Erſter Auftritt.
Juſtine, hernach Piſtorius.
Juſtine (aus dem Kabinette kommend.) Da kommt
Piſtorius! Der ſoll ihn uns vollends zu Verſtande
bringen helfen. Zu ſolchen Liebesdienſten ſind die
Narren am beſten zu gebrauchen, weil ſie kein
Blatt vors Maul nehmen.
Piſtorius (durch die Mittelthür kommend.) Gu-
ten Morgen, guten Morgen, Jungfer Juſtinchen!
Juſtine. Ey, Herr Piſtorius, Herr Piſto-
rius! Ich habe auf Sie gewartet, wie die
Schwalben auf den Sommer.
Piſtorius. Excuſiren Sie! Der Herr Ge-
vatter iſt immer mein erſter Gang. Aber zu-
weilen bin ich, wie behext. Ich kann nicht vom
Flecke. Eine Abhaltung uͤber die andere!
Juſtine. Goldene Abhaltungen, Herr
Piſtorius! Durch ſolche Hexereyen werden Sie
ſteinreich.
E 3
Die Erbſchleicher.
Piſtorius (indem er Hut, Stock, und Degen und
Handſchuhe ablegt, das eine hier, das andere dorthin.)
Du liebe Zeit! Zum Schelme muͤßt’ ich werden,
wenn ich nicht nebenher die Poſt haͤtte! Kleiner
Ort! und erbaͤrmliche Polizey! In ſo einem
Neſte drey Apotheken! Ja, wie wir noch den
Hofſtaat hier hatten, da gings flott, da war noch
Nahrung unter den Leuten! Aber jetzt brauchen
ſie Jahr aus Jahr ein die Hungerkur.
Juſtine. Von der ſind Sie kein Patron.
Piſtorius (den Arzneyvorrath viſitirend.) Was
macht der Herr Gevatter? nimmt er brav ein?
— Hm! Die Pulver ſollten geſtern Abend alle
werden. An den Glaͤſern iſt auch nur genippt.
— Was heißt das? Da muß ich hinterdrein fe-
gen. Friß Vogel oder ſtirb! heißts in der Mede-
zin. Sonſt mag er ſeinen Pnevmatismus be-
halten.
(Zieht ein Arzneyglas aus der Taſche.) Hier
iſt die neue Mixtur! Etwas chymiſches!
(In eine
andere Taſche greifend.) Da ſind auch friſche Pul-
ver! — Und hier ein Sälbchen, um ſich die Sei-
te gelinde reiben zu laſſen. Ich wuͤßte wohl ein
Paar heilskraͤftige Paͤtſchchen dazu.
(Will ihr die
Hände ſtreicheln.)
Juſtine (ſchlägt ihn auf die Finger.) Neh-
men Sie den ganzen Kram nur wieder mit!
Die Erbſchleicher.
Piſtorius. Wie?
Juſtine. Wir koͤnnen keine Arzney mehr
riechen.
Piſtorius. Das haben Sie gewiß von Herrn
Sternberg gehoͤrt? Der iſt auch ſo ein neumodiſcher
Veraͤchter der Medezin. Alles was ich verordne, ta-
delt er. Aber er wird mir ſobald nicht wiederkom-
men. Ich hab’ ihn abgetrumpft. Herr Stern-
berg, ſagt’ ich vorgeſtern zu ihm, der Schuſter
muß bey ſeinem Leiſten bleiben, und der Advokat
beym corporis Iuris hahaha!
Juſtine. Im Ernſt, Herr Piſtorius. Wir
ſind ſo wohl auf, als Sie.
Piſtorius. Ha! Das Wohlſeyn kenn’ ich.
Heute roth, morgen todt! Was giebts Neues in
publecis?
Juſtine. Wenn Sie nichts haben!
Piſtorius. Dreyßig Febrezetanten hab ich.
Juſtine. Dreyßig Kandidaten des Kirchhofs!
Piſtorius. Ja, es iſt epitomia malina.
Die Menſchen fallen um, wie Fliegen. Zum
Gluͤck meiſtens gemeines Volk!
Juſtine. Zum Ungluͤck, wuͤrd’ ich ſa-
gen. Vornehme Tagediebe koͤnnen am erſten
abkommen.
E 4
Die Erbſchleicher.
Piſtorius. Endlich zeigen ſich doch auch wie-
der Blattern.
Juſtine. O, ſchweigen Sie von Ihren Fa-
talitaͤten!
Piſtorius. Wie ſo? Verwundungen, Quet-
ſchungen, Verrenkungen, Bruͤche, das ſind Fa-
talitaͤten. Aber Blattern ſind eine Krank-
heit. Krankheiten ſind nothwendige Uebel. Aber
die Inucolation hat ein Broddieb unſrer Kunſt
erfunden.
Juſtine. Ich weiß eine luſtigere Neuig-
keit.
Piſtorius. Exemplo gratias, eine Heirath?
Juſtine. Getroffen. Ein funkelnagelneuer
Braͤutigam!
Piſtorius. Kenn’ ich ihn?
(Faßt ſie wieder
bey der Hand.)
Juſtine (ſchlägt ihn wieder auf die Finger.) Spre-
chen Sie mit dem Maul. — Es iſt Ihr Her-
zensfreund.
Piſtorius (kurz.) Der Herr Gevatter Ger-
hard?
