ERINNERUNGEN AN EINIGE ABENDE
INNERER GESELLIGKEIT
Blumen
In märzentagen streuten wir die samen
Wann unser herz noch einmal heftig litt
An wehen die vom toten jahre kamen
Am lezten kampf den eis und sonne stritt
An schlanken stäbchen wollten wir sie ziehen
Wir suchten ihnen reinen wasserquell
Wir wussten dass sie unterm licht gediehen
Und unter blicken liebevoll und hell
Mit frohem fleisse wurden sie begossen
Wir sahen zu den wolken forschend bang
Zusammen auf und harrten unverdrossen
Ob sich ein blatt entrollt ein trieb entsprang
Wir haben in dem garten sie gepflückt
Und an den nachbarlichen weingeländen
Wir wandelten vom glanz der nacht entzückt
Und trugen sie in unsren kinderhänden.
Rückkehr
Ich fahre heim auf reichem kahne
Das ziel erwacht im abendrot
Vom maste weht die weisse fahne
Wir übereilen manches boot
Die alten ufer und gebäude
Die alten glocken neu mir sind
Mit der verheissung neuer freude
Bereden mich die winde lind
Da taucht aus grünen wogenkämmen
Ein wort ein rosenes gesicht:
Du wohntest lang bei fremden stämmen
Doch unsre liebe starb dir nicht
Du fuhrest aus im morgengrauen
Und als ob einen tag nur fern
Begrüssen dich die wellenfrauen
Die ufer und der erste stern.
Entführung
Zieh mit mir geliebtes kind
In die wälder ferner kunde
Und behalt als angebind
Nur mein lied in deinem munde
Baden wir im sanften blau
Der mit duft umhüllten gränzen
Werden unsre leiber glänzen
Klarer scheinen als der tau
In der luft sich silbern fein
Fäden uns zu schleiern spinnen
Auf dem rasen bleichen linnen
Zart wie schnee und sternenschein
Unter bäumen um den see
Schweben wir vereint uns freuend
Sachte singend blumen streuend
Weisse nelken weissen klee
Reifefreuden
Ein stolzes beben und ein reiches schallen
Durch später erde schwere fülle strich · ·
Die kurzen worte waren kaum gefallen
Als tiefer rührung ruhe uns beschlich
Sie sanken hin wo sich am fruchtgeländer
Der purpurschein im gelben schmelz verlor
Sie stiegen auf zum schmuck der hügelränder
Wo für die dunkle lust die traube gor
Ich wagte dir nicht du nicht mir zu nahen
Als schräger strahl um unsre häupter schoss
Noch gar mit rede störend zu bejahen
Was jezt uns band was jedes stumm genoss
Und was in uns bei jenes tages rüste
Auf zu den veilchenfarbnen wolken klomm
Was mehr als unsre träume und gelüste
An diesem gluten-abend zart erglomm.
Weisser gesang
Dass ich für sie den weissen traum ersänne · ·
Mir schien im schloss das herbe strahlen tränken
Und blasse blüten-bäume nur umschränken
Dass er mit zweier kinder frühtag ränne
Ein jedes einen schlanken strauss umschlänge
Hell-flitternd wie von leichtgeregter espe
Daraus als wimpel eine silber-trespe
Hoch über ihre schwachen stirnen schwänge
Und beide langsam kämen nach dem weiher
Auf breitem marmelstiege manchmal wankend
Bis bei dem flügelschlag der nahen reiher
Der arme sanfte bürde heftig schwankend
Duft-nebel wirbelte von kühlen narden
Mit denen die Vereinten höherem raume
Entgegen schwebend immer lichter warden
Bald eines mit dem reinen äther-flaume.
Nachtwachen
I
Deine stirne verborgen halb durch die beiden
Wölkchen von haaren (sie sind blond und seiden)
Deine stirne spricht mir von jugendlichem leide
Deine lippen (sie sind stumm) erzählen die geschichte
Der seelen verurteilt in gottes gerichte ·
Erregender spiegel dein auge spiel damit nicht!
