Schon seit Jahren ist man in Nord- und Mitteleuropa bestrebt, der in
sittlicher wie materieller Beziehung höchst verdammenswerthen Verfol-
gung und Vernichtung der für die Landwirthschaft besonders nützlichen In-
sektenfresser unter den Vögeln zu steuern. Dem aufmerksamen Beobachter
konnte der hohe Werth derselben für den Menschen betreffs ihrer Wirk-
samkeit in Feld und Wald nicht entgehen, und das dringende Verlangen
sich deren unschätzbare Hilfe in Bekämpfung schädlicher Einflüsse, welche
unsere Culturen durch Insekten erleiden, zu erhalten. um so lebhafter
werden, als bei dem Umstande, dass der grösste Theil derselben durch
seine Wanderung hoch von Norden bis weit nach dem Süden so viele
verschiedene Länder berührt, die Gefahren für dieselben ohne gleicharti-
gen überall bestehenden gesetzlichen Schutz sich ausserordentlich steigern
müssen.
Besonders war diess in Italien der Fall, dessen Gefilde bei der höchst
günstigen Lage zwischen zwei Meeren von dem grössten Theil jener Wan-
derer vorherrschend gerne, um auf ihrer Reise auszuruhen, entweder
zweimal des Jahres berührt, oder auch als Aufenthalt den ganzen Win-
ter hindurch benützt werden, und wo nach einer mehr als tausendjährigen
Cultur der kulinarische Genuss, von Feinschmeckern wie Apicius, Lucull
auf den höchsten Grad von Verfeinerung gebracht, sich alles erdenklich
Geniessbaren bemächtigt hatte, auch diese willkommene Gelegenheit in der
rücksichtslosesten Weise ausgebeutet wurde.
Es verdient daher die grösste Anerkennung, wenn die Regierung
jenes Landes, wo der Vogelfang seit Jahrhunderten so eingebürgert ist,
die Wichtigkeit der Erhaltung dieser Insektenfresser vollkommen würdi-
gend, dem Antrage der k. k. österreichischen Regierung eines internatio-
nalen Uebereinkommens zum Schutze dieser Vögel, an deren Fangverbot
sich selbst der Ausfall eines Erträgnisses knüpft, mit aller Bereitwilligkeit
entgegenkam.
Wie lebhaft übrigens und wie sehr verbreitet das Interesse für die-
sen Gegenstand ist, dürfte daraus entnommen werden, dass, als meine
Reise nach Italien zu dieser Vereinbarung verlautete, ich von mehreren
Seiten dringend ersucht wurde, in dieser Angelegenheit auf das eifrigste
zu wirken, und dass die Gesellschaft für Vogelschutz in Götheburg, die
Landwirthschaftsgesellschaft in Lemberg, die physiographische Commission
in Krakau mich hiezu besonders bevollmächtigte, sowie ich in diesem
Sinne zu wirken von Roveredo und Pest aufgefordert, vor allem aber
G. R. v. Frauenfeld:
dringend erinnert ward, den mit Russland für diesen Zweck eingeleiteten
Verkehr zur Erreichung dieses Zieles fortzusetzen.
Zur Theilnahme an diesem Uebereinkommen mit Italien wurden zu
gleicher Zeit von den übrigen Mittelmeerstaaten, Spanien, Frankreich
und die Schweiz eingeladen, von denen, nachdem die Schweiz sich hiezu
bereit erklärte, Frankreich des Kriegszustandes wegen verhindert war,
daran Theil zu nehmen, Spanien jedoch ablehnend erwiederte, es müsse
diesen Gegenstand der Wirksamkeit der einzelnen Provinzen überlassen.
Ich sehe mich dadurch veranlasst, besonders zu betonen, dass bei
der überall gleich wichtigen, allgemein umfassenden Bedeutung der in-
sektenfressenden Zugvögel, bei deren weit ausgedehnter Wanderung vom
Norden Europas bis zum Aequator und noch darüber hinaus, dieselben
nothwendig den Sonderbestimmungen beschränkterer Gebiete, deren In-
teressen und Ansichten unzweifelhaft ganz verschieden sind, entzogen
werden müssen, dass sie daher aus den Jagdvorschriften, deren Anord-
nungen, jenen Landestheilen, ihrer Autonomie entsprechend ungeschmälert
verbleiben können und sollen, auszuschliessen sind.
