.
Geſtern iſt nicht heute mehr: es iſt weg, es iſt dahin.
Es verſpuͤhrt, empfindet, fuͤhlet, ſieht und hoͤret unſer
Sinn
Nichts von ſeiner Gegenwart. Geſtern iſt wie ein Ge-
ſchrey,
Das im Augenblick verſchwindet, auch verſchwunden und
vorbey.
Alles geſtrige Vergnuͤgen, Lachen, Froͤhlichkeit und Schertz
Jſt nunmehr ein leeres Nichts. Aber auch ein bittrer
Schmertz,
Der uns geſtern druͤckt’ und fraß, der uns Marck und Bein
durchwuͤhlet,
Hat mit geſtern aufgehoͤrt, und wird heute nicht gefuͤhlet.
Eines Reichen froͤhlichs Geſtern iſt mit allem ſeinen pran-
gen,
Und des Armen elend Geſtern auch mit aller Noth vergan-
gen.
Beides bringt beſondern Troſt. Denn die kurtze Daur der
Freuden
Troͤſtet alle, die nicht gluͤcklich: Und, die Pein und Schmer-
tzen leiden,
Werden ungemein geſtaͤrckt, wenn ſie dieſes uͤberlegen,
Und die unleugbare Wahrheit dieſer Lehre wol erwegen:
Jndem du geſtern keine Plagen
Mehr fuͤhlen kannſt, noch darfſt ertragen;
So mindre Kummer und Verdruß,
Und kraͤncke dich nicht mehr ſo ſehr auf Erden.
Es wird, mit ungehemmten Fluß,
Ein iedes Heute, Geſtern werden.
YDas
Das herrliche Geſchoͤpf
Das herrliche Geſchoͤpf
Des Tockayer-Weins,
in einem Hirten-Gedichte
auf
Gnaͤdigſtes Verlangen
des
Durchlauchtigſten Fuͤrſten und Herrn,
HERRN
Guͤnthers,
Fuͤrſten zu Schwartzburg
ꝛc. ꝛc. ꝛc.
Unter dick belaubten Zweigen hoher Linden, ſchlancker
Buchen,
Ging Beraldo, kuͤhle Schatten bey der ſchwuͤlen Lufft zu
ſuchen,
Weil er faſt den gantzen Morgen, der Geſchoͤpfe Schmuck
und Pracht,
Auf den Huͤgeln, in den Thaͤlern, zu betrachten zugebracht.
Bald hatt’ ihm ein heller Bach, der auf glatten Kieſeln eilet,
Bald ein ſchroff- und ſteiler Fels, bald ein angenehm Ge-
buͤſche,
Bald ein wallend Aehren-Meer, durch ſein liebliches Ge-
ziſche,
Bald der leichten Voͤgel Zwitſchern, eine ſanfte Luſt er-
theilet.
Nah’ an einer hohen Eichen, die des nahen Berges Gipfel
Faſt an Hoͤh’ zu trotzen ſchien, deſſen Blaͤtter-reicher Wipfel,
So mit Eicheln, wie der Stamm mit des Mooſſes Sammet,
pranget,
War er, mit beſchwitzter Stirn, ſchrittlings eben angelanget.
Eben
des Tockayer-Weins.
Eben war er im Begriff ſich ins kuͤhle Gras zu ſetzen,
Um an dieſes Ortes Anmuth ſich aufs neue zu ergetzen,
Als er ungefehr im Grunde, nahe bey ſich, rechter Hand,
Seinen liebſten Freund Durander, wie er bey der Heerde
ſtand,
Er auch ihn zugleich erblickte: der denn ſchnell gelauffen kam,
Und mit dieſen ſuͤſſen Worten ihn liebkoſend mit ſich nahm:
Eben find ich dich zu recht, liebſter Freund, verſchiedne
Sachen,
Die ſich juͤngſt mit deinen Liedern zugetragen, kund zu ma-
chen.
Aber weil du warm und muͤde, wirſt du dich fuͤrher beque-
men,
Friſche Milch bey mir zu trincken, und mit mir fuͤrlieb zu
nehmen.
Was Teich, Haus und Stall vermag, will ich mit Vergnuͤ-
gen geben.
Wol, ſprach gleich Beraldo laͤchlend, ich will mit. Drauf
gingen ſie
Bald durch Ziegen, Pferd’ und Schaaffe, bald durch das ge-
hoͤrnte Vieh.
Unter Weges fiel die Rede auf das Land- und Schaͤfer-
Leben.
„Wie gluͤcklich, ſprach Beraldo, leben wir
„Jn dieſes lieblichen Gefildes Luſt-Revier,
„Entfernt vom Staͤdtiſchen beſchwerlichen Getuͤmmel,
„Fuͤr Zanck, Verleumdungen, fuͤr Neid und Streit
verborgen,
„Jn einer ſuͤſſen Ruh’, als wie im irdſchen Himmel!
„Jn Staͤdten kann man nicht ſein eigen ſeyn:
„Ein ſteter Laͤrm, der Wolſtand, Nahrungs-Sorgen,
Y 2Die
Das herrliche Geſchoͤpf
„Die rauben uns uns ſelbſt, verwirren unſre Geiſter,
„Und blenden uns mit falſchem Schein.
„Hingegen auf dem Land’ iſt man ſein eigner Meiſter:
„Man kann, in Fried und Ruh, auf ſich allein gedencken,
„Und ſeinen Geiſt, durch das Geſchoͤpf ergetzt,
„Jn Andacht-voller Luſt, zum groſſen Schoͤpfer lencken.
„Hier kann man, ohne Schaam (ein Gluͤcke, das nicht
klein)
„Vertraͤglich, tugendhaft, voll Ehr-Furcht gegen GOtt,
„Und, ſonder Schande, redlich ſeyn.
Mit dergleichen Unterredung kuͤrtzten ſie den Weg, und
kamen,
Weil ſie ohne dieß mit Fleiß den bekannten Fuß-Steig
nahmen,
Bald, und eh’ ſie ſichs verſah’n, mit nicht gar geſchwinden
Schritten,
Voll gelaſſenen Vergnuͤgens, zu Duranders kuͤhlen Huͤt-
ten:
Traten in die gruͤne Laube, die bereits vor manchem Jahr
Aus ſechs ſchlancken Linden-Baͤumen artig zugerichtet
war.
Dieſe Laube war ein kuͤnſtlich dicht geflochtnes Blaͤtter-
Zelt,
Wodurch, auch im heiſſen Mittag, der geringſte Strahl nicht
faͤllt.
Eben ward der Tiſch gedeckt, und es ward, ohn’ alle Pracht,
Sonder Porcellain und Silber, doch ſehr nett und rein zu
Tiſche,
Abgekuͤhlte fette Milch, eben ſelbſt gefangne Fiſche,
Ein gebratnes junges Laͤmmchen, auch recht ſchoͤnes Obſt
gebracht,
Ein
des Tockayer-Weins.
Ein beſchaͤumter kuͤhler Wein ward, nachdem das Glas ge-
ſchwencket,
So zum Durſt, als zum Vergnuͤgen, mehr als einmahl ein-
geſchencket,
Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit
Luſt
Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufriednen
Bruſt,
Und mit recht zufriednem Geiſt, ſo, daß Feld und Wald er-
klang,
Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er offters pflegte, ſang:
Wunder-voller Safft der Reben,
Suͤſſer Unmuths-Gegen-Gifft!
Unſers Lebens halbes Leben ꝛc.
Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht ver-
gnuͤgt,
Und ſich, durch den muntern Ton, innig ſo geruͤhret fuͤhlte,
Daß er zu Beraldo Stim̄e dann und wann die ſeine fuͤgt,
Bald mit einem halben Vers, ſo wie er ihn ſchnell behielte,
Bald mit einem ſanften Sumſen den beliebten Ton ver-
ſtaͤrckte,
Ubrigens mit Haupt und Fuß aͤmſiglich den Tact bemerckte;
Unterbrach er doch zuletzt den Geſang: ſprang auf, und
ſprach;
Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach.
Denn nunmehro muß ich dir, was ich ſagen wollt’, ent-
decken:
Weiſt du, daß der groſſe Guͤnther, deſſen fettes Land
und Wieſen
Weiter, als die andern Wieſen aller Schaͤfer, ſich erſtrecken,
Y 3Der
Das herrliche Geſchoͤpf
Der mit einem guͤldnen Stabe die nicht zehlbar’n Heerden
weidet,
Den die Fuͤrſtliche Gebuhrt, doch noch mehr der Tugend
Glantz,
Und der Weisheit ſtrahlend Licht von uns allen unterſchei-
det;
Deine Lieder lieſet. Ber. Was? Den, mit Recht, der
Purpur kleidet?
Deſſen Geiſt von Wiſſenſchaft, Ehr’ und Gluͤck zum Sitz
erwehlet?
Dem nicht nur die fetten Heerden, ſelbſt die Schaͤfer unter-
than?
Guͤnther, welcher Kayſer ſelbſt unter Seinen Ahnen zehlet,
Lieſet meine Lieder? Dur. Ja, und Er preiſ’t ſie an-
dern an,
Singt ſie ſelber (ob Er gleich ſelbſt, daß es ein Wunder,
ſinget)
Ja Er hat, da die Natur meiſt das, was von dir erklinget;
Geſtern noch mir dieß von dir zu verlangen aufgetragen,
Daß du, ſo wie andre Dinge, der Tockayer Neben-Safft,
Dem zum Ruhm, Der dieſes Wunder ſchafft, ſo wie er alles
ſchafft,
Nach Vermoͤgen moͤchtſt beſingen. Und, daß es gelingen
moͤchte,
Wann dein reger Geiſt vielleicht ſelbſt geruͤhrt, noch beſſer
daͤchte;
Hat er mir, da dieſer Moſt ſonſt die Schaͤfer ſelten traͤncket,
Voll von dieſem ſuͤſſen Tranck ein ſehr ſchoͤnes Faß geſchen-
cket.
Komm, beſchau es ſelbſt. Der Fels, den dn aus dem Buſche
dort,
Meiſt beſchattet, ragen ſiehſt, hegt in ſeiner kuͤhlen Hoͤhle
Die-
des Tockayer-Weins.
Dieſen meinen feuchten Schatz. Wie, nach einer duͤrren
Zeit,
Wenn ein lau- und ſanfter Regen das verſengte Gras er-
quicket,
Sich ſo Schaaf als Hirten freuen; Alſo ward Beraldo
Seele,
Durch des groſſen Guͤnthers Beyfall ſeiner Lieder, faſt
entzuͤcket:
Folgt’ auch gleich Duranders Schritten mit beſondrer
Munterkeit,
Weniger aus Neu-Begier, oder ſeinen Durſt zu ſtillen,
Als des groſſen Hirten Wollen deſto ſchneller zu erfuͤllen,
Seiner Schuldigkeit gemaͤß, ob es ihm gleich gar nicht leicht,
Sondern voller Schwierigkeit, und faſt ja ſo ſchwehr be-
deucht,
Von dem Koͤnig aller Weine etwas wuͤrdigs vorzutragen,
Als vom Auszug aller Fuͤrſten, Guͤnthers Ruhme, gnug zu
ſagen.
Unter Weges ſahen ſie, wie der Hirten muntre Schaar
Hier mit melcken, dort mit ſcheren ihrer Heerden aͤmſig war,
Da ſaß einer, der den Nahmen Phillis, mit verſchraͤnckten
Zuͤgen,
Jn ein junges Baͤumchen ſchnitte. Dort ſatzt’ einer einen
Crantz,
Den er alleweil gebunden, mit vereinigtem Vergnuͤgen,
Seiner holden Doris auf. Jener ſucht’, in einem Tantz,
Staͤrcke, Fertigkeit und Liebe ſeiner Silvia zu zeigen,
Welche, gleichfalls leicht von Fuͤſſen, Seladon zu fliehen
ſchien,
Doch nur, uͤm mit groͤſſerm Eifer Seladon ihr nach zu ziehn.
Celimandern hoͤrten ſie floͤten; Selimantes geigen.
Y 4An
Das herrliche Geſchoͤpf
An den allermeiſten Orten ward von Alten und von
Jungen,
Zu des Ober-Hirten Ruhm, viel geredet, viel geſungen.
Offt erſchallte Feld und Wald von verſchiednen Wechſel-
Choͤren,
Und die allermeiſten lieſſen anders nichts faſt von ſich hoͤren:
Als: der groſſe Guͤnther lebe, nebſt der holden
Albertinen,
Unter denen unſre Wieſen, in erwuͤnſchtem Friede,
gruͤnen!
Unſre Wandrer hoͤrten dieß voll Vergnuͤgen, ja ſie fiengen,
Bald bey dieſem, bald bey jenem frohen Chor, mit an zu
ſingen:
Lebe, groſſer Guͤnther, lebe, nebſt der holden
Albertinen,
Unter denen Wald und Wieſen in erwuͤnſchtem Friede
gruͤnen!
Endlich waren ſie daruͤber da, wo ſie ſich vorgenommen,
Bey dem dick bebuͤſchten Felſen, unvermuthet angekommen.
An des ſteilen Berges Fuß oͤfnet ihren weiten Mund
Eine faſt verwachsne Hoͤle. Deren Eingang, wie die
Schooß,
Viele Straͤucher, wilder Flieder, zaͤhes Epheu, weiches
Mooß,
Und zumahl ein hoher Ulm-Baum, welcher an der Oeffnung
ſtund,
Schwaͤrtzt und ſchmuͤcket, fuͤllt und deckt. Dieſer Hoͤlen
harte Seiten
Waren faſt an allen Orten, durch den ſcharffen Zahn der
Zeiten,
Durch-
| des Tockayer-Weins.
Durchgeloͤchert und zernagt. Hier war es beſtaͤndig kuͤhl,
Weil kein warmer Sonnen-Strahl in die Oeffnung iemahls
fiel.
So daß, wenn auch Sirius Feld und Wald in Flammen
ſetzte,
Doch ein angenehmer Schauer den, der in ſie trat, ergetzte.
Hier nun ſahen ſie gar bald, ſchon von weitem, mit
Vergnuͤgen,
Bey dem Lichte, das von oben durch geſpaltne Felſen drung,
Und wodurch das Schimmer-Licht allgemeiner Daͤmmerung
Sich an dieſem Ort verlohr, das geſuchte Faͤßchen liegen.
Es war aus dermaſſen zierlich von Figur und netten
Staͤben,
Mit gantz friſch bewundnen Reiffen, mehr geziert faſt, als
verſehn.
Etwas Schnitz-Werck ſah’ man oben, von geſchlungnem
Laub von Neben,
Und in ihnen, halb erhoben, Guͤnthers Fuͤrſtlich Wa-
pen ſtehn.
Alſobald ergriff Durander ein Cryſtallen-Glas, ſo
ihm
Auch dabey geſchencket war, ſchwenckt’ es in der klaren
Fluth,
Die, von Felſen abgetroͤpfelt, endlich im Behaͤlter ruht,
Den ſie ihr ſelbſt ausgehoͤlet: Und ließ aus dem ſchoͤnen
Faß
Ein, geſchmoltzenem Topaſe faſt an Farben aͤhnlichs Naß
Jn den Becher ſchaͤumend rinnen. Wie er nun gefuͤllet
war,
Reichet’ er ihn gleich Beraldo, mit vergnuͤgtem laͤcheln, dar.
Y 5Kaum
Das herrliche Gefchoͤpf
Kaum hatt’ er es angenommen, als er das beſchaͤumte
Glas
Vor die Naſe ſchwebend hielte, da denn gleich dieß ſuͤſſe Naß,
Wie ein Balſam, ſein Gehirn gantz erfuͤllt’ und ſo ergetzte,
Daß an die geſpitzten Lippen er es, ohne zoͤgern, ſetzte,
Sanfte ſchlurft’, und an den Gaum mit der Zungen Spitz’
es druͤckte,
Schmatzend abzog; wodurch ſich eine Luſt auf ihn ergoß,
Die in einem Augenblick durch ſein gantzes Weſen floß,
Jhn vergnuͤgte, ruͤhrt’, ergetzt’, ihn erfreut’, erfriſcht’, er-
quickte;
So daß er, halb auſſer ſich, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren,
Dieſes ſein Geſchoͤpf beſang. Und nachdem ers offt ge-
ſchmecket,
Und darin noch immermehr Wunder in der Luſt entdecket;
Ließ er, voll Zufriedenheit, die Gedancken von ſich hoͤren:
Valſam des Lebens! Labſal der Seele!
Flieſſende Flamme, voll reitzender Krafft!
Schmertzen und Traurigkeit linderndes Oele!
Quelle der Anmuth! begeiſterter Safft!
Edler Tockayer, dein holdes Getraͤncke
Heiſſet und bleibet ein himmliſch Geſchencke.
Jndem ich dein beſchaͤumt und trinckbar Gold beſchau,
So kommt es mir
Nicht anders fuͤr,
Als ein vom Sonnen-Licht beſtrahlter Morgen-Thau,
Jn
des Tockayer-Weins.
Jn welchen ſich von allen Edel-Steinen
Die Farben und der Glantz vereinen.
Wann ich dein wol gemiſcht ſuͤß-ſaͤurlich Weſen ſchmecke;
Daucht mich, daß ich den Auszug recht in dir
Von allen dem, was lieblich ſchmeckt, entdecke.
Wie iſt dein lind’ und oͤlicht Weſen
So lieblich glatt, ſo ſanft, ſo weich,
Und doch durchdringend ſcharff zugleich!
Dieß hat kein andrer Wein. Es ſcheint,
Ob waͤr in dir zugleich die Nahrungs-Krafft vereint.
Man glaubt, wann uns den Mund die fetten Tropfen
fuͤllen,
Nicht nur den Durſt, den Hunger auch zu ſtillen.
Ein Heyde wuͤrde dieß gewiß von dir erzehlen:
Jn dir ſcheint Ceres ſich mit Bachus zu vermaͤhlen.
Begluͤcktes Land, wo, durch des Himmels Guͤte,
Die ſuͤſſen Kinder edler Neben
Ein ſolches liebliches erwuͤnſcht Getraͤnck uns geben,
Daß unſer circkelndes Gebluͤte,
Dadurch ergetzt, erquickt, erfriſcht,
Sich leicht und gern mit dieſem Saffte miſcht,
Der Tages unſre Luſt, des Nachts die Ruhe mehrt,
Und deſſen holdes Feur der Sorgen Dufft verzehrt,
Ja uns ſo gar ein’ Artzeney gewehrt.
Wie wird mir? edles Naß, du Freuden-Feuers
Quelle,
Jch fuͤhl’, ich ſeh’ in dir ein ſonſt nicht ſichtbar Licht,
Das durch des Schwermuths Dufft und Unmuths-Nebel
bricht.
Der
Das herrliche Geſchoͤpf
Der Argwohn, nebſt der Furcht, der Menſchen Plage-
Geiſter,
Sind durch dich weggejagt. Du machſt, an ihrer Stelle,
Dich aller meiner Sinnen Meiſter.
Es wird in meiner Seelen helle.
Vertraulichkeit, Muth, Großmuth, holde Triebe
Der faſt erſtorbnen Naͤchſten-Liebe
Verziehen mein Gemuͤth, beherrſchen meinen Sinn.
Kaum bin ich mehr derſelbe, der ich bin.
Ein Etwas, welches ich empfinde,
Jſt ſuͤß, iſt lieblich, iſt gelinde:
Mich ruͤhrt ein reiner Anmuths-Strahl.
Es wallt mein froͤhliches Gebluͤte,
Und mein erheitertes Gemuͤthe
Jſt reg’ und ruhig auf einmahl.
Noch mehr! ich eile fort. Jch dencke:
Woher kommt dieſe Luſt? Wie koͤnnen Neben
Mir Tugenden, die ich nicht hatte, geben?
Vermag ihr Safft
Jn mir der Redlichkeit und des Verſtandes Krafft
Zu mehren, zu erheben?
Nein, nein! Ja, ja! Es iſt gewiß:
Gleich ietzt verlaͤſſet mich des Zweifels Finſterniß.
Du zeigeſt, da durch dich der Argwohn uns verlaͤſſt,
Zuſammt der Brut der Furcht, des Haſſes und der Sorgen,
Daß
Des Tockayer-Weins.
Daß noch in unſrer Bruſt ein Reſt
Von Menſchen-Lieb’ und Billigkeit verborgen,
Die durch Gewohnheit gantz verſteckt,
Verhuͤllt geweſen und verdeckt.
Wie aber in der Lufft der Sonnen Licht
Der Wolcken Dufft zertheilt: iedoch derſelben Hitze,
(Wenn ſie zu ſtarck) uns brennt: ſo iſt bey dieſer Gluth,
Die Ubermaſſe auch nicht gut,
Die Maſſe noͤthig, heilſam, nuͤtze.
Druͤm dencke, wer ihn trinckt, aus Danckbarkeit dabey,
Daß uͤbermaſſ’ uns unterſaget,
Daß Maſſ’ abſonderlich Dem, Der ihn giebt, behaget;
Ja daß ſie noch die Luſt zu mehren dienlich ſey.
So trinck ich nur noch eins. Wie Wunder-ſuͤß,
Wie angenehm, wie ſanft iſt dieß!
Wie lieblich beiſſend, wie verſchiedlich
Jſt der verbundene Geſchmack, wie niedlich!
Der, durch den ſuͤſſen Druck, geruͤhrte Geiſt, verſpuͤret,
Vernimmt und mercket gleichſam hie,
Jm Wolſchmack, eine Harmonie,
Die ihm ſehr angenehm, und die ihn allgemach,
Denckt er der Anmuth nur vernuͤnftig nach;
Jn ſeiner Luſt, zum groſſen Geber fuͤhret.
Jch ſehe, mit vergnuͤgten Blicken,
Jch ſchmecke, gleichſam mit Entzuͤcken,
Wie
Das herrliche Geſchoͤpf des Tockayer-Weins.
Wie freundlich GOTT, der alles ſchafft.
Aus Seinem ſeelgen Wolluſt-Meer
Hat Er ein Troͤpfchen Seiner Krafft
Jn unſern Sinn herab gelencket,
Und dem Tockayer Reben-Safft
Ein geiſtig Feuer eingeſencket.
Hieraus nun flieſſt zu Seiner Ehr:
Da eine ſolche ſuͤſſe Gluth,
Die ſelbſt die Seele kann ergetzen,
Ja nicht von ungefehr in dieſem Saffte ruht;
Was muß, in Seinen ewgen Schaͤtzen,
Um Seine Creatur zu laben,
Der Schoͤpfer nicht fuͤr Kraͤffte haben!
Ephe-
Ephemeris.
Ephemeris.
Jch ſeh’ die kleinen Enlchen ſchweben,
Die man Ephemeris ſonſt heiſſt;
Die einen einzgen Tag nur leben.
Bey dem Geſchoͤpfe denckt mein Geiſt:
„Wie fluͤchtig iſt doch eure Zeit!
„Bey ihr ſcheint unſre faſt ein Theil der Ewigkeit:
„Was Stunden bey uns ſind, ſind euch ja kaum Se-
cunden;
„Was unſre Jahre ſind, ſind eure Viertel-Stunden.
Da aber dieſes Thier, indem es munter flieget,
Dem Anſehn nach vergnuͤgt iſt, und ſich freut;
So hat es, ungeacht der kurtzen Lebens-Zeit,
Sich laͤnger auf der Welt, als mancher Menſch, vergnuͤget.
Mond-
Mond-Schein.
Mond-Schein.
Des Mond-Scheins Schein im Waſſer ſcheinet
Demjenigen, der ihn allein,
Und nicht gen Himmel ſchaut,
Ein wirckliches Original zu ſeyn:
Er iſt es aber nicht.
Auf gleiche Weiſe ſcheint des Mondes wircklichs Licht
Dem, der nicht weiter ſieht, ein weſentlicher Schein:
Er iſt es aber nicht.
Wer weiß, ob auch ſo gar der Sonnen heller Strahl
Nicht abermahl
Ein ander Urbild hat, das uns noch unbekannt?
Ja wircklich ſcheint und kommet mir
Jhr heller Lebens-Brand,
Der aller Creatur Luſt, Leben, Waͤrm’ und Wonne,
Wenn ich es recht erweg, nicht anders fuͤr,
Als waͤr der Schoͤpfer ſelbſt der Sonnen Sonne.
Als
Als Bel. unten in ſeinem Garten ſtand.
Als Beliſander unten in ſeinem Garten
ſtand.
Da ich dort die holde Hoͤhe,
Und, wenn ich das Haupt nur drehe,
Hier die ſchoͤne Flaͤche ſehe,
Die der Schoͤpfer mir gegoͤnnt;
So erfreut ſich mein Gemuͤthe,
Preiſ’t die Allmacht, ruͤhmt die Guͤte:
Und ie mehr es ſie erkennt,
Wuͤnſchet es, mit froher Seelen,
Jn der reichen Gaben Pracht,
Von des groſſen Gebers Macht
Vieles wuͤrdig zu erzehlen.
ZSeuf-
Seufzer.
Seufzer.
O Schoͤpfer! da, vor anderm allen,
Was auf der Welt, die ſchoͤne Welt,
Als Dein Geſchoͤpfe, mir gefaͤllt;
So laß, nebſt meinem ſchwachen lallen,
Dieß mein Gefallen Dir gefallen!
GOT-
GOttes Ehre durch Eigen-Liebe gehindert.
GOTTES Ehre durch Eigen-Liebe
gehindert.
Du ſtelleſt, lieber A‥, dir
Die Gottheit nicht viel anders fuͤr,
Als haͤtte Sie allein, und recht abſonderlich
Die deinen, deinen Stand, und dich,
Zur Abſicht ihrer Macht und ihrer Lieb’ erwehlet.
Denn ob es deinem Geiſt zwar nicht an Kraͤfften fehlet,
Vom Schoͤpfer wuͤrdiger zu dencken;
So braucheſt du ſie doch, aus Eigen-Liebe, nicht.
Es wird dir gar zu ſchwer, dein ſorgendes Geſicht
Auf etwas auſſer dir, und von dir abzulencken.
Es hindert dich dein gar zu liebes Jch,
Jn Ehr-Furcht GOTTES Werck und Groͤſſe zu er-
wegen.
Daß Millionen Welte ſich
Um Millionen Sonnen regen;
Dieß alles wuͤrdigſt du, auf dich allein erpicht,
Des auſehns und bewunderns nicht.
Z 2Die
Die Qwitzen.
Die Qwitzen.
Wie? ſieht man hier auf hohen Stangen
Rubinen in den Luͤfften hangen?
So rieff ich, faſt halb auſſer mir,
Als ich gantz unverhofft die rothe Zier
Der gleichſam brennenden Blut-rothen Qwitzen-Beeren,
Auf ihren Gipfeln, funckeln ſah.
Jch wuſte kaum, wie mir geſchah:
Denn, ihre Glut noch zu vermehren,
Fiel eben dazumahl
Der hellen Sonnen Mittags-Strahl
Auf ihr faſt blendend Roth, das durch der Blaͤtter Gruͤn,
Zumahl, wann ſelbiges beſchattet,
Als durch vertiefften Grund, noch mehr erhaben ſchien.
Jch danckte, durch der Augen Luſt
Zum Schoͤpfer aller Ding’ empor gefuͤhret,
Und durch das ſchoͤne Roth der ſchoͤnen Frucht geruͤhret,
Mit einer angeflammten Bruſt,
Dem, Der nicht nur der Beeren holde Pracht,
Und alle Ding’ aus nichts gemacht;
Der auch zugleich durch mein geſchenckt Geſicht,
Und durch das wunderbare Licht,
Mich dafuͤr ſinnlich macht; ja gar mir Seelen-Augen,
Die, daß er alles ſchafft, zu ſehen taugen,
Aus
Die Qwitzen.
Aus Gnad’ und Huld verliehn.
Jch brach
Demnach
Um mich noch ferner zu bemuͤhn,
Der Qwitzen Schoͤnheit zu betrachten,
Und in derſelben Pracht auf Sein Geſchoͤpf zu achten,
Ein Zweiglein voller Frucht und Blaͤtter ab;
Das mir, zu folgender Betrachtung, Anlaß gab:
Wie reich erzeiget ſich des Schoͤpfers Herrlichkeit
Allein in der Geſchoͤpfe Unterſcheid!
Wie ſeh ich hier in rother Glut
Solch eine Menge Beeren blitzen
Und all’ an einem Stengel ſitzen,
Jn andrer Ordnung noch, als wie das Trauben-Blut!
Die Beeren an ſich ſelbſt ſind aus dermaſſen zierlich
Geruͤndet und geformt. Die Bildung iſt natuͤrlich
Den nettſten Aepfeln gleich, die roth durchaus gefaͤrbt.
Beſiehet man ſie recht, wird auf der glatten Haut
Ein kleines Sonnen-Bild geſchaut,
Das lieblich wiederſtrahlt, zumahl bey heiterm Wetter.
Wie laͤnglich rund, und zierlich eingekerbt
Sind dieſes Baumes nette Blaͤtter!
Man kann derſelben lieblich Gruͤn,
Bey ihrer Frucht ergetzenden Rubin,
Nicht ſonder Anmuth ſehn.
Z 3Ob
Die Qwitzen.
Ob wir nun gleich bey uns der Qwitzen Frucht nicht
eſſen;
So muß man doch des Nutzens nicht vergeſſen,
Da ſie uns wunderbar,
Wenn, mit faſt ungezehlter Schaar,
Der Krammets-Voͤgel Heer durch unſre Laͤuder ſtreicht,
Dieſelben uns zu Lecker-Biſſen reicht:
Die, wenn ſie nicht die Qwitzen-Beeren
So gierig naſcheten, gar nicht zu fangen waͤren.
Ach moͤgten wir ſie nie ohn Luſt und Danck verzehren
Ach moͤgte doch der Qwitzen rother Schimmer,
Und ihre Glut- und Blut-Farb immer
Auch eine Glut in unſerm Blut’ erregen,
Und uns, in unſrer Luſt, zu GOTTES Ruhm bewegen!
Noch
Noch andere Herbſt-Gedancken.
Noch andere Herbſt-Gedancken.
Es kuͤhlete nunmehr der Herbſt die Tage ſchon,
Als ich, zur Abend-Zeit, im Garten hin und her
Jm hellen Mond-Schein gieng; da ich von ungefehr
Den Glantz der herrlichſten Jllumination,
Die ie ein Menſch geſehn, erblickt.
Jch ſah zuerſt von meinem Zimmer,
Die Fenſter angeſtrahlt und herrlich ausgeſchmuͤckt.
Der mehr als Silber-weiſſe Schimmer
Vom vollen Mond, der funckelnd ruͤckwaͤrts fiel,
War meiner frohen Augen Ziel.
Abſonderlich, da bey ſo heiterm Wetter,
Durch einen Wein-Stock, deſſen Blaͤtter
Die Scheiben faſt bedecket hatten,
Das Licht noch eins ſo hell, durch untermiſchte Schatten,
Glaͤntzt, blitzt’ und funckelte. Wie ich nun alſo ſtand,
Und dieſen reinen Glantz recht Wunder-wuͤrdig fand;
Setzt’ iemand ungefehr ein brennend Licht
Jm Zimmer vor das Fenſter nieder.
O welch ein Wunder-Glantz traff meiner Augen Lieder,
Und fiel nicht nur in mein Geſicht,
Fiel in die Seele ſelbſt hinein!
Des hellen Lichts faſt guͤldner Schein
Drang in das bunte Laub der Neben,
Das, durch den kuͤhlen Herbſt, und fenchte Wittrung, eben
Sein bis daher ſo lieblich Gruͤn,
So gelb als Gold, ſo roth, als ein Rubin,
Z 4Ge-
Noch andere Herbſt-Gedancken.
Gemahlet und gefaͤrbt. Es ward dadurch zugleich
So ſchoͤn der Farben Schmuck gebrochen und gemildert,
Daß Denner ſelbſt ſo ſchoͤn, ſo hell, nicht ſchildert,
Noch ſeine Farben miſcht. Ein Licht-Glantz, welcher ſtrahl
Durch Laubwerck, ſo auf Tafft gemahlt,
Sieht angenehm, ſieht nied-und lieblich aus:
Allein, wie groß iſt doch der Unterſcheid
Von der Copie zum Urbild! irdiſch nur
Sind Farben, ſo die Kunſt gebrauchet; die Natur
Zeigt hier in einem Safft, der wol gelaͤutert, rein,
Des Lichtes ſelbſt gefaͤrbten Schein.
Wie herrlich flammt in einer rothen Glut
Manch, ſelbſt das reinſte Schnecken-Blut
Beſiegend, und an Glantz weit uͤbertreffend Blat!
Das viele bunte Nachbarn hat,
Die auch, nicht minder ſchoͤn,
Jn gleichſam guͤldnen Flammen ſtehn.
Durch dieſe bunte Glut, und Feuer-reiche Pracht
Ward alſobald in meinem Hertzen
Ein Freuden-Feuer angefacht.
Es brennen reiner Andacht Kertzen
Zu deſſen Ruhm, der Laub und Licht,
Und, uͤber alles, mein Geſicht
So wunderbar formirt, und mir gegeben.
Ach moͤgt’ ich doch, zu Seiner Ehr,
Jn ſeiner Creaturen Heer,
Sein unausdruͤcklich Lob ie mehr und mehr,
Jn der Betrachtungs-Luſt, zu mehren, mich beſtreben!
Zum
Zum Herbſt: Fabel.
Zum Herbſt:
Fabel.
Ein juͤngſt noch dick belaubter Baum
Sah ſeines Wipfels Pracht erbleicht zu ſeinen Fuͤſſen,
Und, wie des Bodens runder Raum,
Den die ſo angenehm begruͤnten Schatten
So offt geſchuͤtzt, ſo offt bedecket hatten,
Den lieben Kinderchen zum Kirch-Hof werden muͤſſen.
Es riß der kalt’ und rauhe Nord
Den duͤnnen Uberreſt noch immer mit ſich fort,
Sie taumelten recht Schaaren-weiſ’ herab,
Und ſuncken in das finſtre Grab.
Er ſchien, in dunckler Farb’, ihr ſterben zu betrauren,
Und, in der Kinder Fall, ſich ſelber zu bedauren.
Dieß heimliche Geſeuftz, dieß ſtill’ und bange klagen
Vermogten einige der Blaͤtter, die noch gruͤn,
Und deren friſche Farb’ faſt unverwelcklich ſchien,
Nicht zu vertragen.
Sie ſprachen: Traure nicht! wir wollen bey dir blei-
ben,
Uns wird kein Wind, kein Froſt vertreiben.
Sieh nur, wie gruͤn wir noch, wie friſch; wir fuͤhlen nicht,
Daß uns, an Krafft, an Schoͤnheit, was gebricht.
Allein, faſt in derſelbigen Secunde,
Erſtarrt ihr kuͤhnes Wort in ihrem kleinen Munde.
Z 5Ein
Zum Herbſt- Fabel.
Ein kalter Hauch den Eurus von ſich bließ,
Der ihnen ſeine Staͤrck’, und ihre Schwaͤche wies,
Griff ihren zarten Leib ſo grimmig an,
Daß ihnen Leben, Muth, und alle Krafft
Vergieng, entwich, zerrann.
Es ſtockt ihr Lebens-Safft;
Es ſchrumpft ihr Coͤrper ein; ſie zittern jaͤmmerlich;
Ein aͤngſtlich Seufzen ſcheint ihr liſpelndes Geziſche;
Sie beben, und ſie kruͤmmen ſich:
Es ſcheint, als ob man ſie recht von den Zweigen wiſche.
Sie hielten bloß daruͤm, dieweil die Reih
Sie etwas ſpaͤter traff, ſich faſt vom welcken frey.
„Laſſt dieſe Blaͤtterchen, ihr noch geſunden Alten,
„Bey euch des Lehrers Amt verwalten!
„Ein Augenblick ſtuͤrtzt ſie herab:
„Ein Augenblick ſtuͤrtzt euch ins Grab.
Die
Die Mahlerey.
Die Mahlerey.
Wenn ich recht die Tieffe, Hoͤhe,
Die Natur der Mahlerey,
Und wie groß ihr Umkreis ſey,
Mit der Seelen Augen ſehe;
Stutz’ ich: denn ein helles Licht
Strahlet mir in mein Geſicht.
Selbſt von unſrer Seelen-Weſen,
Deucht mich in ihr was zu leſen,
Welches man
Sonſt nicht leicht erblicken kann.
Wann, mit etwas ſchwartzer Kreide,
Mieris, deine Kunſt die Welt,
Was ſie ſchoͤnes in ſich haͤlt,
Uns ſo klar vor Augen ſtellt,
Und, aus nichts faſt, etwas ziehet,
So, daß man, nicht ſonder Freude,
Jn der Pracht der Creatur,
Von dem Schoͤpfer ſelbſt die Spur
Jn den klugen Zuͤgen ſiehet;
Deucht mich, daß die Mahlerey
Faſt ein Bild der Schoͤpfung ſey;
Da du aus der ſchwartzen Erden
Thier’ und Pflantzen laͤſſeſt werden.
Ach! rieff ich, von Andacht heiß:
Da wir in der Menſchen Seelen
Solche Wunder-Kraͤfft’ entdecken,
Die man nicht vermag zu zehlen;
Wie ſo gar unendlich weit
Muͤſſen ſich, voll Herrlichkeit,
Unſers Schoͤpfers Kraͤfft’ |erſtrecken!
Der
Der Verſtand.
Der Verſtand.
Offt hab’ ich bey mir uͤberleget,
Was der Verſtand doch eigentlich,
Wodurch die Menſchheit ſich
Auf eine andre Art, als wie ein Vieh, betraͤget.