Juſtine (verwundert.) Sie errathen ihn aufs
erſtemal!
Piſtorius. Das iſt etwas altes. Er thut
nichts ohne mein Vorwiſſen.
Die Erbſchleicher.
Juſtine. Und Sie laſſen es geſchehen?
Piſtorius. Ich habs ihm verordnet.
Juſtine. Verordnet?
Piſtorius. Zu ſeiner Leibes- und Seelenru-
he. Wo ſoll denn das ſchoͤne Vermoͤgen bleiben?
Juſtine. O, das wird ſeinen Mann ſchon
finden.
Piſtorius. Freylich wohl. Es giebt Liebha-
ber genug, die gern bey ſeinem Leben zugriffen.
Bey den Haaren ſollte man ſie aufhaͤngen, wie
Koͤnig Abſalom, die Gaudiebe!
Juſtine. Sie tragen eine Peruͤcke, nicht
wahr?
Piſtorius. Wenn er heirathet, hat die Jagd
ein Ende; und der Mann koͤmmt in Ordnung,
Laͤnger taugt die wilde Wirthſchaft nicht.
Juſtine. Die wilde Wirthſchaft?
Piſtorius. Er muß eine Frau haben.
Juſtine. In ſeinen Jahren!
Piſtorius. Hab ich doch die zweyte genom-
men?
Juſtine. Sie, und Er!
Piſtorius. Er iſt Salve venia ein ſtarker
hypercondriacus. Die gewoͤhnliche Maledie al-
ter Junggeſellen. Als ich meine zweyte Frau
E 5
Die Erbſchleicher.
nahm, dachten meine Herren Collegen, ich wuͤr-
de kein Jahr mehr laufen. Aber bis dato hab
ich in ſechs Jahren ſiebenmal taufen laſſen, und
was abermals unterweges iſt —
(Schlägt ſich auf
den Mund) St! ich ſoll nicht aus der Kammer
plaudern.
Juſtine (ſchalkhaft.) Apropos! Was macht
denn Ihr ſchoͤner Proviſor?
Piſtorius (verdrüßlich.) Ach, der Haſenfuß!
Sie haben gewiß ſchon gehoͤrt, daß er ſich auf
Micheli ſetzen will?
Juſtine. Ey!
Piſtorius. Er handelt um eine Apotheke in
der Nachbarſchaft.
Juſtine. Da verlieren Sie eine große
Stuͤtze!
Piſtorius (treuherzig.) Ja, verlaſſen kann
ich mich auf ihn, das iſt wahr. Um alles be-
kuͤmmert er ſich; alles greift er mit an; er giebt
ſich ſogar mit den Kindern ab. Und was die
Apotheke betrift — da ſucht er ſeines Gleichen.
Die Arbeit geht ihm ſo fix von der Hand, daß
er immer fertig iſt. Und manches Receptchen,
das meinen Collegen zugedacht war, fliegt mir
zu, wenn die Jungfern das nette Kerlchen in der
Die Erbſchleicher.
Thuͤr ſtehen ſehen. — Was meynen Sie,
Juſtinchen? Soll ich einen Kuppelpelz ver-
dienen?
Juſtine (verdrüßlich.) Davon laͤßt ſich ſprechen.
Hier im Hauſe bleib’ ich keinen Tag laͤnger.
Piſtorius. Warum?
Juſtine. Man dient doch nicht gern zuruͤck.
Piſtorius (zuverſichtlich.) O, Sie ſollen in
Stand und Wuͤrden bleiben. Ich bin gut fuͤr
die junge Frau.
Juſtine (verwundert.) Sie?
Piſtorius. Wie man fuͤr euch gut ſeyn
kann. — Es iſt ein ſtilles, ſittſames, eingezoge-
nes Maͤdchen.
Juſtine. Von außen.
Piſtorius (mit Feuer.) Und von innen. Sie
hat ein Herz ſo weich, wie Roſenhonig. Aber
Mutterwitz, Mutterwitz dabey. Sie iſt fein,
wie Spiritus vinum. Und doch im Thun und
Weſen, wie ein Lamm! So eine Frau, das iſt
ein Julepp fuͤr einen Patienten, ein Laxetiv der
Schmerzen, ein Vometiv der Grillen, kurz, ein
wahres uneverſalumuniverſalum, wie die Goldtinktur.
Juſtine. Sie reden ja von ihr, wie ein
Verliebter!
Die Erbſchleicher.
Piſtorius. Der Meiſter ſoll zwar ſein Werk
nicht loben. Aber meine Fiecke - - -
Juſtine (mit Gelächter einfallend.) Ihre Fiecke?
Sie galloppiren mit den Gedanken, wie mit der
Zunge. Was wollen Sie mit Ihrer Fiecke?
Piſtorius. O thun Sie nur nicht ſo ſchlau!
— Sie haben den Braten laͤngſt gerochen —
(Sich
auf den Bauch klopfend.) Ich werde der Schwie-
gerpapa vom Herrn Gevatter.
Juſtine (ſpöttiſch.) Sie? — Will er vielleicht
das Verſaͤumte wieder einbringen?
Piſtorius. Was denn?
Juſtine. Will er zwey Weiber auf einmal
nehmen?
Piſtorius. Zwey Weiber?
Juſtine. Ihre Fiecke und Mamſell Anker?