Es bedingt ja wohl die Idee eines gemeinsam festzustellenden Ver-
fahrens zwischen mehreren Reichen schon von selbst, dass Massregeln
einzelner Bruchtheile eines Landes, die nicht übereinstimmen, gar nicht
stattfinden können.
Diess angenommen, liegt mir ferner noch ob, hier einer anderen
gegnerischen Ansicht zu gedenken, die zu widerlegen um so wichtiger
ist, als sie aus wissenschaftlichem Munde kömmt. Ein italienischer Pro-
fessor sprach sich dahin aus, es sei kein Eingriff von Seite des Menschen
nöthig, die Natur ordne und regle sich von selbst, und es bedürfe des
Vogelschutzes nicht, um das Gleichgewicht in der Natur zu erhalten.
Wenn der Herr Professor meint, dass trotz alles menschlichen Ge-
barens die Sonne täglich auf- und untergeht, dass eine aus dem Meere
aufgetauchte Insel sich grün bekleide und belebe, ohne und trotz dem
Menschen, wenn ungeachtet aller Eingriffe desselben die Natur unaufhalt-
sam schaffend ihren Gang fortsetzt, so hat er allerdings recht. Es ist diess
eben das ewig unveränderliche Gesetz der lebendig schaffenden Natur auf
unserem Planeten, das aber auch unbekümmert um die Lebenszwecke
des Menschen waltet, und ihrem natürlichen Gange folgend, gewiss nur
sehr selten dessen Absichten entspricht, sondern ihm wohl häufig hindernd
in den Weg tritt, seine Pläne oft vereitelt, oder gar zerstört.
Diesen Störungen begegnend, wirkt der Mensch, der sich der Erde
als seiner Domäne bemächtigt hat, in unverkennbar gewaltig eingreifen-
der Weise, räumt diese Hindernisse aus dem Wege, zwingt jene Natur-
kräfte seinen Zwecken zu dienen, während sie nicht in dieser klugen
Weise benützt, sondern vernachlässigt oder missbraucht, ihm den grössten
Schaden zufügen würden.
Grundlagen des Vogelschutzgesetzes.
Thiere sind durch seine Einwirkung verschwunden, die ihm oder
seinen Zwecken nachtheilig waren, oder die er eben sowohl massloser
Weise zu seinem Vergnügen verfolgte, als rücksichtslos verschwenderisch
weit über seinen Bedarf fast oder selbst bis zur wirklichen Ausrottung
vertilgte. Ganze Provinzen wurden durch ihn entwaldet, dass eben jene
Naturkräfte, deren ungebändigte Macht er unvorsichtig entfesselte, zu
seinem furchtbarsten Nachtheil allda sich geltend machen.
Wir brauchen wohl nicht Beispiele wie Dalmatien, Griechenland
u. s. f. aufzuzählen. Wir finden in seinem Vaterlande selbst die Marem-
men, deren Ebenen nach der Vernichtung seiner Bevölkerung zu gifthau-
chenden Fluren verödeten. Wir sehen den Tiber, dessen stolzer Rücken
noch in historischer Zeit Seeschiffe bis Rom trug, immer mehr und mehr
verkümmern. Zwar könnte man antworten, das hätte vielleicht die Natur
selbst auch ohne den Einfluss des Menschen gethan. Aber wir kennen ja
noch genug dem nassen Elemente und der Unfruchtbarkeit abgerungene
Gefilde, deren reicher Segen mit ungeheurem Aufwand von Kunst und
Fleiss geschützt, und fort und fort gehütet werden muss, um ihn zu er-
halten, und die man eben nur dadurch verhindert, dass sie nicht preis-
gegeben dem zügellosen Walten der Natur, wieder der Verwilderung
verfallen, und den menschlichen Zwecken entfremdet werden.
Wohin das Auge blickt, wird die regelnde Einwirkung des Men-
schen wahrgenommen und man wird wohl schwerlich in Abrede stellen
können, dass er jene Kräfte unter kluger Benützung ebenso zu seinem
Vortheil zu verwenden vermag, als sie bei Missbrauch oder Vernachlässi-
gung und verkehrter Anwendung seine Zwecke vereiteln.
So geben auch unsere sämmtlichen Culturen Zeugniss von den
mächtigen Eingriffen, die der Mensch auf die Natur umgestaltend übt,
indem er ihrem Gange hemmende Schranken setzt, und sie für seine Ab-
sichten von dem ihren gesunden kräftigen Zustand bedingenden Wege
abzuweichen zwingt.