Jch ſtelle denn, nach langem dencken, mir
Denſelbigen nicht anders fuͤr,
Als etwa wie ein reines Licht,
Das im Gehirn, als ſeinem Sitz, vereinet,
Von wannen es mit regen Strahlen bricht,
Und unſern gantzen Leib durchſcheinet:
Da denn, wenn dieß in Ruh, und ungehemmt, geſchicht,
Ein heitrer Zuſtand, eine Stille,
Vergnuͤgung und Gelaſſenheit
Jn uns mit Luſt entſteht. Jn muntrer Froͤhlichkeit
Schwimmt gleichſam unſer froher Wille,
Zum GOttes-Dienſt, zur Danckbarkeit
Zur Naͤchſten-Lieb’ und Tugenden bereit.
Wann aber, durch der Leidenſchaften Dufft
(Als wie durch Nebel, Dunſt und Wolcken in der Lufft
Der Sonnen Licht) das Licht der Seele
Benebelt und gehemmt, da nemlich die Canaͤle
Jm Coͤrper ſich verſtopfft, ſo daß die reine Glut
Die ſonſt in uns die vielen Wunder thut,
Durch
Der Verſtand.
Durch die Materie den Durchgang nicht zu finden
Vermag noch faͤhig iſt; wird unſer Weſen gleich
Verdunckelt, und dadurch in ſolchen Stand geſetzt,
Daß ihn, was viehiſch iſt, allein ergetzt.
Ja wie ſich in der Luͤffte Neich
Offt Schwefel-Duͤfft’ in ſich ſo feſt verbinden,
Daß ſie ſo gar in Blitz und Donner ſich entzuͤnden,
Und ſehr gefaͤhrlich ſind; ſo raſet die Begier,
Wenn ſie zu ſehr gehaͤufft, mit ſolcher wilden Wuht:
Als wie kaum in der Lufft, Blitz, Sturm und Donner
thut.
Wie mancher Erd-Strich auch moraſtig, ſchweflicht iſt,
Und folglich Dunſt in groſſer Menge
Vor vielen andern zeugt; ſo trifft man Coͤrper an,
Wo Leidenſchaften offt ſich recht als im Gedraͤnge
Erzeugen und erhoͤhn: Das Licht der Seele kann
Den dicken Schwall nicht trennen: bis zu ſpat,
Wenn es geſtuͤrmt, geblitzt, gedonnert hat,
Es, wie ein oͤdes Feld, wo alles uͤmgekehrt,
Die Haͤuſer abgedeckt, die reiffe Saat verſehrt,
Die Baͤum’ entlaubt, der Gaͤrten Pracht verheert,
Jn ſeinen Grentzen ſchaut. Da es den Schaden offt
Mit Neu zu beſſern hofft:
Der aber mehrentheils unuͤberwindlich bleibet.
Ach laſſt uns denn mit Ernſt dahin uns doch beſtreben,
Daß grobe Duͤnſte ſich doch nicht zu ſtarck erheben:
Damit
Der Verſtand.
Damit das reine Seelen-Licht,
Dadurch verdeckt, verſtecket und verhuͤllet,
Wenn Adern, Hirn und Marck zu ſehr dadurch erfuͤllet,
Die ſchwartzen Finſterniſſen nicht
Verhindert werde zu verjagen.
Weil, ſonder ihren Klarheit Schimmer,
Die Uhr der Leidenſchaften nimmer
Jn ihrem rechten Gleich-Gewicht,
Worin doch unſer Gluͤck allein beſteht,
Und ungeſtoͤrter Ordnung geht.
Hiezu gehoͤrt ein oͤffters uͤberlegen,
Daß gleich, ſo bald ſie ſich zu ſtarck bewegen,
Der Geiſt uns alſobald die bittre Folge zeige,
Und dergeſtalt, was aufgebracht
Mit Sanftmuth, kann es ſeyn; wo nicht, mit Macht
Gemach ins vorge Gleis, ſo bald es moͤglich, beuge.
Vor-
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen
Von andrer Art, als Holtz und Stein;
Da, von des Schoͤpfers Creaturen
Recht wunder-wunderbare Spuren
Jn ihnen anzutreffen ſeyn.
Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere
Denſelben Eindruck auch verſpuͤre:
Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit
Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,
Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit,
So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht;
So daß es leider noch die Frage:
Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage,
Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen-
Augen
Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn,
Mit Menſchen-Augen ſehn?
Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,
Und unſere der ihrigen nicht weicht;
So iſt es doch in unſrer Macht,
Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht,
Denjenigen, der ſie hervorgebracht,
Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren,
Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;
Das jenen unterſagt.
Ach
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Ach laßt uns denn ie mehr und mehr
Des ſchwartzen Undancks Laſter meiden!
Uns von den Thieren unterſcheiden!
Und unſrer Seelen Eigenſchaft,
Die ihr von GOTT verliehne Krafft,
Durch das betrachten und das dencken,
Auf GOTTES Creatur zu lencken,
Mit froher Andacht, uns beſtreben!
Um GOTT dadurch, was GOTTES iſt, zu geben.
Und zwar uͤm ſo viel mehr, als wir
Jn der Geſchoͤpf’, allein durch Jhn gewirckten Zier,
Wenn wir ſie mit Vernunft ergruͤnden,
Den groſſen Schoͤpfer ſelber finden.
Schaͤd-
Schaͤdliche Unachtſamkeit.
Schaͤdliche Unachtſamkeit.
Hat etwan ein geſchickter Kuͤnſtler ein ſchoͤnes Bild durch
Kunſt gemacht;
Beſchaut man ſolches ja, bewunderts, und, im betrachten,
lobt man ihn.
Mit den ſo herrlichen Geſchoͤpfen, die ſelber GOTT her-
vor gebracht,
Ob ſie gleich tauſend mahl ſo ſchoͤn, will niemand ſich ſo
viel bemuͤhn.
Mich deucht, ich find’ in der Verachtung von GOttes Wer-
cken, eine Spur
Der durch den Stoltz in unſerm Fall verdorbnen menſchli-
chen Natur.
Wir raubten, ſtuͤnd es nur bey uns, der ewgen Gottheit
gern die Cron’,
Und ſetzten, voller Stoltz und Frevels, uns ſelber gern auf
Seinen Thron.
Es zeiget dieß verfahren klar, wie ungern wir der Seelen
Krafft,
Dem Schoͤpfer aller Welt zu Ehren, gebrauchen, und wie
unſchmackhaft
Uns Seine Wunder-ſuͤſſe Gaben, womit Er uns beſchen-
cket, ſind.
Er macht uns Freude, wir uns fuͤhllos; Er macht uns ſe-
hend, wir uns blind.
Dadurch nun, daß die, bloß von Stoltz und Eitelkeit er-
fuͤllte, Bruſt,
Durch aller ihrer Sinnen Thuͤren, von GOTTES Allmacht
nichts empfindet;
A aRaubt
Schaͤdliche Unachtſamkeit.
Raubt man ſo gar, ſo viel an uns, des Schoͤpfers Luſt, der
Seine Luſt,
O Liebe! bey den durch Sein Werck geruͤhrten Menſchen
Kindern, findet.
Jſt denn hiedurch, da wir iedoch zu dieſem edlen Zweck er-
kohren,
Des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Macht fuͤr uns nicht
leider gantz verlohren?
Die
Die Tuberoſe.
Die Tuberoſe.
Juͤngſt trat ich in mein Schlaf-Gemach,
Und ſtutzte faſt, als ein gar ſtrenger Dufft
Von einer faſt ambrirten Lufft,
Als wie im Schwall, mir recht entgegen brach.
Jch ſucht’, und fand ſo gleich von dieſer Lieblichkeit
Die Quelle, die ſo ſuͤß, als ſchoͤn,
Jn einem blauen Topf’ an meinem Fenſter ſtehn.
Dieß war, in bluͤhender Vollkommenheit,
Ein Tuberoſen-Topf’; wovon der Glantz, die Zier,
Die praͤchtige Figur, der Blaͤtter Silber, mir
Sehr viel zu ſehn, und mehr noch zu bewundern gab.
Die Bluhme zeigt, da ſie ſo zierlich iſt, als praͤchtig,
Daß, Der, Der ſie gemacht, ſo liebreich iſt, als maͤchtig.
Es kam mir vor, als ob mit ſuͤſſ- und ſanftem Thon
Sie dieſes zu mir ſagt’: „ich warte lange ſchon,
„Von dir, zu meines Schoͤpfers Ruhme,
„Sowol, als manche andre Bluhme,
„Beſungen und geruͤhmt zu ſeyn.
„Kann denn mein Silber-weiſſer Schein,
„Mein zierliches Gewaͤchs, mein Balſam, meine Pracht,
„Mein lieblich Laub, mein ſchlancker Stiel,
„Die Sternen-foͤrmige Figur nicht deinen Kiel,
„Mich abzubilden, zu beſchreiben,
„Und GOTTES Wunder-Hand in mir zu preiſen, trei-
ben?
„Ach! laß mich nicht uͤmſonſt verbluͤhn!
„Ach! laß mich dich zu Deſſen Lobe ziehn,
A a 2Der
Die Tuberoſe.
„Der mich und dich, und alle Welt gemacht.
„Laß auch, durch mich, ſo dein als andre Geiſter,
„Zu aller Creaturen Meiſter,
„Zum Schoͤpfer Himmels und der Erden,
„Jn Luſt, Bewunderung und Danck geleitet werden.
Jch ſetzte mich darauf gleich bey den Bluhmen nieder
Beſah, bewunderte, mit inniglicher Freude,
Und macht’ ihr von Natur ſo nett erricht’t Gebaͤude
Zum Zweck und Vorwurff meiner Lieder.
Was ſoll ich doch zuerſt fuͤr eine Zier,
O ſchoͤnſte Tuberoſ’, an dir
Bewundern, ruͤhmen und beſchreiben?
Die Farbe, der Geruch, das glaͤntzen, die Figur
Die wollen mich zugleich zu deinem Lobe treiben.
Denn alles, was an dir der Finger der Natur
Gebildet, iſt bewunderns wehrt.
Dein ſchoͤnes Kraut, das aus der Zwiebel bricht,
Und welches ſie mit ihren Saͤfften naͤhrt,
Vergnuͤget ein drauf achtendes Geſicht
Durch ſein ſo lieblich gruͤn. Der Stiel, der aus der Mitten
Jn ſchlancker Laͤng’ und Ruͤnde ſteiget,
Und ſich, als waͤr’ er recht mit Fleiß und Kunſt geſchnitten,
Jn gelblich gruͤnem Glantze zeiget,
Gebiehrt und bringet wunderbar
Die ſchoͤnen Kinder Paar bey Paar,
Als Zwillinge hervor; die, eh’ ſie offen gehn,
Jn einer lieblichen und ſuͤſſen Roͤthe ſtehn.
Kaum aber oͤffnen ſie die Spitzen,
Erblickt man ein ſo weiſſes blitzen,
Das
Die Tuberoſe.
Das ſelbſt den Schnee beſchaͤmt. Sie gleichen weiſſen
Sternen,
Jn ſechs-geeckter Form. Es iſt ein iedes Blat
Ein wenig ausgehoͤlet, glatt,
Und ſind ſie, in der Bluhmen Reich,
Den Fruͤhlings-Hyacinthen gleich,
Doch weit anſehnlicher und groͤſſer:
Daher man ſie des Herbſtes-, ja noch beſſer
Die Hyacinth der Jndianer nennt,
Die ihres gleichen nicht an Groͤſſe kennt.
Wer wird von deiner Balſam-Krafft,
Mit welcher deine Bluhm’ erfuͤllet,
Und die, recht wie ein trockner Safft,
Aus dir noch mehr faſt flieſſt, als quillet,
Was wuͤrdiges erzehlen koͤnnen?
Es ſcheint, geliebte Bluhm’, in dir
Ein unſichtbares Feur zu brennen,
Das unaufhoͤrlich duͤnſtet, lodert,
Das recht beſondere Betrachtungen erfodert,
Und, einem Rauch-Faß gleich, gewuͤrtzte Duͤffte
Rings uͤm ſich her ins Reich der Luͤffte,
Mit ſtetem wallen, ſchickt, dem nahen GOTT zu ehren.
Ach laß denn dieſer Bluhm’ Exempel
Doch auch bey dir die Glut der Andacht mehren!
Dein Rauch-Faß ſey dein Hertz! es ſey die Welt dein Tem-
pel!
Betrachtung, Luſt und Danck das Raͤuch-Werck! welches
Dem,
Der alles ſchuff, vermuthlich angenehm,
Zum lieblichen Geruch.
A a 3O wah-
Die Tuberoſe.
O wahrer GOTT, Dem eine Bruſt,
Erfuͤllt mit Danck-begierger Luſt,
Ob aller Schoͤnheit dieſer Welt,
Weit mehr,
Als wie ein gantzes Heer
Von fettem Opfer-Vieh, gefaͤllt;
Der, wenn wir uns an Seinen Gaben,
Jn froͤhlicher Betrachtung, laben,
Und man dadurch der Creaturen Zier
(Jndem man ſie vergnuͤgt empfindet)
Zu einer geiſtgen Schoͤnheit macht;
An ſolcher Schoͤnheit, bloß aus Liebe,
Sein Goͤttliches Vergnuͤgen findet;
Ach! laß mich ſtets dadurch, in Deiner Lieb’ entzuͤndet,
Dir Schoͤpfer Himmels und der Erden
Ein wolgefaͤlligs Opfer werden.
Ach! laß mich nie die Tuberoſen ſehn,
Ohn, innerlich dadurch geruͤhret,
Und durch Dein Werck zu Dir gefuͤhret,
Dein’ Allmacht folgends zu erhoͤhn.
Es bluͤhet dieſe ſchoͤne Bluhme,
Mein Schoͤpfer, Dir allein zum Ruhme:
Denn Du allein haſt ſie gemacht.
Wenn ich demnach an ſie, mit Freude,
Mein ſie betrachtend Auge weide;
So lob’ ich Dich in ihrer Pracht.
Fremde
Fremde Gewaͤchſe.
Fremde Gewaͤchſe.
Will iemand, in der Bluhm- und in der Pflantzen
Heere,
Des Schoͤpfers Finger deutlich ſehn;
Der muß in deinen Garten gehn,
Von Spreckelſen, du Zierde, Ruhm und Ehre
Von Deiner Vater-Stadt; der Du aus Aſia,
Aus Africa, wie auch America
Viel tauſend ſeltene Gewaͤchſe zeigſt und naͤhreſt;
Wodurch Du Dein- und ihren Schoͤpfer ehreſt.
Wie ich ſo groſſe Meng’ erblickte,
Mit welcher bunten Zierlichkeit,
Mit welcher Farben Glantz und Schein,
Mit welcher Bildung Unterſcheid
Sie die Natur ſo unnachahmbar ſchmuͤckte;
Nahm mich fuͤrwahr ein heiligs Schaudern ein.
Die Seele ward auf eine neue Weiſe,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Jndem ſie auf einmahl ſo viele Wunder ſpuͤhret,
Wie ſie bisher noch nie geruͤhret war, geruͤhret.
Mein gantzes Weſen ward beweget:
Es drang ſich durch mein Aug, in tauſendfachem Schein,
Solch eine Menge Zierlichkeiten,
Solch eine groſſe Zahl Vollkommenheiten
Auf einmahl in die Seel’, als wie ein Strahl, hinein,
Befeurete mein Blut, daß es dadurch erreget,
Jn ſeinem Circkel-Lauff, fuͤr Anmuth, ſchneller floß,
Und, mit erneuter Krafft, durch ſeine Gaͤnge ſchoß.
A a 4Der
Fremde Gewaͤchſe.
Der Nerven-Safft fing alle Sehnen,
Mit einem ſanften Druck, vergnuͤglich auszudehnen
Und zu bewegen an. Es fuͤllte meine Bruſt,
So wol als mein Gehirn, gantz eine neue Luſt.
Die Seel’, entflammet durch dieß Sehnen,
Entzuͤndet durch den Strahl des ewgen Weisheit-Lichts,
Erzeuget’ anders nichts,
Als faſt verhimmelnde Gedancken und Jdeen.
Denn ieder Vorwurff zeigt’ ihr auf ſo manche Art,
Jn ſeiner Wercke Pracht, des Schoͤpfers Gegenwart.
Daher ſie Jhm ihr Andachts-Opfer brachte
Und voller Luſt und Ehrfurcht dieſes dachte:
„Allmaͤchtiger, und Wunder-reicher GOTT,
„Mit Recht allein geliebt, gefuͤrchtet und geehret!
„So gar der Kraͤuter Menge lehret,
„Daß man Dich uͤberall mit Recht HERR Zebaoth,
„Und einen HERRN der Schaaren nennt;
„Da man, nebſt ihrer Meng und der Figur, bey ihnen,
„Nur in dem vielfach’ ſchoͤnen gruͤnen,
„Auch Deiner Macht kein Ende kennt.
Herbſt-
Herbſt-Gedancken.
Herbſt-Gedancken.
Da ich mit frohen Blicken hier
Des kuͤhlen Herbſtes bunte Zier,
Jn dem noch ſchoͤnen Uberreſt
Der halb entblaͤtterten Allee,
Die noch an hohen Zweigen feſt,
Bald uͤberhaupt, bald einzeln ſehe;
Bin ich durch dieſe Pracht der Blaͤtter,
Zumahl bey dem ametzt ſo ſchoͤnen Wetter,
Nicht obenhin, recht inniglich geruͤhrt.
Jch ſeh’ anietzt die ſpielende Natur
Mit holder Farben Glantz nicht nur
Erhabner Baͤume Wipffel kraͤntzen;
Man ſieht die Erde ſelbſt voll bunter Blaͤtter glaͤntzen.
Der dunckle Steig, den, mehr als die ietzt duͤnne Schatten,
Der langen Naͤchte Thau geſchwaͤrtzet hatten,
Lag gantz von bunten Laub bedeckt, und ſchoͤn geſchmuͤckt.
Es ſchien, als wenn der Baͤume Schaar
Nunmehro recht beſchaͤfftigt war,
Sich ſelbſt der Haare Schmuck zu rauben,
Aus Danckbarkeit ſich gleichſam zu entlauben;
Um ihrer Mutter braunes Kleid
Mit bunten Farben auszuſchmuͤcken,
Und ſie mit Purpur hier, mit Golde dort zu ſticken.
Jm Garten hatte ſie ihr bunt-gefaͤrbt Gewand
Schon ab-, doch auf das neu mit unſichtbarer Hand,
Ein guͤldnes wieder angeleget.
Die Bluhm’ aus Africa, die guͤldne Blaͤtter traͤget,
Naſturtium, die gelbe Ritter-Sporen,
A a 5Die
Herbſt-Gedancken.
Die Sonnen-Bluhm’, in gleichfalls guͤldner Zier,
Die kamen mir,
Als ich ſie uͤberſah, faſt gleichſam vor,
Als wie ein Schlaff-Rock von Drap d’or,
Jn welchem die Natur, eh ſie zur langen Ruh
Die muͤden Glieder neigte,
Annoch zu guter letzt ſich halb entkleidet zeigte.
Damit der Schlaff-Rock auch nicht gar einfaͤrbig ſchien,
War auch demſelbigen nicht nur noch etwas gruͤn,
Nein, auch von Farben Wunder-ſchoͤn,
Ein Winter-Roſen-Buſch noch hier und dort zu ſehn,
An deren feurigem Rubinen-gleichen Prangen
Das menſchliche Geſicht, faſt wider willen, hangen,
Und, faſt gezwungen, kleben bleibt.
Dergleichen angenehmer Schertz
Der lieblich ſpielenden Gedancken
Erfuͤllte mein geruͤhrtes Hertz.
Die Trauben-reiche Reben-Rancken
Vergnuͤgten mich zugleich im hellen Sonnen-Schein,
Und fiel mir, in der Luſt und Anmuth, dieſes ein:
„Ewigs, Selbſtaͤndigs, Allmaͤchtiges Weſen,
„Der Du, aus nimmer erſchoͤpflicher Huld,
„Menſchen, Dein Werck zu bewundern, erleſen!
„Laß uns die Schoͤnheit der Erden betrachten;
„Deine Geſchoͤpfe nicht ferner verachten:
„Laß uns, in Deinen ſo herrlichen Wercken,
„Allmacht und Weisheit und Liebe bemercken.
„Welches, in Andacht und wahrem Vertrauen,
„Dich in der himmliſchen Klarheit zu ſchauen,
„Uns ſchon auf Erden, vom himmliſchen Leben,
„Einen verhimmelnden Vorſchmack wird geben.
Vie-
Viehiſche Unempfindlichkeit der Menſchen.
Viehiſche Unempfindlichkeit
der Menſchen.
Ein Ochſ’, ob er gleich ſinnlich iſt,
Kann doch, wann er ſein Futter friſſt,
Nicht, im Geſchmack, mit Luſt am Geber dencken.
Ein Menſch den GOttes Hauch
Gewuͤrdigt, ihm dazu die Faͤhigkeit zu ſchencken,
Sollt es im Schmecken thun, und unterlaͤſſt es auch.
Ein Pferd, vermag es gleich zu hoͤren;
Kan doch, bey ſuͤſſer Voͤgel Choͤren
Und lieblichſter Muſie, am Schoͤpfer nicht gedencken.
Ein Menſch, den ſelbſt des Schoͤpfers Hauch
Gewuͤrdigt, ihm dazu die Faͤhigkeit zu ſchencken,
Sollt es im Hoͤren thun, und unterlaͤſſt es auch.
Ein Hund, ob er gleich riechen kann,
Riecht ihm gleich etwas lieblichs an;
Kann er doch, bey der Luſt, nicht an den Urſprung dencken.
Ein Menſch, den GOttes Hauch
Gewuͤrdigt, ihm dazu die Faͤhigkeit zu ſchencken,
Sollt es im Riechen thun, und unterlaͤſſt es auch.
Ein Schwein zeigt ſein Gefuͤhl, wenn ſichs an einen Stein,
Mit halb geſchloſſnem Aug, ſanft gruntzend reibt; allein
Es kann, bey ſeiner Luſt, nicht weiter dencken.
Ein
Viehiſche Unempfindlichkeit der Menſchen.
Ein Menſch dazu formirt, durch GOttes Hauch,
Sollt im Gefuͤhl es thun, und unterlaͤſſt es auch.
Es kann ein iedes Thier, wie Wunder-ſchoͤn
Der Sonnen heller Strahl die Coͤrper faͤrbet, ſehn;
Jedoch kann es dabey am Schoͤpfer nicht gedencken.
Ein Menſch, den GOttes Hauch
Gewuͤrdigt, ihm dazu die Faͤhigkeit zu ſchencken,
Sollt es im Sehen thun, und unterlaͤſſt es auch.
Groͤſſe
Groͤſſe der Seelen.
Groͤſſe der Seelen.
Nachdem, mit Dunckelheit, die falben Schatten
Den Kreis der Welt bereits bedecket hatten;
Befand ich neulich mich auf einer Hoͤhe.
Jndem ich nun allein bald hie bald dahin gehe,
Seh ich von ſelbiger, in einer groſſen Weite,
Und eben ja ſo groſſen Breite,
Nicht ohn empfindliches Vergnuͤgen,
Den fernen Horizont im halben Circkel liegen.
Der Himmel ſchien dadurch, als haͤtt’ er runde Grenzen.
Jndem ich nun, uͤm der Geſtirne Glaͤnzen
Bewundernd anzuſehn, den Scheitel gantz zuruͤcke
Die Augen aufwaͤrts kehrt’, und meine Blicke
Jn ſolchem Stand ein wenig abwaͤrts ſenckte,
Sie uͤm der Ruͤnd an den Geſichts-Kreis lenckte,
Und, wie der Kreis es gab, zuletzt ſie aufwaͤrts zog;
So kam dadurch der ganze Himmel mir
Als ein unmeßbar O, in runder Oeffnung, fuͤr.
Es ſenckte ſich mein Aug’ in dieſe Tieff’ hinein,
So weit ich ſehen kunt; allein
Die Seele ſenckte ſich weit tieffer; und das Heer
Der in dem hohlen Raum verhandnen Sternen
Erfuͤllte meinen Geiſt noch mehr.
Denn da in dieſer Tieff’, ohn Ende, keine Schrancken,
Auch ewig ſinckenden Gedancken,
Zu finden, moͤglich ſind,
Und aller Zahlen Heer der Sternen Meng’ und Zahlen
Nicht vorzuſtellen, abzumahlen,
Und
Groͤſſe der Seelen.
Und auszudrucken taugt; ſo ſtutzt ich dergeſtalt,
Daß, bey dem groſſen O voll Licht, ich bruͤnſtig rieffe:
O! welche Tieffe!
O! welche Tieffe! welche Hoͤh!
Worinn, wohin ich mich auch wende,
Jch doch kein Ende,
Wol aber viele Billionen Eine Billione haͤlt tauſend mahl tauſend Millionen.
Von Billionen Sternen ſeh!
Jndem ich alſo voll Verwundrung ſteh’,
Und die Unendlichkeit von dieſes Raumes Hoͤhe,
Und die Unendlichkeit der Zahl im Sternen-Heer
Erſtaunt und halb entzuͤcket ſehe;
Kehr ich die ausgeſpannten Blicke
Von ungefehr
Auf mich zuruͤcke
Und fand, bey dieſem Raum’ und aller Sternen Schein,
Mich wunderbarlich groß und klein.
So wie der Sonnen Glut ſich in ein Troͤpfchen druͤckt,
Und es, wenn es nur rein,
Durch ſeinen Wunder-Schein
Durchdringt, erfuͤllt und ſchmuͤckt;
So kam auch meine Seele mir,
Als wie ein geiſtig Troͤpfchen, fuͤr,
Das, nicht durch eine Sonn’ allein,
Durch vieler tauſend Sonnen Schein
Zugleich beſtrahlet ward, durchdrungen, und erklaͤret.
Ja worin ſelbſt dadurch der Sonnen Sonn’ ein Bild
Von Seiner Allmacht gleichſam druͤcket,
Jndem
Groͤſſe der Seelen.
Jndem Er es durch ſolche Wunder ſchmuͤcket,
Und es mit einem Glantz, der Goͤttlich iſt, erfuͤllt.
Hiedurch verſpuͤrete die Seele Freuden-Triebe,
Als Fruͤchte Seiner Guͤt und Liebe.
Jch traff zugleich, weit mehr als ich beſchreiben kann,
Ein’ Art von Groͤſſ’ in unſern Seelen an,
Die alle Groͤſſ’ unendlich uͤberſteiget,
Jndem ſie, in uns ſelbſt, uns, ſelbſt was Goͤttlichs, zeiget.
Ach moͤgte, rieff ich aus, in der Geſchoͤpfe Schein,
Doch meine Seel’ und mein Gemuͤthe
Von GOttes Allmacht, Weisheit, Guͤte
Offt ſolch beſtrahltes Troͤpfchen ſeyn!
So wuͤrd’ es auch, wie in der Sommers-Zeit
Ein Troͤpfchen Thau, voll Glantz und Herrlichkeit,
Durchs Sonnen-Licht ſich hebet von der Erden;
Auch Himmel an, durch Jhn verklaͤrt, gezogen werden.
Uhr-
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Unlaͤngſt, als ein guter Freund, der noch offt an mich
gedencket,
Der die Ehrlichkeit faſt ſelbſt, mich mit einer Uhr beſchencket,
Die ſo kuͤnſtlich iſt, als koſtbar, ja ein rechtes Meiſter-Stuͤck,
Und ich meinen frohen Blick
Aemſig, voll Verwundrung, lenckte
Auf die unterſchiedne Scheiben, (denn nicht nur die gan-
tzen Stunden,
Sondern, nebſt dem Monats-Tag, auch Minuten und
Secunden
Sind beſonders vorgeſtellt) ward ich ſonderlich geruͤhrt
Durch die Scheibe, deren Zeiger ſich ſo ſchnell im Circkel fuͤhrt,
Daß, eh der Minuten-Zeiger einen einzgen Schritt gemacht,
Er bereits mit ſechszig Schritten ſeinen Kreis-Lauff gantz
vollbracht.
Jch bewunderte die Weißheit, die der Schoͤpfer uns
geſchencket,
Da die Menſchheit ſolche Wercke macht, erfindet und er-
dencket:
Und ich danckte GOtt dafuͤr. Sonderlich da man die Zeit
Und derſelben ſtillen Lauff (mit ſo feſter Richtigkeit
Wunderwuͤrdig eingetheilt, ſichtbar dargeſtellet findet,
Welche ſonſt, in ſchneller Stille, kommt, vergeht, entſteht,
verſchwindet,
Wie es ſcheint, und wie man meint. Aber eben dieſe Scheibe,
Welche die Secunden zeigt, zeigt, ſelbſt in der Fluͤchtigkeit,
Ein beſtaͤndigs Bild der Zeit,
Und daß wir mit Recht nicht koͤnnen
Das vergangene vergangen, und die Zeiten fluͤchtig nennen.
Denn,
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Denn iſt der Secunden Kreis gleich vollendet und
vorbey;
Sieht man, am Minuten-Zeiger, daß ſie gegenwaͤrtig ſey:
Folglich ſieht man, recht mit Augen, wie es moͤglich ſey,
vergehen,
Und dennoch, als nicht vergangen, ohne Wandelung beſtehen.
Zeigt uns dieſes nicht ein Bild, zu des groſſen Schoͤpf-
fers Preiſe,
Daß, ja gar auf welche Weiſe,
Wir von unſern Lebens-Zeiten (ſo, dem Schein nach nur,
vergehn,)
Die verfiogenen Seeunden alle werden wieder ſehn
Dort an dem Minuten-Zeiger, welchen wir, nach dieſer Zeit,
Jn der langen Ewigkeit,
Sonder Zweifel finden duͤrften. Da wir denn, was hier
geſchehn,
Mit Vergnuͤgen oder Zittern, quaͤlen oder Froͤhlichkeit,
Wie wir unſern Wandel hier angeſtellt gehabt auf Erden,
Sehen und betrachten werden.
Hiemit ſtimmet uͤberein das, was dort Johannes
ſprach,
Wann es heiſſet: Jhre Wercke folgen ihnen dorten nach.
Denn, wo alles, wie es hier zu vergehen ſcheint, verginge,
Alles waͤre wie ein Traum, ja wie ein Geſchrey, vorbey;
Schien’ es, als ob in der That alles Weſen aller Dinge
Kaum der Muͤhe wehrt geweſen, daß es einſt erſchaffen ſey.
Aber ach! was faͤllt mir ein! das Gewercke dieſer Uhr
Zeiget mir ein mehres noch. Selbſt das Uhr-Werck der
Natur
Wird mir, vor mein Seelen-Aug’, in der allgemeinen Welt
Als ein ungemeſſnes Uhr-Werck anzuſehen vorgeſtellt:
B bWor-
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Worauf die Planeten Scheiben, und zugleich auch Zeiger
ſeyn;
Als die uͤm den Mittel-Punct, uͤm der Sonnen Glut und
Schein,
Jn ſo unverruͤckter Ordnung, in ſo feſter Spur ſich drehn,
Daß ſie, uͤm die Zeit zu zeigen, unaufhoͤrlich richtig gehn.
Hier an dieſer Wunder-Uhr ſind nicht nur die Jahre
Stunden,
Und Minuten ieder Monat, Tag’ und Naͤchte nur Secun-
den;
Sondern, wenn wir unſerm Geiſt den verlangten Flug nur
laſſen,
Werden wir, wiewol erſtaunt fuͤr Vergnuͤgen, leichtlich
faſſen,
Es ſey, mit nie muͤdem drehn, auf der Sonnen Wunder-
Uhr
Der, in ſeinem Stand und Weſen, immer fluͤchtige Mercur
Gleichſam die Secunden-Scheibe; daß der Venus-Scheibe
Lauf
Die Secunden doppelt zeige; daß der Erden-Kreis darauf
Vier Secunden zeig’ und deute. Des entflammten Mar-
tis Schein
Scheint auch dieſe zu verdoppeln. Jupiter ſtellt wunderbar
Einen Zeiger der Minuten, ja ein eignes Uhr-Werck dar:
Da er ſelbſt, an ſeiner Scheiben, andre Scheiben wieder
zeiget,
Die, ob gleich faſt unerblicklich, doch ſo wunderbar, als
ſchoͤn;
Daß, wenn wir, bey heitren Naͤchten, ſie durch einen Tubum
ſehn,
Man ſich, voller Luſt und Ehr-Furcht, billig vor dem Schoͤp-
fer neiget.
End-
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Endlich daß Saturnus Scheibe, nebſt fuͤnf runden Neben-
Scheiben,
Die in nie verruͤckter Ordnung ſich beſtaͤndig uͤm ihn treiben,
Eine noch weit groͤſſre zeige. Da der Ring, der ihn uͤm-
ſchraͤnckt,
Nebſt ihm ſelbſt, in dreißig Jahren uͤm der Sonnen Licht ſich
lenckt,
Folglich zwo Minuten zeigt. Wer erſtaunt nicht, wann er
denckt,
An die Herrlichkeit und Groͤſſe dieſer Himmels Wunder-
Uhr?
Aber, Seele, weiter fort! unſre gantze Sonnen-Welt,
Alle Scheiben der Planeten ſind, trotz ihrer Groͤſſe, nur
Als ein einzigs Uhr-Werck uns, GOtt zum Lobe, vorgeſtellt.
Aber wie ſo viel ſind ihrer, die im Schooſſe der Natur,
Unſerm GOTT zur Ehre, gehn, und, die Ewigkeit zu
theilen,
Jn dem weiten Himmels-Saal ſo zur Pracht als Nutzen
eilen,
Ungehindert, unverruͤckt, mit ſo ſchrecklichem Gewicht!
HERR! wer zittert fuͤr erſtaunen, und fuͤr Luſt und
Ehr-Furcht nicht!
Wenn man ſich den tieffen Himmel, recht als einen weiten
Saal,
Wo, an ſtat Mobilien, Sonnen-Uhren ohne Zahl
GOTTES Thron und Wohnung ſchmuͤcken, vor der See-
len Augen ſtellt.
HERR Zebaoth! ew’ger Schoͤpfer! ach! wenn ich hieran
gedencke,
Deucht mich, daß ich mich am tieffſten in Dein Goͤttlich We-
ſen ſencke.
B b 2Jn
Uhr-Werck der Ewigkeit.
Jn der majeſtaͤtiſch-praͤchtig-herrlichen Jdee voll Licht,
Deucht mich, daß ich einen Blick in das Allerheiligſte,
Jn den Tempel Deiner Allmacht, mit halb ſeeligem Ge-
ſicht,
Voller Demuth, voller Sehn-Sucht, voller Lieb’ und Ehr-
Furcht richt’,
Und Dich himmliſchen Monarchen recht in Deiner Klarheit
ſeh.
Ja ſelbſt von der Ewigkeit, die aus Deinem Weſen quillt,
Zeiget der Gedancke mir ein nicht ungereimtes Bild.
HERR, wir ſehn, es ſind, vor Dir, Secula nicht nur Se-
cunden;
Sondern tauſend Jahre kaum. Wer begreifft denn Deine
Stunden!
Die
Die Sonnen-Bilder.
Die Sonnen-Bilder.
Juͤngſt, als die Nacht ſich kaum verborgen,
Ließ mich, im Herbſt, ein heitrer Morgen
Auf einmahl wunder-wunder-ſchoͤn,
Stat einer, ſieben Sonnen ſehn.
Aus ſieben Fenſtern auf einmahl
Fiel mir, im Wiederſchlag, ein ſiebenfacher Strahl
Durch einen gruͤnen Baum, der von der Blaͤtter-
Schaar
Schon guten theils entbloͤſſet war,
Mit hellem Funckeln, ins Geſicht.
Die wahre Sonne ſah’ ich nicht.
Jhr, durch ein ander Haus verdecktes, Licht
Stand ſchraͤge, ſo daß es dadurch den Winckel machte,
Und eben dieſen Glantz dadurch zu wege brachte.
Allein
Durch den verdoppelten, obgleich verkleinten Schein,
Erregte ſie in meiner Bruſt
Ein’ unausdruͤcklich ſuͤſſe Luſt.
Nicht nur die ſieben runden, hellen,
Durchs Laub ſo rund formirten Stellen
Durchdrungen mein Geſicht, mit einem hellen Blitze;
Es fuhr, aus ieder, eine Spitze,
Die ſich verbreitete in eine Menge Strahlen,
Die alle feurig bunt: wodurch denn ſonderlich
Ein ieglichs deſtomehr der wahren Sonne glich.
B b 3Der
Die Sonnen-Bilder.
Der Blaͤtter gruͤne Dunckelheit
Dient’ ihnen recht zum ſanften Grunde.
Es ward dadurch der Strahlen Herrlichkeit
Noch eins ſo ſehr erhoben und vermehrt:
So daß mein Hertz, fuͤr Luft, die es empfunde,
Faſt ſelber halb entzuͤckt ward und verklaͤrt:
Zumahl als ich, durch dieß ſo herrliche Gepraͤnge
Der Sonnen-Bilder, auf die Menge
Der wahren Sonnen, die die Tieffe
Von aller Himmel Himmel fuͤllen,
Mit einer frohen Achtung kam,
Und, ſo dadurch zu dencken, Anlaß nahm:
Da ein, im Wiederſchein nur bloß vervielfacht, Licht
Von einer Sonne, ſelbſt der Seele, durchs Geſicht,
Solch eine Luſt erweckt, ſo gar ihr inners ſchmuͤcket,
Erheitert und verklaͤrt, ja faſt entzuͤcket;
Jn welchem klarem Licht, in welchem hellen Glaͤntzen
Muß wunder-wunder-wunder-ſchoͤn
Die Tieffe ſonder Grund und Grentzen,
Wo Millionen Sonnen, ſtehn!