Piſtorius (betäubt und ſtotternd.) Mamſell A-
A-Ank-kanker?
(Vor ſich.) Da bin ich ſchoͤn ge-
prellt!
Juſtine (vor ſich.) Da hat auch einer die Rech-
nung ohne den Wirth gemacht.
Piſtorius (ſich erholend und in Hitze übergehend.)
Mamſell Anker! Die Tochter der großthueriſchen
Frau Lieutenantinn - - -?
Juſtine (ſchnell einfallend.) Richtig!
Die Erbſchleicher.
Piſtorius. Deren Mann in Amerika —
Juſtine. Richtig!
Piſtorius. Deren Bruder weiland Hofme-
dicus - - -
Juſtine. Richtig!
Piſtorius. Titular! Titular! Fuͤr die Hof—
hunde.
Juſtine. Eine beißige Kundſchaft!
Piſtorius. Der Neidhard hat mich ſein gan-
zes Leben gedruͤckt und gezwickt und gehudelt.
Juſtine. Jetzt ruht er; ruhn Sie auch!
Piſtorius (mit neuer Hitze.) Ja, wenn der ruht,
hat Beelzebub den Commandoſtab niedergelegt.
Juſtine. Aber wir heirathen ja nicht den
todten Onkel.
Piſtorius. Der ganze Anhang iſt verdaͤchtig.
Die Mutter war ehmals die Standarte aller ga-
lanten Stadtmamſellen —
Juſtine. Und iſt jetzt die Krone - - -
Piſtorius (einfallend.) Aller alten Betſchwe-
ſtern. Der Apfel faͤllt nicht weit vom Stam-
me. Und das Maͤdchen will der Herr Ge-
vatter - - -
(Sich ſelbſt mit Lebhaftigkeit unterbre-
chend.) Ah! nun faͤllt mirs ein! — Es iſt ein
Mißverſtaͤndniß. Man hat den alten Vetter mit
Die Erbſchleicher.
dem Jungen verwechſelt. Herr Sternberg ſchleppt
ſich ja ſchon Jahr und Tag mit ihr.
Juſtine. Und Herr Gerhard hat ſich vor ei-
ner Stunde mit ihr verlobt.
Piſtorius. Der Mann iſt toll.
Juſtine. Ach Herr Piſtorius, kuriren Sie
ihn doch!
Piſtorius. Laſſen Sie mich nur machen!
Juſtine. Aber fein glimpflich und bedaͤcht-
lich!
Piſtorius. Das verſteht ſich pro ſe.
(Eilig.)
Wo iſt er?
Juſtine. Er ruht ein wenig.
Piſtorius. Ich muß ihn wecken.
(Will ab.)
Juſtine (ihn haltend.) Er hats ausdruͤcklich
verboten.
Piſtorius (ſchreyend.) Sein Haus brennt!
ſein Haus brennt! und er kann ſchlafen?
(Reißt
ſich lös, läuft nach der Thür, und rennt Gerharden an,
der eben eintritt.)Zweiter Auftritt.
Gerhard. Vorige.
Gerhard (indem er angeſtoßen wird.) Auweh!
auweh!
Piſtorius (ihn haltend.) Excuſiren Sie! um
Ein Haar waͤren Sie gefallen.
Gerhard (athemlos.) Ey, Herr Gevatter,
Sie haben mir das Bruſtbein - - -
Piſtorius. Ich richt’ es wieder ein.
Gerhard. Und erſt wecken Sie mich durch
Ihr Geſchrey aus - - -
Piſtorius (einfallend.) Haben Sie mich ge-
hoͤrt? — Nu, ſo ſind Sie nicht taub. Aber
Sie phantaſiren? nicht wahr?
Gerhard. Wie?
Piſtorius. Ihre Hand!
(indem er ihm den
Puls befühlt.) Sie wollen heirathen?
Gerhard. Zu dienen, Herr Gevatter.
Piſtorius. Die Mamſell Anker?
Gerhard. Zu dienen, Herr Gevatter.
Piſtorius (läßt die Hand fahren.) Sie ſind in-
kurabel.
Die Erbſchleicher.
Gerhard.
Juſtine. Herr Gevatter!
Herr Piſtorius!
Gerhard. Sie haben mir ja eine Frau an-
gerathen —
Juſtine. Verordnet ſogar.
Piſtorius (ſprudelnd.) Den Teufel auch! Eine
Krankenwaͤrterinn braucht er. Und dabey
iſt meine Fiecke hergekommen. So ein Maͤd-
chen finden Sie weder in Europa, noch in
Deutſchland. Ich kann ſie brauchen, wie einen
gelernten Proviſor. Keinem Hofrath gaͤb’ ich
ſie. Aber Ihnen haͤtt’ ich ſie wohl gegoͤnnt.
Gerhard (betreten.) Herr Gevatter — Da-
von hoͤr’ ich das erſte Wort.
Piſtorius. Legen Sie ſich nur aufs Laͤugnen!
Immer ſchoͤner! — Hab ich mich nicht zu Ihrem
Freyersmann angeboten, he?
Gerhard. Ja, aber —
Piſtorius. Und geſagt, daß ich Ihnen ſchon
Ihr Theil ausgeſucht haͤtte, he?
Gerhard. Ja, aber —
Piſtorius. Und daß mir das Maͤdchen ſo
lieb waͤre, als meine leibliche Tochter?