Alle unsere Culturen haben dieses Ziel, und wir müssen sie sämmt-
lich als Krankenanstalten bezeichnen. Unser Getreide, unser Gemüse,
unser Obst sind entartete hypertrophische Erzeugnisse, deren Zustand ihrer
ursprünglichen natürlichen Beschaffenheit entfremdet ist und die eben
darum schädlichen Einflüssen leichter und rascher erliegen, als wildwach-
sende Pflanzen. Sie müssen, wollen wir sie in diesem für den Menschen
tauglichen geschwächten Zustande erhalten, stets sorglich gepflegt und
gewartet werden, indem sie, sich selbst überlassen, bald wieder in ihren
Urzustand zurückkehren, d. h. verwildern würden.
Jene schädlichen Einflüsse aber sind vorzüglich zweierlei Art: Er-
krankung und Zugrundegehen der Pflanzen in Folge ihrer geschwächten
Vegetationsverhältnisse oder Zerstörung derselben durch überhandneh-
mende Insekten.
G. R. v. Frauenfeld:
Diese letzteren sind es nun allein, welche hier in Betracht kommen.
Der grösste Theil derselben ist durch seine Kleinheit, Flüchtigkeit, durch
seine ausserordentlich rasche Vermehrung und ungeheuer anwachsende
Ueberzahl, die aller menschlichen Anstrengung sie zu bezwingen spottet,
so gefährlich, dass jede in der Natur sich bietende Hilfe zu ihrer Ver-
nichtung nur höchst willkommen sein kann.
Eine solche Beihilfe und zwar im grössten Massstabe findet sich
durch die insektenfressenden Vögel. Sie allein nur sind es, welche jene
land- und forstwirthschaftlichen Feinde, denen gegenüber der Mensch
gänzlich hilflos ist, wirksam zu bekämpfen im Stande ist, und sie finden
sich auch sicher dazu ein.
Ein Apotheker sah einmal alle Schwalben des Ortes, Rothschwänz-
chen und Bachstelzen täglich bei seinem Hause versammelt, das Dach
umschwärmen. Den Grund hievon entdeckte er auf seinem Boden, wo
aus den daselbst aufgespeicherten Arnikablüthen eine Bohrfliege in Massen
sich entwickelte, welche die Vögel als willkommene Beute täglich weg-
fingen. Die Art wurde damals als neu entdeckte Fliege beschrieben. Sie
ist der in Italien in den Früchten der Olive so verheerend auftretenden
Bohrfliege verwandt, gegen welche gleichfalls bis jetzt menschliche Hilfe
fruchtlos erscheint. Ich bin überzeugt, dass die Sylvien hier das beste
und auch das einzige Mittel zu deren Verminderung sind.
Die dem Weine so schädlichen Raupen und Schmetterlinge des Wein-
wicklers in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen und zu vernichten, sind nur
diese kleinen Insektenfresser im Stande. Und so wären noch eine Menge
von Beispielen anzuführen, wo einzig und allein diese Vögel nützlich ein-
greifen und dem Menschen zu Hilfe kommen.
Da nicht nur die sittlich und moralisch tief eingreifende Bedeutung
dieses Gegenstandes allerwärts anerkannt ist, man daher längst schon
bemüht war, durch Belehrung hiefür zu wirken, sondern da auch die stets
weiter vorschreitende Cultur und umfassendere Benützung ihrer Erzeugnisse
immer mehr nöthigt, die diesen Ertrag unterstützenden Mittel schärfer ins
Auge zu fassen, so wurde der Nothruf für diese Thiere immer dringender.
Viele Regierungen haben der Bitte um Schutz dieser Vögel schon Gehör
gegeben und wird deren Erhaltung durch Gesetze angestrebt, um dieses
wünschenswerthe Ziel im vollsten Umfange zu erreichen.
Wenn einige Hauptfeinde der Landwirthschaft von den Insekten-
fressern verschmäht werden, so liegt gerade in dem Umstande, dass sie
keine Vertilger unter den Vögeln haben der Grund, dass sie sich in so
verderblicher Weise vermehren können, und wir dürfen mit Bestimmtheit
entgegnen, dass eine weit grössere Zahl unsere Culturen bedrohenden
Insekten nur darum nicht überhand nehmen, weil sie eben durch die Vögel
in Zaum gehalten werden, und dass einige solche in jüngster Zeit vorge-
Grundlagen des Vogelschutzgesetzes.
kommene neue Massenerscheinungen von Pflanzenfeinden nur allein der
Abnahme der Vögel zugeschrieben werden müssen.