Wie muß im ſeelgen Himmel nicht
Doch aller Sonnen Sonnen-Licht,
Aus deſſen Gottheits-Meer, ſie, bloß als Tropfen, quillen,
Das (ſo wie unſrer Sonnen-Pracht
Die Coͤrper nur) die Geiſter ſichtbar macht,
Mit Goͤttlich hellem Glantz der Himmel Himmel fuͤllen!
Auf welch entzuͤckende beſeeligende Weiſe
Wird nicht an ſolchem Licht’, als ihrer Seelen-Speife,
Jn ſeelger Luſt, o Schoͤpfer! Dir zu Ehren,
Die Schaar der Seeligen ſich ewig ewig nehren!
Win-
Winter-Gedancken.
Winter-Gedancken.
Als unlaͤngſt eine Winter Nacht,
Jn welcher es, mit einer bittern Macht,
Und hefftig druckender Gewalt,
Auf Erden, in der Fluth, und in der Luft gefroren,
Mit ihrem Schatten ſich verlohren;
Erſtaunt’ ich, als ich die recht ſchreckende Geſtalt
Der ſtarren Welt, indem es ſtarck gereifft,
Und der gefrorne Dufft ſich uͤberall gehaͤufft,
Jn einem wilden Glantz’ erblickte.
Ein blendend Weiß bedeckt’ der Berg’ und Haͤuſer
Gipfel;
Ein rauher Schimmer fuͤllt’, uͤmgabe, druͤckt’ und ſchmuͤckte
Der ſtarren Baͤume Wipfel.
Man ſah, nicht ſonder Luſt, doch auch nicht ſonder Schrecken,
Derſelben Staͤmm’ und Zweig’ in weiſſen Rinden ſtecken,
Und dieſe eingehuͤllt durch ein ſo rauhes Mooß,
Daß ieder Wipfel, nicht wie ſonſten, Blaͤtter-los,
Und ihres Schmucks entbloͤſſt ſchien, und beraubet;
Sie lieſſen dick, und recht als waͤren ſie belaubet.
Kaum ſah man hie und dort, durch ſie, die duͤſtre Lufft,
Die, ſchwartz durch den verdickten Dufft,
Den Horizont faſt gantz bedeckte,
Und worin eigentlich der Grimm des Froſtes ſteckte.
Jndem ich dieſes weiß mit ſchwartz vermiſchte Grau,
Und in demſelbigen faſt ſichtbarlich die Wuth
Der allverſteinernden ergrimmten Kaͤlte ſchau,
B b 4Die
Winter-Gedancken.
Die wilde Rauhigkeit der Landſchafft uͤberlege,
Die fremde Daͤmmerung von Weiß und Schwartz erwege;
Brach durch dieſelbige, voll dunckel-rother Glut,
Der Morgen-Sonnen Licht.
Welch blitzend Feuer-Meer ergoß ſich dazumahl,
Befloß den luckern Reiff, fiel auf die glatten Spitzen!
Was fuͤr ein reiner Glantz, welch angenehmes blitzen
Drang durch das Aug’ ins Hertz! das allerreinſte Weiß,
Das allerreinſte Roth ſchien auf den ſtarren Buͤſchen,
Jn einem ſuͤſſen Glantz, der Leib-Farb, ſich zu miſchen.
Jch ſah’, als kleinen Staub, von reinen Berg-Cry-
ſtallen,
Den hart- und klaren Reiff, bald hie, bald da,
Jm rothen Sonnen-Strahl gemach herunter fallen,
Und wunderwuͤrdig lieblich ſpielen.
Jch fand, wie ich die Theilchen recht beſah,
Daß wircklich kleine Sternchen fielen;
Jndem recht ordentlich in ſechs-geeckten Spitzen
Die allermeiſten ſchimmernd blitzen.
Es fiel, bald an, bald durch des Reiffen zartes Eis
Der himmliſche Rubin. Wer dieſe Schoͤnheit nicht
Mit Anmuth ſieht, und Den nicht preiſet,
Der, auch zur Winters-Zeit, uns ſo viel Schoͤnheit wei-
ſet;
Der handelt wider ſeine Pflicht.
Jch fuͤhlte, vor ſo hellem Glantz und Licht,
Faſt die geringſte Kaͤlte nicht.
Und fand mich wenigſtens, dadurch gar ſehr geruͤhret,
Alſo zu dencken, angefuͤhret:
„Jch
Winter-Gedancken.
„Jch lobe Den, Der, auch im Froſt, die Welt,
„Trotz deſſen Grimm, noch zieret und erhaͤlt;
„Ja welcher, durch den Froſt, ſo gar der Erden nuͤtzt,
„Und, durch die Kaͤlte ſelbſt, uns fuͤr die Kaͤlte ſchuͤtzt.
„Da aus den ſumpfigen Moraſten man
„Das Holtz zum Feur, allein im Winter, ſchlagen kann.
„Noch mehr: die von der See beſpuͤhlten Laͤndereyen,
„Die von dem bittern Saltz zum Theil unfruchtbar ſeyn,
„Vermag der Froſt allein
„Von ihrem Mangel zu befreyen.
Ein ieder freue ſich demnach mit mir,
Und dancke, wie fuͤr alles, auch dafuͤr,
Daß GOtt auch das, ſo bloß uns ſcheint zu kraͤncken,
Zum Guten dennoch weiß zu lencken:
Und daß auch, wann die Welt uns recht zu ſchrecken ſcheinet,
Er wunderbar ſo Nutz als Pracht in ihr vereinet.
B b 5Noch
Noch andere Winter-Gedancken.
Noch andere Winter-Gedancken.
Wie hat es dieſe Nacht gereifft!
Mein GOtt! wie grimmig ſtarck muß es gefroren
haben!
Wie ſchwirrt und ſchreit, wie knirrt und pfeifft
Der Schnee bey iedem Tritt! Mit den ietzt traͤgen Naben
Knarrt, ſtockt, und ſchleppt der Raͤder ſtarres Rund,
Ja wegert gleichſam ſich, den kalten Grund,
Wie ſonſt, im drehen zu beruͤhren.
Faſt alles drohet zu erfrieren;
Faſt alles droht fuͤr Kaͤlte zu vergehn.
Wie blendend weiß iſt alles, was ich ſchau,
So wol in Tieffen, als in Hoͤhn!
Wie ſchwartz, wie dick, wie dunckel-grau
Hingegen iſt der gantze Kreis der Lufft!
Zumahl da das noch niedre Sonnen-Licht
Annoch nicht durch die Nacht des dicken Nebels bricht.
Es ſcheint ob koͤnne man, in einem greiſen Dufft,
Die Kaͤlte ſelbſt anietzt recht ſichtbar ſehn.
Sie faͤnget uͤberall ergrimmt an zu regieren.
Drey Elemente ſelber muͤſſen
Jhr ſchwer tyranniſch Joch verſpuͤhren,
Und deren Buͤrger all das ſtrenge Scepter kuͤſſen,
Der allem, was da lebt, Verlaͤhmung, Pein und Todt,
Ja ſelber der Natur den Untergang faſt droht.
Die durch den ſcharffen Froſt gepreſſte Lufft erſtarrt.
Die Fluht wird Eiſen-Feſt. Die Erde Felſen-hart,
Ja
Noch andere Winter-Gedancken.
Ja felſicht in der That. Wenn man wol eh gehoͤrt,
Daß gantze Staͤdte ſich in Stein verkehrt,
Erſtaunet man darob. Dieß iſt erſtaunens wehrt,
Daß nicht nur alles ſich faſt in der That
Jn Stein verwandelt hat,
Und alles, was man ſieht, ein ſtarres Schreck-Bild weiſet;
Nein, daß, wie durch Erfahrung ja bekannt,
Durch unſers Schoͤpfers Allmachts Hand
Sich alles wiederuͤm entſteinet und enteiſet.
„Nimm doch GOttes weiſe Macht
„Der die Creatur genieſſet,
„Hier aufs nen im Eiſ’ in Acht!
„Trotz deſſelben Haͤrtigkeit,
„Hat es die Beſchaffenheit,
„Daß es ſchmiltzt und ſchnell zerflieſſet.
„Waͤr es anders; koͤnnt’ auf Erden,
„Mitten in der Sommers-Zeit,
„Nichts gepfluͤget, noch beſaͤet,
„Nichts geduͤnget, nichts gemaͤhet,
„Nichts zum muͤrben Boden werden;
„Und es wuͤrd’ in ſolcher Wuͤſte,
„Weder Gras noch Laub entſtehn:
„Folglich muͤſte
„Alles, was da lebt, vergehn.
„Ach! ſo nimm, o Menſch, in Acht,
„Wie des weiſen Schoͤpfers Macht,
„Uns zum Nutz, und Jhm zum Preiſe,
„Auf ſo wunderbare Weiſe,
„Jn
Noch andere Winter-Gedancken.
„Jn dem Felſen-gleichen Eiſe
„Welches Er hervorgebracht,
„Den Verband ſo ſproͤd gemacht.
Jndeß erzittert ietzt fuͤr’s Froſtes Grimm, und bebet
Was in den Luͤfften fleucht, und was auf Erden lebet.
Es ſchneidet recht der Froſt, er klemmt, er ſticht und druͤ-
cket,
Ja greiffet Haut und Fleiſch, ſo ſcharff, ſo hefftig an,
Daß es kein Coͤrper leicht erdulden kann;
Jndem er ihn offt brennt, offt gar erſticket.
Doch ſetzet GOtt des wilden Wuͤtrichs Wuth,
Zu einer Linderung, nicht nur die rege Glut,
Und einen warmen Peltz entgegen;
Es ſteckt ſo gar, bloß im Bewegen,
Ein wolfeil Mittel, das uns nuͤtzet,
Das auch den duͤrftigen beſchuͤtzet,
Jhm die zu hefftige Gewalt des Froſtes mindert,
Und die, dadurch ihm ſonſt erregte, Schmertzen lindert,
Ja gar den kalten Tod,
Den ein zu ſtrenger Froſt ihm oͤffters droht,
Durch offnen Weg der Duͤnſte, von ihm treibet.
Wann aber doch die Schmertzen und die Plagen,
Die langer Froſt erregt, kaum moͤglich zu ertragen;
So wolleſt Du, o GOTT, dich dieſer Zeit der Armen,
Die ſonder Feuer, Koſt und Kleid ſind, doch erbarmen!
Laß
Noch andere Winter-Gedancken.
Laß aber, lieber Menſch, auch du, ſo viel an dir,
Dein Hertz zum Mittleid doch bewegen:
Damit dein Liebes-Feur dein armer Naͤchſter ſpuͤhr:
Komm, lindre ſeine Noth, mit deinem Segen:
Such ihm in ſcharffem Froſt ein Labſal zu bereiten,
Damit, wie Hiob ſpricht, auch ſeine Seiten,
Wenn ſie durch deine Huͤlff erwaͤrmt, dich preiſen,
Und ſo, durch dich, dem Schoͤpfer Danck erweiſen.
Aber-
Abermahlige Betrachtung
Abermahlige Betrachtung Goͤttlicher
Groͤſſe im Kleinen.
Da unſer Schoͤpfer in dem Groſſen, und auch im Klei-
nen, kurtz: in allen
Unendlich gegenwaͤrtig iſt, als worin unſers Geiſtes Augen
Jhn, wenn wir ſie vernuͤnftig brauchen, zu ſehen und zu
finden taugen;
So iſt vor allen Dingen noͤthig, von GOTT im Kleinen
auch zu lallen,
Und, uͤm den Ruhm von Seiner Allmacht an allen Orten
zu vermehren,
Die Groͤſſ’ im Kleinen auch zu ſehn. Denn, wenn wir
Jhn, im Kleinen, ehren,
Geſchicht es oͤffters, als im Groſſen: Man trifft es allent-
halben an:
Denn es iſt auf der Welt kein Kraut, kein Gras, kein
Stengelchen, kein Laub,
Kein faſt unſichtbar Koͤrnchen Sand ſo klein, ja nicht ein-
mahl ein Staub,
Das uns nicht viel, in ſeinem Weſen, von eines Schoͤpfers
Weſen, lehren,
Jhn unſerm Geiſte deutlich zeigen, und Seine Macht uns
weiſen kann,
Die allen menſchlichen Verſtand, auch ſelber in der
Kleinigkeit,
Nur bloß allein durch ihre Menge, beſiegende Beſchaffen-
heit,
Die
Goͤttlicher Groͤſſe im Kleinen.
Die alle Zahlen uͤbertrifft, erheitert, und beweiſet mehr,
Zu des Allmaͤchtgen Schoͤpfers Ruhm, und zu Vermehrung
Seiner Ehr;
(Als wie der menſchliche Verſtand zu Anfangs glaubt, und
als wir meinen;)
Ein’ unausſprechlich’ unermeßlich’ Anbetungs-wuͤrdge
Groͤſſ’ im Kleinen.
Wo iemand dieß verneinen wolte; der uͤberlege dieß:
die Erde
Die weite Lufft, das tieffe Meer beſtehn, trotz ihrer Groͤß’
und Schwerde,
Aus Sand, aus Theilchen, und aus Tropfen. Nun ſteckt im
Kleinſten auch die Krafft
Die Wirckung, die Natur, das Weſen, und eben ſo viel
Eigenſchaft
Als wie im allergroͤſſeſten: Jn dem die Groͤſſ’ aus der Ver-
mehrung
Der kleinen Theil’ allein beſteht. Verdient daher die
Schoͤpfungs-Macht
Der kleinſten Erd- und Waſſer-Theilchen, gewiß nicht weni-
ger Verehrung,
Nicht weniger Bewunderung, als wie das Groͤſte was wir
ſehn:
Weil, wie geſagt, die groͤſten Coͤrper aus Theilchen bloß
allein beſtehn.
Daher ich, wenn ich offtermahls an einem ſtrengen
Strohme ſtehe,
Und ſeine rege Waſſer-Laſt ſich immer vorwaͤrts weltzen
ſehe;
Zwar
Abermahlige Betrachtung Goͤttlicher ꝛc.
Zwar ob des Coͤrpers Groͤſſ’ erſtaune, und in der groſſen
Creatur,
Beſchaffenheit, Bewegung, Nutzen, von Jhres Schoͤpfers
Allmachts-Spur
Ein uͤberzeugend Lehr-Bild finde; iedoch zugleich auch
uͤberlege,
Wie auch das allerkleinſte Troͤpfchen bewunderns-wehrte
Kraͤffte hege.
Ach! laß, geliebter Menſch, forthin, mehr als bisher,
die Wunder-Kraͤffte,
Die uͤberall den Schoͤpfer zeigen, in Feuer, Waſſer, Lufft
und Erden,
Dein Freuden-reicher Gottes-Dienſt, und dein erbaulichſtes
Geſchaͤffte,
Zu des allgegenwaͤrtgen GOttes Bewunderung und Lobe,
werden!
Eine
Eine Art Aloe.
Eine Art Aloe.
Wenn and’re Bluhmen welck, und matt und Krafft-los
werden,
So biegen ſie das Haupt, und ſencken ſich zur Erden.
Doch dieſe hub, ſo bald ſie ihre Krafft verlohr,
So bald ſie welckete, ihr lechzend Haupt empor.
Kaum ſah’ ich dieß, ſo dacht ich: liebſte Bluhme,
Du bluͤheteſt nicht nur zu deines Schoͤpfers Ruhme;
Du bluͤheteſt auch nicht fuͤr mich vergebens.
Du ſollt, am Ende meines Lebens,
Mit GOttes Huͤlffe mir, ſelbſt in der Todes-Pein,
Auch ein belehrend Lehr-Bild ſeyn.
Jch will mich dann, wie du, beſtreben,
Mich von der Erde zu erheben,
Und, ſonder mehr an das, was irdiſch, zu gedencken,
Mich von der Welt empor, und Himmel-waͤrts zu lencken.
Mein GOTT, wann ich dereinſt von hier zur Ruhe
gehe,
So gieb, daß, wie es ietzt von mir, auch dann geſchehe!
C cDas
Das Norder-Licht.
Das Norder-Licht.
Wie iſt es doch ſo hell? was iſt es fuͤr ein Licht,
Das, da der Mond nicht ſcheint, durch dunckle
Schatten bricht?
So dacht ich, als ich juͤngſt, faſt mitten in der Nacht,
Aus meinem Fenſter ſah. Doch wie ward mir zu Muth,
Als mein beſtuͤrtzter Blick ſich in die Hoͤhe zog,
Und, daß ein’ allgemeine Gluth
Durch alle Himmels-Theile flog,
Recht mit Entſetzen fand!
Offt fliegt ein ſchneller Rauch, offt laͤſſts, als ob von
Schnee
Jch, Streiffen-weiſ’ ein duͤnn Geſtoͤber ſeh.
Es blitzt’, es ſtrahlt’, es ſchoß
Ein wildes Feur durchs gantze Firmament.
Ein wallend Flammen-Meer ergoß,
Mit einem dicken Schwall,
Sich wie ein Blitz offt uͤberall.
Offt ſchien die ſchnelle Fluth zertrennt
Jn groſſen Stroͤmen fortzueilen;
Bald waren Gluth und Fluth verſchwunden;
Die aber, wie der Blitz, geſchwind aufs nen entſtunden,
Aufs neue wuͤteten, mit Strahl- und Feuer-Pfeilen
Begleitet und vermengt. Ein fuͤrchterliches Wittern,
Ein unbeſchreiblich ſtreng, offt wiederhohltes, Zittern
Erſchuͤtterte, nebſt allen Himmels-Theilen,
Auch
Das Norder-Licht.
Auch mein beklemmtes Hertz. Denn ob mir gleich der
Brand,
Daß es das Norder-Licht, nicht unbekannt;
So war iedoch das ſtrahlende bewegen
Des gantzen Firmaments ſo hefftig; daß ich mich
Zu dencken, wie hier folgt, nicht kunnt’ entlegen:
Wie iſt mir? ſchwindelt mir? zertheilet ſich, zerfaͤllt
Der gantze Bau der Ober-Welt?
Lodernde Flammen mit wallenden Blitzen,
Fliegende Duͤffte, voll ſtrahlender Spitzen,
Circkeln ſich, wirbeln ſich, ſchieſſen zuſammen;
Leuchten und ſchrecken, verſchwinden, entſtehn,
Wallen und wittern, erſcheinen, vergehn.
Allein:
Dort zeigt ſich gar ein bunter Blitz und Schein.
Gelb, feurig, gruͤn und blau
Faͤrbt ſich ein Flammen-Heer.
Es ſchrecket und ergetzt zugleich, die bunte Gluth.
Recht wie die Wellen ſich, in einer wilden Fluth,
Beſtuͤrmen, freſſen und verdringen;
So ſieht man hier, im bunten Feuer-Meer,
Die regen Flammen ſich verſchlingen.
Was aber mag doch wol der Schein
Recht eigentlich, und was die Urſach ſeyn?
Auf! auf! mein Geiſt, du muſt dich aufwaͤrts ſchwingen!
Beſtrebe dich, mit Ehr-Furcht, in die Tieffe
Der wirckenden Natur zu dringen,
Zu unſers Schoͤpfers Preiſ’; uͤm auch in dieſen Dingen
Sein’ Allmacht, Seine Lieb’ und Weisheit zu beſingen.
C c 2Dieß
Das Norder-Licht.
Dieß wird, wenn auch ein Fehl mit unterlieffe,
Jhm hoffentlich doch nicht zuwieder ſeyn.
Es ſcheinet zwar von dieſem Lufft-Geſichte,
Worauf ich nun mein dencken richte,
Die Urſach dieſe: Wenn die Nacht
Auch noch ſo ſchwartz, ſo dunckel und ſo dicht;
So iſt dennoch, vom Sonnen-Licht
Und ihrer immer hellen Pracht,
Das gantze Firmament beſtaͤndig angefuͤllt:
Ob gleich der Schatten unſrer Erden,
Der, durch die Dichtigkeit derſelben, uns uͤmhuͤllt,
Das Licht nicht laͤſſet ſichtbar werden,
Als welches, ſonder Gegenſchlag,
Auf unſer Aug’ zu wircken nicht vermag.
Daher nun kommt es mir
Nicht unwahrſcheinlich fuͤr,
Daß etwa Duͤnſte ſich zu ſolcher Hoͤh’ geſchwungen,
Daß ſie den Schatten durchgedrungen,
Den unſer Erd-Kreis macht: wodurch ſie, von dem Schein
Des Sonnen-Lichts ſo dann getroffen, ſichtbar ſeyn.
Allein,
Weil dieſes gar zu fern, faͤllt mir ein’ Urſach ein,
Die naͤher iſt. Vielleicht kann dieſes Licht entſtehen
Aus Duͤnſten, die voll Saltz, und die den Theilchen gleich,
Die wir im ſaltzen Waſſer-Reich
Jm dunckeln ſchimmern ſehen.
Des Windes Hefftigkeit, die ſie zuſammen treibet,
Und dadurch an einander reibet,
Verrichtet das vielleicht, was in des Meeres Fluth
Durch ſtrengen Druck ein Ruder thut.
Daß
Das Norder-Licht.
Daß aber dieſe Gluth ſo ſchnell, ſo hefftig gehet,
Kommt ſonder Zweifel wol daher,
Daß in dem groſſen Raum, wo alles leer,
Nichts ihrem Triebe wiederftehet.
Wer weiß, ob aus dem Nord-Pol nicht
Ein Dufft-Fluß unaufhoͤrlich bricht,
Und uͤm den Kreis der Erden flieſſet?
Der (wie man am Magnete ſieht,
Den man in Loder-Aſche leget,
Um den die Aſche ſich beweget,
Und gleichſam Oſt- und Weſt-waͤrts flieht)
Beſtaͤndig Oſt- und Weſt-waͤrts ſchieſſet;
Und daß, nur zu gewiſſer Zeit,
Und Umſtaͤnd, in der Lufft, der Dufft zur Sichtbarkeit,
Durchs Sonnen-Licht beſtrahlt, gelange.
Aufs mindſte giebt es uns mit Recht zu uͤberlegen,
Was fuͤr Veraͤndrungen, was fuͤr Bewegen
Offt in der Lufft gewircket werden muͤſſen,
Wovon wir hier nicht das geringſte wiſſen.
Jedoch, es ſey auch was es ſey,
Hat iemand beſſere Gedancken,
So ſtimm’ ich ihnen gerne bey:
Es iſt mein End-Zweck nicht, zu zancken;
Rein, ſondern aus dem Glantz, dem wir im Nord-Licht
ſchauen,
Nebſt andern, mich, zum Ruhm des Schoͤpfers, zu er-
bauen.
Unglaublich iſt, was dieſe Norder-Fluth
Fuͤr Nutzen und fuͤr Dienſt, im duncklen Norden thut.
C c 3Da
Das Norder-Licht.
Da in den langen Finſterniſſen
Die Menſchen heller noch, als wie vom Monden-Schein,
Durch dieſes Lufft-Geſicht, erleuchtet ſeyn.
Wer wird aufs neu hieraus nicht anerkennen muͤſſen,
Daß eine weiſe Macht den Bau der Welt formirt;
Daß eine weiſe Macht denſelben noch regiert;
Und daß, wenn wir als Menſchen leben wollen,
Wir dieſe weiſe Macht, voll Andacht, preiſen ſollen.
Wir laſſen denn zugleich, da wir die Wahrheit finden,
Bey dieſer nuͤtzlichen und ſchoͤnen Norder-Gluth
Mit Recht forthin den eitlen Schrecken ſchwinden,
Und loben Den, der in der Luͤffte Gruͤnden,
Auf Erden, in des Meeres-Fluth,
An allen Enden Wunder thut.
Doch wollen wir zugleich die Macht des HERRN der
Sternen,
Bey ſolchen Wundern, fuͤrchten lernen.
Noch
Noch einige Winter-Betrachtungen.
Noch einige Winter-Betrachtungen.
Die Baͤume ſind ietzt weiß, ein ieder Aſt,
Ja auch der kleinſte Zweig, traͤgt eine Flocken-Laſt,
Wodurch, was biegſam, tieff gebogen abwaͤrtz haͤnget.
Doch reiſſet offt der wilde Nord
Die weiſſe Buͤrde mit ſich fort,
Und ſtreuet ſie, mit Schloſſen untermenget,
Ergrimmet uͤberall. Es raſſelt recht und ziſcht,
Wann er was hartes trifft. Der Schnee, gepreſſt, ge-
drenget,
Fliegt in der grauen Lufft, als wie ein weiſſer Schmauch,
Hier wie ein weiſſer Schaum, dort wie ein weiſſer Rauch,
Mit weiſſem Staub vermiſcht.
Dem folget bald ein Heer von luckern Flocken wieder,
Die ſchweben, wann es ſtill, gemaͤhlig auf und nieder:
Wovon, wann viele ſich allmaͤhlig aufwaͤrts ziehn,
Viel’ Oſt- und viele Weſt-waͤrts fliehn.
Des krummen Wandrers Haar wird, durch den rauhen
Reiff,
Beeiſet, weiß und ſteiff.
Haͤlt gleich der Schnee das Land, das Eis die Fluth
begraben,
Ja ſtuͤrmt und ſchnaubt der Nord, wie er ietzt oͤffters pflag;
Erinner’ ich mich doch, offt manchen ſchoͤnen Tag
Jm Winter auch erlebt zu haben.
C c 4Der
Der geſtirnte Baum.
Der geſtirnte Baum.
Die Zweige, welche ſonſt durch gruͤnes Laub verdecket,
Sind auch anietzt aufs nen verſtecket.
Ein rauher Reiff, der alles ietzt erfuͤllet,
Hat auch die kleinſten Zweig’ uͤmgeben und verhuͤllet;
So, daß der Baͤume Wipfel ſich
Jn ihren groſſ- und kleinen Zweigen,
Abſonderlich von weiten, eigentlich,
Als waͤren ſie aufs neu belaubet, zeigen:
Zumahl wenn ſich der Reiff mit Sternen-foͤrm’gen
Schnee,
Der mit den Spitzen ſich an ſeine Theilchen haͤnget,
Und ihn dadurch noch luckrer macht, vermenget.
Jch habe ſolchen Baum einſt Wunder-Wunder-ſchoͤn,
Jn einer Winter-Nacht, geſehn:
Als der entwoͤlckte Mond auf die gefrornen Spitzen,
Jndem es eben ſtarck gereifft,
Und der gefrorne Schnee ſich uͤberall gehaͤufft,
Mit hellem Schimmer fiel. Man ſah’ ein helles blitzen
So kraͤfftig, ſtarck und hell, daß ſie nicht anders ſchienen,
Als Sterne erſter Groͤſſ’ an den Sapphirnen Buͤhnen.
Jch ward recht in der That dadurch betrogen.
Denn, wie ich mein Geſicht von unten aufwaͤrts wandt’,
Um, durch den Baum, des Himmels blauen Bogen
Bewundernd anzuſehn, und ihn voll Sterne fand,
Die
Der geſtirnte Baum.
Die ich ſonſt nie geſehn; erſtaunt ich, bis ich klar
Erblickte, wie die glatten Spitzen
Vom hart gefrornen Schnee, mit einem hellen blitzen,
Der neuen Sternen Urſprung war.
Zwar wird mein Auge faſt, in dieſem hellen Schein,
Geblendet und verwirrt; allein
O groſſes All! Ach! laß die Creatur
Uns offt, wann wir mit Luſt derſelben Schmuck verſpuͤhren,
Auf ſolche Art verwirrt, auf die gewuͤnſchte Spur
Von Deiner Wunder-Groͤſſe, fuͤhren!
C c 5Das
Das Eis.
Das Eis.
Ach nimm, o Menſch, des Schoͤpfers Lieb und Macht,
Der iede Creatur, mehr als man glaubt, genieſſet,
Am ſchroffen Eiſ’ aufs neu in Acht!
Da es, trotz ſeiner Haͤrtigkeit,
Doch von ſo ſeltener Beſchaffenheit,
Daß es gar leicht zerſchmeltzt und ſchnell zerflieſſet.
Wenn, da es Felſen-hart, es Felſen-gleich auch
waͤhrte,
Und es die Waͤrme nicht ſo leicht zerſtoͤhrte;
Welch Elend wuͤrde nicht im Waſſer, auf der Erden,
Von ieder Creatur empfunden werden!
Wenn ihr demnach, wie ſchnell das haͤrteſt’ Eis zergehet,
Und durch des Zephirs Hauch zu Waſſer wird, erſehet,
Auch wie die Haͤrte ſich ſo leicht entſteinet;
Ach ſo gedenckt dabey:
Daß dieß, mehr als man leider meinet,
Ein Wunder-Werck des weiſen Schoͤpfers ſey.
Ge-
Gedancken uͤber Treib-Eis.
Gedancken uͤber Treib-Eis.
So wie ein ſchneller Blitz, aus fahrender Caroſſen
Beſtrahltem Spiegel-Glaſ’, uns ſchnell ins Ange
faͤllt;
So blitzt ein glattes Eis, wenn es die Sonn’ erhellt,
Und es im regen Fluß gemach herab gefloſſen.
So wie in einer heitern Nacht,
Wann alles durch der Schatten Heer verdunckelt,
Ein Stern der erſten Groͤſſ’, in einer reinen Pracht,
Mehr Blitzt und ſtrahlt, als glaͤntzt und funckelt;
So ſcheinen offt beſtrahltes Eiſes Schollen,
Wenn ſie im ſchweren Strohm beweglich vorwaͤrts rollen,
Bey Tag’ ein ſtrahlendes Geſtirn zu ſeyn.
Welch heller Glantz, der mir ins Auge ſteigt,
Aus dieſem in die Hoͤh’ geſchobnen glatten Eiſe,
Mir, ihres Schoͤpfers Macht zum Preiſe,
Die Herrlichkeit des Lichts der Sonnen zeigt.
Der
Der ſchimmernde Schnee.
Der ſchimmernde Schnee.
Es war die ſtarre Welt im Eiſ’ annoch verſtecket;
Es hatte ſie annoch der weiſſe Schnee bedecket,
Als welcher uͤberall noch lag;
Da ich an einem heitern Tag’,
Um auch, zu GOTTES Ruhm, an ſtat des gruͤnen,
Des weiſſen Schmucks der Welt mich froͤhlich zu bedienen.
Mich auf das Land verfuͤgte:
Woſelbſt ich tauſend Dinge fand,
An welchen ich mich ſehr vergnuͤgte.
Es zeigt der weiſſe Schnee, der duncklen Aeſte,
Verworrne, ſtarre, krumme Knaͤſte,
Viel deutlicher, als ſonſt. Das aller kleinſte Reis
Erſcheinet ietzt, da ſonſten alles weiß,
Durch ſeine braune Dunckelheit,
Da es nicht gantz bedeckt, in ſolcher Deutlichkeit,
Daß alle Baͤume ietzt an Zweigen reicher ſcheinen:
Dadurch ſieht alles rauch und kraus,
Verwirrt und wild, und dennoch lieblich aus.
Denn in der falben duͤſtern Lufft
Scheint ieder Wipfel ietzt
Ein Silber-weiß Gewuͤlck, ein heller Dufft.
Am Taxus, der bereifft, ſcheint nicht nur ieder Aſt,
So gar ein iedes Blat, in Silber eingefaſſt.
Er gleicht dadurch, daß gruͤn und weiß ſo ſuͤß ſich miſchen,
Von weitem, gruͤn-und weiſſen Feder-Buͤſchen.
Hier ſencket ſich das Licht in rauhen Schnee hinein,
Und zeugt ein reines weiß; dort ſieht mans ruͤckwaͤrts prallen,
Und,
Der ſchimmernde Schnee.
Und, weil die Flaͤche glatt, mit einem hellen Schein,
Als wie von klaren Berg-Cryſtallen,
Uns blendend in die Augen fallen:
Wozwiſchen oͤffters kleine Hoͤhen,
Die, weil der Schnee von ihnen abgeleckt
Und abgeſchmoltzen war, entdeckt,
Bald ſchwartz, bald gruͤnlich braun zu ſehen,
Von welchem Kraut und Gras, ſo noch auf ihnen ſtund.
Da alles denn, in einer wilden Pracht,
Durch die Veraͤnderung, die Landſchaft dennoch bunt,
Und, in dem Wechſel, lieblich macht.
Jch gieng im Garten auf und nieder,
Und druͤckt auf hartem Schnee die Fuß-Spur hin und wieder,
Mit ſanftem knirſchen, ein.
Die ferne zwar annoch, doch unbewoͤlckte Sonne
Beſtrahlte Schnee und Eis mit einem hellen Schein,
Und meinen Geiſt mit ungemeiner Wonne.
Wie glaͤntzte, blitzt’ und funckelte
Der angeſtrahlte Schnee!
Kaum ſiehet man ſo klar, ſo rein,
Den Glantz von Diamanten glimmern,
Als, in bald weiß-bald buntem Schein,
Jm Schnee viel tauſend Stellen ſchimmern.
Jch ſahe dieß mit Luſt, doch auch mit Andacht, an,
Und dachte billig nach: Was kann
Von dieſer Schoͤnheit ſonſt die Urſach ſeyn,
Als das gewuͤnſchte Licht der Sonne bloß allein?
Die alles auf der Welt mit Glantz und Schoͤnheit fuͤllt.
Ja da ich es genau beachte,
Und mit geſchaͤrfftem Blick den Schimmer recht betraͤchte,
So
Der ſchimmernde Schnee.
So zeiget mir das helle blitzen
Von ſo viel hundert tauſend Spitzen,
Womit der Boden gantz erfuͤllt,
Jn ieder Spitz’ ein kleines Sonnen-Bild.
Es fiel hiebey mir ferner ein:
Jch kann in allen Schnee-und allen Eiſes-Ecken
Der Sonnen himmliſch Bild entdecken:
Wie ſteht es denn dabey uͤm dich, mein Hertz?
Wirſt du zum Schoͤpfer uͤberwaͤrts,
Jn froͤhlicher Bewunderung, dich lencken,
Und Sein im dancken offt gedencken;
So wirſt du andern auch in deiner Tugend Schein
Der ew’gen Sonnen Macht-und Weisheits-Spiegel ſeyn,
Jndem ich nun den angeſtrahlten Schnee
Noch eins aufmerckſam uͤberſeh,
Vergnuͤg’ ich mich noch immer mehr und mehr
An ſeiner Blitze Glantz: und kommt es mir,
Als wie ein weiſſes Firmament,
Woran ein kleines Sternen-Heer,
Jn einem hellen Schimmer brennt,
Bey hellem Tage fuͤr.
Wie dieſe Sternchen nun, wie ungezehlt ſie ſeyn,
Den Wunder-ſchoͤnen Glantz und Schein
Doch nur von einer Sonn’ empfangen;
Auf gleiche Weiſe kann man finden,
Daß aller Sternen Heer’ ins Himmels Abgrunds-Gruͤnden
Von einer ewgen Sonn’, von GOTT allein
Das Weſen und den Glantz erlangen.
Be-
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Betrachtung einer ſonderbar-ſchoͤnen
Winter-Landſchaft.
Wie juͤngſt ein tieffer Schnee gefallen,
Und gleich ein Regen drauf; bald aber wiederuͤm
Ein ſchneller Froſt entſtand; erſtarrt’ vor deſſen Grimm
Der Schnee, der eben ſchmoltz. Da ſchien nun wie Cry-
ſtallen
Der Baͤume glatte Schaar,
Die faſt im Augenblick als wie beharniſcht war.
Es wurden Wunder-ſchnell ſo groſſ-als kleine Sproſſen,
Von einem halb bereits erſtarrten Raß, befloſſen,
Und ringsuͤm eingefaſſt und eingeſchloſſen.
Sie waren gantz mit klarem Eis bedecket:
Das allerkleinſte Zweiglein ſtecket
Jn einer Eis-Cryſtallnen Stangen,
Die ſieben mahl ſo dick, als wie es ſelbſt. Daher
Die Aeſte denn, dieweil das Eis ſo ſchwer,
Gebogen all’ herunter hangen.
Wodurch der Baͤume Heer
Den Palmen an Figur, an Glantz den Leuchter-Cronen
Von reinem Berg-Cryſtall, die hell polirt ſind, glich.
Die gantze Landſchaft ſah daher verwunderlich,
Hell, praͤchtig, herrlich aus. Zumahl
Wie bey dem Untergang der niedre Sonnen-Strahl
Jn, durch, und an die klare Glaͤtte fiel.
Es iſt faſt auf der Welt kein ſchoͤner Augen-Ziel.
Der Glantz, den Koͤnig’ oder Kaiſer
An Koſtbarkeiten zeigen koͤnnen;
Sind nichts bey dieſem Glantz zu rechnen, nicht zu nennen.
Ein
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Ein Wald von Berg-Cryſtall voll Diamantner Reiſer
Sind uͤberall zur Schau geſtellt.
Ein Dresdniſch gruͤn Gewoͤlb war ietzt die gantze Welt:
Weil nichts als ſpielende Briljanten,
Als ſchuͤtternde geſchliffne Diamanten,
So weit man ſah, zu ſehn.
Jch muſte hier iedoch der Menſchen Meinung lachen,
Die ſo viel Prahlerey von Edelſteinen machen.
Wie leicht kann, dacht ich, die Natur
Juwelen uͤberall bereiten!
Die Haͤrte fehlet ja dem Eiſe nur,
So hat es alle Koſtbarkeiten,
Pracht, Schimmer, Waſſer, Feur und Schein,
Und alle rare Seltenheiten,
Die im ſo hoch geſchaͤtzten Demant ſeyn.