Gerhard. Ja, aber —
Piſtorius. Und haben Sie nicht eingeſchla-
gen?
Gerhard.
Die Erbſchleicher.
Gerhard. Ein unverfaͤnglicher Scherz unter
vier Augen!
Piſtorius. Mit Heirathsſachen ſcherz’ ich
nicht.
Gerhard. Sie haͤtten ſich deutlicher erklaͤren
ſollen.
Piſtorius (höhniſch.) Ihnen meine Fieke auf
dem Kredenzteller praͤſentiren?
Gerhard. Ich habe ja nicht einmal die Eh-
re, ſie zu kennen.
Juſtine (ſpöttiſch.) Ich habe das Gluͤck.
Piſtorius. Sie geht doch alle Tage hier
vorbey.
Gerhard. Ich ſchiele nicht mehr nach den
huͤbſchen Maͤdchen.
Piſtorius. Es iſt freylich kein Laͤrvchen, das
in die Augen faͤllt.
Juſtine. Mir iſt ſie erſtaunend aufge-
fallen.
Piſtorius. Aber honnett iſt ſie. Die Kin-
derſchuhe hat ſie auch ausgezogen.
Juſtine. Sie ſcheint ſehr geſetzt.
Piſtorius. Vor jungen Leckern waͤren Sie
bey ihr ſicher.
Juſtine. Ja, darauf wollt’ ich ſchwoͤren.
F
Die Erbſchleicher.
Schade, daß ihr die Zunge nicht ſo geloͤſt iſt, als
ihrem Herrn Papa!
Piſtorius. Sie ſtoͤßt ein wenig an. Um ſo
weniger plaudert ſie.
Juſtine. Wie gehts denn jetzt mit ihrem
Gehoͤre?
Piſtorius. Alle Tage beſſer. Sie verſteht
mich ſchon auf drey Schritte.
Juſtine. Und Sie ſprechen ſo leiſe!
Gerhard. Ja, es thut mir leid, Herr Ge-
vatter, daß —
Piſtorius. Mir iſts recht lieb, daß ich ſie
behalte.
Gerhard. Wir haben einander nicht ver-
ſtanden.
Piſtorius. An meinem Verſtande liegt
die Schuld nicht.
Gerhard. Ich will ſehen, wie ich meinen
Fehler wieder gut mache.
Piſtorius (mit ſteigender Hitze.) Geben Sie ſich
keine Muͤhe! Es iſt nicht das erſtemal, daß ich
anlaufe. Undank iſt der Welt Lohn. Ich habe
mehr Schuhe um Ihrentwillen zerrißen, als ich
Kreutzer von Ihnen profetirt habe. Fuͤrs halbe
Geld hab’ ich Ihnen die Medezin gelaſſen, und
Die Erbſchleicher.
keine Null pro Studeo et laborem angeſetzt.
Seit Jahr und Tag haben Sie nicht einmal ein
Lausdeum geſehen.
Gerhard. Ich habe Sie oft genug erin-
nert.
Piſtorius (bitter lachend.) Ha! Der alte Nart
dacht’ immer: „Willſts ſtehen laſſen! Es bleibt
beyſammen. Deine Fieke kriegts doch einmal!“
und druͤckte ſich, und machte Complimente.
Juſtine. Ein andermal ſeyn Sie nicht ſo
hoͤflich!
Piſtorius. O, ſchenken will ichs ihm auch
nicht. Noch heute ſollen Sie den Extrakt haben.
Gerhard.
Juſtine. Sehr wohl, Herr Gevatter.
Wir bezahlen immer baar.
Piſtorius. Und damit ſind wir geſchiedene
Leute.
Gerhard.
Juſtine. Wie?
Ey!
Piſtorius. Von mir bekommen Sie keine
Drachme mehr.
Gerhard.
Juſtine. Herr Gevatter!
Herr Piſtorius!
Piſtorius. Ihre Schwelle betret’ ich nicht
wieder.
F 2
Die Erbſchleicher.
Juſtine.
Gerhard. Herr Piſtorius!
Herr Gevatter!
Piſtorius. Keine Feder ſetz’ ich mehr fuͤr
Sie an.
Gerhard. Das koͤnnten Sie an mir thun?
Piſtorius. Wie man gegen mich iſt, bin ich
wieder.
Gerhard. Alte Freunde!
Piſtorius. Sie werden neue genug be-
kommen.
Gerhard. Gevatterleute!
Piſtorius. Und wenn wir reciprocis waͤren!
Juſtine. Ihr beſter Kunde!
Piſtorius. Meine Offizin wird ohne ihn
beſtehn.
Gerhard. Ein Patient, der ſein Heil und
Troſt auf Sie ſetzt!
Piſtorius. Und wenn ich Sie aus dem
Sarge holen koͤnnte!
Gerhard (wirft ſich ärgerlich in den Seſſel.)
Juſtine. Wo bleibt die Menſchenliebe?
Piſtorius. Gewißen geht vor. Ich will
nicht meine Schande an ihm dokteriren. Ich
habe weder bey Hippokratus noch bey Hallern
Collegiis gehoͤrt, aber auch als ein purus, bru-
Die Erbſchleicher.
tus, praxicus bin ich im Stande, ihm die Na-
tivetaͤt zu ſtellen.