Der Mensch ist unzweifelhaft berechtigt, alles was die Natur bietet,
nicht nur für seine Erhaltung. sondern auch zu seinem Wohlbehagen im
vollsten Umfange zu benützen, so weit es die Verhältnisse des Gesellschafts-
lebens gestatten, und so weit nicht erfahrungsgemäss entgegenstehende
Zwecke eine Beschränkung in ein oder der anderen Richtung gebieten.
Es kann sich sonach nur noch um unparteiische Abwägung dessen
handeln, was durch den, diesen Vögeln gewährten Schutz dem Menschen
entgeht. Dieser Entgang bedingt bloss allein den Ausfall eines Nahrungs-
mittels und einiger beliebter Sänger als Stubengenossen. Wenn es auch
in Betreff des ersteren Pflicht und Recht der Verwaltung ist, diese Mittel
zu mehren, und nicht zu verkümmern, so wird doch Niemand behaupten
können, dass der Entgang dieses Luxusartikels so bedeutend sei, dass in
staatsökonomischer Beziehung ein Bedenken entstehen dürfte, und diese
wenigen unter gesetzlichen Schutz gestellten Vögel einen Einfluss auf den
Wohlstand der Völker haben, wenn sie nicht verspeist werden dürfen,
oder dass dieser Ausfall in anderer Weise gedeckt werden müsste, zumal
der Lüsternheit in dem noch übrigen so namhaften Theil der Körnerfresser,
die unbedenklich preisgegeben werden können, hinlänglich Ersatz geboten
ist, diess Verlangen zu stillen.
Es dürfte schwerer werden, das Verbot dieser Singvögel als Stu-
benge ährten zu rechtfertigen, da. ich, wie ich schon an einem anderen
Orte bemerkte, den sittlichen Werth, den die liebevolle Pflege der trauten
Zimmergenossen, die Erheiterung durch dieselben in trüben Stunden, den
wohlthätigen Einfluss, den sie auf das Gemüth unzweifelhaft üben, un-
endlich hoch anschlage.
Allein, wenn man bedenkt, wie wenige von den tausend und tau-
send aus dem Nest geraubten oder gefangenen Vögeln in freundliche
Hände gelangen, wie unendlich viele im Gegensatze zu diesen wenigen
martervoll zu Grunde gehen, während ihre Erhaltung für die Thätigkeit
in der Natur so hoch ins Gewicht fällt, so dürfte dieses Verbot umsomehr
gerechtfertigt erscheinen, als von den hier in Frage stehenden Vögeln ein
grosser Theil für den Käfig keinen besonderen Werth hat oder nur
äusserst schwer in der Gefangenschaft aushält, andererseits aber für die
wenigen allerdings ausgezeichneten Sänger, deren Besitz nicht gestattet
werden soll, in den derberen Körnerfressern hinreichender Ersatz sich findet.
Der zweifache Zweck des Vogelfangs ist, die Vögel, welche durch
Vogelleim oder Schlingen festgehalten, oder durch mehr oder minder um-
fangreiche Netzvorrichtungen umstrickt und gefangen werden, entweder
lebend zu erhalten, um sie als Stubenvögel verwenden zu können, oder
sie, natürlich in grosser Menge, für die Küche todt zu erbeuten oder
hiefür zu erwürgen.
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G. R. v. Frauenfeld:
Ersteres, obwohl weniger Massenfang, doch immerhin sehr verderb-
lich findet im ersten Frühjahr am Finkenstich, mit dem Nachtigallnetz,
später durch Nesterausnehmen, im Herbst und Winter auf der Tränke,
mit dem Kloben und der Meisenstube oder auch mit Leimspindeln statt.