Wenn du lächelst (endlich flog über dir der schlummer her)
Dein lächeln gleicht dem weinen sehr
Und du neigst ein wenig dein haupt von kummer schwer.
II
Nicht nahm ich acht auf dich in meiner bahn
In zeiten feucht und falb worin der wahn
Des suchens fragens sich verlor
Kann jemand in den zeiten feucht und falb
Am dunklen thore harren meinethalb?
Nun denk ich dein weil unterm dunklen thor
Wo ängstend säule und gemäuer knarrt
Du meinethalben mein geharrt
Als niemand ging und als es schweigsam fror.
III
Welche beiden mitternächte!
Als der selber schmerzdurchbohrte
An der dulderin sich rächte
Dass dein blick sich weich umflorte
Dass dein wink ihr mildrung brächte!
Eines sah des andren wunden
Durch des dunkels dichte mähne
Zucken rieseln unverbunden · ·
Und nicht wort nicht thräne.
IV
Erwachen aus dem tiefsten traumesschoosse
Als ich von langer spiegelung betroffen
Mich neigte auf die lippen die erblichen
Ertragen sollet ihr nur mitleidgrosse!
Seid nur aus dank den euch geweihten offen:
Und die berührten dann in solchen gluten
4
Die antwort gaben wider höchstes hoffen
Dass dem noch zweifelnden die sinne wichen
O rinnen der glückseligen minuten!
V
Wenn solch ein sausen in den wipfeln wühlt
Ist es nicht mehr als dass ein sehnen drohe
Als blaue blicke blumen blonde frohe?
Wenn solch ein branden um die festen spült
Dass du verlassen irrend an dem strand
Die rettung suchst in leerer himmel brand?
Dass ich wie nie dich blass und bebend finde
Kaum mehr noch als am wegesrand die blinde
Die unbeachtet ruft im lauten winde.
VERSTATTET DIES SPIEL: EURE FLÜCHTIG
GESCHNITTENEN SCHATTEN ZUM SCHMUCK
FÜR MEINER ANGEDENKEN SAAL
Soll nun der mund der von des eises bruch
Zum neuen reife längst erstarkt im wehe
Sich klagend öffnen und nach welchem spruch
Dem kinde? unterbrich mich nicht — ich flehe.
Du stehst am strand · die segel blähn im porte
Es geht in tollen winden auf ein riff —
Bedenke dich und sage sanfte worte
Zum fremdling den dein weiter blick begriff.
Die du ein glück vermehrst auch nicht es teilend
Für schmerzen balsam bist auch kaum sie fassend
Und gar aus schlimmen zeichen schönes rätst
Erfinderisch und gross im reich der güte
Du darfst dich rühmen: manchen geist am strand
Der nach dem schiffbruch hingeschleudert wurde
Den götter und genossen liegen liessen
Ich jenes mädchen hab ihn aufgerichtet.
Angenehm flossen bei dir unsre nächtlichen stunden
Dass wir der ampel vergassen doch dir zum gewinn nicht ·
Trieb dich verblendung mit misslicher wende zu reden
Was mir zu hören nicht noch zu erwidern vergönnt ist?
Kannst du bedächtige sprache nicht weiter erfinden
Meide mich! so nicht mein schmerzlich erstaunen dich zwinge
Lenke die eigne verachtung ob müssigen werbens
Und die gelächter von deiner zerknitterten seele.
W. L.
Der seltnen Einer die das loos erschüttert
Verbannter herscher ihr erhabnes trauern
Und unbemerkter tod · schon weil du bist
Sei dir in dank genaht · durch deine hoheit
Bestätigst du uns unser recht auf hoheit
Verwirfst und nimmst mit königlichem wink
Du richte unsrer manchmal schwanken tritte
Und leitstern über jeder edlen fahrt.
P. G.
Im offnen leben wo ihr all euch gleichet
Wo ihr fast niemals wie ihr fühlet saget
War manches kommen doch von starkem zittern
War manche trennung voll zerdrückter thränen
Es waren tage gross wo ihr euch gabet
Wo ihr die schleier eurer klugheit risset
Und abende wo nichts geschah doch töne
Und blicke fielen ewgen angedenkens.