Man ſtell ſich einen Saal, voll Leuchter an der Wand
Von oben gantz herab, von allerhand
Bald rund-, bald eckigten Corallen
Von klaren Berg-Cryſtallen,
(Jn deren rein-geſchliffnen Spitzen
Viel tauſend helle Kertzen blitzen)
Einſt in Gedancken vor; ſo wird der bunte Schein
Doch ſchwach, bey dieſem Glaͤntzen, ſeyn,
Das auf der Erd’ ietzt allgemein.
Da alle Baͤume, alle Huͤgel,
Wie Leuchter-Cronen, helle Spiegel,
Die ſelbſt der Sonnen Wunder-Strahl
An allen Orten trifft, bemahlt, durchdringet, ſchmuͤcket,
Jm ungemeſſnen Erden-Saal,
Jn
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Jn einem hellen Glantz und Schein
Erſtaunlich anzuſehen ſeyn.
Es wird mein Auge faſt entzuͤcket,
Da ich zur ſelben Zeit, im Garten, die Allee
Auf gleiche Weiſe,
Durch den ſo ſchnell geſchmoltznen Schnee,
Jn einem hell beſtrahlten Eiſe,
Nicht ſchimmern, feurig funckeln ſeh.
Sie war nicht anders anzuſchauen,
Als wie ein Weg, den man, im Bergwerck, aus Juwelen
Und Diamanten ausgehauen.
Wenn man durch flieſſenden geſchmoltzenen Cryſtall
Die Baͤume gantz gezogen haͤtte;
So koͤnnten ſie in einer hellern Glaͤtte,
Als wie ſie damahls uͤberall,
Unmoͤglich funckeln, blitzen, glaͤntzen.
Mein Leſer, glaube nicht, daß mein erzehlen
Zu weit ſey ausgedehnt. Es iſt wahrhaftig wahr.
Und bin ich nicht geſchickt,
Daß es, durch meinen Kiel, hoch, praͤchtig, aͤhnlich, klar
Und ſchoͤn genug wird ausgedruͤckt.
Doch hab ich auch den Froſt ſo gar ausnehmend ſchoͤn,
Nur bloß ein einzigs mahl, geſehn.
Jedoch muß ich dabey geſtehn:
Daß alle Schoͤnheit doch ein Etwas, welches wild,
Und rauh, und fuͤrchterlich, zugleich uns zeigte.
Denn da ein ieder Baum ſich gantz herabwaͤrts beugte,
War Weg und Steg verſperrt. Hieruͤber fiel mir ein:
Wie muß doch dem zu muthe ſeyn,
D dDer
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Der ietzt durch Waͤlder reiſen muß?
Jch ſtellte mir
Davon viel graͤßliches und ſehr gefaͤhrlichs fuͤr.
Doch haſt du bald darauf, gelehrter Clodius,
Den eben, uͤber mein Verhoffen,
Dieß Ungemach betroffen,
Es mir weit ſchrecklicher, als ich mir, vorgeſtellt.
Kurtz: wircklich war, zu dieſer Zeit, die Welt
Mit Schoͤnheit und Gefahr, mit Luſt und Laſt erfuͤllt.
Sie war ein lieblich Schrecken-Bild.
Entſetzlich angenehm, erſchrecklich ſchoͤn
(Man ſage, was man will) war alles anzuſehn.
Des Eiſes ſchoͤner Glantz, das, durch die ſchwehre La
So manchen Aſt
So ſehr beſchwehrt’, und abwaͤrts beugte,
Ja viele gar zerbrach, zerknickte,
Und manchen gantzen Baum ſo gar zur Erden druͤckte,
War mir nicht nur ein Beyſpiel mancher Schoͤnen,
Die offt durch eigner Schoͤnheit Pracht
Zu Ungluͤck koͤmmt, und wird zu Fall gebracht:
Es ließ zugleich dieß lieblich rauhe Weſen,
Vom Zuſtand unſrer Welt, mir eine Lehre leſen:
Wie in ſo ſchoͤnem Froſt ſich Pein und Schein vereine
Und unſer Aug’ erſchrecket und erfriſcht;
So iſt mit Gutem auch das Boͤſe ſtets vermiſcht.
Daher, was jener ſagt, die Wahrheit, wie es ſcheinet:
„Jm Himmel, ſpricht er, iſt vollkommne Seeligkeit,
„Und in der Hoͤlle nichts als Quaal,
„Auf Erden bindet ſich hingegen Luſt und Leid
„Faſt allemahl.
Ver
Betrachtung einer Winter-Landſchaft.
Vergeht nun gleich des Winters ſchoͤner Schimmer
Viel eh noch, als die Unbequemlichkeit;
So waͤhrt doch auch der ſcharffe Froſt nicht immer.
Es jagt ihn, ſammt dem kalten Rord
Zu rechter Zeit der frohe Fruͤhling fort.
Daruͤm verzweifle nicht, wenn rauhe Winde wehn,
Doch ſey auch nicht zu ſtoltz, wenn alles ſtill und ſchoͤn!
Vielmehr gedenck, ſowol im Sturm, als in der Stille:
Es muß ſo ſeyn, es iſt des Schoͤpfers Wille.
Laß dich den Glantz zum Troſt, den Froſt zur Demuth brin-
gen,
Und dencke: wunderbar iſt GOTT in allen Dingen.
D d 2Kuͤnſt-
Kuͤnſtliche Structur der Blaͤtter.
Kuͤnſtliche Structur der Blaͤtter.
Jch habe juͤngſt ein Eichen-Blat gefunden,
Das, durch der kleinen Wuͤrmer Schaar,
So kuͤnſtlich ausgefreſſen war;
Daß alle Aederchen darin in netter Ordnung ſtunden.
Unzehlig war der zarten Gaͤnge
Veraͤndrung, Unterſchied und Menge.
Es kam dieß Blat mir recht natuͤrlich vor,
Als wie der allerzaͤrtſte Flor.
Man kunte nun, wie ſie ſo zierlich, zart und ſchoͤn,
Bewunderns-wehrt geordnet, ſtehn,
Erſt, durch der Wuͤrmer Huͤlffe, ſehn:
So daß, da uns ſo ſchoͤn-ſonſt ungeſehne Sachen
Die kleinen Wuͤrmer ſichtbar machen;
Die kleinen Wuͤrmer ſelbſt, zu unſers Schoͤpfers Ehren,
Fuͤr unſer ſolche Kunſt betrachtendes Geſicht,
Die Zahlen Seiner Wunder mehren.
So ſchweige denn, geruͤhrte Seele, nicht!
Bewundre, freue dich, beſinge
Die weiſe Macht des Schoͤpfers aller Dinge,
Der kuͤnſtlich wirckenden Natur,
Die alle Kunſt weit uͤberſteiget,
So dem geſchickteſten Zergliedrer in der Welt,
Trotz aller Kunſt, zu zeigen moͤglich faͤllt;
Durch kleiner Wuͤrmer Zaͤhne, zeiget.
Das
Das Eis.
Das Eis.
Noch geſtern deckt’, als wie ein Spiegel-Glas,
Enteiſ’ter Alſter-Fluß, das Eis dein reges Naß;
Heut’ iſt es weg, verſchwunden, und ſein prangen,
Als waͤr’ es nie geweſen, gantz vergangen?
Jndem ich alſo bey mir fragte;
Kam es mir fuͤr,
Als ob die Alſter mir
Zur Antwort ſagte:
„Verwundere dich nicht:
„Mit Coͤrpern gehet es auf gleiche Weiſe,
„Als mit dem Eiſe.
„Das Waſſer ſchlingt das Eis, die Erde Coͤrper, ein,
„Und beide werden das, was ſie geweſen, ſeyn.
D d 3Ge-
Getheilte Sinnen.
Getheilte Sinnen.
Jndem ich juͤngſt, im Froſt annoch,
Vor dick gefrornen Fenſtern ſtand,
Und meiner Bluhmen Balſam roch,
Den ich recht ungemein erquickend lieblich fand,
Und ich zu gleicher Zeit, bey dieſem ſuͤſſen Dufft,
Des warmen Zimmers laue Lufft,
Die ſanft mir uͤm die Glieder ſpielte,
Mit nicht geringer Anmuth, fuͤhlte;
Doch auch zugleich, wie drauſſen alles weiß,
Und ſich die Welt mit Reiff, mit Schnee und Eis,
Jn Silber-gleichem Schimmer ſchmuͤckte,
Durchs dichte Fenſter-Glas erblickte;
Und auch zugleich von Wagen und von Karren
Gefrorne Raͤder pfeiffen, knarren,
Und vom getretnen Schnee ein lautes knirſchen hoͤrte;
Gedacht ich bey mir ſelbſt; wie ſoll ich dieſes faſſen?
Kann meine Seele ſich denn theilen laſſen?
Sie kann zu einer Zeit durch zweyer Sinnen Thuͤren
Jm Winter, und durch zwey im Fruͤhling, ſich verſpuͤren.
Wo ſind denn ihrer Kraͤffte Grentzen?
Sie iſt im Winter halb, und halb im Lentzen.
Der
Der Tod, Winter des Lebens.
Der Tod, Winter des Lebens.
Wie wir unſre friſche Jugend mit der Fruͤhlings-Zeit
vergleichen,
Die erwachsne Zeit dem Sommer, mit dem Herbſt den al-
ten Tag;
Alſo deucht mich, daß dem Winter unſer ſterben und er-
bleichen
Sich mit Recht vergleichen mag.
Wie des Winters kalter Hauch unſrer Baͤume Decke
ranbet;
Alſo wird auch unſrer Seele, durch des Todes kalte
Macht,
Jhres Coͤrpers Deck’ entnommen, und ſie gleichſam auch
entlaubet.
Gleicht die lange Nacht des Grabes nicht des Winters lan-
ger Nacht?
Feld und Wald ſcheint todt im Froſt, alle Creatur geſtor-
ben:
Unſer Coͤrper ſcheint im Grabe morſch, verweſet und ver-
dorben:
Es verfaulen, wie die Blaͤtter, Haut und Sehnen, Fleiſch
und Bein,
Da Wuſt, Moder und Verweſung, die ſowol, als jene
druͤcken.
Wie wir aber fuͤr den Winter uns zwar ſchen’n, und
bange ſeyn;
Doch, dieweil er unvermeidlich, uns gelaſſen auf ihn ſchi-
cken,
D d 4Und
Der Tod, Winter des Lebens.
Und, mit allem noͤthigen, gegen ihn uns wol verſehn;
Alſo ſollten wir nicht minder auch dem Tod’ entgegen gehn:
Unſre Seele, fuͤr der Neue ſcharffen Froſt, mit guten Wer
cken,
Glauben, Demuth, Hoffnung, Liebe wol verwahren, ſchuͤ-
tzen, ſtaͤrcken.
Daß wir, ſonder Furcht und Schmertzen, jenen ſeelgen Him
mels-Garten,
Und in ihm den ew’gen Fruͤhling, faͤhig waͤren zu erwarten.
Der
Der Schnee im Mond-Schein.
Der Schnee im Mond-Schein.
Die Allmacht, die dem gruͤnen Klee
Die ſchoͤnen Farben eingepraͤget,
Hat in den Silber-weiſſen Schnee
Auch einen lichten Schein geleget:
Wenn ich, im Froſt, ihn glaͤntzen ſeh,
Wird mein Gemuͤth zum Lob erreget.
Je mehr er Glantz und Schimmer heget,
Je mehr werd ich zum Ruhm beweget
Des Schoͤpfers, der ihn in der Hoͤh
So wunderbar zu bilden pfleget.
Dieß war es ungefehr, was ich bey mir gedacht,
Als ich, in einer hellen Nacht,
Beym Mond-Schein, ein beſchneytes Feld,
Jn einer ungemeinen Pracht,
Jn einem Silber reinen Schimmer,
Aus einem hoch erhabnen Zimmer
Bewundernd uͤberſah. Das weiſſe Licht
Durchdrang mein halb geblendetes Geſicht,
Und fiel, mit ſeinem weiſſen Schein,
Mir in die Seele ſelbſt hinein;
Erleuchtete, was finſter war,
Und machte,
Daß ich noch ferner alſo dachte:
Was wirckt des Silbers weiſſer Glantz
Jn eines geitzgen Aug’ und Bruſt
Nicht fuͤr Vergnuͤgen, Freud und Luſt?
Der doch, beym Himmels-Silber, gantz
D d 5Ver-
Der Schnee im Mond-Schein.
Verblendet, Sinn-und fuͤhl-los iſt,
Und, weder des ſo weiſſen Mondes Schein,
Noch die durch ihn beſtrahlte Welt,
Auch nicht das weiß beſchneyte Feld
Mit keinem Blick, mit keiner Luſt, ermiſſt.
Ach! naͤhm uns doch der Schimmer, der ſo rein,
Zum Ruhm des groſſen Schoͤpfers, ein!
Ach moͤgte man doch Sein,
Bey dieſem Silber-Glantz, gedencken!
So wuͤrd’ Er uns nicht nur das ſchoͤne Morgen-Gold,
Das Gold des Segens auch, unfehlbar ſchencken.
Bey dem Glantz des Silber-Lichts,
Und der Anmuth, die ich habe,
Denck ich an die Wunder-Gabe
Des betrachtenden Geſichts,
Die der Schoͤpfer mir gegeben:
Opffr’ Jhm billig dieſe Luſt
Meiner recht vergnuͤgten Bruſt.
Und, da ich auf Seine Wercke,
Mit geruͤhrter Seele mercke,
Danck’ ich Jhm, in ſtiller Freude,
Bey ſo ſuͤſſer Augen-Weide.
Bluh-
Bluhmen im Winter.
Bluhmen im Winter.
Es lag die Erde noch vom ſtrengen Froſt gedruͤckt,
Vom Reiff und Schnee bedeckt, und auch zugleich
geſchmuͤckt:
An Fenſter-Scheiben war der feuchte Dunſt verdickt.
Ein nett formiret Eis, halb fuͤrchterlich, halb ſchoͤn,
War fruͤh in meinem Zimmer
Jn einem weißlich grauen Schimmer
Am Fenſter uͤberall zu ſehn,
Woraus ein’ allgemein’ und greiſe Daͤmmerung,
Die Luſt und Schau’r zugleich in uns erweckt, entſprung.
Doch brach, zu gleicher Zeit, ein lieblich rother Schein
Aus den vom Morgen-Roth beſtrahlten Fenſter-Scheiben
Des Rachbars, voller Glantz durch Eis und Glas herein.
Mein Auge ward mit Luſt gewahr.
An denen zarten Eiſes Spitzen,
Ein roͤthlich angenehmes blitzen.
Offt zeigt uns das gefrohrne Glas,
Von mannichfaltgen Creaturen,
Gewaͤchſen,, Pflantzen, Stauden, Gras,
So manche zierliche Figuren.
Allein mir fiel zugleich noch etwas ins Geſicht.
Vor dieſen Fenſtern ſtand im gruͤnenden Gepraͤnge
Von wahren Bluhmen eine Menge,
Die theils aus Waſſer blos, und theils auch aus der Erden,
Durch Waͤrm’, auch ſelbſt im Froſt, hervor getrieben
werden.
Bey mancher Hyacinth, auch Tulpen und Terzetten,
War
Bluhmen im Winter.
War, nebſt dem gruͤnen Laub, auch Wunder-ſchoͤn
Die Pracht von Lilien-Convallien zu ſehn.
Jch ſtutzt’, als ich daſelbſt auf einem Grunde
Von Schnee und Eis, der Bluhmen bunte Pracht,
Trotz ſcharffer Kaͤlte ſtrenger Macht,
So gar durch ihren Feind annoch erhoben, funde:
Und ich zugleich den Winter und den Lentzen,
Jn faſt nicht unterſchiednen Grentzen,
Jn weiſſ-und buntem Schimmer glaͤntzen,
Und gleichſam auf einmahl zugleich durch Africa,
Zumahl es eben an-zu ſchneyen fieng,
Und ein ſchnell Flocken-Heer wild durch einander gieng;
Jn Rova Zembla ſah.
Hiedurch ward ich, wie billig, ſehr geruͤhrt.
Und, wie uns das Geſchoͤpf mit Recht zum Schoͤpfer leitet,
Zum groſſen Schoͤpfer auch gefuͤhret.
Jch wandte mich zu Dem, der alles zubereitet,
Und ſtellte mir,
Bey dieſem, Lentz und Froſt vereinenden, Geſicht,
Sein Weſen, welches nirgend nicht,
Jn der Allgegenwart, mir fuͤr.
O unuͤmſchraͤncktes All! rieff ich, von Ehr-Furcht
heiß,
Vor deſſen Angeſicht ſich auf der Welt
So Suͤd-Lands Glut, als Nordens Eis,
Beſtaͤndig gegenwaͤrtig ſtellt!
Der, wie das Feld ſich hier mit Schnee beziehet,
Ein anders dort in ſchwuͤlen Strahlen gluͤhet,
Wie
Bluhmen im Winter.
Wie da der Mandel-Baum in ſuͤſſer Roͤthe bluͤhet,
Wie hier gekeltert wird, auf einmahl uͤberſiehet.
So wenig man
Auch einigen Begriff ſich machen kann
Von der Allgegenwart; ſo zeiget dieſes Bild,
Das mein Gemuͤth mit tieffen dencken fuͤllt,
Doch etwas deutlichers mir an,
Als ich es ſonſt begriff’; dieweil ich allgemach
Durch eine liebliche Jdee,
Auf Sproſſen der Geſchoͤpf’, im Schoͤpfer mich erhoͤhe.
Jch dencke mehr und mehr der groſſen Wahrheit nach,
Daß, wenn auch in den tieffſten Tieffen
Der undurchdringlichen Unendlichkeit,
Gedancken ewig vor ſich lieffen,
Sie dort, von der Vollkommenheit
Der Gottheit alles voll, in den entfernten Gruͤnden,
So, wie wir ſie hier finden, wuͤrden finden.
Kaum hatt’ ich dergeſtalt dieß bey mir uͤberdacht,
Als ich, uͤm die gefrorne Pracht
Der Fenſter noch einmahl zu ſehen,
Die Augen oͤffnete. Jedoch war keine Spur
Auch von der zierlichſten Figur
Der Eis-Gewaͤchſe mehr verhanden, und das Glas
Der Scheiben, zeigte blos ein ungeformtes Naß.
Es bluͤheten allein
Die Bluhmen, die gewachſen ſeyn,
Und
Bluhmen im Winter.
Und zwar in einem hellern Licht:
Denn das geſchmoltzne Eis verdunckelte ſie nicht.
Mir fiel hiebey, mit Luſt, des nahen Fruͤhlings Schein,
Doch der Gedancke gleichfalls ein:
Wenn auch dereinſt, mit aller Pracht, die Welt
Entformt, vereint in jener Gluth,
Wie hier das Eis-Gewaͤchs in ungeformter Fluth
Zuſammen faͤllt;
Jn welchem Wunder-ſchoͤnen Schein,
Wird, wann ſo Dufft als Lufft vergehn,
Und dem gehemmten Licht nicht ferner wiederſtehn,
So dann, in ewig ſeelgem Lentzen,
Das ewge Paradies in ſeiner Bluͤhte glaͤntzen!
Der
Der Schnee.
Der Schnee.
Jch ſeh euch nimmer, ohn Vergnuͤgen,
Jhr rege weiſſe Flocken, fliegen,
Jhr ſinckt, ihr ſteigt, ihr fallt, ihr ſpielt.
Wer iſt, wenn durch der Winde wehen
Wir euch bald ſchnell, bald langſam ſehen,
Verworren durch einander gehen,
Der nicht ein ſanftes ſchauern fuͤhlt?
Zumahl wenn man den weiſſen Schimmer,
Aus einem wol gewaͤrmten Zimmer,
Mit aufgemuntertem Gemuͤth,
Durch aufgethaute Scheiben ſieht,
Und, frey von Unbequemlichkeit
Der froſtig rauhen Winters-Zeit,
Den Glantz, den uns der Schnee gebieret,
Wenn er die Welt mit Silber zieret,
Voll Luſt ob GOTTES Werck, erblickt:
Und man, wann Neiff die Baͤume ſchmuͤckt,
Wann Froſt das Land mit Schollen druͤckt,
Und mit Cryſtall die Fluth bebruͤckt,
Des Winters Luſt, ohn’ Unluſt, ſpuͤhrt.
Be-
Betrachtung der Geſtalt der Erde
Betrachtung der Geſtalt der Erde bey
dem Ende des Winters.
Der rauhe Februarius
War allbereit zum laͤngſt verlangten Schluß,
Bey einer heitern Lufft, gekommen.
Der Mertz hatt ſeinen Platz kaum wieder eingenommen.
Die Sonne zeigte ſchon, bey unſrer Wiederkehr,
Die Erſtling’ ihrer neuen Liebe,
Jndem ihr ſanfter Strahl ie mehr und mehr
Die Waͤrme durch den Lufft-Kreis triebe.
Das Feld war hie und da mit Schnee annoch bedeckt,
Doch ward er hie und da ſchon gleichſam aufgeleckt,
Theils floß er aufgeloͤſt, und dort verband er ſich
Aufs neue durch den Froſt, im Schatten ſonderlich,
Und ward daſelbſt zu glattem Eiſe.
Dieß funckelte nun hie und dort,
Zumahl an manchem andern Ort,
Und ſonderlich in mancher Wagen-Gleiſe.
Dieß ſah’ ich juͤngſt mit Luſt, zur hellen Mittags-Zeit,
Jn einer reinen Heiterkeit,
Es glaͤntzt’ und ſchien das Feld, als waͤren Berg-Cryſtallen
Daruͤber hergelegt. Die Landſchaft glimmt und gluͤht,
Wann unſer Blick den Strahl der Sonnen ruͤckwaͤrts prallen,
Und doppelt heller glaͤntzen ſieht.
Dieß that den Augen wol. Allein,
An andern Orten ließ uns eben dieſer Schein
Ein traurigs Schau-Spiel ſehn.
Da
Bey dem Ende des Winters.
Da, wo der Schnee geſchmoltzen war,
Erblickte man der Erden duͤnnes Haar
Verwirrt, vermodert, welck. Das gelblich bleiche Gras
Ließ der vorhin erhabnen Spitzen prangen
Jn ſchmutzig grauer Farb’ erbaͤrmlich abwaͤrts hangen.
Die Erde ſelber war moraſtig, haͤßlich naß,
Jhr morſcher Coͤrper ſchien zu faulen und zu gaͤhren,
Jhr Fleiſch in zaͤhen Schlamm, in Wuſt ihr Nahrungs-
Safft,
Und ihre Haut in Koth, ſich zu verkehren.
Was man von ihr erblickt’, war ſchluͤpfrig, eckelhaft,
Schwartz, ſumpfig, ungeſtalt. Der Anblick ruͤhrte mich,
Die traurige Figur und Farbe ſtellte ſich
Den Sinnen eigentlich,
Als eine Art Verweſung, dar.
Muß unſre Mutter auch ſo gar
Die Faͤulniß und Verweſung leiden!
Rieff ich betruͤbt. Allein,
Wie bald verſchwand das Trauren! da der Schein
Und Glantz der Wahrheit mich ein beſſeres belehrte:
Daß dieſe Faͤulniß ſich in Fruchtbarkeit,
Die Haͤßlichkeit in Schoͤnheit ſich verkehrte:
Und daß ſie, in gar kurtzer Zeit,
Durch eben dieſe ſchwartz- und ſcheußliche Figur,
Nach weiſer Ordnung der Natur,
Zu einer Wunder-ſchoͤnen Pracht,
Zu einem lieblichen bebluͤhmten Stand gebracht,
Und unausdruͤcklich ſchoͤn geſchmuͤcket wuͤrde werden.
Ach! fiel mir ferner noch, bey der Betrachtung, ein:
Wie kann uns Menſchen doch dieß Bild der Erden
Solch ein vortreffliches und Lehr-reich Sinn-Bild ſeyn!
E eWer
Betr. der Geſtalt der Erde beym Ende ꝛc.
Wer glaubte wol, wenn er es ſonſt nicht wuͤſte,
Und der Erfahrung weichen muͤſte,
Daß die moraſtige Geſtalt
Der faulen Erde ſich in ſolchen Schmuck verkehren,
Viel Millionen Fruͤcht’ und Bluhmen uns gebaͤhren,
So lieblich prangen wuͤrd’, und zwar ſo bald!
Laß dieſes uns denn doch ein lehrend Beyſpiel ſeyn,
Die wiederbellende Vernunſt zu uͤberfuͤhren,
Daß, wenn auch wir, im Sarg, der Coͤrper Schmuck und
Schein
Durch Faͤulniß, Moder, Wuſt und Wuͤrmer Zahn verlieren,
Wir daruͤm doch auf eine gleiche Weiſe,
Dem Schoͤpfer der Natur zum Preiſe,
Als Dem es ja an Macht und Liebe nicht gebricht,
Jn jenes ſeelgen Lebens Lentzen
Geſchmuͤckt, verherrlichet, in einem ew’gen Licht,
Und unvergaͤnglicher Verklaͤrung, werden glaͤntzen.
Das
Das Vergangene, beym Jahres-Wechſel ꝛc.
Das Vergangene,
bey dem 1729. Jahres-Wechſel,
betrachtet.
Es hat der Erden-Kreis den Lauff nun abermahl,
Der uns vom Sonnen-Licht entfernete, geendet:
Er hat ſich allbereit, GOTT ſey gedanckt! gewendet,
Von Nordens Froſt und Nacht, zum Licht- und Lebens-
Strahl.
Je mehr dieß Wunder-Werck nun zu bewundern wehrt,
Je mehr es den Begriff von GOttes Allmacht mehrt,
Je groͤſſer Heil dadurch der Menſchheit wiederfaͤhrt,
Je mehr denn auch dafuͤr dem Schoͤpfer Danck gehoͤrt;
Je minder, leider! wird von uns darauf geachtet;
Je weniger wird es, zu GOttes Ruhm, betrachtet;
So gar, daß kein Geſchoͤpf, auch kein Vernunft-los Thier.
Am ſchwartzen Undancks-Greul ſo ſchuldig iſt, als wir.
Waruͤm? es weiß es nicht. Wir wiſſen Zeit und Stunde,
Wir rechnen die Minut’, und kennen die Seeunde,
Wann die ſo heilſame Veraͤnderung geſchicht.
Doch, dieſem ungeacht, beſtreben wir uns nicht,
Der allgewaltigen, liebreichen, weiſen Krafft,
Die, im erhalten ſelbſt, noch unaufhoͤrlich ſchafft,
Nur den geringſten Dienſt, nur den geringſten Danck,
Fuͤr dieſes Wunder-Werck zu leiſten und zu bringen.
Wann hoͤrt man, Jhm dafuͤr ein Lob- und Danck-Lied
ſingen?
Sprich, liebſter Leſer, nicht: Ja! ja! ich finde wol,
Daß man auch ietzt, wie ſonſt, dem Schoͤpfer dancken ſoll
Ee 2Fuͤr
Das Vergangene,
Fuͤr alles, was Er thut. Denn, daß das Waſſer naß;
Das Feuer reg’ und heiß; daß Bluhmen, Laub und Gras
Aus ſchwartzer Erde gruͤnen,
Sind Dinge, die gewiß Bewunderung verdienen:
So auch dieß drehn der Welt. Ach nein: mich deucht,
dieß drehn
Der ſo verwunderlich und ſchraͤg geſtellten Erde
Sey wehrt, daß es noch mehr mit Wolbedacht geſehn,
Mit mehrerm Fleiſſ’ und Ernſt betrachtet,
Mit mehr Aufmerckſamkeit von uns beachtet,
Und folglich GOTT darinn noch mehr bewundert werde.
Denn ob gleich alle Ding’ uns ihren Schoͤpfer weiſen;
Ob Er, im kleinſten auch zu loben und zu preiſen;
So werden wir dennoch, wenn wir es recht ergruͤnden,
Was auſſerordentlichs in dieſer Lenckung finden.
Der groſſe Schoͤpfer hat, nach Zahlen, Maſſ’, Gewicht,
Den groſſen Bau der Welt beſonders zugericht:
Daß an der groſſen Laſt die Angeln ſchraͤge ſtehn,
Wodurch ſo heilſame Veraͤndrungen geſchehn,
Von Waͤrm’ und Froſt, von Schatten und von Licht;
Da ſonſt von Schloſſen, Schnee und Eis ein’ ew’ge Buͤrde
Jn unſrer halben Welt die Lufft, die Fluth, das Land,
Und, in der andern Helft’, ein unloͤſchbarer Brand
Lufft, Erd’ und Fluth verderben wuͤrde.
Wo dieſes ein Beweis von Weisheit und von Macht,
Von Guͤt’ und Liebe nicht zu nennen,
Und, wo darin die Gottheit nicht zu kennen,
Nicht anzubeten iſt: ſo weis ich wahrlich nicht,
Zu welchem Endzweck doch, in dieſem Leben,
Uns
bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc.
Uns des Verſtandes Licht
Gegeben.
Bey dieſer Wechſel-Zeit, in der ich, Dem zum Preiſe,
Der alles ſchuff und ſchafft, mich inniglich erfreu,
Beſing’ ich, Ehr-Furcht voll, den ietzt aufs neu,
Jn einer (wollte GOTT! Jhm angenehmen Weiſe)
Deſſelben Weisheit, Lieb’ und Macht,
Der, ſo wie alle Ding’, auch mich hervor gebracht;
Der, wie er ſo viel Guts, Leib, Sinnen, Kraͤfft’ und Leben,
Auch eine Seele mir gegeben,
Die, daß ſie alle Krafft auf ihren Schoͤpfer richte,
Und, Jhm zum Ruhm, ein Lob- und Danck-Lied tichte,
So ſchuldig als bereit.
Allein,
Was wird der Vorwurff ietzt von meinen Liedern ſeyn?
Jch habe von der Zeit ſchon uͤberhaupt geſchrieben.
Jch habe gleichfalls ſchon, wann keine Zeit nicht mehr,
Das kuͤnftige, dem groſſen All zur Ehr,
Und dir, auch mir, zur Lehr,
Einſt anzuſehn verſucht. Es iſt noch uͤberblieben,
Auch in das ſtille Thal der Dinge, ſo dahin,
Mit einem forſchenden und ernſten Sinn,
So tieff, als moͤglich iſt, der Seelen Krafft zu ſencken,
Und des vergangnen zu gedencken;
Als welches mehr, wenn man es wol erweget,
Verdient und noͤthig iſt, daß man es uͤberleget.
Da das Vergangne ja, weit mehr noch als es ſcheinet,
Mit unſrer Gegenwart des Lebens ſelbſt vereinet:
E e 3Da
Das Vergangene,
Da ieder Augenblick uns, wie ein Vlitz, entflieht,
Sich zum vergangenen geſellt, ſich uns entzieht,
Ja gar uns mit ſich fort, indem wir ſtets vergehen,
Mit ja ſo ſtreng-als ſtillem Zwange reiſſt;
So daß daher, wenn wir es recht ergruͤnden,
Selbſt von der gegenwaͤrtgen Zeit
Die beſte Deutlichkeit
Bey dem vergangenen zu finden.
Betrachte denn, mit aufmerckſamen Sinn,
Dasjenige, was weg, vergangen, und dahin,
So viel dir moͤglich iſt, mein Geiſt!
Weil aber von ſich ſelbſt kein Menſch, was wahr, verſtehen
Und, was man eigentlich ſoll glauben, faſſen kann;
So ruff ich dich alhier, Quell aller Weisheit, an?
„Hoͤre, was hievon die Lippen, Dir anietzt zu Ehren
lallen,
„O Anbetungs-wehrte Gottheit, die uͤm alles, und in
allen,
„Uber allem, unter allem! Der von Aenderung, Ver
gehen,
„Und Verwandlung nichts bekannt: ſondern vor Der
nebſt den Jahren,
„Die vor uns von Ewigkeit, wie ein Strohm, dahin ge
fahren,
„Alle Dinge, die vergangen, ewig gegenwaͤrtig ſtehn!
„Gieb doch, da ich meine Blicke auf Dein Goͤttlichs We
ſen lencke,
„Daß ich nichts, ſo Dir mißfaͤllt, nichts Dir unanſtaͤndig
dencke!
„Dein allein unwandelbar-ewig ſtet-und ſeligs Weſen
„Hab’ ich mir, in meinem Liede vom vergehn, zum Zweck
erleſen,
„Denn
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
„Denn es machet nichts ſo ſehr, als der Gegen-Satz, uns
klar,
„Was doch eigentlich die Gottheit, die allein unwan-
delbar.
„Jn der Aendrung der Geſchoͤpfe, im Vergehn der Crea-
turen,
„Sieht man von des Schoͤpffers Groͤſſe, faſt die allerhell-
ſten Spuren.
„Laß mich, HERR, zugleich dabey aller Menſchen Nichts
erkennen;
„Aber auch, in der Erkenntniß, einen Strahl des Lebens
ſehn,
„Und, zu Deines Nahmens Ruhm, dieß ſtets deutlicher
verſtehn,
„Daß Du uns, aus Lieb’, in Dir, wirſt ein ewig dauren
goͤnnen!
Der nimmer ſtille Fluß der Dinge, die zerſtoͤrlich,
Entladet ſich von ſich, verſenckt ſich unaufhoͤrlich
Jn die Verweſungs-See, in das Zertrennungs-Meer,
Und bleibt doch ſtets erfuͤllt, und iſt doch nimmer leer.
Von neuen Tropffen wird, in ſtetigem Gedraͤnge,
Der ietzt an dieſem Ort verhandnen Tropffen Menge
Jm Meer ſtets weggedruͤckt: ſo kommt und ſo vergehet,
Erzeugt ſich, loͤſ’t ſich auf, entwickelt ſich, entſtehet,
Was die Natur hervor bringt und formirt,
Auch was ſich wiederuͤm, durch ſie zertheilt, verliert.
Die unbeſtaͤndige Beſtaͤndigkeit auf Erden
Kann wol mit allem Recht uns vorgeſtellet werden
Als eine Kette, die durch Ringe
Feſt an einander hinge;
E e 4Doch
Das Vergangene,
Doch die man, Wechſels-weiſ’, in ſolcher Ordnung ſieht,
Daß das Entſtehen das Vergehen,
Und das Vergehen das Entſtehen
Beſtaͤndig vorwaͤrts zieht.
Wenn nun ein Menſch, dem GOTT Vernunſt ge
ſchencket,
Sein Weſen, ſeine Daur,
Bey folchem Zuſtand uͤberdencket,
Wie ploͤtzlich die Vergaͤnglichkeit
Jhn ſelbſt mit ſich dahin zu raffen, dreut;
Da faſt kein Wind ſo ſchnell, als er, verwehet,
Da faſt kein Dampff ſo ſchnell, als er, vergehet,
Da ſich das kuͤnftge, faſt mit dem vergangnen bindet,
Und man die Gegenwart kaum kaum dazwiſchen findet;
Sollt’er denn nicht mit Recht bey ſtaͤtigem Vergange
Der Creatur, von dem Zuſammenhange,
Den das Vergangene mit dem Vergehnden hat,
Bemuͤht ſeyn etwas zu erwegen?
Und, ob das, was in ſeinem Sinn
Vergangen und dahin,
Auch wuͤrcklich ſey vergangen, uͤberlegen?
Jndem ich dieſes ſchreib’, heiſſt es bereits: ich ſchrieb;
Jndem du dieſes ließt, ſo haſt du ſchon geleſen;
Du biſt nicht mehr anietzt das, was du noch geweſen
Jn vor’gem Augenblick, der ietz’ge Puls-Schlag rieb
Von deinem Weſen was. Da nun nichts feſte ſtehet,
Und aller Menſchen Jetzt all’ Augenblick vergehet,
So ſollte man ja wol mit recht ein ernſtlichs dencken
Dem, was, nach kurtzem Jetzt, ſo lang nicht mehr iſt, ſchencken.
Was
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Was iſt es eigentlich, was wir vergangen nennen?
Ein Etwas, ſo wir nicht mehr hoͤren, ſehn,
Empfinden, riechen, ſchmecken koͤnnen.
Die Tage, die dahin, die Zeiten, die vergehn,
Sind Sachen ebenfalls, wovon man glaubt zu faſſen,
Daß ſie nicht mehr, und daß ſie uns verlaſſen.
Von Coͤrpern, wann ſie ſich veraͤndern, ſprechen wir,
Daß, da ſie aufgeloͤſ’t, ihr Weſen ſich verlier.
Wenn Regiment’ und Reiche, die entſtanden,
Durch Zufaͤll’ untergehn; ſie ſind nicht mehr verhanden,
Spricht ieder, ſie ſind fort. Was Menſchen ie gethan,
Erzeuget, ausgewirckt, zerſtoͤrt, erbaut, erdacht,
Gefuͤget und getrennt, begonnen und vollbracht,
Sieht man, wann es vorbey, nicht anders an,
Als zeigte ſich davon, im Schooſſe der Natur,
Nicht die geringſte Spur.
Allein, wie waͤr es doch, wenn etwa blos der Schein,
Der uns ſo oft getaͤuſcht, uns auch in dieſem taͤuſchte?
Und wenn die Wuͤrdigkeit der Sachen nicht allein,
Auch unſer eignes Wol, auch andre Schluͤſſ’ erheiſchte?
Es wirft der Menſch ſich ſelbſt zu einem Richter auf,
Er miſſet, was er ſieht, nach ſeinem eignen Leiſte:
Mit ſeinem irrenden und ungewiſſen Geiſte
Beurtheilt er die Welt, und aller Himmel Lauff.