Juſtine (thut erſchrocken.) Herr Piſtorius!
Piſtorius (indem er ſeine Sachen zuſammen ſucht.)
Vor Liebe bekoͤmmt er die Schwindſucht —
Juſtine. Herr Piſtorius!
Piſtorius. Vor Unmaͤßigkeit die Waſſer-
ſucht —
Juſtine. Herr Piſtorius!
Piſtorius. Vor Schalleſie die ſchwarze Gelb-
ſucht —
Juſtine. Herr Piſtorius!
Piſtorius. Vor Reu’ und Leid den Eras-
mus. In vier Wochen iſt er weg. Amen.
(Schnell ab.)
Juſtine (ihm nachrufend.) Herr Piſtorius!
Dritter Auftritt.
Gerhard. Juſtine.
Gerhard (im Seſſel, kläglich.) Juſtine! meine
Alterationstropfen! Ich habe mich geaͤrgert.
Juſtine (giebt ihm Arzney ein.) Armer Herr
Gerhard! — Verwuͤnſchter Herr Piſtorius!
F 3
Die Erbſchleicher.
Gerhard (nimmt ein.) Es iſt ein grober Pa-
tron, der Herr Gevatter. — Zu trinken!
Juſtine (reicht ihm einen ſilbernen Becher.) So
grob, als er breit iſt.
(Rückt ihm den kleinen Tiſch
näher.)
Gerhard (nachdem er getrunken.) Aber bey dem
allen bin ich uͤbel daran.
Juſtine. Sie ſind vielmehr ein großes Uebel
los.
Gerhard. Ich muß mit dem Bader Ve-
kanntſchaft machen, der zwey Stunden von hier
wohnt.
Juſtine. Sie werden doch unſre Doktorzunft
nicht ſo beſchimpfen.
Gerhard. Der Mann ſoll erſtaunende Ku-
ren thun.
Juſtine (ſpöttiſch) Ja, er raͤuchert mit Kraͤu-
tern, die in der Walpurgisnacht geſammelt ſind,
beſpricht das Fieber, und vergraͤbt die Gicht.
Gerhard. O, die Sympathie hat ihr Gu-
tes. Aber heute zu Tage ſterben die Leute lieber
methodiſch.
Juſtine. Fort muͤſſen wir doch. — Und ich
denke in meiner Einfalt, wer einmal weg iſt,
ſehnt ſich nicht wieder zuruͤck.
Die Erbſchleicher.
Gerhard. Wir wollen von etwas andern
reden.
Juſtine (ſetzt ſich an einen andern Tiſch, ſtrickt
und lieſt zugleich.)
Gerhard. Mein Kapitalienbuch!
Juſtine (indem ſie ſucht, vor ſich.) Das iſt im-
mer ſein Troͤſter bey Todesgedanken!
(findet und
bringts ihm.)
Gerhard (indem er die Brille aufſetzt.) Den
wie vielſten haben wir?
Juſtine. Den zwanzigſten.
(Setzt ſich wieder,
wie vorhin.)
Gerhard (blättert darin, und lieſt und ſpricht vor
ſich.) „Fuͤnftauſend Reichsthaler in Louisd’ors
beym Herrn Hofgerichtsrath Wieſer“ — Ein
ganzer Mann! grundgelehrt! leutſelig! und
religioͤs! auf den Tag traͤgt er die Intereſſen ab!
— „Zehntauſend dito beym Herrn Rittmeiſter
von Spacheim“ — Du wirſt auch bald ausgebeutelt
haben. Meinethalben! Ich bin gedeckt. — „Zwoͤlf-
hundert in Laubthalern beym Kaufmann —“
Der Mann iſt gut; aber die Frau — die Frau!
— „Fuͤnftauſend dito bey Sr. Excellenz, dem
Herrn Reichsgrafen —“ Daß’s Gott erbarm! —
Schaffen Sie Geld Ihr’ Excellenz! — Acht Gro-
F 4
Die Erbſchleicher.
ſchen will ich aus Armuth ſchenken, wenn ich hier
ohne Prozeß wegkomme. — „Fuͤnſhundert“ —
(Zu Juſtinen.) Aha! Ihr Klient! Vergeſſe Sie
mir nicht an ihn zu ſchreiben!
Juſtine (im Leſen.) An wen?
Gerhard. An den Pfarrer in — Dings —
in Raſtdorf. In vierzehn Tagen iſt ſeine Ver-
ſchreibung faͤllig; und wenn man die Zehendmaͤn-
ner nicht bey Zeiten mahnt, ſo machen ſie Quere-
len.
Juſtine. Verlaſſen Sie ſich auf ſein ehrli-
ches Geſicht!
Gerhard (das Buch weglegend.) Auf Ihre
Vorbitte hab ichs ihm geliehen. Wenn er
nicht Wort haͤlt, weiſ’ ich ihr die boͤſe Schuld an
Legats Statt an.
Juſtine. Die Anweiſung waͤre mir das ſi-
cherſte Legat.
(Lieſt fort.)
Gerhard (gähnend.) Das ewige Geleſe! Kann
Sie mir nicht etwas erzaͤhlen?
Juſtine. Neuigkeiten weiß ich nicht. Und
zu Mährchen bin ich noch nicht alt genug. Ich
will Ihnen vorleſen.