Alles gehegte Federwild wird zur Frühjahrszeit geschont, selbst
die Schnepfe wird von vielen Jagdbesitzern zu dieser Zeit nicht mehr
verfolgt, um deren Vermehrung zu begünstigen, da die Erfahrung immer
mehr und mehr bestätigt, dass die schon gepaarten Vögel am Strichorte
verbleiben und brüten, und namentlich alle diese Thiere zu dieser Zeit
schlecht im Fleisch, wenig Genuss gewähren. Nur die kleinen Sänger
schont man nicht. Und was ist der Erfolg? Tausende von Nachtigallen
und Finken zur Brütezeit gefangen gehen zu Grunde, und nur wenige
bleiben am Leben. Ebenso furchtbar werden die Vögel durch Nestraub
decimirt, da der geringste Theil derselben sein volles Wachsthum erlebt,
indem sie fast ausnahmslos die erstere Zeit in rohe, eigennützige Hände
gelangen. Die Nestlinge der Hauptsänger sind überdiess ohne Werth, da
nur die im Freien Erwachsenen, Meister im Gesange werden.
Wenn die mit dem Kloben und der Meisenstube erbeuteten Vögel
unverletzt bleiben, so sind dagegen die auf der Tränke und sonst mit
Leimspindeln gefangenen meist so verklebt, dass sie umgebracht werden
müssen oder überhaupt dadurch zu Grunde gehen.
Der für die Küche und den Markt stattfindende Massenfang ge-
schieht mit Schlingen, mit Netzen, oder am Vogelherd und Blattbaum
ebenfalls mit Leim.
Eine ziemliche Anzahl verschiedener solcher Schlingen, als Dohnen,
Sprenkeln, Schnellbögen hat man erfunden, um die harmlosen Wanderer
auf diese Art in seine Gewalt zu bringen, und glücklich, wenn die armen
Thierchen, in ihrer nützlichen Thätigkeit Wald und Flur von schädlichen
Insekten zu reinigen, unterbrochen, am Halse gefangen, nach kurzen Lei-
den sich erwürgen, und nicht, wie ich es selbst sah, in ganzen Reihen
von Schnellbögen mit gebrochenen Beinen mehrere Tage martervoll hän-
gend in dieser fürchterlichen Lage verhungern müssen.
Der Fang mit Leim ist, wie oben bemerkt, unbedingt verwerflich,
da die dadurch gefangenen Vögel zum mindesten fluguntauglich werden,
und der Vogelsteller die vom Gesetze geschützten Arten nicht mehr in
Freiheit zu setzen vermag, was bei den Netzvorrichtungen doch noch
unbehindert geschehen könnte, da sie mit Spiegel- oder Zuguetz auf der
Tenne gefangen, unverletzt in dessen Hände fallen.
Ich berühre die Steck- und Sackgarne für Rebhühner, die Deck-
netze für Wachteln, kurz alle für Jagdgeflügel bestimmte Fangvorrich-
tungen nicht, da die Anwendung derselben dem Jagdberechtigten ver-
bleiben soll.
Grundlagen des Vogelschutzgesetzes.
Die übrigen hier kurz erwähnten Fangarten sind alle zu verdammen,
da sie entweder fast ausschliesslich solchen Vögeln den Untergang bringen,
die zu schützen wir das höchste Interesse haben, oder wodurch sie zur
Vermehrungszeit weggefangen werden, wo doch alle Jagdthiere vollen
Schutz geniessen und geschont werden.
Es versteht sich von selbst, dass das Tödten der unter dem Schutze
der Gesetze stehenden Vögel mit dem Schiessgew hre gleichfalls ver-
boten ist.
Auf Grund dieser Erwägungen wurden durch mich und den von der
königl. italienischen Regierung bestellten wissenschaftlichen Vertreter
Herrn Prof. Targioni-Tozzetti folgende Punkte vereinbart, die ich
im Originale hier beifüge:
1. Interdire en tout temps, en tout lieu et de toute manière la des-
truction de nids, des oeufs, des nichées, et des jeunes animaux, de toute
espèces, excepté ceux, qui seraient reconnus comme dangereux pour l’hom-
me et pour les animaux domestiques et nuisibles aux habitations, au
mobilier et aux recoltes.
2. Restreindre le temps de la chasse dans des limites qui, ou les
habitudes ainsi que l’opinion exprimée soit dans les lois, soit dans les ad-
ministrations provinciales, devaient être comprise entre le 15. Août et le
28. Février, c’est à dire du commencement de l’automne à la fin de l’hiver
à peu près, et de prohiber de consequence en tout autre temps.
3. Interdire toute espèce de chasse aux laces, à l’argou, au trebuchet,
au grand filet permanents (Roccolo, Ragnaja) à la glu avec ou sans chouette.