Ob die Vernunft uns gleich, nebſt der Erfahrung, lehret;
Daß wenig, ja faſt nichts, vor ſeinen Stuhl gehoͤret.
Uns deucht: Ein Ding iſt weg: weg iſt es, hoͤrt man dich
Gleich ſprechen; und du kennſt nicht, was denn eigentlich
E e 5Zu-
Das Vergangene,
Zukuͤnftig, ietzt, vorbey,
Nichts oder Weſen ſey.
Betreffend den Beweis, den man von unſern Sinnen
Und ihren Schluͤſſen nimmt, iſt ſelbiger gewißlich
Nicht zuverlaͤſſig feſt. Vielmehr iſt alles mißlich
Was bloß auf ſie ſich fuſſt. Jch hab’ ein Ding geſehn;
Jetzt ſeh ich es nicht mehr. Dieß iſt ja vom Vergehn
Kein ſicherer Beweis. Jch roch es; ietzt nicht mehr;
Beweiſet ebenfalls nichts anders, als nur: ich
Verſpuͤre den Geruch ſo ſtarck nicht. Das Gehoͤre
Beweiſet auch nicht viel: Das Donnern ruͤhrte mich;
Nun hat es aufgehoͤrt: Ach nein! es dauret noch;
Vernimmſt du es gleich nicht, ein andrer hoͤrt es doch,
Der nicht gar weit von dir. Das Ende von dem Schmecken
Kann ebenmaͤſſig dir das Ende nicht entdecken
Vom wircklichen Geſchmack, der in den Coͤrpern ſteckt.
Ja ſelber das Gefuͤhl vermag dir ebenmaͤſſig
Ob das, ſo du gefuͤhlt, noch daure, zuverlaͤſſig
Nicht darzuthun. Den Wind, den du ſo ſtarck geſpuͤrt,
Jſt, wie du meineſt, nicht verſchwunden: er beruͤhret
Jetzt mich, wie dich vorhin. Dieß alles zeigt uns an,
Daß man die Sinnen nicht zu Richtern ſetzen kann,
Ob eine Sache noch verhanden, oder nicht.
Sie geben uns davon bloß dieſen Unterricht:
Da ich es nicht mehr ſeh’, nicht rieche, fuͤhl’ und hoͤr
Jſt es vermuthlich noch, und, nur fuͤr mich, nicht mehr.
Wie? ſollen denn, wirffſt du mir etwan ein,
Die Zeiten, die vorbey, der Tag der geſtern war,
Das vor’ge Seculum, das abgewichne Jahr,
Noch gegenwaͤrtig da, und nicht vergangen ſeyn?
Wie
bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc.
Wie uͤberzeuglich wahr auch dieſer Schluß dir ſcheinet,
Und wie gewiß man alles dieſes meinet,
So zeiget dir dennoch, was ich einſt von der Zeit,
Zehn Jahre ſind es, ſchrieb; Daß, da die Ewigkeit
Ununterbrochen waͤhrt, die Zeit, ein leeres Wort,
Kein wahres Weſen ſey: ſo daß ihr deutlich ſehet,
Daß wircklich keine Zeit vergehet.
Denn laſſt uns, mit Aufmerckſamkeit,
Ein Stuͤck der ſo genannten Zeit,
Den Tag der geſtern war, betrachten.
Wenn wir den wahren Unterſcheid,
Der zwiſchen ihn, und den, der heut,
Mit rechtem Fleiß, mit rechtem Ernſt beachten;
So ſind ich anderſt nichts, als daß die Lufft
Sey minder oder mehr, von einem truͤben Dufft,
Als etwa geftern, heut erfuͤllet:
So, daß dadurch der Sonnen-Licht
Bald mehr, bald weniger verhuͤllet:
Daß es ein wenig mehr, ein wenig minder kalt,
Und daß inzwiſchen uns einmahl der Erde drehen
Gehindert, in der Nacht der Sonnen-Glantz zu ſehen.
Dieß iſt der Unterſchied allein,
Und anders ſind ich nichts. Es ſtehet die Natur
Jn allen ſeſt. Die Creaturen nur
Veraͤndern ſich. Daß es uns anders ſcheinet,
Entſtehet bloß daher allein,
Weil alle Dinge, die wir ſehen,
Jn, uͤm, und neben uns, ſich aͤndern, und vielleicht
Den folgenden nur aus dem Wege gehen.
Jn-
Das Vergangene,
Jndeſſen iſt, nach unſerm Sinn,
Der Tag der geſtern war, dahin.
Uns bleibt von ihm kein anderer Begriff,
Als etwa von der Spur, die ein beſegelt Schiff
Jn leichten Wellen macht. Doch halt! dieß Schiff ſo ga
Macht unſern Satz nicht minder klar.
Wer leugnet, daß, obgleich der Wind es von uns treibet,
Und weit entfernt, es daruͤm doch nicht bleibet?
Wir richten mehrentheils, bloß nach dem Schein:
Was Wunder? daß wir oft dadurch betrogen ſeyn,
Und daß wir, da wir ſelbſt vergehen,
Von Dingen, die beſtehen, nichts verſtehen?
Jch ſtelle vor der Hand auch dieß an ſeinen Ort,
Wirſt du vielleicht, mein Leſer, hiezu ſagen:
Wie aber? faͤhrſt du fort,
Wenn wir die Coͤrper ſich veraͤndern, ſich zerſchlagen,
Sich trennen, und verweſen ſehn;
Heiſſt alles dieſes kein vergehn?
Die Aenderung iſt klar, gewiß, unwiederſprechlich,
Doch iſt nur die Figur und Form allein gebrechlich.
Die Theile, die fuͤr dich erleſen,
Woraus du worden biſt, ſind, eh du warſt, geweſen.
Die Theile ſind beſtaͤndig, und ſie bleiben
Jm Schooſſe der Natur: kein jaͤhren, kein zerreiben
Vernichtiget den Stoff. Ja, ſprichſt du, wenn der Sand,
Wenn Staub und Aſche da, von einem, durch den Brand,
Jn Aſche, Schutt und Graus verwandelten Gebaͤude;
Kann das Gebaͤude denn, wie vor, in deinem Sinn
Noch gegenwaͤrtig ſeyn? Jſt nicht vielmehr dahin,
Was zierlich auferbaut, was unſrer Augen Freude,
Des
bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc.
Des Coͤrpers Schirm-Dach war?
Wenn Thier’ und Menſchen ſterben,
Und ihre Glieder all verweſen und verderben,
Heiſſt dieſes nicht vergehn?
Die Thaten, die bereits vor mehr als hundert Jahren
Vergeſſen waren,
Die ſollen, denck ich ja, wol nicht noch ietzt beſtehn?
Wie manche Regiment’ und Reiche ſind verdrungen
Von denen folgenden! hat nicht die dicke Nacht
Des grauen Alterthums ſo manches Scepters Pracht,
So manchen tapffern Arm, der ihn gefuͤhrt, verſchlungen,
Jn Aſch und Grauß geſtuͤrtzt? Ja! dieß iſt alles wahr.
Doch iſt die Frage nur, ob ſie fuͤr uns allein
Richt bloß vergangen ſeyn;
Und ob dasjenige, was wir, von ihrem Weſen,
Jn alten Schriften leſen,
Zwar durch die Fluͤchtigkeit der Coͤrper uns entriſſen,
Zwar wie ein ſchneller Strom voruͤber flieſſen muͤſſen;
Der aber, ob er gleich beſtaͤndig fortgeſchoſſen,
Und alles mit ſich fortgefuͤhrt,
Was ſeine ſtrenge Fluth beruͤhrt;
Dennoch, nachdem er weit, entſetzlich weit, gefloſſen,
Sich nicht vernichtiget, wol aber in das Meer
Der Unvergaͤnglichkeit ſich ſanft ergoſſen;
Wo er, vor Deſſen Blick, vor Welchem nichts vergehet,
Ohn Ende, gegenwaͤrtig ſtehet.
Vergienge ſaͤmmtlich das, was zu vergehen ſcheint,
So wuͤrden gut’ und boͤſe Thaten,
Ja alles, in ein Nichts gerathen.
Was nun hieraus entſtuͤnd’, iſt aͤrger, als man meint.
Schau,
Das Vergangene,
Schau, was ſelbſt in der Schrift hievon fuͤr Gruͤnd
ſtecken.
Jch weiß nicht, ob beym kuͤnfftigen Gericht
Die aufzuthunde Buͤcher, nicht
Die Wahrheit deutlicher, als man vermeint, entdecken:
Jndem ein ieder deutlich ſieht,
Daß ſich die Schrift daſelbſt bemuͤht,
Nur im verbluͤhmten Sinn, ſo wie ihr oͤffters eigen,
Die Dauer des, ſo hier geſchehn, zu zeigen.
Denn groſſe Buͤcher in der That,
So wie man ſie alhier auf Erden hat,
Jm Himmel, wircklich glauben wollen;
Jſt, deucht mich, nicht gedacht, wie wir gedencken ſollen.
Erinnerſt du dich nicht, was dort Johannes ſprach:
Die Wercke folgen ihnen nach.
Ja kommet dieß dir fremde fuͤr,
Daß etwas, ſo nicht mehr, noch ſeyn ſoll; ſcheint es mir
Vielleicht nicht unrecht fremd, wenn von der Gottheit man
Solch einen winzigen Begriff ſich machen kann;
Wodurch wir ja, wofern wir dieſes glauben,
Daß, wenn, fuͤr uns, ein Ding vergangen und vorbey
Auf gleiche Weiſ’ es auch fuͤr GOtt vergangen ſey;
Dem Anſehn nach, der Gottheit etwas rauben.
Ach laſſet uns vielmehr mit Ehr-Furcht dieß ermeſſen:
Die Gottheit kann ja nicht, wie Menſchen, was vergeſſen;
Wol aber iſts gewiß, daß was, fuͤr uns, nicht mehr,
Doch wenigſtens in Goͤttlicher Jdee,
Jn einer Wircklichkeit noch gegenwaͤrtig ſtehe.
Hier
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Hier kommt mir vor, ob ſagteſt du:
Jch gebe dieſes alles zu;
Doch wird die Wircklichkeit nicht zu vermiſchen ſeyn
Mit der Erinnerung allein.
O ja! die Goͤttliche Jdee wird ja wol
Von anderer Beſchaffenheit,
Und einer mehrern Wircklichkeit,
Als menſchliches Erinnern, ſeyn.
Die Gottheit ſieht in ſich,
Als wie im Spiegel, alle Dinge.
Was noch nicht iſt, was iſt, und was fuͤr uns vergienge,
Steht gegenwaͤrtiglich,
Ohn’ Aenderung, in Jhr, und Sie erblickt in allen,
Mit ewig ſeeligem Gefallen,
Jhr Goͤttlich Weſen ſelbſt. Nichts hoͤret auf
Aus und in Jhr zu ſeyn. Sie ſelber unbeweget,
Beweget alle Ding. Der Negel-rechte Lauff
Der Zeit, iſt ſtill fuͤr GOTT.
Kein erſt, und kein hernach, kein kuͤnftig, kein vergehen
Jſt Seiner Ruhe kund. Fuͤr Sein Geſchoͤpf iſt Er
Unſichtbar, und dennoch in allen zu erſehen.
Durch dieſe Wahrheit wird nicht nur des Schoͤpfers
Ehr,
Dem unbegreifflichen allſehnden All zum Preiſe,
Auf eine wuͤrdige Verehrungs-wehrte Weiſe,
Verbreitet und erhoͤht; auch in die Sitten-Lehr
Jſt dieſer Einfluß groß. Sie zeigt uns klaͤrlich an,
Durch unuͤmſtoͤßliche, durch feſt- und wahre Schluͤſſe,
Daß, und wie ſehr man ſich vor Laſtern huͤten muͤſſe.
Wann
Das Vergangene,
Wann dieſe, da vor GOTT ja nichts vergehen kann,
Jn ihrer Scheußlichkeit vermuthlich immer bleiben;
Als welche die Vergeſſenheit,
So wie hier auf der Welt, nicht maͤchtig zu vertreiben.
Auf gleiche Weiſe wird, was gutes hier geſchehn,
Vor dem allſehnden GOTT zu keiner Zeit vergehn.
Ach! welche ſeelge Quell von wahren Himmels-Schaͤtzen
Ergieſſet ſich aus dieſer Wahrheit nicht!
Uns decket und uͤmgiebt ſchon hier ein ſeelges Licht,
Jndem wir uns bereits an der Jdee ergetzen,
Wie ſehr beſtaͤndig, unzerſtoͤrlich,
Ununterbrochen, unaufhoͤrlich
Der ew’ge Gnaden-Lohn, von Dem, der nichts vergiſſt,
Dereinſten ſeyn und bleiben werde.
Wofern nun hier auf dieſer Erde
Dergleichen Wahrheit nicht, wo man ſie recht ermiſſt,
Dir einen Abſcheu, Furcht und Schrecken,
Fuͤr aller Laſter Wuſt, vermoͤgend zu erwecken;
Und auch im Gegentheil zu guten Wercken
Kein Sporn, kein Antrieb wird; ſo iſt in deinem Geiſt
Nichts Chriſtlichs nicht allein, nichts menſchliches zu mercken.
Man kann im uͤbrigen, auch hier ſchon auf der Welt,
Sich einigen Begriff von laͤngſt vergangnen Sachen,
Wenn man ſie recht erwegt, als nicht vergangen, machen;
Jndem auch die, ſo weg, dennoch noch theilbar ſeyn.
Man theilet ſie gar fuͤglich ein
Jn Dinge, welche zwar bereits vergangen,
Die aber, weil ſie noch mit Dingen, die noch da,
Zum Theil zuſammen hangen,
Nach unſerem Begriff, zwar den Vergangnen nah,
Jedoch
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Jedoch nicht gaͤntzlich weg. Dein Vater iſt geſtorben;
Sein Coͤrper iſt nicht mehr, er iſt verweſ’t verdorben;
Du aber, der du lebſt, wirſt ja nicht leugnen koͤnnen,
Daß du von ihm (es mag ſo zart, ſo klein,
Als wie du ſelber rechneſt, ſeyn)
Kein weſentliches Theil mit Recht nicht ſeyſt zu nennen:
Und folglich iſt von ihm ein Etwas noch vorhanden,
So du wol nicht geglaubt. Von Dingen, die dahin,
Verſpuͤrt man ferner auch, daß ſich, in unſerm Sinn,
Aufs mindſte dann annoch ein Uberbleibſel findet,
Wann das, was aus dem vorigen entſtanden,
Mit dem vergangnen ſich in ſo weit noch verbindet,
Daß, wenn das vorige nicht auf der Welt geweſen,
Das, ſo ietzt wircklich da, nicht haͤtte ſeyn,
Und nimmermehr entſtehen koͤnnen.
Floͤſſt alſo, was nicht mehr, noch einen Einfluß ein
Jn Sachen, die noch ietzt. Wann wir von etwas leſen,
Wird man daſſelbe ja nicht gantz vergangen nennen.
Daß alſo wircklich Buͤcher, Schriften,
Wenn ſie von dem, was weg, annoch ein Denckmahl ſtifften;
Auf eine Art, die wunderns wehrt, verwehren,
Daß Dingen, die dahin, vollkoͤmmlich aufzuhoͤren
Dennoch nicht moͤglich iſt. Welch eine Wunder-Gabe
Das menſchliche Geſchlecht hiedurch empfangen habe
Vom ewgen Weisheits-Born; wird, leider! nicht bedacht,
Noch weniger dafuͤr der Gottheit Danck gebracht,
Wie unſre Schuldigkeit. Jndem der Menſchen Geiſt
Durch die Erfindung ja ſich dem Vergehn entreiſſt,
Und auch auf dieſer Welt ſehr lange dauren kann.
F fVon
Das Vergangene,
Von andern Trefflichkeiten
Der edlen Schreibe-Kunſt, dieweil es mich zu weit
Von meinem Zwecke moͤgte leiten,
Enthalt’ ich mich allhier. Wir treffen ferner an
Verſchiedene vergangne Sachen,
So auf die Dinge dieſer Zeit
Durch Wirckung keinen Einfluß machen,
Und welche bloß allein
Nur im Gedaͤchtniß noch vorhanden ſeyn:
Auch dieſe ſind daruͤm noch voͤllig nicht vergangen;
Man ſpuͤrt, daß etwas noch von ihnen uͤbrig ſey.
Was aber endlich das, ſo weg, und deſſen man
Sich im geringſten nicht erinnern kann,
Das auch, ſo viel als man ermiſſt,
Mit nichts mehr auf der Welt zuſammen hanget,
Und auf das, was nun gegenwaͤrtig iſt,
Nicht das geringſte wirckt; was, ſag ich, das belanget,
So ſcheinet zwar, in unſerm Sinn,
Daß ſelbigs wircklich weg, vergangen und dahin;
Allein: entſteht mit Recht nicht abermahl die Frage:
Ob unſer Sinn ein Richter ſey zu nennen,
Auf den wir uns allein verlaſſen koͤnnen,
Und der, was wahr und falſch, uns ſtets untrieglich ſage.
Wann ich dieſen unſern Satz ernſtlich bey mir uͤber
lege,
Zeigen ſich mir alſobald zween gantz unterſchiedne Wege,
Woraus du, geliebter Leſer, einen dir magſt ſelbſt erleſen.
Alles, was auf dieſer Welt iſt, wird ſeyn, und was ge-
weſen,
Was
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Was im geiſtlichen ſowol, als im weltlichen, geſchah,
Jſt entweder ſo veraͤchtlich, niedrig, eitel und geringe,
Daß es nicht der Muͤhe wehrt, daß GOtt ie dar an gedaͤchte;
Folglich glaubte man mit Rechte,
Daß ein Ding, wann es vorbey, auch ſo gar fuͤr GOTT
verginge.
Oder aber, man muß glauben, daß, was einſt von Jhm
gemacht,
Sey ſo viel auch noch wol wehrt, daß, in Goͤttlicher Jdee,
Es auch gegenwaͤrtig bleibe; folglich voͤllig nicht vergehe.
Welches nun von dieſen beyden am wahrſcheinlichſten
gedacht,
Laß ich dir, mein Leſer, uͤber: weil, uͤm etwas feſt zu ſetzen,
Man ſich muͤſte weiſer duͤncken, und untrieglicher ſich ſchaͤ-
tzen,
Als ich von mir ſelber halte. Denn es ſcheint, in dieſem
Leben
Sey uns von den Wiſſenſchaften nur ein maͤſſigs Maaß
gegeben:
Und wer dieſes wol bedenckt, ſollt’ uͤm eigene Gedancken,
Als wenn ſie unfehlbar waͤren, ſich mit niemand hundiſch
zancken,
Der ſowol ein Menſch, als er. Alſo ſtell’ ich es dahin,
Wie die Sache zu begreiffen; was der groſſe GOTT
hierin
Woll’, als welchem alles moͤglich. Jch aufs wenigſte ge-
ſtehe,
Daß ich, in dem letzten, mehr, was der Gottheit wuͤrdig,
ſehe,
Weil ja ſonſten folgen muͤſte, wenn wir es genau ermeſſen,
Daß die Gottheit ſelber etwas koͤnn’, auf Menſchen Art
vergeſſen.
F f 2Sage
Das Vergangene,
Sage nicht: was irdiſch iſt, iſt zu unwehrt, zu ge-
ringe,
Daß die Gottheit ſich damit dergeſtalt befaſſen ſoll:
Nein! dieß eben zeigt die Gottheit, daß auch in dem klein-
ſten Dinge,
Seine Weisheit, Macht und Guͤte, Lieb’ und Groͤſſe ja ſo
wol,
Als im allergroͤſten iſt. Ja es kann nichts groß, nichts
klein,
Jm Entgegenhalt der Allmacht, eigentlich genennet ſeyn.
Etwas groſſes zu erſchaffen, kommt ja GOTT nicht
ſchwerer an,
Als den allerkleinſten Staub: und der weiſe Schoͤpfer kann
Das ſo leicht, als dieß, erhalten.
O allgegenwaͤrtigs All! Des allſehendes Geſicht
Auf das kuͤnftge, das vergangne, und was iſt, zugleich ge-
richt!
Weſen! welches, wie ein Meer, ſo unendlich, was verflieſſet,
Und was, wie ein Strohm, verſtreicht, in ſich faſſet, und
enthaͤlt,
Und in welches, was geſchaffen, ſammt den Zeiten aller Welt,
Aus unzehligen Planeten, unaufhoͤrlich ſich ergieſſet!
Wo die Fluͤſſigkeit verſchwindet, wo die Fluͤchtigkeit ver-
geht,
Und woſelbſt, in ſteter Ruhe, alles ewig ſtille ſteht!
Ach! erbarm dich mein! und ſchencke
Mir, o Schoͤpfer, Deinen Geiſt; daß ich offt hieran ge-
dencke,
Und, ſo lang ich auf der Welt in dem Fluß der Zeiten lebe,
Ohne Schlummer der Gewohnheit, mich mit allem Ernſt
beſtrebe,
Daß
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Daß mein dencken, thun und laſſen etwa nicht nur hier
allein,
Sondern, da in Deinen Weſen nichts das andere vertreibet,
Und, in ſtets beſtaͤndger Stille, alles ewig vor Dir bleibet,
Dir, o alles ſehnde Gottheit, ewig mag gefaͤllig ſeyn!
Hierauf nun wend’ ich mich, mit Andacht zu ermeſſen
Den Segens-reichen Strohm, womit uns GOtt getraͤnckt,
Das ungezehlte Gut, womit Er uns beſchenckt
Jm abgewichnen Jahr. Ach! moͤgt’ ichs uie vergeſſen!
Ach! moͤgten mir nicht ietzt allein
Die reichen Quellen Seiner Guͤte,
Jn meinem Danck-begierigem Gemuͤthe,
Nein, auch ſo lang’ ich bin, ſtets gegenwaͤrtig ſeyn!
Ach GOTT! du ewge Quell der Zeiten! HERR der
Tage!
Gieb, da im Jahr, das ietzt verfloſſen,
Jch ſolch unzehligs Gut von Deiner Huld genoſſen,
Auch ich Dir Preis und Danck, in tieffſter Ehr-Furcht, ſage.
Gieb, daß ich Dich, auf eine ſolche Weiſe,
Die Dir gefaͤllig, lob’ und preiſe!
Denn Du, o GOTT! (ſoll man Dich recht erheben,
Und ſoll Dir anders recht von uns gedancket ſeyn)
Muſt das Vollbringen nicht allein,
So gar das Wollen ſelber geben.
Daruͤm, ach HERR! ſo laß uns, wie wir ſollen,
Zu Deines Nahmens Ruhm, rechtſchaffen dancken wollen!
Ein ſolcher Wille nun muß ſeinen Urſprung haben
Aus einer fuͤhlenden Betrachtung Deiner Gaben,
F f 3Aus
Das Vergangene,
Aus einem frohen uͤberlegen,
Aus einem billigen erwegen,
Aus einer, durch ſo ungezehlten Segen,
Von deiner Gnaden-Hand geruͤhretem Gemuͤthe,
Aus einer froͤhlichen Erkenntniß Deiner Guͤte,
Und aus dadurch entſtandnem Triebe,
Die Unausſprechlichkeit der Liebe,
Die Du, o Vater, uns gewuͤrdigt, uns zu ſchencken,
Von Luſt in Gegen-Lieb’ entbrannt, zu uͤberdencken.
Ja! ja! ich fuͤhl’ in mir dergleichen Freuden-Glut;
Jch ſchau, mit tauſend Luſt, zuruͤcke
Auf das im vorgen Jahr von GOTT empfangne Gut,
Und auf die mir ſo reich verliehne Gnaden-Blicke.
Jch fuͤhl’ in meiner Bruſt ein frohes wallen,
So die Erinnerung der ungezehlten Gaben,
Die wir von GOTTES Hand empfangen haben,
Jn meinem Blut erregt. Ach! laß es Dir gefallen,
O Vater! ach! verleihe,
Daß, da ich ietzt ie mehr und mehr,
Jn der Erinnerung derſelben, mich erfreue;
Es auch zu gleicher Zeit gedeie
Zu Deines herrlichen und groſſen Nahmens Ehr!
Nicht ich allein, die Meinigen, nebſt mir,
Sind (Dir, o HERR, ſey Lob und Danck dafuͤr!)
Geſund an Geiſt und Leib geblieben.
Kein Fall hat uns verletzt, kein Zufall aufgerieben,
Kein Ungluͤck uns gequaͤlt, und keine Noth verſehrt.
Daß denn bey mir mehr Danck und mehr bewunderns wehrt,
Da mir was ſonderlichs, vor andern, wiederfaͤhrt;
Jn-
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Jndem, weil dieſes Jahr mein Haus aufs neu vermehret,
Mir nun zehn Kinderchen von GOTT beſcheret,
Die alle, GOTT ſey Lob! friſch, froͤhlich, und geſund
An allen Gliedern ſind;
So daß ſchon ihrer neun, wie kleine Rehe, ſpringen.
Ach! moͤgte doch dafuͤr ſo Hertz, als Mund,
Dir ein gefaͤllig Lob-Lied ſingen!
Der dritte Theil vom Jrdiſchen Vergnuͤgen
Jn GOTT, mein GOTT, hab ich nunmehr
Zu beiden erſten koͤnnen fuͤgen.
Ach! es gereiche Dir, mein Schoͤpfer, doch zur Ehr!
Hat nicht in dieſem Jahr Fabricius,
Den Oſt und Weſt bewundern muß,
Dem Jrdiſchen in GOTT, ein himmliſches Ver-
gnuͤgen
Noch beygefuͤgt? uͤm nicht dadurch allein,
Jndem er mir es zuſchrieb, zu erweiſen,
Wie einig er, in dieſem Punct, mit mir,
Und daß es noͤthig ſey, alhier
Den Schoͤpfer im Geſchoͤpf zu preiſen.
Er hat damit zugleich, durch ſeinen Nahmen bloß,
Denjenigen, die GOTT, wie unbegreifflich groß
Er in der Schoͤpfung ſey, als Schoͤpfer zu erheben,
Blsher gewuͤnſcht, und, wegen Nenigkeit
Vielleicht bishero ſich davor geſchen’t,
F f 4Recht
Das Vergangene,
Recht eine Frey-Stadt abgegeben;
So daß nunmehr ein ieder frey,
Daß GOTTES Werck | ohn’ Ende ſey,
Wird, ſonder Furcht der| Ketzerey,
Zu GOTTES Ehren, lehren koͤnnen.
Ach! laß dadurch der wahren Andacht Glut
Jn vieler Leſer Hertzen brennen!
Abſonderlich ſagt meine Seele Dir,
O groſſer Richter aller Dinge,
Jn tieffſter Ehr-Furcht Danck, daß Deine Gnade mir
Das ſchwere Richter-Amt, wie ſchwach und wie geringe
Auch mein Vermoͤgen war, doch ſo verwalten laſſen,
Daß ich, ſo viel als mir bewuſt,
Das Recht, aufs wenigſte
Mit Vorſatz, nie fuͤr iemand beugete.
Jch muß dafuͤr, ſowol als daß Du vor Gefahren,
Und vieler Wiedrigkeit, mich zu bewahren,
So gnaͤdig wuͤrdigteſt, Dir ernſtlich danckbar ſeyn.
Denn ſelbſt die Faͤhigkeit, was Boͤſes zu vermeiden,
Kommt ja von Dir allein.
Vergieb mir doch dabey, wenn ich aus Leidenſchaft,
Aus Schwachheit, oder ſonſt, im Urtheln, im Entſcheiden,
Bald hier bald dort gefehlt. Ach! mehre doch die Krafft
Der Einſicht kuͤnft’ges Jahr! daß ich ie mehr und mehr,
Zu
bey dem 1729. Jahres-Wechſel, ꝛc.
Zu meines Naͤchſten Nutz, zu Deiner Ehr,
Vernuͤnftig, recht und billig richte!
Daß ich, ſo weit mein Ampt ſich ſtreckt,
Der Laſter Brut, ſo bald ich ſie entdeckt,
Nach aller Moͤglichkeit zernichte.
Ach! laß mich doch, o HERR, ſo wie in vor’gen
Jahren,
Vor allen, dieß mein Ampt offt drohenden Gefahren,
Aus Gnaden fernerhin geſichert ſeyn!
Denn nur auf Deine Gnad allein
Setz ich mein kindliches Vertrauen,
Und weiß, ich werde mich von Dir erhoͤret ſchauen.
F f 5Die
Neu-Jahrs-Gedicht.
Die aus der Groͤſſe der him̃liſchen Coͤrper
und Herrlichkeit der Geiſter hervorleuchtende
Groͤſſe und Herrlichkeit des Schoͤpfers.
Neu-Jahrs-Gedicht.
1730.
GOTTHEJT, Die Du, bloß aus Liebe,
Aller Himmel Himmel Heer,
Sonnen, Welte, Lufft und Meer,
Aller Creaturen Pracht,
Und, zuſammt dem Geiſt des Lichts,
Aus der tieffen Nacht des Nichts,
Auch den ſtrengen Fluß der Zeit,
Die in ſtiller Schnelligkeit,
Wie es ſcheinet, flieht und flieſſet,
Und ins Meer der Ewigkeit
Ungehemmet ſich ergieſſet,
Durch ein Wort hervor gebracht!
Laß! ach laß uns uns beſtreben,
Daß wir Dir, von unſerm Leben,
Wenigſtens zur Wechſel-Zeit,
Einen Theil zum Opfer geben,
Und, in der Beſchaffenheit
Der Geſchoͤpf, und Herrlichkeit,
Deine Herrlichkeit erheben!
Wo eine Zeit von uns des Schoͤpfers Ruhm erfodert,
Wo ie dem menſchlichen Geſchlecht,
Nach ſeinen Pflichten, und mit Recht
Ein frohes Andacht-Feur in Bruſt und Seele lodert;
So iſt es dieſe Zeit, da wir zur Sonnen-Glut,
Dem
Neu-Jahrs-Gedicht.
Dem Spiegel Goͤttlicher Vollkommenheiten,
Der Creaturen Seel’, und aller Fruchtbarkeiten,
Und alles Segens Quell, der Licht- und Lebens-Fluth,
Die, voller Waͤrm’ und Krafft, ſich uͤberall ergieſſet,
Und, als ein Seegens-Fluß, Lufft, Erd’ und Fluth durch-
flieſſet,
Aufs neu uns wieder drehn.
Wo dieſes drehen nicht geſchaͤhe,
Wuͤrd’ alles, was da lebt’, erblaſſen und vergehn:
Es waͤr der Untergang der Coͤrper in der Naͤhe.
Ein immerwaͤhrend Eis wuͤrd alle Ding’ erdruͤcken,
Und aller Saamen Krafft ein ſtarrer Froſt erſticken.
O GOTT! der Du dem Todes-Eiſe
Bloß durch der Erde drehn, auf ſolche weiſe Weiſe,
Die Creatur entziehſt! o GOTT! durch Deſſen Wort
Zu unſerm Heil, der kalte Nord
Sich waͤrmen, ſich erquicken, ſich beleben,
Beſamen und befruchten kann,
Hab’ ewig Danck! und ſchau mit Gnaden an
Das Opfer, ſo wir Dir, zu Deinem Ruhm, zu geben,
Jn heiſſer Ehr-Furcht uns beſtreben!
Ach laß mein froh- und ehrerbietigs Singen,
Jndem wir uns zu Dir, durch Dein Geſchoͤpfe, ſchwingen,
Gelingen!
Nachdem ich offtmahls nachgedacht,
Ob auch ein Menſch, mit aller ſeiner Macht,
Den Schoͤpfer tuͤchtig ſey, zu ehren.
Und
Neu-Jahrs-Gedicht.
Und ob wir in der That, durch dencken, Red’ und Schriften,
Vermoͤgend Seinen Ruhm zu mehren,
Jhm was gefaͤlliges zu ſtifften;
So hielt’ es Anfangs ſchwer, zu ſchlieſſen,
Daß, aus der Menſchen Lob, Erhebung, Ruhm und Ehre,
Da ja die Menſchen nichts, ſo gar ein Nichts, fuͤr Jhn,
Dem Schoͤpfer eine Luſt und Freude koͤnn’ entſprieſſen.
Es duͤnckte mich vielmehr,
Ob ſey es aufgeblaͤht und kuͤhn,
Von ſolcher Majeſtaͤt zu dencken,
Als ob was wuͤrdigs Jhr zu ſchencken,
Die gantze Menſchheit tuͤchtig waͤre.
Worin beſteht bey uns, gedacht ich, doch die Ehre?
Wenn andre Menſchen, unſers gleichen,
Daß man uns hoͤch haͤlt, uns ein Zeichen,
Mit Worten, Minen, oder Wercken geben.
Der Schoͤpfer aber kennt ſo wenig Seines gleichen,
Daß aller Himmel Himmel Heere,
Vielweniger ein Menſch, auf die Art, Seiner Ehre
Was nehmen, oder geben kann.
So wenig ferner man
Von ſolchen Creaturen hier,
Die ſo viel weniger, als wir,
Wie wir als GOTT, verlangen wird,
Geprieſen und geehrt zu ſeyn;
So wenig laͤſſt es auch, aufs wenigſt nach dem Schein,
Daß unſerm GOTT von uns, auf einig’ Art und Weiſe,
Zum Ruhm, zur Ehr und Preiſe,
Was wuͤrdiges gewircket werden koͤnne.
Al-
Neu-Jahrs-Gedicht.
Allein:
So lang ich GOTT, mit Recht, die ewge Liebe nenne,
Kann ich, und muß mit Recht von Seiner Guͤte dencken,
Daß es Jhm anders nicht, als wol gefallen werde,
Wenn Seine Wunder ſich in unſre Seele ſencken:
Wenn unſer Geiſt, durch der Geſchoͤpfe Pracht,
Am Himmel, und hier auf der Erden,
Die Er, aus Lieb’ allein, fuͤr uns gemacht,
Und ihre Lieblichkeit, zu Seinem Ruhm, geruͤhret,
Ein inniglich Vergnuͤgen ſpuͤhret.
Dieß fuͤhl ich nun anietzt, o HErr, durch deine Gunſt:
Jch fuͤhl in der darob erſtaunten Seele,
Wann ich dein Werck betracht, wann ich die Wunder zehle,
Die nicht zu zehlen ſind, ein’ angenehme Brunſt,
Ein ſuͤſſes Freuden-Feur, voll heiſſer Andacht-Triebe,
Voll Ehrerbietigkeit, Erkenntlichkeit und Liebe,
Und voll Begierde, Dir, o Schoͤpfer, zu gefallen,
Jn meinem gantzen Weſen wallen.
Um nun von dieſer Loh den Ausbruch euch zu zeigen,
So will ich abermahl, zu Seiner Ehr,
Jns unbegrentzt’ und Boden-loſe Meer
Der vielen Creaturen ſteigen,
Um aus der Meng’, Groͤſſ’, und der Beſchaffenheit
Der Werck’ uns immer mehr Begriff zu machen
Von deſſen Weißheit, Lieb, und Macht,
Und Groͤſſ’, und Majeſtaͤt, und Herrlichkeit,
Der ſolcher Wercke Groͤſſ’ und Pracht
Erſchaffen, und aus nichts hervor gebracht.
Dieweil nun nichts ſo ſehr,
Von des Vollkommenen Vollkommenheit|,
Uns
Neu-Jahrs-Gedicht.
Uns etwas wuͤrdigs zeigen kann,
Als das an Groͤſſ’ und Meng’ erſtaunens-wehrte Heer
Der himmliſchen Geſchoͤpff’ und Coͤrper; fang ich an
Den ſtarren Blick aufs neu auf ſelbiges zu lencken,
Und in das Firmament den regen Geiſt zu ſencken.
Denn wer kan oft genug dieß Heiligthum betreten,
Um, in der Wercke Pracht, den Schoͤpfer anzubeten?
O GOTT! was ſieht mein Aug! und noch weit meh
mein Geiſt!
Wie unablaͤnglich iſt, was mir der Himmel weiſt!
Mein Auge ſieht, in dieſer duncklen Ferne,
Jm reinſten Schimmer helle Sterne,
Wie kleine Lichter, ſonder Zahl.
Mein Geiſt ſinckt in das tieffe Thal
Des Grentzen-loſen Raums des Himmels, und erblicket,
Jn einem ieden Punct, der dieſe Tieffe ſchmuͤcket,
Ein gantzes Welt-Gebaͤud. O GOTT! er ſieht noch mehr
Er ſieht in ihrer Meng ein Sonnen-Heer,
So groß, daß aller Menſchen Seelen
Unmoͤglich faͤllt, dieſelbigen zu zehlen,
Noch weniger von ſolchen Licht-Gefaͤſſen
Die ungeheure Groͤſſ- und Maaſſ’ und Zahl zu meſſen.
Wann aber iedennoch der Menſch ſich unterwunden,
Und einen Maaß-Stab ausgefunden,
Der, ob er gleich zum Ziel der Groͤſſe gar nicht ſteiget,
Doch einigen Begriff von einer Groͤſſe zeiget;
Den Durchſchnitt nehmlich unſrer Welt,
Der auf zwey tauſend Meilen haͤlt;
So will ich auch, an einer laͤngern Stelle,
Mich dieſer kurtzen Elle,
Der
Neu-Jahrs-Gedicht.
Der Goͤttlichen Geſchoͤpfe Wunder-Groͤſſe
Zu meſſen, zu bedienen,
Mich, neben andern, auch erkuͤhnen.
Sie iſt zwar von ſich ſelbſt nicht klein;
Da auf der Flaͤche unſrer Erden,
Die wir bewohnen,
Auf neun und viertzig Millionen
Von Teutſchen Meilen ja gerechnet werden.