Gerhard. Wenn nur die Buͤcher nicht den
Kopf angriffen! Und vollends Euer kauderwel-
Die Erbſchleicher.
ſches neues Deutſch! Sie lieſt ſich oft heiſer, eh
ich weiß, ob es meine Mutterſprache iſt. Der
Vetter wird Ihr noch mit dem Zeug den Kopf
verruͤcken.
Juſtine. Ach, Herr Sternberg thut mit ſei-
nen Buͤchern gar rar. Wenn Benedikt nicht
waͤre - - -
Gerhard (eifrig einfallend.) Benedikt? Laͤßt
ſich der Hanns Lips auch einfallen zu leſen? Hat
er nichts zu thun? Giebts kein Holz zu ſpalten?
Iſt der Garten umgegraben?
Fuͤnfter Auftritt.
Gerhard. Juſtine.
Gerhard. Was hat ſie denn fuͤr eine Skar-
teke?
Juſtine (als ob ſie vor ſich läſe.) Warte! ich
will dir einen Text aus dem Kopfe leſen.
Gerhard. Hoͤrt Sie nicht?
Juſtine. Was beliebt?
Gerhard. Ich frage nach Ihrem Buche.
Die Erbſchleicher.
Juſtine. Eine Kronik.
Gerhard. Kroniken mag ich leiden. Sie
kann laut leſen.
Juſtine. Vom Anfang?
Gerhard. Lieber gegen das Ende, daß wir
bald durchkommen.
Juſtine (thut, als ob ſie läſe.) „Den 16ten
wurde in der St. Juͤrgen Kirche ein ſeltſames
Brautpaar kopulirt. Der Braͤutigam war acht-
zehn Jahr alt, und ſeine ſchoͤne Braut — acht-
zig.“
Gerhard. Der Narr! ſo ein altes Muͤtter-
chen!
Juſtine. „Den 24ſten trug ſich in einer be-
nachbarten großen Stadt folgende tragiſche Ge-
ſchichte zu - - -“
Gerhard. Nun?
(Nimmt den Becher und will
trinken, ſetzt aber vor ſteigender Aufmerkſamkeit jedes-
mal wieder ab.)
Juſtine. „Eine junge Frau, deren Ehgemahl
vierzig Jahr aͤlter war, als ſie, hatte einen Lieb-
haber, und weil ihnen der eiferſuͤchtige alte Mann
die Zeit zu lang machte, ſo verabredeten ſie ſich,
denſelben aus dem Wege zu raͤumen. Nachdem
ſie ihm nun einigemal Gift beygebracht hatten,
Die Erbſchleicher.
das aber nicht bey ihm geblieben war, ſo faßten ſie
endlich den ſchrecklichen Anſchlag, ihm des Nachts,
als er im tiefſten Schlafe lag, mit einer Holzaxt - - -
Gerhard (läßt vor Schrecken den Becher fal-
len.)
Juſtine (wirft das Buch auf die Erde und thut
über Gerharden erſchrocken.) Herr Gerhard! was
machen Sie?
Gerhard (ſchwach.) Mein fataler Schwin-
del! — Salz!
Juſtine (hält ihm ein Riechgläschen unter die Naſe.)
Ich will Ihnen auch gewiß nicht wieder vorleſen.
Immer werden Sie unpaß oder — ſchlaͤfrig.
Gerhard. Sie muß Geduld mit mir haben.
Es kann nicht ewig waͤhren.
Juſtine. Pfuy! Wenn Ihre Braut ſolche
Reden hoͤrte — was wuͤrde ſie denken?
Gerhard. Was ich von den ihrigen ge-
dacht habe.
Sechster Auftritt.
Sternberg. Vorige.
Sternberg. Ihr Diener, Herr Vetter!
Die Erbſchleicher.
Gerhard. Endlich! Ich dachte, er bliebe
gar aus.
Sternberg. Verzeihen Sie! Ich kenne Ih-
re Ordnungsliebe, und habe nur auf die Rech-
nungen gewartet, um meinen Bericht damit be-
legen zu koͤnnen.
Gerhard. Was fuͤr Rechnungen?
Sternberg. Von den Brautgeſchenken.
Gerhard. Wie?
Sternberg (zieht Papiere aus der Taſche.) No.
1. vom Kaufmann, betraͤgt 246 Rthlr. 16 Gr.
No. 2. vom Juwelier, 197 Rthlr. No. 3. von
der Modehaͤndlerinn 182 Rthlr. 7 Gr. 3 Pf. Be-
lieben Sie!
(Reicht ihm die Papiere hin.)
Gerhard (ihn ſtarr anſehend.) Was ſoll ich
damit?
Juſtine. Den Beutel ziehen.
Gerhard. Ich habe nichts ausgenommen.
Juſtine. Ihre Braut hat Ihnen die Muͤhe
erſpart.
Gerhard. Sie gebe ſich auch die Muͤhe zu
zahlen.
Sternberg. Das Spaͤßchen machen Sie mit
ihr ſelbſt aus! — Hier liegen die Contos.
(Legt
ſie auf den Tiſch.) Ich ernpfehle mich.
(Will ab.)
Die Erbſchleicher.
Gerhard. Schon wieder fort?
Sternberg. Es wartet ein Klient auf mich.
Gerhard (empfindlich.) Leerer Vorwand! Im-
mer muß ich nachſtehen.