M. L.
Wie unsre glorreichen himmel bruder im stolz
So breitet dein glänzendes gelb und wie reifender lohn
Es zittern in deinem lila und wehen grün
Gestaltlose stunden mit ihrem mühsamen rinnen
Und lange seufzer aus kerkern ohne erhebung
Dein strahlendes blau umkleidet die wunschlosen götter
In deinem veilchendunkel voll purpurner scheine
Ist unser tötliches sehnen bruder im leid.
H. H.
Erfinder rollenden gesangs und sprühend
Gewandter zwiegespräche: frist und trennung
Erlaubt dass ich auf meine dächtnisstafel
Den frühern gegner grabe — thu desgleichen
Denn auf des rausches und der regung leiter
Sind beide wir im sinken · nie mehr werden
Der knaben preis und jubel so mir schmeicheln
Nie wieder strofen so im ohr dir donnern.
K. W.
Wir seligen! die gottentsandten sprecher
Nur wagen diesen laut · auf deinen fähren
Erklang er täglich aus umkränztem becher
Und dennoch fühl ich reue in mir gähren
Dein leben ehrend muss ich es vermeiden
Dein lächeln und das glück (für dich das wahre)
Ich muss zurück auf meere dumpfer leiden
In meine wunderbaren wehmutjahre.
E. R.
Oft scheint es so als ob wir unsre besten
Erhebungen mit ihren süssen reizen
Aus früher frühe holen und mit resten
Die öde ganzer lebensräume heizen
Bald so dass höchster schatz den wir besessen
Nur noch in seltner nacht uns mag bekümmern
Und wir auf eines schönen alters trümmern
Hin schreiten kühl mit grausamem vergessen.
A. H.
Du sanfter seher der du hilflos starrest
In trauer über ewig welke träume
Gieb deine hand wir zeigen dir gefilde
Um saaten der erlösung hinzustreuen
Wir wollen gerne sie — verborgne wunder —
Mit unsrem blut und unsren thränen pflegen
Und heiter lächelnd wirst du uns umarmen
Wenn sie vor den erstaunten blicken blühn.
A. V.
Ihr ahnt die linien unsrer hellen welten
Die bunten halden mit den rebenkronen
Den zefir der durch grade pappeln flüstert
Und Tiburs wasser weich wie liebesflöten?
Da hebt sich euer blondes haupt: kennt IHR
Der nebel tanz im moore grenzenlos
Im dünenried der stürme orgelton
Und das geräusch der ungeheuren see?
R. P.
Was frommt die weisheit dem bezirk des wahnes nahe
Die uns mit grellem blenden schreckt und überwältigt
Des einen unkund wo sie bürde wird und frevel?
Wie friedenlos du allerbleichster unsrer brüder
Durchirrst du deine traurigen und weiten lande!
Wann wirst du müde neue felder zu erobern
Und lernest einmal pflanzen pflegen und dich freuen
An dem was blüht und grünt und reift in dreien gärten?
C. S.
Du teuer uns doch rätsel das uns martert
Dein lächeln spielt: die klüfte zwischen uns
Erkennt wie ich als unergründbar an
Und haltet ihr geheimnis hoch — ja jubelt
Es nie zu fassen · und wir suchen schmerzlich
Mit unsrer liebe sie zu überbrücken
Und folgen deinem wandel ohne furcht
Aus deinem antlitz dringt der blick der sieger.
L. K.
Doch unser aller heimat bleibt das licht
Zu dem wir kehren auf verschlungnen stegen ·
Magst du dich einig nennen mit den recken
Und trotzigen gewalten bracher ebnen —
Sagt nicht bei jedem treffen die umschlingung
Und dass ich oft dich suche wie du viel
In mir erregst und mir gehörst? verrät nicht
Dass du mich fliehst wie sehr ich in dir bin?