Allein,
Wir werden ſie dennoch in dieſes Raumes Gruͤnden,
Und, bey des Schoͤpfers Werck, gar bald zu klein befinden;
Da, drey Planeten ausgenommen,
Wir lang’ an Groͤſſe nicht bey allen andern kommen.
Und iſt ja, wie bekannt, Saturnus Durchſchnitt bloß,
Nebſt drey und zwantzig tauſend Meilen
Drey hundert zwey und ſechzig groß.
Den Durchſchnitt Jupiters auf gleiche Art zu theilen,
So laͤſſt ſich ſicherlich ſo viel von ihm entdecken,
Daß deſſen Meilen ſich
Sechs hundert drey und ſechszig mehr,
Als zwey und dreyſſig tauſend ſtrecken.
Entſetzlich iſt ja dieſe Groͤſſe,
Zumahl wenn ich die gantze Flaͤch’ ermeſſe,
Als die, wenn man es wol erwegt,
Auf drey und zwanzig Billionen Eine Billion iſt tauſend mahl tauſend Millionen.
Und noch an Millionen druͤber
Drey hundert achtzig ſich betraͤgt.
Wie
Neu-Jahrs-Gedicht.
Wie ungeheuer groß nun dieſe Corper ſeyn,
Wie unbegreifflich dick, wie ſchrecklich ihr Gewicht;
So reichen ſie doch lange lange nicht
An unſrer Sonnen-Kugel Groͤſſe.
Denn wenn ich ihren Durchſchnitt meſſe,
So wird derſelben Meilen Zahl
Auf die zwey tauſend tauſend mahl
Fuͤnf tauſend und fuͤnf hundert gehn.
Wer kann den Jnnhalt nun verſtehn
Von dieſes Coͤrpers gantzen Breite,
Deſſelben Flaͤche, Dicht’ und Weite?
Mein GOTT! ich zittr’, erſtaun’, erſchrecke,
Mich nimmt ein billigs Schaudern ein,
Jndem ich ſolche Groͤſſ’ in deinem Werck entdecke.
Allein,
Es iſt dieß groſſe Licht
Von unſers Schoͤpfers Werck das groͤſſeſte noch nicht.
Ach nein!
Wie Er unendlich iſt an Weisheit, Lieb’ und Staͤrcke;
So ſind auch Seine Wercke
Ohn’ Ende, ſonder Maaſſ’ und Zahl.
Denn, ſencken wir die forſchenden Gedancken
Aufs neu ins Firmament, und in den Abgrunds-Thal,
Der ohne Grund und ſonder Schrancken;
So treffen wir daſelbſt ſo viele Sonnen an,
Als Fix-Stern’ in der Nacht den Himmel zieren:
Jn welchen wir, zugleich mit Furcht und Luſt, verſpuͤren,
Daß man dieſelbigen nicht zehlen kann:
Abſonderlich, da nicht nur in den Hoͤhen
Des Himmels, uͤber uns, dieſelbigen zu ſehen;
Nein,
Neu-Jahrs-Gedicht.
Nein, da auch unter uns, ja gar auf allen Seiten,
Der Tieffen Tieffen ſich verbreiten,
Und ich die Grentzen-loſe Ruͤnde
Bis ins unendliche, voll Sonnen finde.
O GOTT! ſo wie vorhin der Sonnen Breit’ und
Laͤnge
Mich ſchreckt, ſo ſchreckt mich jetzt ſolch eine Sonnen Menge:
Zumahl ich ja dabey mit Recht nicht anders dencken
Und folgern kann, als: ſo wie uͤm das Licht
Von unſrer Sonnen ſich ſo viel Planeten lencken;
So werden
Auch Coͤrper dort, gleich ſolchen Erden,
Sich uͤm die Sonnen drehn, und Waͤrm’ und Licht genieſſen,
Die aus den Sonnen dort, ſo wie aus unſrer, flieſſen. Eodem modo abſurdum eſt, ſiquis in infinito mun-
dum vnicum collocaret, ac ſi in magno campo vnica
ſpica naſceretur. Non eſt maior ratio, cur DEUS
vnicum mundum produxerit, quam plures, quando-
quidem infinita virtute pollet. Quapropter, ut ſuam
virtutem et omnipotentiam manifeſtam redderet,
plures mundos producere debuit: ſiquidem eius ma-
ieſtatem productio illa maxime decet, vt a pluribus
mundis laudem, gloriam et honorem accipiat. Si
natura facit, quod eſt melius, ita et DEVS qui natu-
ram longisſime ſuperat etc. Metrodorus de Plac.
Phil. vid. Reinbeck p. 219. in notis.
O welche Tieffe ſtellt ihr mir,
O welche Werck’, o welchen Schau-Platz fuͤr!
O wuͤrdiger Pallaſt des Schoͤpfers! Millionen
Von Sonnen, ſtat den Leuchter-Cronen,
Er-
Neu-Jahrs-Gedicht.
Erleuchten dieſen Raum. Wie wird mir? ich erſchrecke,
Und freue mich zugleich. So Groͤſſe, Pracht, als Schein
Der Wohnung unſers Schoͤpfers druͤcket
Mir Demuth, Ehr-Furcht, Andacht ein.
Wie herrlich, rufft mein Geiſt, muß doch der Schoͤpfe
ſeyn,
Der ſolche Coͤrper ſchuff, und alle Himmel ſchmuͤcket!
Wie koͤnnt’ ein anderer, als Goͤttlicher Verſtand,
Ein’ ander’, als des Schoͤpfers Allmacht-Hand,
Materie genug zu ſolchen Coͤrpern finden,
Und ihren Stoff ſo wunderbar verbinden!
Jedoch noch weiter fort! Auch dieſe Coͤrper ſchwindet
Mit aller ihrer Groͤſſ’, aufs nen, im Gegenhalt
Der Unermeßlichkeit des Raums, worin ſie gehen.
Hilff ew’ger HERR und GOTT! was aller Engel Heer,
Geſchickt und faͤhig ſind zu dencken,
Wird ſich in dieſes Himmels Meer
Das unergruͤndlich iſt, verſencken.
Wir wollen iedennoch von dieſen tieffen Quellen
Ein Troͤpflein etwa vorzuſtellen,
Anietzt bemuͤhet ſeyn.
O welch ein unermeßlich Bild
Von einem Welt-Meer nicht, von einem Himmel-Meere
Das uns, in aller Welt- und aller Sonnen-Heere,
Mit einem herrlichen Begriff von GOttes Groͤſſe,
Der Seelen innerſtes erfuͤllt!
Erweget denn den Abſtand und die Weite
Der himmliſchen Geſchoͤpf’ und Coͤrper, unter ſich:
Deuckt mit erſtauntem Geiſt der Groͤſſe, Laͤng’ und Breite
Die
Neu-Jahrs-Gedicht.
Die zwiſchen ihnen iſt, ein wenig nach! da ſie,
Wie gar entſetzlich weit gleich ihre Wege, nie
Einander hinderlich;
Ja da ſie unter ſich und von einander gar,
O Wunder! ſo entfernt, daß auch die Schatten nicht,
Bey ihrem nimmer ſtillen rennen,
Sie treffen noch erreichen koͤnnen?
Betrachten wir zuerſt nur bloß des Mondes Kreis,
Der, wie man aus der Stern-Kunſt weiß,
Der allerkleineſte von allen, die man kennet;
So iſt ſein Durchſchnitt doch vom monatlichen Gang
Noch ungefehr
Auf zwanzig tauſend Meilen mehr,
Als hundert tauſend Meilen lang.
Der Kreis, durch den, nebſt ihm, die Erde jaͤhrlich rennet,
Auf der wir Menſchen wohnen,
Jſt drey und vierzig Millionen
Allein in ſeinem Durchſchnitt groß.
So ſchrecklich dieſe Groͤſſ’, iſt iedennoch die Schooß
Des allgemeinen Raums ſo wunderbar
Und unbegreifflich weit- und groͤſſer, daß es klar,
Wie unſrer Welt, ſie geh’ auch, wo ſie gehet,
Kein Coͤrper ie im Wege ſtehet.
Allein,
Es wird auch dieſer Kreis (wie groß er) wieder klein,
Wenn wir auf jene Kreiſ’ entfernter Jrr-Stern’ achten,
Jn welchen ſie, ohn Aufſchub, ohn verweilen,
Sammt ihren vielen Monden, eilen,
Und etwa vom Saturn des Lauffes Kreis betrachten;
G g 2So
Neu-Jahrs-Gedicht.
So werden wir, an Millionen Meilen
Vier hundert zehn und faſt noch eine halbe finden.
Ja wenn wir fernerhin des Ganges Laͤng’ ergruͤnden,
Wodurch die andern Jrr-Stern’ eilen,
So weiß man, daß vom Kreiſ’, den Jupiter durchſtreichet
Der Durchſchnitt an der Zahl
Zwey hundert tauſend tauſend mahl,
Nebſt drey und zwantzig tauſend mahl noch tauſend, ja
Noch ſieben hundert drey und achtzig tauſend reichet,
Benebſt fuͤnff hundert noch. Wie grauſam muß an Groͤſſ
Des Durchſchnitts gantzer Kreis! wie groß der Jnnhal
ſeyn!
Der Circkel, welchen Mars durchlaͤufft,
Hat abermahl
Von dieſer ungeheuren Zahl
Mehr als den dritten Theil.
Der Venus Kreis iſt meiſtens halb ſo groß,
Als der, den Mars durchrennt. Der, den Mereurius
Durchlauffen muß,
Wenn wir ihn durch den Durchſchnitt theilen,
Jſt ſechszehn tauſend tauſend Meilen,
Sechs hundert fuͤnf und zwanzig tauſend
Und noch zwey hundert funfzig lang.
Wen ſchwindelt nicht, wenn man nur bloß den Gang
Der Jrr-Stern’ und allein den tieffen Raum erweget
Von unſrer Sonnen-Welt? Ja wenn man uͤberleget,
Wie in gehoͤriger Entfernung alle ſtehen
Von ihrem Mittel-Punct der Sonnen, wie ſie ſich
Einander gar nicht hinderlich;
So muß, indem wir uns mit Recht darin verlieren,
Die
Neu-Jahrs-Gedicht.
Die Unermeßlichkeit, der Regel-rechte Stand,
Uns zum allmaͤchtigen und weiſen Schoͤpfer fuͤhren.
Allein,
Es wird hiedurch des Schoͤpfers Lieb’ und Macht
Jn ſeiner Creatur, die Er hervor gebracht,
Noch lange nicht genug bekannt.
Denn wie entſetzlich groß die Coͤrper immer ſeyn,
Wie ſchrecklich weit ihr Raum,
Wird alles abermahl zu einem Puͤnctchen kaum,
Wenn man ſich tieffer noch ins unuͤmſchrenckte Meer
Des tieffen Firmamentes ſencket,
Und auf den weiten Raum gedencket,
Worin das Sonnen-Heer
Der Fix-Stern’, ihre Jrr-Stern’ lencket.
Hier ſtutz’ ich, weil ich hier
So Maaß als Zahlen gar verlier.
Denn wenn ich gleich den Raum von unſrer Sonnen-Welt
Sammt allem, welches ſie in ihrem Schooß enthaͤlt,
Jn einen Circkel zoͤg’, und deſſen Durchſchnitt mir,
So wie zuerſt der Durchſchnitt unſrer Erden,
Zu einem Maaß-Stab koͤnnte werden;
So wuͤrde dieſe Laͤng’, ob gleich faſt ſonder Schrancken,
Den immer tieffer noch verſinckenden Gedancken,
Trotz ihrer Schnelligkeit und ungehemmtem rennen,
Hier kaum zum Anfang dienen koͤnnen.
So will ich nun
Nur einen Blick annoch in dieſe Tieffe thun.
Unleugbar iſt, daß ieder feſte Stern
Entſetzlich-unbegreifflich fern,
G g 3Jn
Neu-Jahrs-Gedicht.
Jn einer ungemeſſnen Hoͤhe,
Annoch von unſrer Sonnen ſtehe.
Den Abſtand legen hell und klar
Uns die Vergroͤſſrungs-Glaͤſer dar;
Da, wenn ſie alles das, was unſre Sonnen-Welt
Jn ihrem weiten Circkel haͤlt,
Auf wie viel tauſend mahl vergroͤſſern;
Sie alle Fix-Stern unſern Augen
Nicht uͤm ein einzigs Haar nur zu vergroͤſſern taugen.
So uns denn offenbar entdecket,
Daß dieſes Abſtands Tieff’ und Weite,
Entfernung, Hoͤhe, Laͤng’ und Breite
Sich ſo entſetzlich fern erſtrecket,
Daß unſer Blick, wie ſehr man ihn auch ſtaͤrckt,
Doch, in der ungeheuren Ferne,
Nicht die geringſte Aendrung merckt.
Wir finden, daß der Sirius,
Der dreiſſig tauſend mahl faſt, uns verkleinet,
Jm Gegenhalt der Sonn’, erſcheinet,
Auch wenigſtens ſo viel entfernter ſitzen muß:
So denn, wenn mans genau erweget,
Auf Millionen Millionen
Von Teutſchen Meilen ſich betraͤget.
Wann dem nun ſo; welch’ eine tieffe Ferne
Jſt in des Firmamentes Gruͤnden!
Da wir in ſelbigen viel tauſend tauſend Sterne,
Die immer mehr und mehr noch klein,
Und folglich immer mehr und mehr entfernet ſeyn,
Durch ſcharffe Perſpective finden.
Der-
Neu-Jahrs-Gedicht.
Derſelbigen noch zu geſchweigen,
Die, auch mit aller Kunſt, ſich nie den Augen zeigen.
Wenn alle dieſe nun, wie nicht zu leugnen ſteht,
Als unſre Sonn’, auch manche Welt regieren,
Erleuchten, waͤrmen, uͤm ſich fuͤhren;
Und ich erwege dann von ihrer aller Reiſe,
Die ungezehlt-und unmeßbaren Kreiſe,
Derſelben Tieffe, Hoͤh’ und Breite,
Zuletzt den Raum, worin, in Regel-rechter Weite
Und Ordnung unter ſich die Kreiſ’ entfernet ſtehn;
HERR ZEBAOTH! wie herrlich und wie maͤchtig,
Wie unermeßlich groß, und praͤchtig
Erſcheineſt Du mir hier! Hier glaub ich Dich zu ſehn.
Von aller Herrlichkeit iſt meine Seel’ erſtarrt:
Ein heilger Schander zeigt mir Deine Gegenwart,
Jn Deiner Majeſtaͤt, Pracht, Weisheit und Gewalt.
Hier weiſet das Geſchoͤpf den Schoͤpfer dergeſtalt,
Als es Jhn nirgends zeigt. Furcht, Wunder und Entſetzen
Erſtaunen, Ehr-Furcht, Luſt, Erſchrecken und Ergetzen
Umgeben, nehmen ein, durchdringen mich, erfuͤllen
Die rege Seele gantz. Es wuͤnſcht, es ſehnet ſich
Der forſchende Verſtand, zuſammt dem Willen,
O ewge Liebe, Macht und Weisheit, Dich
Noch immer deutlicher in Deinem Werck zu ſehn,
Um ihre Seligkeit, zu Deinen heilgen Ehren,
Darin zu foͤrdern und zu mehren.
Jndem ich nun hierauf gedencke,
Den faſt entzuͤckten Geiſt in GOTTES Wunder ſencke,
G g 4Um
Neu-Jahrs-Gedicht.
Um zu dem ſeligen Geſchaͤffte,
Der Sinnen Werck-Zeug’, alle Kraͤffte,
Gedaͤchtniß, Witz und Willen anzuwenden;
Erblick’ ich abermahl was groſſes, bey dem Licht
Der Gottheit: Denn ein Weſen,
Das durch des Schoͤpfers Huld erleſen,
Von Goͤttlicher Gewalt, Huld, Majeſtaͤt und Macht
So viel, wie es begreifft, zu faſſen,
Kann nicht gering, veraͤchtlich, klein,
Vergaͤnglich und verwerfflich ſeyn.
Hiedurch nun angeſpornt, kann ich nicht unterlaſſen,
Der Geiſter Eigenſchaft aufmerckſam zu beſehn,
Und auf das neu in ihr die Gottheit zu erhoͤhn.
Jndem ein Geiſt, wenn man ihn wol erweget,
Des Schoͤpfers Allmacht uns noch mehr vor Augen leget,
Als alle Groͤſſe, Tieffe, Hoͤh,
Und Weſen der Materie.
Ein Geiſt, dem GOTT die Faͤhigkeit zu dencken,
Und zwar von Seiner Groͤſſ’, ſo mancherley, ſo viel,
Faſt ſonder Schrancken, Maaſſ’ und Ziel,
Gewuͤrdiget zu ſchencken,
Verherrlicht Seine Macht
Noch mehr, als alle Pracht
Der unbelebten Creaturen.
Wenn bey der Himmels-Coͤrper Heer,
Wovon wir alleweil in jenen tieffen Hoͤhn,
Mit Schrecken und mit Luſt, nur einen Theil geſehn,
Kein Geiſt, kein denckend Weſen waͤr;
Wuͤrd’
Neu-Jahrs-Gedicht.
Wuͤrd’ alles unfruchtbar und ewig oͤde ſeyn.
GOTT koͤnnte nicht erkannt, bewundert, noch erhoͤht,
Geprieſen nicht, nicht angebetet werden.
Denn alle Sonnen, alle Erden,
Wo nicht ein denckender vernuͤnftger Geiſt in ihnen,
Vermoͤgten GOTT mit nichts zu dienen.
Und koͤnnten Jhn, ſo wenig als ein Stein,
Zu ehren und zu ruͤhmen tuͤchtig ſeyn.
Das Seyn iſt eigentlich kein Gut mit Recht zu nennen,
Als fuͤr Geſchoͤpf’ allein, die was begreiffen koͤnnen.
Das Weſen dienet dem, das nicht beſeelt, zu nichts,
Weil es ſein eigen Seyn nicht einſt vermag zu fuͤhlen.
Daruͤm hat GOTT, die Quell des Lebens und des Lichts,
Die Creatur beſeelt, und nicht allein ein Leben,
So gar die wunderbare Krafft
Und unbegreiffliche beſondre Eigenſchaft,
Den Sinn auf ſich zuruͤck zu lencken,
Auf ſich, auf andre Ding’ auf GOtt ſelbſt, zu gedencken,
Derſelbigen gewuͤrdiget zu ſchencken.
Sie hat, benebſt der Faͤhigkeit zu wehlen,
Die Unterſcheidungs-Krafft, die Krafft zu uͤberlegen,
Sich zu erinnern, was geſchehn,
Und das, was kuͤnfftig iſt, wol gar vorher zu ſehn.
Ach laſſ’t uns dieſes wol erwegen!
Er hat, o Wunder Lieb’ und Huld! ihr wollen goͤnnen,
Jn ſeiner Wercke Pracht, und ihrem Wunder-Schein’,
Jhr eigenes Vergnuͤgen zu erkennen,
Und eben darin froh, ja ſeelig faſt, zu ſeyn.
Jch bet’, o HErr, o Allmacht-voller GOTT,
Du unbegreifflicher HErr Zebaoth,
G g 5Da
Neu-Jahrs-Gedicht.
Da ich die Wuͤrdigkeit des Geiſts erwegen kann,
Die Unermeßlichkeit von deiner Weißheit, an;
Ja noch vielmehr die Zaͤrtlichkeit der Liebe,
Da du, o Liebe! bloß aus Liebe,
Den Creaturen Luſt und Seeligkeit zu ſchencken,
Sie faͤhig macheſt, zu gedencken.
Je mehr ich dieß bedenck’, und ihre Krafft erwege,
Je mehr ich recht, was Geiſt, was Seelen, uͤberlege,
Je mehr ich herrliches in Geiſtern finden kann;
Je majeſtaͤtiſcher treff ich die Gottheit an.
Druͤm laſſt uns, GOTT zum Ruhm, den Vorwurff weiter
treiben,
Und von dem Weſen ſelbſt des Geiſts noch etwas ſchreiben.
Unſer Geiſt, wie ſehr er gleich mit der Coͤrper Stoff
vereinet,
So daß er ſich gar mit ihm gleichſam zu vermiſchen ſcheinet,
Jſt dennoch von ſolchem Vorzug, ſolchem Adel, ſolcher Krafft,
Solcher wunderbaren Hoͤhe, und von ſolcher Eigenſchaft,
Die vom Stoff ſich unterſcheidet, daß, ie mehr man es be-
dencket,
Man dadurch ſelbſt in den Geiſt aller Geiſter ſich verſencket.
Bilde dir, von einem Coͤrper, Theilchen, welche noch
ſo klein,
Noch ſo duͤnne noch ſo zart, ja die kaum noch Coͤrper, ein:
Sollten ſie dadurch zum dencken wol geſchickt und faͤhig ſeyn?
Laß den Stoff ſich durch Gedancken noch ſo ſehr verkleinern
laſſen;
Kann er daruͤm uͤberlegen? kann er lieben? kann er
haſſen?
Kann
Neu-Jahrs-Gedicht.
Kann er ſich erinnern, ſinnen und erwegen? Stell ihn dir
Spitzig, eckigt, lang und rund, unſicht-und unfuͤhlbar fuͤr;
Rechn’ ihn ſelbſt zur Himmels-Lufft; mach ihn leicht, be-
weglich, fluͤchtig;
Dennoch wird er nimmermehr, als ein Geiſt zu dencken
tuͤchtig.
Ja wir wiſſen daß der Vorzug unſers Geiſts noch
weiter geht,
Und daß aller Coͤrper Schoͤnheit blos allein im Geiſt beſteht.
Aller Sinnen Kraͤffte, Sehen, Hoͤren, Riechen, Fuͤhlen,
Schmecken,
Sind in unſrer Seel allein, nicht in Coͤrpern zu entdecken.
Selbſt das Weſen aller Farben, ja noch mehr, ſo gar das
Licht,
Hafften blos an unſern Seelen, liegen in dem Coͤrper nicht;
Ja, ſo wenig, als wenn iemand von der Laute dencken wollte,
Daß ſie vor dem ſuͤſſen Thon’ und der holden Melodey
Der durch Kunſt erregten Seiten, fuͤhlend und empfindlich
ſey,
Und ſich an der Lieblichkeit ihres Klangs vergnuͤgen ſollte;
Werden wir ſo Licht als Farben von der Seelen Weſen
trennen,
Und, daß ſie den Coͤrpern eigen, mit Beſtand erweiſen koͤnnen.
Wie der treffliche Geneſt dieſe ungemeine Wahrheit,
Mit unwiederſprechlicher uͤberzeuglich heller Klarheit,
Uns in ſeinem Buche zeigt. Aber laſſt uns weiter gehen!
Wir haben an des Himmels Bogen
Des Schoͤpfers Groͤſſ’, in Seinen groſſen Wercken,
Erſtaunet angeſehn, betrachtet und erwogen.
Wenn wir nun auch, mit gleichem Fleiß, bemercken
Die
Neu-Jahrs-Gedicht.
Die ungezehlte Zahl beſeelter Creaturen
Nur erſt auf unſrer Welt. O GOTT! was ſeh ich hier,
Von Deiner Weisheit, Lieb’ und Wunder-Macht,
Aufs neu fuͤr wunderbare Spuren!
Wie unbegreiff-und faſt unendlich iſt der Thier’
Entſetzlich groſſe Zahl! von der Materie
Sind alle Theile faſt bevoͤlckert: und ich ſeh’
Jn ihnen weder Zahl noch Ende,
Wann ein Vergroͤſſrungs-Glas mir meine Augen ſtaͤrckt.
Ein iedes Blat, ein iedes Troͤpfchen Naß,
So in der Thiere Coͤrpern ſtecket,
Wenn man dieſelbige mit Fleiß und Ernſt bemerckt,
Zeigt uns viel lebende Geſchoͤpfe. Man entdecket
Sie Schaaren-weiſ’, und faſt bey Millionen.
Ja aͤuſſerlich auf vieler Thiere Haut
Wird ihrer eine Zahl, die ſonder Zahl, geſchaut.
Noch mehr: ſo Stein’ als Marmor ſelbſt bewohnen
Verſchiedne Thierchen, die ſo klein,
Daß ſie nicht zu erkennen ſeyn.
Was ſchwimmen denn wol nicht fuͤr lebendige Heere
Jn Teichen, Stroͤmen und im Meere!
Welch eine Menge lebt auf Bergen, in den Feldern,
Jn den Moraſten, Thaͤlern, Waͤldern!
Ja, was noch mehr, worin ſich aller Witz verlieret,
Da allem Anſehn nach (wie alle Ding auf Erden
Von Dingen, die belebt, erfuͤllt gefunden werden,)
Auch in den ungezehlt unzehlbaren Planeten
Dergleichen auch wird ſonder Zahl verſpuͤhrt.
Wann
Neu-Jahrs-Gedicht.
Wann wir nun unſern Geiſt auf die Geſchoͤpfe lencken
Die GOTT belebet hat, derſelben Unterſcheid,
Und Stuffen der Vollkommenheit,
Die ebenfalls unzehlich, uͤberdencken;
So treffen wir von Creaturen
Solch eine wunderbar’ und heilge Leiter an;
Wovon ein’ iede Sproß uns zu dem wahren GOTT,
Zu Dir, o groſſes All! HERR Zebaoth!
Und einzig wahren HErrn der Schaaren!
Jn froher Ehr-Furcht, leiten kann.
Je mehr man dieß erwegt, ie mehr wird man erfahren,
Wie unbegreifflich, auch in dieſem Punct allein,
Des Schoͤpfers Wunder-Wercke ſeyn.
Es giebt lebendige Geſchoͤpff’ auf unſrer Erden,
Die von dem Stoff, der nicht belebt, mit Recht
Nur eben unterſchieden werden.
So waͤchſt an Felſen ſelbſt, von andern nichts zu ſprechen,
Ein’ Art von Fiſchen, an Geſtalt
Faſt Kegel-Foͤrmig, die, ſo bald
Wir ſie von ihrem Sitze brechen,
Schon todt ſind. Manche Creatur
Entdeckt man, welche nur
Um einen Grad von dieſen unterſchieden,
Und die nur den Geſchmack und das Gefuͤhl, nichts mehr
Von andern Sinnen an ſich haben.
Verſchiedne haben noch, zu beiden, das Gehoͤr,
Noch andre, den Geruch: der Augen Wunder Gaben
Sind andern ferner zugeſellt.
Gantz unbegreifflich ſind, in der belebten Welt
Die
Neu-Jahrs-Gedicht.
Die Staffeln, ja in ieder Sorte
Gehn faſt bis zur Unendlichkeit
Die Staffeln der Vollkommenheit.
Ja dieſe Art der Stuffen geht ſo weit,
Daß die vollkommenſte von einer untern Art
Dem unvollkommenſten von der, ſo ihr am naͤchſten
Doch uͤber ihr, faſt gleich.
Man merck hiebey, mit redlichem Gemuͤthe,
Wie ſo unendlich reich
Der Schoͤpfer an Gewalt und Weisheit, Huld und Guͤte!
Da nicht nur, was man ſieht, mit Thieren, welche leben,
Verwunderlich erfuͤllt; So gar der Unterſcheid
Jn ihnen ſelbſt, kann ja ſo ſehr,
Als ihre Zahl, die Lieb’ und die Vollkommenheit
Des groſſen Schoͤpfers hoch erheben.
Haͤtt’ Er von lebendigen Thieren
Nicht mehr als eine Sort’ zum Leben zugericht;
So koͤnnten ja die andern alle nicht
Vermoͤgend ſeyn, des Weſens Gluͤck zu ſpuͤren.
Den Zwiſchen-Stand, von einer Pflantzen an,
Bis zu dem Menſchen, fuͤllt ſolch ungezehlte Zahl
Von gantz verſchiedenen Geſchoͤpffen, welche man
(Da ſie ſich allgemach, nicht auf einmahl
Verbeſſern, und ſich ſo gelind und ſanft erhoͤhn;
So daß kein Abſatz faſt zu mercken, zu verſtehn)
Nicht gnug beſehn nicht gnug bewundern kann.
Es giebt ja Fiſche, welche fliegen,
Und Voͤgel, die im Waſſer liegen,
Und denen ja ſo kaltes Blut,
Als
Neu-Jahrs-Gedicht.
Als wie den Buͤrgern kalter Fluth,
Jn ihren Adern wallt.
Noch giebt es eine Art von Thieren, die halb Thiere,
Und halb auch Voͤgel ſind. Jſt vieler Aufenthalt
Nicht in der Fluth zugleich und auf dem Lande?
Das Meer-Kalb lebet ja im Meer und auf dem Strande:
Wie viele naͤhern ſich, an Sinn und an Verſtande,
Den Menſchen ſelber faſt!
Jndem ich nun des Schoͤpfers Lieb’ und Macht,
Jn dieſer Wunder-Leiter Laͤnge,
Und ihrer Sproſſen groſſe Menge,
Die von uns abwaͤrts fuͤhrt, betracht;
Werd’ ich aufs neu (o Wunder) ſehr geruͤhret
Durch eine Leiter, die ich ſeh,
Daß ſie mich noch weit hoͤher in die Hoͤh,
Als jene niederwaͤrts mich fuͤhrte, fuͤhret.
O GOTT! was wird mein Geiſt alhier
Fuͤr eine neue Welt gewahr,
Wohin ſich meine Seele ſchwinget!
Was ſtellt ſich mir fuͤr eine Schaar
Von geiſtigen Geſchoͤpfen fuͤr,
Die ins unendliche mich bringet!
Jch dencke nicht, wie ich zuvor gedacht:
Jch fuͤhl und ſeh’, auf eine neue Weiſe,
O HERR der Schaaren, Dir zum Preiſe,
Ein wuͤrdigs Meiſter-Stuͤck von Deiner Wunder-Macht.
Es ſtimmt mit GOttes Lieb’ und Weisheit uͤberein
Unendlich, uͤberall, zu ſeyn.
Und
Neu-Jahrs-Gedicht.
Und wie wir allenthalben ſehen,
Daß keine Spruͤng’ in der Natur geſchehen;
So werden wir dadurch uͤm deſto mehr
Zu des Allmaͤchtigen Lob, Preis und Ehr,
Unwiederſprechlich uͤberzeuget,
Daß man von uns nicht auf einmahl,
Nein, allgemach durch eine Zahl,
Die nicht zu zehlen iſt, zu ſolchen Engeln ſteiget,
Die man bald Thron-bald Seraphinen,
Ertz-Engel bald, bald Cherubinen,
Und ſonſten nennt, von welchen uns bisher
Kaum einiger Begriff, von aller Ordnung leer,
Verwirret, zweifelhaft und dunckel, ja faſt gar
Nicht das geringſte ie in Sinn gekommen waͤr.
Jndem wir uns (wer weiß, obs nicht aus Stoltz geſchehn,
Um uns unmittelbar der Gottheit nah zu ſehn)
Nicht die geringſte Muͤh genommen,
Zu einigem Begriff von ihrem Seyn zu kommen.
Da doch die Bibel ſelbſt ſie uns bey Schaaren zeiget,
Wovon die Meng’ und Zahl faſt alles uͤberſteiget,
Was einigen Begriff von Vielheit in uns macht.
Hieraus nun flieſſt von ſelbſt, und kann der Schluß
nicht fehlen,
Daß, da von ihrer Meng und ungezehlten Schaaren
Die Millionen nicht zu zehlen;
Der GOTT, der alle Ding, nach Ordnung und Geſetzen,
So wunderbar hervor gebracht,
Auch einen weiſen Rang von Ordnung, Unterſcheid,
Und, in verſchiedlicher Vollkommenheit,
Un-
Neu-Jahrs-Gedicht.
Uuzehlige Veraͤndrungen und Gaben
Bey ihnen wird geſetzet haben.
Einfolglich werden auch, von uns an, allgemach
Die Geiſter immer ſich auf ſolche Weiſ’ erheben,
Und, ins unendliche, ſich nach und nach
Noch zu verbeſſern, ſich beſtreben;
Als wie von uns, wie die Erfahrung zeiget,
Die Creatur, an Krafft vermindert, abwaͤrts ſteiget. Multae ſpecies deſunt, quae non ſunt in hoc mundo;
ſiquidem inter DEVM et Angelos multae creaturae
collocari poſſunt, quae, ſicut DEO inferiores, ita et
Angelis omnibus ſuperiores erunt. Poſſunt et inter
Angelos & homines aliquae perſonae ſpecie diſtin-
ctae reponi; idemque dicendum eſt de multis ſpe-
ciebus inter homines et animalia, inter plantas et
mixta cetera conſtituendis, quibus cum mundus no-
ſter careat, par eſt, vt credamus, aut plures alios,
aut vnum ſaltem alium exiſtere, a quo nulla prorſus
ſpecies abſit; vt ab omnibus gradibus et ordinibus
retum DEVS Opt. Max. laudibus afficiatur. Me-
trodorus loc. cit.
Wer ſtimmt nun nicht der Meinung bey,
Daß, weit von einer groͤſſern Laͤnge
Die Creaturen-Leiter ſey,
Die uͤber uns, von uns an ſich erhoͤht,
Als die, von uns an, abwaͤrts geht?
Jndem wir ja wol leichtlich faſſen,
Daß wir von GOTT unendlich weit,
An Graden der Vollkommenheit,
Bis
Neu-Jahrs-Gedicht.
Bis zur Unendlichkeit
Und mehr, entfernet ſind,
Als wenn wir uns, von uns hinunter laſſen
Zum allerniedrigſten und ſchlechtſten Grad
Des Weſens, welches ſich dem Nichts am meiſten naht.
Und dennoch bildet ſich der Menſch, aus Hochmuth, ein,
Und handelt anders nicht, als wenn nur ihm allein
Der hoͤchſte Grad der Vollenkommenheiten
Bloß zugetheilet waͤr. Wie niedrig und wie klein
Muß aber unſer Witz dergleichen Engeln ſcheinen!
Wo etwas uns zur Demuth ſollte leiten,
So ſollt’ es die Betrachtung ſeyn.
Mein GOTT! indem mein Geiſt, von dieſer Geiſter
Welt,
Sich einigen Begriff formiret;
Wird durch Vermuthungen mir etwas vorgeſtellt,
Das mich faſt aus mir ſelber fuͤhret.
Jn welchem ſich mein Geiſt zwar gantz verlieret,
Und gleichſam zu verkommen ſcheinet;
Jedoch ſo viel davon zu faſſen meinet,
Daß der verklaͤrten Creaturen
Natur, Kraͤfft’, Eigenſchaft und ihrer Herrlichkeit
Nicht auszudruͤckende Vollkommenheit
Jn weit verſchiednern Grad und Unterſcheid,
Als der Geſchoͤpfe hier auf Erden,
Beſtehen werden.
So ſehr von einer Pflantz’ ein Wurm ſich unterſcheidet,
Von einem Wurm ein Thier, ja wie das Thier-Reich ſehr
Jn ſich verſchiedlich iſt, und ſo verſchiednen Grad
Von Feuer, von Begriff und von Gedaͤchtniß hat,
Da
Neu-Jahrs-Gedicht.
Da ja von einem Schaaf zu einem Hund’ allein
Die Staffeln faſt unzehlig ſeyn.
Und wie von dem zu uns die Abſtaͤnd’ |ohne Zahl,
So daß es nicht einmahl
Die wenigſte Vergleichung leidet;
So unterſchiedlich muͤſſen dort,
Und zwar ohn Ende fort und fort,
Die Kraͤffte, die Vollkommenheiten,
Empfind-Entzuͤckungen und Seeligkeiten,
Jn immer, GOTT zum Lob’, aufs neu entbranntem Triebe
Zu finden ſeyn. Dieß iſt, fuͤr GOTT, ja nicht zu viel,
Jndem des Schoͤpfers Macht ſo groß, als Seine Liebe,
Und beide ſonder Maaß, und beide ſonder Ziel.
Anbetungs-wuͤrdiger Monarch, was ſtellt von Dir
Uns die Jdee von der unſichtbarn Welt
Fuͤr eine neue Groͤſſ’ auf dieſe Weiſe fuͤr!
Es ſcheint, ob waͤre hier, indem wir hievon dencken,
Ein neues Heiligthum uns vorgeſtellt.
So nahe kann man ſich durch nichts zur Gottheit lencken,
Als wenn man, da Er ſich als einen Geiſt uns zeiget,
Der aller Geiſter Geiſt; zu Jhm, fuͤr Luſt entzuͤckt,
Auf der ohn End’ erhabnen Leiter ſteiget,
Und immer mehr Vortrefflichkeiten,
Und immer mehr Vollkommenheiten
Jn alle Ewigkeit im Geiſtigen erblickt.
Ob wir nun gleich hier nur geringe Spuren
Von dieſen herrlichen und ſeelgen Creaturen
Vermercken, da ſie ſich fuͤr unſern Sinn verhuͤllen;
So wird ſich iederman doch leicht bereden laſſen,
H h 2Daß
Neu-Jahrs-Gedicht.
Daß ſie nicht nur des Himmels Tieff’ erfuͤllen,
Nein, daß ſie uns, iedoch im unſichtbaren Schein,
Umgeben, und zugegen ſeyn;
Denn ihrer iſt ein gar zu groſſes Heer,
Und nichts iſt von Geſchoͤpfen leer.
Wie herrlich ſtimmt zugleich der Jnhalt unſrer Lehre
Selbſt mit der Bibel uͤberein!