Sternberg. Wir haben einen Termin ab-
zuwarten.
Gerhard. Ich will Ihm die Koſten ver-
guͤten.
Sternberg (ceremoniös.) O, ſobald der Herr
Vetter etwas zu befehlen haben —
Gerhard. Gehorſamer Diener! Nur zu
bitten. — Trag Er die ſchoͤnen Nechnungen
ſtehendes Fußes wieder, wohin ſie gehoͤren, und
ſag’ Er, ich ließe mich bedanken - - -
Sternberg. Bedanken? Bey wem? wo-
fuͤr?
Gerhard. Fuͤr die Ehre — das Gluͤck —
das gute Zutrauen — Mit Einem Worte, kleid
Ers ſo weitſchweifig und zierlich und verbluͤmt
ein, als eine Supplik!
Sternberg. Ich verſtehe keine Sylbe, Herr
Vetter.
Gerhard (aufſtehend, hitzig.) Verſteht Er kein
Deutſch? Er ſoll mir von dem Maͤdchen helfen.
Sternberg. Von Ihrer Braut?
Die Erbſchleicher.
Gerhard. Ja! hat Er ein Brett vor der
Stirne?
Sternberg (die Achſeln zuckend.) Herr Vetter
— ich bin Ihr bereitwilligſter Diener. Aber
mit ſo kitzlichen Auftraͤgen verſchonen Sie mich!
Gerhard (ärgerlich.) Das ſah ich vorher.
Wenn man Euch Advokaten nicht die Hand ver-
ſilbert, ſo - - -
(Greift in die Taſche.) Wie viel
verlangt Er fuͤr ſeine Muͤhe? praenumerando,
wenns nicht anders iſt.
Sternberg Meine Muͤhe koͤmmt nicht in
Anſchlag. Aber meine Augen ſind mir un-
ſchaͤzbar. Und ob ich ſie behielte, wenn Mam-
ſell Anker - - -
Gerhard. Ach, die laͤßt ſie ihm. Sie iſt
froh von einem alten Kerl loszukommen.
Juſtine. Aber die Herrlichkeiten alle wieder
herauszugeben!
Sternberg. Juſtine trift das Fleckchen.
Gerhard. Wie viel betraͤgt das Ganze?
Sternberg. Summa Summarum etwann
625 Thaler und etliche Groſchen.
Gerhard. Unerhoͤrt!
(Nach einer Pauſe.) Was
iſt zu thun? — Und ſollt’ ichs vom Juden bor-
gen! Sie mag den Plunder behalten.
Die Erbſchleicher.
Sternberg (der indeſſen mit Juſtinen heimlich ge-
ſprochen hat.) Das geht nicht.
Gerhard (mit Verwunderung.) Geht nicht?
Sternberg. Die Geſchenke fallen dem Ehe-
gerichte heim.
Gerhard (ungeduldig.) Wie koͤmmt denn das
Ehegericht mit ins Spiel?
Sternberg. Wird die Schwiegermutter die
Aufſagung des Handels ſo gelaſſen hinnehmen?
Eine Prozeßkraͤmerinn, wie Madam Anker! Ich
daͤchte, Sie haͤtten es erfahren, Herr Vetter.
Gerhard (verdrüßlich.) Ach, die alte vergeſſe-
ne Geſchichte!
Sternberg. Das Gedaͤchtniß der Weiber iſt
eiſern, wenn ſich Gelegenheit zur Rache zeigt.
Gerhard (hitzig.) Auch gut! Ich ſetze Haus
und Hof daran. —
Juſtine (zieht Gerharden bey Seite, halblaut.)
Aber, Herr Gerhard — iſt denn kein Mittel
zur Guͤte?
Gerhard (ſpöttiſch.) Weiß Sie eines?
Juſtine. Wenn Herr Sternberg in Ihre
Verbindlichkeiten traͤte?
Gerhard (ſie mit den Augen meſſend.) Legt Sie
mir da einen Fallſtrick?
Juſtine.
Die Erbſchleicher.
Juſtine. Was denken Sie?
Gerhard. Ich denke, daß Sie ſelbſt ein Au-
ge auf ihn hat.
Juſtine. Ich? nein, ſo hoch trag’ ich die
Naſe nicht.
Gerhard. Es wird ſich zeigen.
(Sich ſchnell
zu Sternbergen wendend.) Vetter, will Er mir ei-
nen rechten Freundſchaftsdienſt leiſten?
Sternberg (lebhaft.) Wenn ich kann!
Gerhard (ihm vertraulich auf die Schulter klopfend.)
Nehm Er das Maͤdchen ſelbſt!
Sternberg. Der Antrag iſt ſehr reizend. —
Aber wie oft hab’ ich nicht von Ihnen ſelbſt ge-
hoͤrt, daß man bey dem heutigen Luxus die Thorheit
zu heirathen nie zu ſpaͤt begehen kann!
Gerhard. Nein, nein! Wer jung freyt, zieht
ſeine Kinder groß.
Sternberg. Sie wiſſen nicht, was Kinder
koſten! Und Mamſell Anker und ich befinden uns
leider in gleichem Falle. Null zu Null bleibt
Null.
Gerhard (ungeduldig.) Will denn jetzt Alles
nur nach Geld heirathen? — Eine fette Praxis
iſt die beſte Goldgrube. Er hat Brod genug fuͤr
eine Frau.