4. Introduire des concessions ou des dispositions spéciales pour les
permis de chasse contre les animaux sauvages pernicieux aux hommes, et
aux animaux domestiques, ainsi que pour les permis de chasse fait dans
l’intérêt de la science, sans limiter le temps ou la manière.
5. Soumettre à des concessions spéciales les permis de chasser les
oiseaux de rivage et de marais au printemps soit du commencement jusq’à
la fin de Mars.
6. Défendre en tout temps la vente des nids, des oeufs, des jeunes
animaux sauvages et celle du gibier de toute nature, quelque soit la ma-
nière dont il ait été capturé, durant le temps pendant lequel la chasse
est interdite.
Ich hege die Zuversicht, dass diese Bestimmungen bei dem lebhaften
regen Interesse und der hohen Einsicht des königl. italienischen Ministe-
riums, wie ich sie bei Sr. Exc. dem Hrn. Ackerbauminister v. Castagnola,
dem Minister des Aeussern Visconti-Venosta und Marineminister Acton
mit inniger Befriedigung bezeugen kann, auch die Genehmigung der
Kammer erhalten werden.
Meine weitere Reise nach dieser Conferenz durch Unter-Italien hat
mir die Ueberzeugung verschafft, dass noch ein wesentlicher Punkt bei-
*
G. R. v. Frauenfeld: Grundlagen d. Vogelschutzgesetzes.
gefügt werden muss. Ich habe nämlich in Neapel am Markt und im Pri-
vatbesitze leider mehrere geblendete Vögel bemerkt. Diese Barbarei von
der Moral und Sittlichkeit allgemein verdammt, ist in unsern Ländern
längst schon abgestellt. Ich erhielt in Florenz die Versicherung, es sei
auch allda diese Grausamkeit nicht gestattet. Es dürfte also nur die un-
vollständige Handhabung dieser Anordnung noch das Vorkommen der-
selben erklären.
Diese schon so ausgedehnte Erkenntniss der Nützlichkeit der In-
sektenfresser wird auch von den einsichtsvollen rationellen Landwirthen
im Süden Europas vollkommen gewürdigt. Sie empfinden tief die Wunden,
die dem Wohlstande durch die masslose Vernichtung dieser Thiere ge-
schlagen werden, und den unberechenbaren Schaden, der für die segens-
reichen Ernten hiedurch erwächst, da bei diesem Massenfang nicht nur
die Wirksamkeit der fremden Wanderer während ihrer Anwesenheit in
jenen Gefilden vernichtet, sondern auch die Brutvögel des eigenen Landes
hingeopfert werden.
Soll nun dieser Schutz wirklich erzielt werden, so ist der Vogel-
schutz vom Jagdgesetz vollständig zu trennen und das innige Zusammen-
wirken sämmtlicher Staaten, durch welche diese Wandervögel ziehen,
mittelst übereinstimmender internationaler Vorschriften, das erste uner-
lässliche Erforderniss.
Es möge mir gestattet sein, in dieser Hinsicht einige allgemeine
Sätze hier anzudeuten, die als überall gleichmässig geltende Grundlage
anzunehmen wären:
Die Vorschriften für die landwirthschaftnützlichen Stand-, Strich-
und Zugvögel sind getrennt und unabhängig von den Jagdvorschriften zu
behandeln.
Das Fangen, Tödten, Verkaufen und Halten dieser Vögel ist durch-
aus und zu jeder Zeit verboten.
Der Markt ist in dieser Beziehung streng zu überwachen.
Das Blenden der Vögel ist verboten.
Der Gebrauch des Vogelleims, aller Arten Schlingen, Schlageisen,
Kloben, Meisenstube, Nachtigallnetz, Vogelherd ist unbedingt verboten.
Das Ausnehmen der Eier, Jungen, das Zerstören der Nester aller
Vögel mit Ausnahme der Schädlichen ist verboten.
Zu wissenschaftlichen Zwecken kann die Behörde einzelne bedingte
Bewilligungen von Fall zu Fall ertheilen.
Ich werde in einer eigenen Darstellung die für die Landwirthschaft
nützlichen Vögel einer besonderen Betrachtung unterziehen und dabei
namentlich die Art und Weise ihrer Habhaftwerdung besprechen, um jene
Faugvorrichtungen hervorzuheben, die als gänzlich unzulässig bezeichnet
werden müssen und daher unbedingt zu verbieten sind.