Es nennt ſich unſer GOTT Selbſt einen HErrn der Heere
HERR ZEBAOTH iſt ja von allen Nahmen,
Die von der Gottheit ie zu unſerm Wiſſen kamen,
Der allerherrlichſte, der allerpraͤchtigſte,
Jn welchem ich zugleich in holder Majeſtaͤt,
Die wie ein Strahl mir durch die Seele geht,
Und ſie mit tieffer Ehr-Furcht fuͤllt,
Ein wahres Bild
Vom wahren GOTT, im hoͤren gleichſam ſeh.
Was ſind die Heere nun und Schaaren eigentlich,
Wovon der Schoͤpfer ſelbſt ſich nennet HERRN und
Meiſter,
Als Sonnen, Welt’, als Engel, Geiſter,
Die allenthalben ſind, wovon das tieffe Meer
Des allgemeinen Raums an keinem Orte leer,
Und gaͤntzlich angefuͤllet iſt.
Wie billig wuͤnſcht und betet nicht ein Chriſt,
Recht zum Beweißthum unſrer Sache:
Befiehl Dein’m Engel, daß er komm,
Und uns, Dein Eigenthum, bewache!
Mit dieſem ſtimmen uͤberein,
Daß ſie uns alle nahe ſeyn,
Denn
Neu-Jahrs-Gedicht.
Denn ſollten ſie viel hundert tauſend Meilen,
Bey iedem Dienſt, herab, und uns zu Huͤlffe eilen?
Dieß ſcheinet ja wol in der That,
Daß es nicht einſt den Schein der Wahrheit in ſich hat.
Doch halt, erſtaunter Geiſt! du magſt anietzt mit Fug
Den faſt zu kuͤhnen Flug
Der forſchenden Gedancken hemmen.
Da, wo ſich Wunder-Werck’ in ſolchem Ausbruch zeigen,
Geziemt am beſten ſich ein ehrerbietigs Schweigen.
Druͤm will ich mich fuͤr ietzt vom uͤbertriebnen dencken,
Worin, ob mir gleich alle Krafft verſchwunden,
Und ich doch mehr ein Nichts, als GOttes Groͤſſe funden,
Zum dancken, voller Andacht lencken.
O unendlichs ewigs All! deſſen Groͤſſ’ in Seinen Wer-
cken,
Welche ſonder Maaſſe groß, wir ſchon hier im Geiſt be-
mercken,
Ach wie iſt, HERR, Deine Groͤſſe doch im Kleinen auch ſo
groß!
Maͤchtig, weiſ’ und wunderbar, da Du nicht die Welt
allein,
Ob ſie gleich, bey andern Coͤrpern Deiner Wunder, Wun-
der klein,
Sondern auch mich armen Staub, mich elenden Erden-
Kloß,
Dieſes Jahres Kreis-Lauff durch, nebſt den Meinigen, er-
halten,
Und ſo gnaͤdig benedeyt, daß ich, mit geruͤhrter Seelen,
Von den ungezehlten Wundern etwas wenigs zu erzehlen,
Mich hier nicht enthalten kann.
H h 3HERR,
Neu-Jahrs-Gedicht.
HERR, ich bete Deine Wunder, Deine Weisheit,
Macht und Guͤte,
Wenn ich es recht uͤberlege, recht mit Freuden-Thraͤnen an.
Alles meine, nebſt den Meinen, haſt Du mir, mein GOTT,
erhalten:
Du allein, durch Deine Liebe, haſt mich in den Stand ge-
ſetzt,
Mein ſo ſchweres Richter-Ampt ſonder Nachtheil, unverletzt
An Gewiſſen, an Geſundheit, Ehr’ und Wolfahrt, zu ver-
walten.
Es iſt, Dir, o HERR, ſey Danck! auch das fuͤnft’ und
letzte Jahr,
Worin ich, nach unſrer Ordnung, dazu angewieſen war,
Bey entſtandnen Feuers-Bruͤnſten in Perſon zu ſeyn, ver-
floſſen.
HERR wie hab’ ich offt dabey in ſo mancherley Gefahr,
Die mir nah genug geweſen, Deiner Huͤlffe wunderbar,
Mehr als einmahl augenſcheinlich und recht ſichtbarlich ge-
noſſen!
Da von einer Maur der Schutt zweymahl mich gewiß be-
graben,
Und in einer heiſſen Laſt wuͤrde gantz verſchuͤttet haben,
Wenn ihr krachendes Geraſſel mir zur Warnung nicht ge-
dient,
Und mich von dem Ort getrieben, wohin ich mich hatt’ er-
kuͤhnt,
Um der lodernden Gewalt kraͤfftiger zu wiederſtehn,
Und, die Schlangen anzufuͤhren, nebſt der Loͤſcher Schaar, zu
gehn.
HERR! verdienet dieſes nicht, daß ich offt daran gedencke,
Und, fuͤr dieſen Schirm und Schutz, Ehre, Preis und Danck
Dir ſchencke?
Ja,
Neu-Jahrs-Gedicht.
Ja, daß ich, durch Deine Gunſt,
Jn der letzten Feuers-Brunſt
Jn dem Stande bin geweſen, wehrtes Hamburg, dir zu nuͤtzen,
Und an Wehrt viel hundert tauſend fuͤr des Feuers Wuth
zu ſchuͤtzen,
Jſt Dir, HERR, nur zuzuſchreiben, daß Du in der duncklen
Nacht
Vielen, Gut und Blut zu retten, mich zum Werckzeug haſt
gemacht.
Die zwey Richter-Jahre ſind mehrentheils, GOTT
Lob! dahin.
HERR! wie froh iſt meine Seele! wie vergnuͤget ſich
mein Sinn!
Durch das Strudel-reiche Meer ungeſtuͤmer Rechts-Ge-
ſchaͤffte
Schifft’ ich ſonder Sturm und Wetter, ſonder ſcheitern,
gluͤcklich hin.
Wer regierete das Steuer, wer verliehe mir die Kraͤffte?
Und wer zaͤhmete die Winde anders, als Du HErr allein?
Wer ſollt anders denn von mir, fuͤr ſo ſonderbare Gnade,
Als Du Schoͤpfer und Regierer aller Ding’, erhoben ſeyn?
Ja mein GOTT, ich dancke Dir, da ich mich der Laſt
entlade.
Jch verehr’, in tieffer Demuth, Deine Weisheit, Lieb und
Macht,
Nehme Deine weiſe Fuͤhrung, mit geruͤhrter Seel’, in Acht,
Jn dem Richter-Ampt ſowol, als im gantzen Lebens-Lauff,
Opfre, was ich Guts gethan, Dir mit Freuden danckbar auf,
Flehe Dich, uͤm aller Fehler gnaͤdige Vergebung an,
Der ich mich ſowol erinnern, als auch nicht erinnern kann:
H h 4Und
Neu-Jahrs-Gedicht.
Und erſuche, Demuths-voll, bey ſo vielen, noch die Gabe:
Daß ich dieſe Deine Gnade Lebenslang vor Augen habe.
Wann ich auch in dieſem Jahr mit dem Richter-Ampt
im Lande
Auf das neu beleget werde, wolleſt Du zu ſolchem Stande
Deine Gnad aufs neu verleihen; Licht und Recht aufs neu
gewaͤhren:
Weil auch dort viel tauſend Seelen Huͤlff’ und Recht von
mir begehren.
Laß mich, dort ſowol, als hier, mein Gewiſſen nicht be-
ſchweren!
Laß mich nicht mich uͤbereilen! laß mich beide Theile hoͤren
Laß kein Feur der Leidenſchaft mich im uͤberlegen ſtoͤren!
Gieb, daß ich mich meines Ampts, das mir bloß von Dir ge-
geben,
Zu der Unterthanen Beſten, ja nicht uͤberheben mag!
Laß mich Geitz und Hochmuth fliehen! und vernuͤnftgen
Uberſchlag
So mit Billigkeit, als Recht, ſtets zu machen, mich beſtre-
ben.
Ja es floͤſſe Deine Furcht mir die Wahrheit oͤffters ein:
Daß nicht Edle nur, und Buͤrger, auch die Bauren Men-
ſchen ſeyn!
Jhre harte Lebens-Art, die ſie, uns zum beſten, fuͤhren,
Und wovon nur wir die Fruͤchte heben, und den Nutzen
ſpuͤren,
Laß mich mehr dahin vermoͤgen, (wenn ich kann) in allen
Sachen,
Jhre Buͤrde minder ſchwer, und ihr Leben leicht zu machen,
Als durch gar zu groſſe Strenge, ſie noch haͤrter zu beſchwe-
ren,
Und
Neu-Jahrs-Gedicht.
Und dadurch, an ſtat des Dancks, welchen ſie fuͤr Deine
Guͤte,
Bey ſo offt verſpuͤrtem Segen, mit bewunderndem Gemuͤthe,
Dir, o groſſer Geber, ſchuldig; noch ihr murren zu ver-
mehren.
Laß mich auf ihr nuͤtzlichs Werck, das dem menſchlichen
Geſchlecht
Noͤthiger, als alle Wercke, mit Vernunft und Freuden
achten,
Und beym pfluͤgen, ſaͤen, maͤhen, Deine weiſe Macht be-
trachten;
Bald in ſuͤſſen Huͤlſen-Fruͤchten, bald im Graſe, bald im
Heu,
Jm Getraid’ und in dem Obſt, wie Dein Seegen taͤglich neu,
Mit vergnuͤgtem Sinn bewundern, und, mit hoͤchſt-erfreu-
ter Seelen,
Bald in Worten, bald in Schriften, Deiner Wunder Meng’
erzehlen.
HERR! wer kann nach Wuͤrden ruͤhmen, wie im ab-
gewichnen Jahr
Deine Gnad an allen Orten ſo gar uͤberſchwenglich war!
Solche Fruchtbarkeit in allen haſt du uns erleben laſſen,
Daß ſo Scheunen, als auch Boͤden, unſrer Felder Fruͤcht’ zu
faſſen,
Uberall zu klein geweſen. Keiner lebet, der den Preis
Des Getraides ſich ſo wolfeil iemahls zu erinnern weiß.
Korn, wovon wol einſt die Laſt hundert funfzig Thaler
galt,
Kauffte man fuͤr acht und zwantzig. Laß uns HERR
daran gedencken,
Und Dir wenigſtens ein Danck- und Erinnrungs-Opfer
ſchencken!
H h 5Denn
Neu-Jahrs-Gedicht.
Denn von wem kommt alles Gute? wer verleihet Frucht-
barkeit?
Wer laͤſſt Korn und Kraͤuter wachſen? wer verleiht den
Nahrungs-Segen?
Und woher entſpringt und flieſſet, fruͤh’ und ſpat, zu rechter
Zeit,
Jn der Maſſe, wie es noͤthig, Sonnen-Schein, und Thau,
und Regen
Anders, als aus GOTTES Liebe, und aus Seiner weiſen
Macht,
Die die Creatur ernehret, wie Er ſie hervor gebracht?
Noch hab ich in dieſem Jahr’ auch an meiner krancken
Frauen
Die zu fruͤh von Zwillingen, und zwar ſonderbar, ent-
bunden,
Gegen aller Aertzte Hoffnung, Huͤlffe, bloß durch Dich,
gefunden,
Daß ich ſie nunmehro wieder lebend und geſund kann ſchauen.
Weiſer, maͤchtger, liebſter Vater und Erhalter, bloß nur Dir,
Als dem allerbeſten Artzte, ſey Lob, Preis und Danck dafuͤr!
Von dem Jrdiſchen Vergnuͤgen hat man, weil ſie
abgegangen,
Die zwey letzten Theile wieder aufzulegen angefangen.
Welches ich denn anders nicht, als daß es (Dir, HErr, ſey
Preis!)
Hin und wieder Nutzen ſchaffe, billig auszulegen weiß.
HERR, ich lege denn hiemit abermahl die Feder
nieder;
Wiederhole Danck und Flehen. Nimm, aus Gnaden, bei-
des an!
Setz’
Neu-Jahrs-Gedicht.
Setz’ und halte mich im Stande, daß ich Danck- und Freu-
den-Lieder
Auch beym Ende dieſes Jahres wieder ſchallen laſſen kann!
Mehre meiner Seelen-Kraͤffte, ſtaͤrcke Sinnen und Geſicht,
Daß ich Dein verhuͤlletes Weisheits-Macht- und Gnaden-
Licht,
So in Deinen Wercken lodert, mit Vergnuͤgen, Dir zur
Ehr,
Mir, den Meinigen, und vielen zur Erbauung, mehr und
mehr
Moͤg’ entdecken und bewundern! bis Du uns, nach dieſer
Zeit,
Jn der Zahl verklaͤrter Geiſter, die Dich ewiglich erheben,
O HERR ZEBAOTH, von Dir, Deiner Macht und
Herrlichkeit,
Die unendlich, wuͤrdigeſt, mehr Erkenntniß noch zu geben.
Eini-
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Einige Natur-Kraͤffte, Geſetze und Ei-
genſchaften, zu Ehren ihres allmaͤchtigen Be-
herrſchers, bey dem Jahrs-Wechſel des
1731. Jahrs betrachtet.
HERR der Jahre, Tag’ und Zeiten!
Krafft der Kraͤffte! Born des Lichts!
Urſprungs-Meer der Ewigkeiten!
Bloß durch Deine Huld geſchichts,
Daß wir nunmehr abermahl
Zu der Sonnen warmen Strahl,
Mit der regen Laſt der Erden,
Wiederuͤm gefuͤhret werden.
Laß uns dafuͤr Dir allein,
Als dem Schoͤpfer, danckbar ſeyn!
Entferne dich, Seele, von eitelen Dingen!
Ermuntre dich! rege die geiſtigen Schwingen,
Und fache, voll Andacht und Ehr-Furcht, die Flammen
Jnbruͤnſtiger Danckbarkeit hefftiger an!
Entzuͤnde dich! ziehe die Kraͤffte zuſammen!
Vereine ſie, deſto geſchickter zu werden,
Des herrlichen Schoͤpfers der Himmel, der Erden
Lieb’, Allmacht und Weisheit ſtets mehr zu bemercken!
Sey rege durch feuriger Danckbarkeit Triebe,
Erkenntlicher Sehnſucht und flammender Liebe,
Fuͤr alle vom Schoͤpfer erhaltene Guͤte
Mit bruͤnſtig- und innig-geruͤhrtem Gemuͤthe,
Ein frohes Erkenntlichkeits-Opfer zu bringen,
Und Goͤttlicher Allmacht ein Lob-Lied zu ſingen!
Der
bey dem 1731. Jahres-Wechſel betrachtet.
Der Danck, das Lob nun, welches wir,
O wunderthaͤtger Schoͤpfer, Dir,
Bey dieſer Wechſel-Zeit, da ſich das Jahr erneuet,
Und da die neue Nachbarſchafft
Der, bloß allein durch Deines Willens Krafft
Gewordnen Sonnen, uns mit Waͤrm’ und Licht erfreuet,
Fuͤr ſo viel Gnad und Huld zu geben,
Und darzulegen uns beſtreben;
Soll dieſes mahl darin beſtehn:
Jm Reiche der Natur verſchiednes anzuſehn,
Wodurch, in Lufft und Fluth und auf der Erden,
Erſtaunens-wuͤrdige Bewegungen geſchehn,
Und alle, Dir zum Ruhm, o HERR! verrichtet werden.
Da alle Regungen nur bloß allein,
O aller Kraͤffte Krafft, durch Dich verrichtet ſeyn;
Was koͤnnen denn der Menſchen Seelen
Fuͤr einen edlern Endzweck wehlen?
Wie koͤnnen wir doch des Verſtandes Kraͤffte,
Womit der Schoͤpfer ſie beſchenckt,
Und die er nicht von ungefehr gegeben,
Zu einem GOTT-gefaͤlligern Geſchaͤffte
Hier anzuwenden uns beſtreben;
Als wenn man Geiſt und Witz in Seine Wercke ſencket,
Die Ordnungen, wodurch Er alles lencket,
Und der Natur Bewegungen, bedencket;
Wodurch, alhier in unſrer Welt
Sowol, als in der allgemeinen,
Erſtaunens-wuͤrdige Verrichtungen erſcheinen:
Wodurch das, was Er ſchuff, ſich wunderbar erhaͤlt.
Auf
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Auf keinen andern Weg (den Glauben ausgenommen)
Kann man ſo nah der Gottheit kommen.
Durch keinen andern Weg wird man, zu Seiner Macht,
Zu Seiner Weisheit, Lieb’ und Majeſtaͤt
Erkenntniß, richtiger und ſicherer gebracht,
Als wenn man dieſe Bahn mit froher Ehr-Furcht geht.
Zu dieſem noͤthigen und nuͤtzlichen Geſchaͤffte
Verleih mir nun, o HERR! Luſt, Weisheit, Ernſt und
Kraͤffte;
Damit auch andre ſich von dir nicht mehr entfernen,
Und Dich, in Deinen weiſen Wegen,
Durch aufmerckſames uͤberlegen,
Erkennen und verehren lernen!
Aller Dinge, die vom Schoͤpfer ie geſchaffen und ge-
macht,
Zuſtand und Beſchaffenheit, Wirckung, Stoff, Natur und
Weſen,
Wie es die Natur uns zeigt, wie wirs in der Bibel leſen,
Sind, nach Maaß, Gewicht und Zahlen, wunderbar hervor
gebracht.
Wann ich von der Maaſſe nun etwas allbereit erzehlet;
Hab ich mir was herrliches ſo von Zahlen, als Gewicht,
Wodurch, wann wirs recht erwegen, alles was geſchicht,
geſchicht,
Jetzt zum Vorwurff meiner Lieder auserſehen und erleſen.
Wer die nie begriffne Zahl der undencklich kleinen
Theile,
Woraus, als dem erſten Urſtoff, Himmel, Lufft und alle
Welt,
Wun-
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Wunderbar durch GOTT vereinet, vor ſein Seelen-Auge
ſtellt;
Welche theils in ſteter Ruhe, theils in nimmer ſtiller Eile,
Nach des Schoͤpfers Ordnung wircken; wird wol nimmer-
mehr verneinen,
Daß, uͤm ſolche ſchoͤne Welt’, aus denſelben zu vereinen,
Und beſtaͤndig zu erhalten, einige Natur-Geſetze
Nicht verhanden ſollten ſeyn. Denn, wenn ſie von unge-
fehr,
Sonder Regel, ſich bewegten, floͤgen, ſchwaͤrmten und ſich
drehten;
Gleichſam als wenn viele Winde, mit zum Kampf verein-
tem Heer,
Starck in einen Hauffen Staub blieſen, ſchnaufften, laͤrm-
ten, wehten;
Wuͤrde, durch ein ſolches wildes Maaß- und Regel-loſes
rennen,
Nichts, als aͤuſſerſte Verwirrung, kommen und entſtehen
koͤnnen.
Um nun auch in dieſer Ordnung, einer Ordnung nachzu-
gehn;
Wollen wir zuerſt die Krafft aneinander feſt zu hangen,
Die beſondre Wunder wirckt, mit Verwunderung, beſehn.
Sehn wir Erd’ und Himmels-Coͤrper, ſehen wir der
Sonnen prangen,
Sehn wir Menſchen, Thier’ und Pflantzen, Waſſer, Holtz,
Metall und Stein;
Muͤſſen wir, mit Recht, bewundern, daß ſo viel und manche
Theile
Sich darin ſo feſt verbinden, und ſo ſtarck vereinet ſeyn;
Ob-
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Obgleich alles, an den Coͤrpern, mit ſo groſſem Unterſcheid,
Auf undencklich weiſe Weiſe, ſich vereinet, ſich vermenget,
Und, auf ungezehlte Art, Ordnung, Maaß und Zierlichkeit,
So zum Nutzen als Ergetzen, wunderbar zuſammen haͤnget.
Sieht man nicht, in ſolcher Bindung, die aus Theilchen
ſonder Zahl,
So bewunderns-wehrt vereint, in ſo ordentlichen Grentzen
Und ſo Regel-recht beſteht; einen hellen Weisheits-Strahl
Einer unumſchraͤnckten Allmacht allenthalben herrlich
glaͤntzen?
Wenn ein zierliches Gebaͤude, bloß aus Holtz, aus
Kalck und Stein,
Ordentlich errichtet iſt; nimmt uns deſſen Kunſt und wiſſen,
Der den Bau ſo wol geſuͤget, billig mit Verwundrung ein:
Wie vielmehr wird Deſſen Weisheit hier nicht zu verehren
ſeyn
Durch Den Millionen Theilchen ſich ſo richtig fuͤgen muͤſſen,
Und zwar ſo, daß einige ſich ſo ſtarck und feſt vereinen,
Wie im Marmor und Metall, in Porphir und Kieſelſteinen;
Daß, faſt mit der groͤſſten Macht, wir dieſelbigen kaum
trennen,
Ja durchs Feuers Krafft ſo gar ſelbige kaum ſcheiden koͤn-
nen.
Aber, mehr noch, als die Haͤrte, und der Bindung feſte
Krafft,
Jſt bey dieſem zu bewundern der Veraͤndrung Eigenſchaft,
Da, in Millionen Coͤrpern, auf faſt ungezehlte Art,
Dieſe Krafft der Theilchen Menge fuͤgt, und ſo verſchiedlich
paart.
Welches denn ein ſolches Wunder, und ſo groſſe Weisheit
zeiget,
Daß es aller Menſchen Witz und Gedancken uͤberſteiget.
Waͤren
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Waͤren nur (Exempels weiſ’) alle Theil’ an unſrer Zungen
Auf dieſelbig’ Art vereint, in einander ſo geſchlungen,
Als der Zaͤhne Theilchen ſind; wuͤrden ſie nicht zu bewegen,
Und, wofern der Zaͤhne Theile, unſrer Zungen Theilen gleich;
Ungeſchickt zum kaͤuen ſeyn, und nicht brauchbar, weil ſie
weich:
Waͤre gleichfalls in dem Fleiſch, in dem Korn und andern
Speiſen,
Jedes Theil ſo feſt verbunden, wie im Kieſelſtein und Eiſen;
Wuͤrd’ auf Erden alles ſterben, und der Thiere gantzes
Reich
Alſobald verkommen muͤſſen. Billig ſollte denn auf Erden
Kein vernuͤnftiges Geſchoͤpf iemahls angetroffen werden,
Das, in ſo verſchiednen Arten des Zuſammenhangs der
Theile,
Nicht ein unbeſchreiblich Wunder finden, fuͤhlen, ſehn, ver-
ſtehn,
Und dem Schoͤpfer dancken muͤſte, daß Sein’ Allmachts-
Hand die Welt,
Und die Coͤrper die darin, wunderbar zuſammen haͤlt,
Wunderbar regiert und lencket. Aber laſſt uns weiter
gehn.
Und, in dem Zuſammenhange, noch ein neues Wunder ſehn,
Da er feſt, und nicht zu feſt. Denn wenn Theil’ auch ſich
nicht trennten,
Und die Coͤrper durch die Faͤulniß aufgeloͤſet werden koͤnten;
Wuͤrde, durch die todten Aeſer, ſo von Menſchen als von
Thieren,
Und den Wuſt verwelckter Pflantzen, aus dem gantzen Kreis
der Erden,
Die anietzt ſo Wunder-ſchoͤn, faſt ein Schinder-Anger
werden.
J iAlſo
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Alſo laͤſſt ſich im Vergehen der Geſchoͤpfe, gleichfall
ſpuͤren
Eine weiſe Macht des Schoͤpfers, die wir billig zu betrachten
Auch darin GOTT zu bewundern, und, wie fuͤr ſo viel
Gaben,
Auch fuͤr dieſes, Jhn zu ruͤhmen, und zu preiſen Urſach
haben.
Ferner muͤſſen wir nicht minder, von des Schoͤpfer
Allmachts-Wercken
Ein vor andern wuͤrdigs Wunder, mit geruͤhrtem Geiſt, be-
mercken:
Nehmlich, daß die kleine Theilchen nie verſchleiſſen, nie ver-
gehn;
Sondern, ob ſie gleich ſo hefftig, und, ſeit ſo viel tauſend
Jahren,
Umgefuͤhrt und rege ſeyn, bald ſich trennen, bald ſich paaren
Dennoch ungeſchwaͤcht verbleiben, und in ihrer Krafft be-
ſtehn.
Wer begreifft, auf welche Weiſe, die ſo harten Feuer-Theile
Ob ſie gleich entſetzlich hefftig, in erſchrecklich ſchneller Eile
Und zwar, ſeit die Welt erſchaffen, uͤmgeſchwungen, uͤmge-
trieben,
Doch in ihres erſten Standes Krafft und Eigenſchaft ge-
blieben.
Wer kann faſſen, wie die Theile der ſo offt bewegten Fluth
Ob ſie gleich der Stuͤrme Raſen, und der wilden Winde
Wuth
Schon ſo offt an ſtarre Felſen, und auf harten Sand ge-
drungen,
Und, ſeit ſo viel tauſend Jahren, unaufhoͤrlich uͤmgeſchwun-
gen,
Ja die (wenn gleich unbeſtuͤrmt, ſtets gewallt und nie ge-
ruht,)
Doch
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Doch noch in demſelben Stande, wie ſie ie geweſen, bleiben?
Daß ſich ebenfalls der Lufft zarte Theile nicht zerreiben,
Ob ſie gleich durch Wolcken, Hitze, Regen, Hagel, Donner,
Blitz,
Und entſetzliche Gewalt wilder Stuͤrm’, aus ihrem Sitz
Offt geriſſen und getrieben, ja ſich in ſich ſelbſt zerriſſen,
Und doch ihre Dehnungs-Kraͤffte nicht vergangen noch ver-
ſchliſſen;
Jſt ein uͤberzeuglich Wunder, daß der Schoͤpfer aller Welt,
Jn dem Anfang aller Dinge, ihnen einmahl eine Krafft,
Daß ſie unverſchleißlich ſeyn, zugeleget, angeſchafft,
Und ſie unverruͤckt annoch bey der erſten Krafft erhaͤlt.
HERR! wer auf dergleichen Wunder ſeiner Seelen
Kraͤffte lenckt,
Und ſo dann auf Dich allein, als die Urſtands-Krafft ge-
denckt,
Stutzt fuͤr Ehr-Furcht, ſenckt, voll Andacht, ſich, mit allem
dem, was ſein,
Jn Dich, Urquell aller Dinge, in Dich, ewigs All, hinein,
Und verlangt, entflammt von Liebe, anders nichts, als dieß
allein,
Ewger Vater und Erhalter, Dir zu heiligem Gefallen
Und Vermehrung Deines Ruhms, etwas, als Dein Kind zu
lallen.
Aber welch ein Schatz von Kraͤfften ſtellt ſich meinem
Geiſte hier,
Der ſich ins Natur-Reich ſenckt, wiederuͤm von neuen
fuͤr!
Unbegreifflich ſind dieſelben, und nicht zehlbar ihre Zahl.
Jch erwehle denn, vor andern, aus der Menge, dieſes mahl
J i 2Von
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Von den Kraͤfften und dem Nutzen der erſtaunens-wehrten
Schwerde
Jn den Coͤrpern, wodurch ich ungemein geruͤhret werde,
Etwas weniges zu ſtammlen. Nach dem Mittel-Punct
der Erde
Werden, durch den kuͤrtzſten Weg, alle Coͤrper abgelenckt;
Unerachtet viele Dinge, durch ein wiedriges Bewegen,
Sie daran verhindern muͤſſen. Wenn ein Geiſt dieß uͤber-
dencket,
Welch ein unbeſchreiblich Gut, durch der Schwehrde Krafft,
auf Erde,
Jn der Lufft und in der Fluth, ja im Feur gewircket werde;
Muß er in ſich ſelbſt erſtaunen. Durch die Schwehrd’ allein
geſchichts,
Daß das ſchreckende Gewicht unſrer Erden, das ſo ſchwehr,
Bloß an ihrem Mittel-Punct, gleichſam als an einem Nichts,
Wie die Bibel redet, haͤnget. Daß das unbegrentzte Meer,
Auf dem ausgehoͤlten Grunde, auch bey ſeiner Unruh, ruht;
Jſt der Schwehrde zuzuſchreiben. Daß der Stroͤm’ und
Fluͤſſe Fluth,
Welche, wenn ſie ſich nicht reg’ten, bald verfaulen wuͤrd’ und
ſtincken,
Sich zu unſerm Nutz beweget; daß die Wolcken abwaͤrts
ſincken,
Und uns Thau und Regen liefern, damit Thier’ und Men-
ſchen trincken,
Und im Leben bleiben koͤnnen; daß die Waſſer aufwaͤrts
ſteigen,
Wie ſie ſich in unſern Spring- und in andern Brunnen
zeigen,
Ja auch auf der Berge Gipfel; alles dieß wird durchs Ge-
wicht,
Zu der Creaturen Nutzen, Wunder-wuͤrdig ausgericht.
Daß
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Daß das Waſſer Laſten traͤgt, da der Meere breiten Ruͤcken
So viel ſchwehr beladner Schiffe ungeheure Buͤrden druͤcken,
Und dadurch der Handelſchafft und der Schiff-Fahrt nuͤtzlich
ſeyn,
Die ſonſt nicht beſtehen koͤnnte; wirckt die Schwehrde bloß
allein.
Sonder Druck und ſonder Schwehrde wuͤrd auch ſelbſt das
Feur nicht brennen,
Keine Flam̃e, Rauch, noch Waͤrm in die Hoͤhe ſteigen koͤnnen.
Wenn die Theilchen in der Lufft einmahl ausgedehnet
waͤren,
Und ſie von der obern Lufft Laſt und Schwehrde nicht ge-
druͤckt,
Und in ſich getrieben wuͤrden; muͤſte, was da lebt, erſtickt,
Unvermeidlich untergehn: alle Fiſche muͤſten ſterben,
Und, weil ſie kein Waſſer deckte, an der duͤnnen Lufft ver-
derben.
Waͤren alle Waſſer-Theilchen nach Vermoͤgen ausgeſpannt,
Und nicht wiederuͤm gedruͤckt, durchs Gewicht der obern
Lufft;
Wuͤrden niemahls feuchte Duͤnſte, wuͤrde kein verduͤnnter
Dufft
Jemahls in die Hoͤhe ſteigen; folglich weder Thau noch
Regen
Jemahls wieder fallen koͤnnen: ſondern alles waͤr’ ver-
brannt,
Bluhmen, Klee und Gras verſengt. Wollen wir nun die-
ſerwegen,
Und dafuͤr, daß unſer Schoͤpfer, durch die Schwehrde
bloß allein,
Solch ein maͤchtiges Geſetz dem Natur-Reich vorgeſchrieben,
Dem die Coͤrper unterthan, und ſo ſchnell gehorſam ſeyn;
J i 3Nicht
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Nicht des Schoͤpfers Macht erkennen? Jhn bewundern
fuͤrchten, lieben
Und ihn ewiglich verehren? Ja, mein Geiſt! bereite dich!
Schicke dich zur Andacht an! ſencke dich in Demuth nieder
Vor des Schoͤpfers Majeſtaͤt! denck auf Danck- und Freu-
den-Lieder!
Vor bewunderndem Erſtaunen, groſſer GOTT, verlieh
ich mich,
Und bey dieſer einzgen Krafft des ſo maͤchtigen Gewichts,
Die iedoch, aus Deinem Meer, nur ein Troͤpfchen; wir
mein Geiſt,
Nebſt der Geiſter andrer Menſchen Krafft zu dencken, faſt zu
Nichts.
Himmel, Erde, Meer und Lufft, ſelbſt die wirckende Natur
Gleichen einer kuͤnſtlichen aufgezognen Wunder-Uhr.
Wie ein’ Uhr, durch ein Gewicht, alſo ſcheints, daß durch die
Schwehrde,
Himmel, Erde, Meer und Lufft auch im Gang’ erhalten
werde.
Noch erblickt des Geiſtes Auge eine neue Wunder-Welt,
Die ſo gar durch ihre Kleinheit unſers Schoͤpfers Macht
und Groͤſſe,
Und Sein Goͤttliches regieren deutlicher vor Augen ſtellt,
Als ſonſt etwas coͤrperlichs. Unſer groſſes Welt-Gefaͤſſe
Haͤngt zuſammen und beſtehet, wie bekannt, aus Theilen
nur,
Und die Theile ſind es eben, die das Weſen der Natur
Uns am deutlichſten entdecken, und ihr innerſtes faſt zeigen:
So daß wir, durch ihrer Menge faſt zu nichts gewordne
Kleinheit,
Zu der unuͤmſchraͤnckten Groͤſſ’ ihres Urſprungs, zu der
Einheit
Des
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Des unendlich-ewgen Weſens, zu der wahren Gottheit
ſteigen,
Welchen man in den Geſetzen, Ordnungen und Richtig
keiten,
Denen die Unzehlbarkeit aller Theilchen unterthan,
Ob ſie ſelbſt gleich nichts begreiffen) uͤberzeuglich finden
kann.
Daß die Coͤrper, welche ſichtbar, aus unzehlbar kleinen
Theilen,
So, daß menſchliche Gedancken gar darin kein End’ ereilen;
Jſt zum Uberfluß bekannt. Denn wie wir uns in die Groͤſſe
Jener unzumeſſenden Sternen-Coͤrper und Gefaͤſſe,
Ja ſo gar des Himmel-Raums, mit dem groͤſſten Recht,
verlieren;
Alſo wird die Kleinheit gleichfalls uns in ſolche Tieffen
fuͤhren,
Die der Geiſter Krafft erſchoͤpfen. Aber wenn wir uns auch
gleich
Jn die Tieffen gantz verſencken; muͤſſen wir doch weiter
gehen,
Und, ſo viel uns moͤglich iſt, die Beſchaffenheit beſehen:
Denn wir werden groß daruͤber, und auch, an Erkenntniß,
reich.
Wenn man einen Coͤrper nimmt, der nicht mehr als
einen Daum
Jn der Flaͤch’ an Laͤnge hat; trifft man leichtlich ſo viel
Raum,
Auf deſſelben Flaͤchen an;
Daß man ihn in hundert Theile, welche ſichtbar, theilen
kann.
Wenn nun dieſer Zoll ins Viereck, wie ein Wuͤrffel, wird
genommen;
J i 4Wird
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Wird man, in deſſelben Jnhalt, an der Breite, Dick’ und
Laͤnge,
Von dergleichen Wuͤrffelchen eine wunderſame Menge,
Nehmlich, nach der Meß-Kunſt Regeln, eine Million bekom̃en,
Solcher, die noch alle ſichtbar. Wenn wir nun, mit vieler
Muͤh,
Eine Spitze von der Nadel ſchaͤrffen, und ſo ſpitzig wetzen,
Als des kleinſten Wuͤrffels Breite, dann, wann ſie gewetzet, ſie
Eben in das Waſſer tuncken, und nur bloß die Spitze netzen;
Findet man, wenn man dieſelbe wieder aus dem Waſſer hebt,
Daß ſie feucht, und daß an ihr, ein klein Waſſer-Theilchen
klebt.
Wenn nun ſolches auch ſo breit als der Spitze Flaͤche waͤr,
Und von wuͤrfflichter Figur; folgt, daß ſelbiges nicht mehr
Als der millionſte Theil eines Zolls von Waſſer ſey;
Folglich, daß ein Daum-breit Waſſer ſolcher Theile, min-
der nicht,
Als, aufs wenigſte zu rechnen, eine Million befaſſe,
Deren iedes abgeſondert, ſich dem menſchlichen Geſicht,
Durch ein Groͤſſrungs-Glas aufs mindſte, klar und deutlich
ſehen laſſe.
Hieraus folget nun von ſelbſten, daß, ſo mancher Waſ-
ſer-Daum
Jn den Waſſern, in der Erde, ja ſelbſt in der Luͤffte Raum,
Flieſſet und beweget wird; auch im Waſſer, Lufft und Erden
So viel Millionen Theile ſeyn, und auch beweget werden.
Aber laſſt uns weiter gehn,
Um die Theil in der Natur noch verkleinerter zu ſehn:
Weil nichts mehr, als ſolche Kleinheit, die das dencken uͤber-
ſteiget,
Eines Schoͤpfers und Regierers Groͤſſ’ uns uͤberzeuglich
zeiget.
Wenn
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Wenn man eine Untze Waſſer in ein rund Gefaͤſſe gieſſet,
Worin eine kleine Oeffnung, und man es aufs Feuer ſtellt,
Siehet man, ſo bald das Waſſer durch die Hitze wallt und
ſchwellt,
Wie ein Dampf, der Kegel-foͤrmig, aus der kleinen Oeff-
nung ſchieſſet,
Zwey mahl neun Minuten Zeit,
Welcher eines Zolles breit,
Und auf zwantzig Zolle lang. Wird der wuͤrffelicht ge-
nommen;
Werden wuͤrffelichter Zolle, zwoͤlf drey Achtel aus ihm
kommen.
Wenn nun iegliche Secunde einen neuen Kegel zeuget,
Und von zwey mahl neun Minuten der Secunden gantze Zahl
Auf die tauſend achtzig ſteiget;
Folget, daß dergleichen Kegel auf die tauſend achtzig mahl
Jmmer neu erzeuget werden: zwoͤlf Drey-Achtel iſt ein
ieder;
Alſo haben alle Kegel, die aus dieſen Duͤnſten ſtammen,
Dreyzehn tauſend und drey hundert fuͤnf und ſechszig Zoll
zuſammen.
Daß nun eine Million ieder Zoll hat, iſt gezeiget:
Wannenher ein’ Untze Waſſers, auf die Weiſ’, an Millionen,
Noch drey hundert fuͤnf und ſechszig uͤber dreyzehn tauſend
ſteiget.