G
Die Erbſchleicher.
Sternberg. Brod allenfalls. Aber um
ihr Flor und Band zu ſchaffen, koͤnnt’ ich mich zu
Tode praktiziren.
Gerhard. Er muß ihr den Hoffarthsteufel
austreiben. Aber geſetzt auch, daß Er ja Zuſchuß
braucht — wofuͤr bin ich denn in der Welt,
he?
Sternberg (mit angenommenen Stolz.) Herr
Vetter — ich bin ein naͤrriſcher Kautz — ich
kann unmoͤglich von fremder Gnade leben.
Gerhard (aufgebracht.) Bin ich Ihm
fremd, he?
Sternberg. Und wenn ich das Ungluͤck haͤt-
te, Sie zu uͤberleben, waͤr’ ich nicht ſchlim-
mer daran, als zuvor?
Gerhard (haſtig.) Wenn ich Ihn zum Er-
ben einſetze?
Sternberg (mit kurzer Verbeugung, kalt.) Das
muß ich depreziren.
Gerhard. Depreziren? Das klingt poſſier-
lich.
Sternberg (mit verſtelltem Eifer.) Ich bin Ih-
nen keinen Grad naͤher, als viele Andere. Ei-
nem Advokaten liegt Alles an einem unbeſcholte-
nen Namen. Ich mag fuͤr keinen Erbſchleicher
paſſiren.
Die Erbſchleicher
Gerhard (immer hitziger.) Und ich will mir
nichts vorſchreiben laſſen. Mein Vermoͤgen iſt
mein — und Er ſolls haben!
Sternberg (die Achſeln zuckend.) Lieber Herr
Vetter - - -
Gerhard (einfallend.) Kein Wort mehr! oder
ich vermachs der Kirche.
Juſtine (ſpöttiſch.) O, ſchoͤn! Um ſich nach-
ſagen zu laſſen, Sie haͤtten alte Suͤnden ab-
zubuͤßen?
Sternberg (ernſthaft.) Nein, lieber zum Be-
ſten des Publikums, als in die todte Hand. —
Wir haben noch Mangel an gemeinnuͤtzigen An-
ſtalten. Stiften Sie ein Findelhaus!
Gerhard (heſtig.) Ich, den Ausſchweifun-
gen Thuͤr und Angel oͤffnen? Ich, fremder Leute
Baſterte ernaͤhren? Nein, ich habe mir nichts
vorzuwerſenvorzuwerfen. Ich habe in meiner Jugend nicht
gefreybeutet und gehauſt und geſauſt, wie Andere.
Juſtine (indem ſie ſich an ihn ſchmiegt.) Oder
— um das beſte aller guten Werke zu thun —
ſtatten Sie arme Maͤdchen aus!
Gerhard (ſchnell.) Die moͤgen ſich das
Freyen vergehen laſſen! — Haͤtten meine
ſieben Schweſtern die Kautel befolgt, ſo
G 2
Die Erbſchleicher.
wuͤrd’ ich jetzt nicht von Hungerleidern uͤber-
laufen.
Sternberg (mit edler Hitze.) Herr Vetter, hal-
ten Sie mich auf, um Beleidigungen zu hoͤren?
Gerhard. Er iſt auch verdammt empfind-
lich. Das unſchuldigſte Wort zieht Er gleich auf
ſich! — Nein, das Zeugniß muß ich Ihm und
ſeiner Mutter Felicitas geben: Ihr ſeyd nie dar-
auf ausgegangen, mich zu nutzen. Sie war
uͤberhaupt von ihren Schweſtern verſchieden, wie
Tag und Nacht.
(Sich nach und nach ereifernd.)
— Aber daß ſie mich erſt ihren Eheprozeß mit
ſchweren Koſten bis zur Scheidung bringen ließ,
und dann doch wieder dem Schuft vom Manne
nachlief, der’s ihr endlich - - -
Sternberg (bittend.) Herr Vetter —
(Drückt
Juſtinen verſtohlen die Hand; ſie trocknet ſich die Augen.)
Gerhard (fortfahrend.) Endlich noch mit
Noth und Spott gelohnt hat — nein, das kann
ich ihr auch unter der Erde nicht vergeben.
Sternberg. Sie haben mir ſo oft verſpro-
chen, dieſe Saite nicht mehr zu beruͤhren.
Gerhard (gutmüthig.) Ja doch, ja. — Warum
muß man Ihm aber auch ſein Gluͤck aufnoͤthigen?
Sternberg. Wohlan, Ihr Wille iſt der
Die Erbſchleicher.
meinige. Aber wird mir Madam Anker
glauben?
Gerhard. Ich wills Ihm ſchriftlich geben.
Komm Er mit auf meine Schreibſtube!
(Will ab.)
Sternberg (zurückweichend.) Ach, Herr Vet-
ter —
Gerhard. Was giebts noch?
Sternberg. Es koͤmmt mir ſo ſauer an —
als ob ich in die Bataille gehen ſollte.
Gerhard (im Gehen.) Bah! nur ein kleiner
Scharmuͤtzel mit der Frau Mama. Und ein gu-
ter Advokat — fuͤr den will Er doch paſſiren?
der muß Amts halber ein Maul am Kopfe ha-
ben — wie eine Batterie.
(Beyde ab.)