Da denn auf dieſelbe Weiſe aus der Rechnung ferner flieſſet,
Daß allein ein Zoll von Waſſer ins gevierte weſentlich
Dreyzehn tauſend Millionen Waſſer-Theilchen in ſich
ſchlieſſet.
Hieraus wird ſich nun aufs neue uͤberzeuglich folgern
laſſen,
Daß ein millionſter Theil eines Zolles ſtets in| ſich
J i 5Auf
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Auf die dreyzehn tauſend Theilchen Feuchtigkeit vermag zu
faſſen.
Ferner kann man hieraus noch, und zwar ziemlich deutlich,
ſehn,
Daß, wenn wir vier hundert achtzig Tropfen auf ein’ Untze
nehmen;
Zwantzig Millionen Theilchen auf ein Troͤpfchen Waſſer
gehn.
Hier erſtaunen wir mit Recht, wenn wir ernſtlich uͤber-
legen,
Welch ein’ unuͤmſchrenckte Macht, Lieb’ und Weisheit, in
der Fuͤhrung
Solcher ungezehlten Theilchen, in der richtigen Regierung,
Billig zu verehren ſey; da Er, eh’ ein Tropfen Regen
Auf die Erd’ herunter faͤllt; ſo viel Millionen Theile
Dazu dienſtbar machen kann, ſolche Menge dazu nimmt,
Und ſolch ungezehlte Zahl uns zum Nutz dazu beſtimmt.
Ja daß Seine weiſe Macht, ſeit ſo vielen tauſend Jahren,
Solch ein’ ungezehlte Menge aller Millionen Heere
Waſſer-Theilchen in den Fluͤſſen, in der Lufft, und in dem
Meere
Dergeſtalt nicht nur bereitet, daß ſie alle Krafft bewahren,
Die Er ihnen beygelegt; daß dieſelbe theilbar ſeyn,
Und dadurch, daß ſie ſo duͤnne werden koͤnnen, und ſo klein
Aus den Fluͤſſen, Meer und Seen ſich erhoͤhn und aufwaͤrts
fahren,
Und, da ſie ſich wiederuͤm zu vereinen faͤhig, wieder
Sich von oben aus den Wolcken, die ſie ſelbſt formiret,
nieder,
Auf ſo ſehr bequeme Maſſe, nach dem erſten Urſprung ſencken,
Um die Erde, Pflantzen, Thiere, zu erhalten und zu traͤncken.
Daß
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Daß, durch GOTTES Wunder-Guͤte, dieſe Kraͤffte
bloß beſtehn,
Daß ſie in ſo regem Circkel unveraͤndert ſind und gehn,
Kann man an des Eiſes Weſen, wirck- und uͤberzeuglich
ſehn.
Wenn der Schoͤpfer nicht verwehrte, daß das Waſſer ſich
verbuͤnde,
Und, daß aus dergleichen Band’ allenthalben Eis entſtuͤnde;
Wuͤrde nicht ſodann die Welt ein unglaublich Elend ſpuͤren,
Und, durch Hemmung der Bewegung, aller Waſſer Nutz
verlieren?
Als die, bloß durch ihrer Kleinheit flieſſende Beſchaffenheit,
Millionen Vortheil bringen. Da ſie, durch die Fluͤſſigkeit,
Erde, Pflantzen, Thier und Menſchen fruchtbar machen,
naͤhren, traͤncken;
Welches nicht geſchehen koͤnnte, waͤren ſie zu Eis gefroren:
Denn indem ſie das Bewegen ihrer Coͤrperchen verlohren,
Koͤnnten ſie, in Duͤfften, ſich nimmer in die Hoͤhe lencken,
Noch, zur Fruchtbarkeit der Welt, ſich im Regen abwaͤrts
ſencken.
Ewig ſey Lob, Ehr und Preis, Schoͤpfer und Erhalter,
Dir,
Da Du, auch in dieſer Kleinheit, Deine Groͤſſe, zeigſt, dafuͤr.
Aber ich befind’ aufs neue, daß die forſchenden Gedancken
Sich, durch eine neue Kleinheit, dieſer Kleinheit zarten
Schrancken
Zu entreiſſen unterfangen, uͤm in die verborgne Spur
Der allein, durch GOttes Allmacht, ſtetig wirckenden Natur,
Und in ihre rege Kleinheit noch viel tieffer einzudringen,
Und ſie zu betrachten ſuchen. Da ſie ſich denn hoͤher ſchwin-
gen,
Um die Lufft-Theil’ anzuſehn. Alle Theilchen unſrer Lufft
Schei-
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Scheinen mit den Waſſer-Theilen im Vergleich, dem Au-
genſchein,
Und verſchiedner Meinung nach, ja viel kleiner noch zu ſeyn.
Aber, weil verſchiedner Weiſen Wiederſpruch noch nicht zu
heben;
Wollen wir die Lufft viel lieber, aus der Urſach, uͤbergehn,
Und zu dem, was unuͤmſtoͤßlich noch viel kleiner, uns be-
geben.
Auf denn, des geſchwinden Feuers Wunder-Weſen zu be-
ſehn!
Daß des regen Feuers Theile kleiner, als der Fluͤſſig-
keiten,
Als die Lufft- und Waſſer-Theile, wird kein Menſch ver-
neinen koͤnnen.
Denn die letztern koͤnnen nicht durch Glas, Stahl und Ei-
ſen gleiten,
Da iedoch des Feuers Theil’ alle dieſe Coͤrper trennen,
Sie durchdringen und beſiegen.
Doch, auch dieſes ausgeſetzet, laſſt uns zu des Lichtes Theilen,
Die wol recht entſetzlich klein, uͤm ſie zu betrachten, eilen!
Man befindet, mit verwundern, daß ein angezuͤndet
Licht,
Wovon ſechs ein Pfund nur wegen, eine Linie durchbricht,
Die zehn tauſend Fuͤſſe lang. Wenn man nun von Lich-
tern weiß,
Daß ſie, nicht nur in die Laͤnge, ſondern ſtets in einem Kreis,
Und von ihrem Mittel-Punct, unzertheilt an allen Ecken,
Der vereinten Theilchen Glantz, Schein und Schimmer
ſtrahlend ſtrecken:
Da denn folgt, daß ſolch ein Licht einen Kreis erfuͤllen muͤſſe,
Welcher, bloß in ſeinem Durchſchnitt, in die zwanzig tau-
ſend Fuͤſſe,
Und
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Und eh mehr als minder heget. Wird der Durchſchnitt
nun genommen,
Und, gedrittet noch vermehrt; werden, zu dem Umkreis bloß,
Uber zwey und ſechzig tauſend, noch acht hundert Fuͤſſe
kommen.
Mehrt man ferner dieſen Durchſchnitt und den halben, und
nachher
Dieſes, mit des Kreiſes Drittel; iſt deſſelben Jnhalt groß,
Ein und vierzig tauſend tauſend, noch acht hundert tauſend
tauſend,
Und annoch ſechs tauſend uͤber ſechszig tauſend Millionen
Cubiſcher gevierter Fuͤſſe, ieder Fuß zehn Zolle breit.
Wenn wir nun noch weiter gehen,
Und, da immer andre Theilchen aus der Gluth des Lichts
entſtehn,
Die die ungeheure Weite fuͤllen, ihre Menge ſehen;
Schwindelt uns fuͤr dieſer Anzahl. Jeglicher Seeunde Zeit
Zeigt, wie es die Rechnung giebet, von des regen Lichtes
Strahl,
Obige geſetzte Zahl,
Nebſt noch acht und zwantzig Nullen. Es entſetzt ſich der
Verſtand,
Weil dieß eine ſolche Menge, daß ſo viele Koͤrnchen Sand
Nicht in tauſend mahlen tauſend Millionen unſrer Erden,
Ungeachtet ihrer Meng, koͤnnten angetroffen werden.
Hoͤchſter GOTT, zu welcher Ehr-Furcht gegen Deine
Majeſtaͤt
Treibt uns die Betrachtung nicht! Uberzeuglicher und beſſer
Wird, nach menſchlichem Begriff, faſt durch nichts Dein
Nahm erhoͤht,
Als durch dieſes Meer der Kleinheit. Unbeſchreiblich hoͤ-
her, groͤſſer
Wird
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Wird durch keinen Gegenwurff, wenigſtens auf dieſer Welt,
Dein allmaͤchtig weiſes Weſen unſrer Seele dargeſtellt.
Aber weiter! da die Theile bloß aus einer Kertze ſtam-
men;
Wie viel Theile muͤſſen nicht in der Gluth des Blitzes
flammen?
Welche Menge kann man nicht in den Bergen, welche bren-
nen,
Jn den Coͤrpern, die verbrennlich, auf und in der Erd’, er-
kennen?
Ja noch ein weit groͤſſer Wunder, gegen dem dieß gleichſam
nichts:
Welche Menge ſolcher Theile, die ſich der Unendlichkeit
Gleichſam naͤhern, muͤſſen nicht in dem Urſprung alles Lichts,
Jn der Sonnen, ja noch mehr in ſo vieler Sonnen Schein,
Die faſt abermahl unendlich, wohnen und enthalten ſeyn!
Ew’ger GOTT! hier ſtutzt erſtaunet Geiſt und Seele!
durch dieß Heer
Aller Theil’ in allen Dingen, wird, als durch ein tieffes Meer,
Alles, was ich bin und denck, eingeſenckt, doch nicht zu nichts;
Sondern es beſtrahlet mich, auch indem ich ſinck, ein glaͤntzen
Der allgegenwaͤrtgen Gottheit: und, durch Huͤlffe dieſes
Lichts,
Trifft mein Geiſt das ewge Weſen, ſonder Maſſe, Ziel und
Grentzen,
Recht in Seiner Majeſtaͤt, und in Seiner Allmacht an;
So daß Jhn von Creaturen herrlicher nichts zeigen kann.
Dieſe Zahlen-loſe Menge zeiget mir den wahren GOtt,
Wie Er uns in Seinem Worte wuͤrdigt, ſich zu offenbaren,
Jn dem wunderbaren Nahmen Jehovah, HErr Zebaoth,
Nehmlich als den weſentlichen ew’gen GOTT und HErrn
der Schaaren.
Ja,
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Ja, indem der GOTTHEIT Schein mich beſtrahlet, komm
ich mir,
Durch die Kleinheit ſelbſt vergroͤſſert, nun erſt recht ver-
nuͤnftig fuͤr.
Eben dadurch, daß mein Geiſt ſich zu GOTTES Groͤſſe
lencken,
Auch, daß alles aus Jhm flieſſt, und von Jhm beherrſcht
wird, dencken,
Sehen und bewundern kann; wird mir hell und klar ge-
zeiget,
Wie das Weſen meiner Seele alles dieß weit uͤberſteiget.
Spann denn ferner deine Kraͤffte, Seele, Dem zu Eh-
ren, an,
Dem der Himmel Himmel Kraͤffte und der Abgrund un-
terthan.
Daß nun von den Feuer-Theilen, die nur bloß auf unſrer
Erden,
Jn ſo ungeheurer Anzahl wircklich angetroffen werden,
Nicht die gantze Welt verbrennet, wie wir, daß es leicht
geſchehn
Und verrichtet werden koͤnnte, an Entzuͤndungs-Glaͤſern ſehn:
Dieſes, ſag’ ich, iſt ein Wunder, das faſt alles uͤberſteiget,
Und das uns die nahe Krafft einer Gottheit klaͤrer zeiget,
Als ſonſt etwas auf der Welt. Der gefreſſig-ſcharffen Wuth
Der unruhigen Gewalt, und der nimmer ſatten Glut
Ungezaͤhmt- und wilder Macht, eine Macht entgegen ſetzen,
Die ſie zwinget, daͤmpft und zaͤhmt, iſt ein Wunder, welches
wehrt,
Daß man Den, Der ſolches wircket, ewig lobt und ewig ehrt.
Wuͤrden aber auch die Theile, die ſo feſt, ſo dicht vereint,
Als im Holtz, im Torff und Kohlen, nicht zu unſerm Nutz
verkleint;
Koͤn-
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Koͤnnten ſie uns gar nicht nuͤtzen,
Und uns im geringſten nicht fuͤr des Froſtes Grimm be-
ſchuͤtzen.
Etwas haͤtten wir nun zwar von dem Fluͤſſigen ge-
ſchrieben,
Und deſſelben kleinen Theilen: aber es iſt auch noch viel
Von dergleichen Zart- und Kleinheit feſter Coͤrper uͤber-
blieben.
Alſo ſey auch davon etwas nunmehr unſers denckens Ziel.
Die Erfahrung hat gewieſen, daß ein einzger Kupfer-
Gran,
Welchen man in abgezognen Sal-Armoniac gethan,
Und in ſelben ſchmeltzen laſſen, noch fuͤnf hundert vier und
dreiſſig
Uber acht und zwanzig tauſend Granen Waſſer blau ge-
macht.
Alſo daß dieß Stuͤckchen Kupfer in ſo viele Theil gebracht
Und ſo ſehr verkleinet iſt. Ja daß, weſentlich, darein
Hundert Millionen Theilchen, die noch alle ſichtbar, ſeyn.
Ferner, da der Thier’ und Pflantzen feſte Coͤrper ja ver-
brennlich,
Folglich ſie in ſo viel Theilchen aufzuloͤſen, und zertrennlich,
Als wir vor vom Licht erwieſen; ja, da noch wol groͤſſre
Flammen,
Als aus dem erwehnten Licht, aus dergleichen Coͤrper ſtam̃en;
Folgt ja klar, aus wie viel Theilen alle Coͤrper, die wir ſehn,
Die ſo wunderbar gefuͤget, und verbunden ſind, beſtehn.
Dieſer Theile groͤſſtes Wunder iſt nicht nur, daß ſie ſo
klein,
Sondern daß ſie, in der Kleinheit, ſo verſchiedlich kraͤfftig ſeyn.
Und daß ſie ſo mancherley Formen, Wirckungen und Gaben,
Und die Kraͤfft’, in ihrer Wirckung, eigene Geſetze haben;
Wie
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Wie es des Magnet-Steins Theilchen, wenn ſie durch ein
Glas gleich gehn,
Jn nicht unterbrochnem Gange, in den regen Kreiſen ſehn,
Und zugleich bewundern laſſen.
Was ſonſt uͤbrigens fuͤr Theile in den kleinen Theilen ſtecken,
Koͤnnen uns des Buͤchſen-Pulvers kleine Theil’ allein ent-
decken.
Muͤſten ſolcher ungezehlten Millionen Theilchen Menge,
Die ſo unbegreifflich klein, durch ein ſtetiges Gedrenge
Nicht vermiſchet und verwirret, und dadurch Lufft, Meer
und Erden
Ein unnuͤtzer grober Klump, ein verwirrtes Chaos werden?
Wenn nicht eine weiſe Fuͤhrung, wenn kein Goͤttlicher Ver-
ſtand
Die unzehlbar kleinen Theilchen der Materie regierte,
Und ſie, mit beſondrer Abſicht, nuͤtzlich und in Ordnung
fuͤhrte?
Alſo wird, auch aus dem kleinen, Deine Groͤſſ’, o HERR,
bekannt.
Denn weit minder, als die Theile von dem praͤchtigſten
Pallaſt,
Ohne daß von Menſchen Haͤnden ſie gemeſſen, angepaſſt,
Und ſo nett gefuͤget werden, von ſich ſelber hier ſich trennen,
Dort ſich wieder, nach der Ordnung, und der Richtſchnur,
fuͤgen koͤnnen;
Minder, ſag’ ich, iſt es moͤglich, daß, von der Materie,
Solcher Millionen Menge von ſich ſelbſt zuſammen geh,
Von ſich ſelbſt zuſammen bleibe, von ſich ſelber ſich entbinde,
Und doch eine kluge Bindung von ſich ſelber wieder finde.
Wer koͤnnt’ anders, als die Gottheit, ſolche Theil’ in
Ordnung halten?
K kDaß
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Daß ſie, da ſie ſo verſchiedlich, ſo viel tauſend Jahre lang,
Sonder Jrrſal immer gehen einen unverruͤckten Gang,
Und, in nimmer ſtiller Ruh, ihr ſo noͤthig Ampt verwalten.
Ja wer koͤnnte ſolche Laſten, ſo erſtaunens-werthe Sachen,
Aus ſo kleinen Coͤrperchen, aus ſo ſchlechten Theilche
machen,
Als allein ein weiſer GOTT? Zu ſo wunderbaren Pflichte
So verwunderliche Kleinheit zuzuſtimmen, zuzurichten,
Jſt nur GOTTES Werck allein. Ja noch mehr: daß
Creaturen
Gar von Jhm erſchaffen werden, welche Seiner Allmach
Spuren
Zu empfinden faͤhig ſind, denen Er von Zeit zu Zeit,
Von den Wundern Seiner Wercke, Zuſtand und Beſchaf-
fenheit,
Jmmer mehr Erkenntniß giebet (naͤhme man es nur in Acht,
Was in dieſer Faͤhigkeit fuͤr ein groſſes Wunder ſteckt)
Zeiget uns in lauter Wundern unſers Schoͤpfers Wunder-
Macht.
HERR, was haben ſich von Dir neue Wunder noch
entdecket!
Da wir eine neue Welt (die ſeit ſo viel tauſend Jahr’
Aller Sterblichen Geſicht, Witz und Sinnen unſichtbar
Und fuͤr ſie ſo gut, als waͤren ſie nicht da geweſen, war)
Durch Vergroͤſſrungs-Glaͤſer ſehn. Wie iſt nicht der Geiſt
erwecket,
Jn die tieffeſte Geheimniß der Natur mehr einzudringen,
Jn Betrachtung des geſchaffnen, zu dem Schoͤpfer ſich zu
ſchwingen,
Seine Weisheit zu verehren, und nebſt aller Engel Orden,
SEINE Lieb’ und Macht zu preiſen, billig angefeuret
worden!
Moͤgten
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Moͤgten wir doch die Erfindung zu ſo heilgem Zweck ge-
brauchen;
Wuͤrde wahrlich GOTTES Nahme, wie im Himmel, ſo
auf Erden,
Jn Betrachtung Seiner Wunder, ungeſtoͤrt geheiligt wer-
den,
Und des Hertzens Danck-Altar, GOTT zum Preiſe, ſtetig
rauchen.
Wie nun aber Millionen Millionen Meer’ aus Theilen,
Ob ſie gleich in ſchnellem Wirbel heftig durcheinander eilen,
Doch in unveraͤnderter richtiger Bewegung gehn,
Und nie aus den Schrancken treten; kann ja wol kein
Menſch verſtehn,
Und iſt allen unbegreifflich. Dennoch find ich in der That
Ein Exempel, welches mir, wenigſtens im Schatten, zeiget,
Daß, die Moͤglichkeit zu faſſen, unſern Geiſt nicht uͤberſteiget,
Und, das, wenigſtens fuͤr mich, etwas uͤberzeuglichs hat.
Sollt ein Froſch, auf welche Weiſe wir die Lettern fuͤ-
gen, trennen,
Und, durch ungezehltes Fuͤgen, Geiſter faſt vercoͤrpern koͤn-
nen,
Wol begreiffen und verſtehn? Wir hingegen koͤnnens faſſen.
Wie viel mehr und groͤſſre Kraͤffte muͤſſen wir nicht GOTT
zu trauen,
Da wir unſre gegen SEINE, weit unendlich kleiner
ſchauen,
Als des Froſches gegen uns! lege denn daruͤm den Zuͤgel
Deiner flatternden Vernunft, ſelber durch Vernunft-
Schluͤſſ’ an,
Und, wohin auch ihre Krafft endlich nicht gelangen kann,
Zu der Weisheit hellem Licht; brauche deines Glaubens
Fluͤgel.
K k 2Nun
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Nun bey dieſer Uberlegung ſetz ich denn fuͤr dieſesmahl
Den Betrachtungen der Dinge Ziel und Grentzen, und er-
ſpahre,
Wo mir GOtt das Leben goͤnnt, andere fuͤr kuͤnftge Jahre;
Um nunmehr zu dieſer Zeit, auch mit Luſt zu uͤberdencken,
Wie ſo viele Gnad’ und Guͤte, ſonder Maſſe, ſonder Zahl
GOTT im abgewichnen Jahre mich gewuͤrdigt, mir zu
ſchencken.
O GOTT wie hat dein maͤchtigs walten,
Um, fuͤr ſo mancherley Gefahren,
Nebſt der Natur, auch uns wol zu bewahren
Der Theilchen Millionen Schaaren
Jn ihrer Krafft und ſolchem Stand erhalten;
Daß weder Kranckheit, Sturm noch Fluth,
Daß weder Kriegs, noch Feuers Gluth,
Noch ſonſt der Elementen Wuth,
Uns und die Unſrigen verſehret,
Die Wohnungen nicht uͤmgekehret,
Die Stadt und Kirchen nicht verſtoͤret:
Hingegen daß die weiſe Richtigkeit,
Jn welcher Du ſie, uns zum Nutz, gefuͤhret,
Uns, wie die gantze Lebens-Zeit,
So auch in dieſem Jahr, genaͤhret,
Und manchen Seegen uns durch ſie beſcheret:
Wofuͤr nur Dir, der ſie allein regieret,
Lob, Ehre, Ruhm und Preis gebuͤhret.
Du haſt abſonderlich, o HErr, mein Flehn erhoͤret,
Und meiner Bitte mich in dieſem Jahr gewaͤhret,
Daß ich, in meinem Ampt’ und Stande,
Abſonderlich auch auf dem Lande
Jn
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Jn deinen wunderbaren Wercken
Dein’ Allmacht, Lieb und Weisheit zu bemercken,
Und, in nicht unterbrochnen Freuden,
Mein an dich denckend Aug’ an aller Pracht zu weiden
Gelegenheit gehabt. Jch habe voller Luſt geſehn
Die Baͤume bluͤhen, Fruͤchte tragen,
Die Schnitter reiffe Felder maͤhn,
Die Jaͤger muntres Wildpret jagen,
Die Fiſcher mit gefuͤllten Netzen
Und Waſſer-Fruͤchten mich ergetzen.
Noch mehr: durch Dich allein hab ich, Dir, HERR,
zur Ehr,
Und vieler tauſend Seelen Lehr,
Jm Land’, ohn Eigennutz, zum Prediger geſetzet
Denjenigen, den ich den wuͤrdigſten geſchaͤtzet.
Dir, HErr, ſey Lob dafuͤr, daß Geitz, Geſchenck und Gaben
Mich nicht verfuͤhrt, mich nicht geblendet haben;
Und daß ich, (wie zu dieſer Zeit,
Bey ſolcher ſeltenen Gelegenheit,
Ja leider offt den wehlenden geſchicht,)
Dem theuren Scheller gleich, nach meiner Pflicht,
Viel tauſend, ſo mir angetragen,
Geſchickt geweſen auszuſchlagen.
Laß den Erwehlten denn ſein Ampt unſtraͤfflich treiben,
Und lange, Dir zur Ehr, Dein Prediger verbleiben!
Mein GOTT, ich hab’ anietzt die Guͤte,
Die Du bisher, in meiner Lebens-Zeit,
Jn ſolcher Uberſchwenglichkeit,
Mich wuͤrdigteſt mir zu erweiſen,
Mit faſt darob erſtaunt- und danckbarem Gemuͤthe,
Zumahl zu dieſer Zeit, zu ruͤhmen und zu preiſen:
K k 3Da
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Da ich nunmehr erwege, wie ſo lange
Jch nun bereits von Dir ſo viele Gnad empfange,
Und Du nunmehr, zu meinem Leben,
Mir ein halb Seculum bereits gegeben.
Jch habe funfzig mahl die Baͤum’ im Fruͤhling bluͤhn,
Und funfzig mahl die gelben Aehren maͤhn,
Jch habe funfzig mahl die Blaͤtter fallen ſehn,
Und funfzig mahl mit Schnee die Felder uͤberziehn.
Dafuͤr nun muͤſſ’ o groſſer Schoͤpfer, Dir,
Der Du des Lebens-Quell allein,
So von den meinigen, als mir,
Lob, Ehr und Preis geſungen ſeyn.
Hab’ ewig Danck, daß Du, nebſt meinem Leben,
Und ungezehlter Gnad, auch die annoch gegeben,
Daß ich weit mehr als funfzig mahl,
O Schoͤpfer! Deiner Allmacht Strahl,
Mit welchem Du die Welt geſchmuͤcket,
Jn ihrem Wechſel angeblicket,
Und Deine Weisheit, Lieb’ und Macht
Jn deiner Creaturen Pracht,
Weil ſie mir offt aus Hertz gedrungen,
Bewundert, und mit Luſt beſungen.
Ach! goͤnne mir (wofern Du mir hienieden
Den Wechſel der Natur noch mehr zu ſehn beſchieden)
Daß ich von der ſo ſchoͤnen Welt,
Auf ſolche Weiſ’, als Dirs gefaͤllt,
Ohn Unterlaß beſtaͤndig ſey geruͤhret!
Auch daß, nebſt mir, in ernſter Luſt,
Auch andrer Menſchen Aug und Bruſt
Von
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Von Andacht angeflammt, zum Danck, der Dir gebuͤhret,
Jn froͤhlicher Betrachtung ſey gefuͤhret!
Und da mir, wie ich eben ſeh,
Das Alter mit der Jahre Schnee
Mein Haupt ſchon droht zu uͤberziehn,
Und ein gemiſchtes Silber-gran,
Das ich ſchon hin und wieder ſchau,
Sich allgemach ſcheint zu bemuͤhn
Die gantze Scheitel zu bedecken,
So ſcheint ihr Schimmer mich, bevor ich ſchlaffen geh,
Vorher noch erſt vom Schlummer zu erwecken,
Um, eh des Winters kalte Nacht
Den Baum des Coͤrpers kahl gemacht,
Noch vor des kuͤnftgen Fruͤhlings Morgen,
So lang’ ich ſorgen kann, zu ſorgen.
Gieb, ewge Liebe, dann,
Daß, ehe mich des Todes Froſt entlaubet,
Und mir der Sinnen Werckzeug raubet,
Jch (wie das Winter-Korn) ſo viel ich immer kann,
Sowol fuͤr mich, als iederman,
Den Saamen der Betrachtung ſtreue.
Damit ich mich, nach dieſer Zeit,
Jm Sommer jener Ewigkeit
Nebſt andern, Dir zur Ehr, der ewgen Fruͤchte freue.
Jnzwiſchen preiſ’ ich Dich, o HERR der Jahr’ und
Tage!
Daß Du mich abermahl in dieſem Jahr
Zuſammt den meinigen, fuͤr mancherley Gefahr,
Fuͤr ungezehlter Noth und Plage,
K k 4Die
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Die ieden Augenblick die Sterblichen bedroht,
So vaͤterlich bewahrt. Denn ob mir gleich der Tod
Das kleinſte meiner Kinder nahm,
Das von beſondrer Munterkeit;
So danck ich Dir dennoch, weil es, von aller Noth befreyt,
Fruͤh wiederuͤm zu Dir, dem wahren Vater, kam.
Wer wollt ihm denn den Stand der ew’gen Seligkeit,
Wohin ja ieder denckt, mißgoͤnnen?
Jch will es wenigſtens, zumahl es GOTT gefuͤgt,
Und ich mich ſchon gefaſſt, als eine Gnad’ erkennen.
Jmgleichen danck’ ich GOTT, daß Er des Waſſers
Brand,
Der meinen zweiten Sohn gar ſehr verletzt, geheilet.
Ja daß er ſelbigen, wie ichs mit Danck erkannt,
Solch einen feſten Muth ertheilet,
Daß er die ſchwere Cur, faſt ſonder alle Klagen,
(Wie ſolches Carpzer ſelbſt, des Wiſſen und Verſtand
Nicht gnug zu ſchaͤtzen ſind, faſt als ein Wunder fand,)
Geſchickt geweſen zu ertragen.
Erhalt, o Schoͤpfer, ihm des Geiſts und Leibes Staͤrcke,
Zuſammt des Aelteſten; die andern gleicher Weiſe;
Daß ieder Deine Guͤt, in Deinem Segen, mercke,
Daß ied’ und ieder Dich mit frommen Wandel preiſe!
Ach laß in allem unſern Thun,
O Vater, uͤber uns den Geiſt der Weisheit ruhn!
Noch ferner danck ich Dir, und preiſe Deine Guͤte,
Die Du mir ſonderlich in dieſem Jahr erzeigt,
Da Du das Fuͤrſtliche Durchlauchtigſte Gemuͤthe,
Des theuren Guͤnthers mir ſo gnaͤdig zugeneigt,
Daß
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
Daß Er, aus eignem Trieb (geruͤhret durch die Lieder,
Die Dir, o HERR, zum Ruhm geſungen waren)
Mir, welches ja wol rar in dieſen Jahren,
Ließ eine Gnade wiederfahren,
Die wuͤrcklich ungemein. Jn einen hoͤhern Orden
Bin ich durch Jhn verſetzt, und Pfaltz-Graf worden,
Es ward mir unverhofft das Comitiv geſandt,
Nebſt einem Brief von eigner Hohen Hand,
Jn welchem Weisheit, Majeſtaͤt,
Huld, Großmuth, GOttes-Furcht, die alles uͤbergeht,
Recht in die Wette ſtrahlt. Jch preiſ’ und danck’ allhier,
Allmaͤchtiger Regierer, Dir dafuͤr,
Daß Du der Welt, in Jhm, haſt einen Herrn geſchencket,
Der Seinem Ahn-Herrn gleich, ſelbſt Kaiſer-Cronen
wehrt,
Und welcher weiſ’t, wie ſehr Sein groſſes Hertz Dich ehrt;
Da meine Poeſie, bloß weil ſie Dein gedencket,
Von Jhm belohnet wird, aus eigenem bewegen.
Sey ſelbſt Sein groſſer Lohn, o HERR! geuß Heil und
Segen,
Bis in die ſpaͤte Zeit, auf Jhn, auf Sein Gemahl,
Die Cronen-wuͤrdige Durchlauchtigſt’ Albertine,
Eroͤffne Deine Hand mit Wolthat ohne Zahl,
Daß Schwartzburgs Helden-Stamm in ſtetem Wachs-
thum gruͤne!
Noch hab ich eine Luſt in dieſem Jahr geſpuͤret,
Die unausdruͤcklich iſt, und die mich innig ruͤhret,
Da noch ein andrer Fuͤrſt, da Homburgs Ludewig,
Der, unterm ſtrengen Schall der laͤrmenden Trompeten,
Zu der gelehrten Welt Erſtaunen, ſelber ſich,
Mit klugem Lorbeer kroͤnt, die trefflichſten Poeten,
K k 5Wie
Natur-Kraͤffte, Geſetze und Eigenſch. ꝛc.
Wie alles, uͤbertrifft, und, untern Waffen, zeigt,
Wie ſehr Sein Helden-Geiſt die Helden uͤberſteigt,
Die, bloß durch Stahl, beruͤhmt; mir ſolch ein Schreiben
ſchickt,
Das nicht nur mich allein, nein alle, die es leſen,
(So gar den Neid, doch nur auf kurtze Zeit) entzuͤckt.
Denn nie iſt ein Gedicht vortrefflicher geſchmuͤckt,
Zu einem edlern Zweck verfertiget geweſen
Von ſo Durchlauchtger Hand.
Wie tieff ſieht Seine Seel’ ins Reich der Creatur!
Wie klar entdecket ſie die ſonſt verborgne Spur
Von Dem, aus Deſſen Wort die Creatur entſpringet,
Der allenthalben iſt! wann Er, wie folget, ſinget?
„Ja ja, es wallt in mir der Adern geiſtigs Blut,
„So offt die Wellen ſich mit ſanften Schlaͤgen bre-
chen:
„Mich deucht, ich hoͤre noch die Tropfen in der
Fluth
„Von ihres Schoͤpfers Macht ſich liſpelnde beſpre-
chen.
Wie ſpornt Er mich nicht an, durch Seines Schreibens
Schluß,
Die einſt erwehlte Bahn, den Schoͤpfer anzubeten
Jn Seiner Creatur, noch ferner zu betreten.
Den ich (doch halb beſchaͤmt) hier wiederholen muß:
„Beym Schluſſe dieſes Blats ſchlieſſt ſich mein Her-
tze auf:
„Dein Nahm und Dein Verdienſt bleibt bey mir un-
vergeſſen,
„Und
bey dem 1731. Jahrs-Wechſel betrachtet.
„Und glaube, bis zum Ziel von meines Lebens Lauff,
„Daß der Dich ehrt und liebt, ſey Ludwig, Printz
von Heſſen.
Ja! ja! Du ehreſt mich weit mehr, als ich verdiene,
Gelehrt- und tapfrer Fuͤrſt, doch, wo ichs recht verſteh,
So ehrſt Du GOTT in mir. Weil ich Sein’ Allmacht ſeh,
Und Seine Majeſtaͤt zu preiſen mich erkuͤhne;
So wirſt Du, durch den Zweck und Vorwurff, ſo geruͤhrt,
Daß Dich Dein groſſes Hertz, auch das zu achten, fuͤhrt,
Was, GOtt zum Ruhm, auch nur ein ſchlechtes Werckzeug iſt.
Hiemit nun kehr ich mich zum Endzweck meiner Lieder,
Voll Luſt und Danck-Begier, zum HErrn der Herren wieder.
Wie reichlich haſt Du, GOtt, uns dieſes Jahr geſegnet
Mit Fruͤchten, Korn und Gras! es hat zu rechter Zeit
Die Sonn’ auf uns geſtrahlt, zu rechter Zeit geregnet.
Daher entſtand aufs neu ſo fette Fruchtbarkeit,
Daß das Getraid’ auch heur, als in dem vorgen Jahr,
Nicht weniger unglaublich wolfeil war.
Laß, groſſer Geber, uns die Wolthat doch erkennen,
So kannſt und wirſt Du uns dergleichen ferner goͤnnen.
Erhalt’ uns insgeſammt befreyet von Gefahr,
(Wo es uns nuͤtzlich iſt) o HERR, noch manches Jahr!
Damit fuͤr Deine Gnad’ und reichen Vater-Segen
Jn dir gefaͤlligem empfindlichen Genuß,
Von Danck-Begier entflammt, bey manches Jahres-Schluß,
Wir Deine Weisheit, Lieb’ und Allmacht preiſen moͤgen!
Zu-
Zufaͤllige Gedancken
Zufaͤllige Gedancken
auf
S. T. Herrn Doctoris FABRICII
Himmliſches Vergnuͤgen.
Jch glaube, groſſer Mann, es ſey Dein Nahme, bloß
Zu dieſem Zweck allein, ſo weit beruͤhmt und groß,
So gar in Oſt und Weſt, in Suͤden und in Norden,
Durch Den, der alles wirckt, und alles ordnet, worden;
Damit er manchem Geiſt, der gern den Schoͤpfer prieſe,
Und Jhm, nach Seiner Groͤſſ’ und Allmacht, Ehr erwieſe,
Sich aber deſſen kaum bishero duͤrft’ erkuͤhnen,
Durch Seine Groͤſſe moͤgt zum Schutz und Schilde die-
nen.
Es wird, GOTT Lob! durch Dich nunmehr der Teutſchen
Welt
Der Schoͤpfer, als ein GOTT, recht Goͤttlich vorgeſtellt.
Du zeigſt, wie auch bey uns, GOTT koͤnn’ ein Schoͤpfer
werden
Von Millionen Sonn- und Millionen Erden.
Jch ſehe Deinen Ruhm dahero gleichſam an,
Als einer Glocken Thon, die daruͤm hoch erhoben,
Damit man fern und nah ihr ſchallen hoͤren kann,
Wie ſie zum heilgen Dienſt, zum dancken, GOTT zu
loben,
Mit lautem thoͤnen rufft. Wie wird nicht dieſer Klang
Des groſſen Schoͤpfers Ruhm durch manchen Lob-Ge-
ſang
Jn,
auf D. Fabricii himmliſches Vergnuͤgen.
Jn, bis dahero ſtumm-, ietzt durch Dich lauten, Choͤren,
Von heilger Furcht und Luſt entflammter Hertzen mehren!
O hoͤchſt begluͤckter Mann! ſchon hier halb ſeelger Geiſt,
Durch den der Schoͤpfer ſelbſt uns Seine Groͤſſ’ er-
klaͤret,
Da GOTT durch Deinen Ruhm ſelbſt Seinen Ruhm ver-
mehret,
Was Wunder, daß die Welt Dir ſo viel Ehr erweiſ’t?
Uber
Uber ein Kupfer-Bild.
Uber des
Herrn Conſiſtorial-Raths und Probſtes
Hn. Johann Guſtav Reinbecks
vor Deſſen unverbeſſerlichen Schrift
der Betrachtung
Goͤttlicher Wahrheiten
befindliches
Kupffer-Bild.
Es zeigt bey dieſem Wunder-Buch Dein Groß- und
Sanftmuths-voller Blick,
Daß, wie Dein Coͤrper der Natur, Dein Geiſt des Him-
mels Meiſter-Stuͤck.
Schluß.
Schluß.
Schluß.
O GOTT! indem auch Du in unſrer Bruſt,
Wenn Du Dein Werck darin gebildet findeſt,
Die Schoͤnheit ſieheſt, die wir ſehen;
So hoff’ ich daß, aus Liebe, Du die Luſt,
Die wir empfinden, auch empfindeſt.
Ach moͤgte ſolches offt geſchehen!
Auf! laſſt uns denn, zu Seiner Ehr,
(Damit, ſo viel an uns, auch GOttes Luſt ſich mehr)
Uns immer mehr und mehr beſtreben,
Zu Seinem Ruhm, vergnuͤgt zu leben!
ENDE.