Die mit der heutigen
Franzoͤſiſchen Poſt angekomme-
nen Briefe
aus Paris bringen die Nachricht mit,
daß daſelbſt große
Bewegungen Statt gehabt haben,
nach welchen Herr Necker
zuruͤckberufen, und die neu
ernannten Miniſter ihrer
Stellen wieder entlaſſen wor-
den, wie aus dem folgenden
Schreiben mit mehrern
erhellen wird:
Schreiben aus Paris, vom 17 Julii.
Jch hoffe, daß Sie meinen Brief vom 13ten erhal-
ten haben. Es giengen
viele Unordnungen bey der
Poſt vor, aber durch die hier erfolgte
gluͤckliche Re-
volution, wovon ich
ſogleich reden will, hat ein auf
dem Rathhauſe der Stadt
errichteter beſtaͤndiger Aus-
ſchuß 4
Buͤrger bey der Poſt ernannt, damit alles
da-
ſelbſt richtig und ordentlich zugehe. Geſtern
haben
dieſe Buͤrger daſelbſt ihre Stellen
eingenommen.
Am Montag fruͤhe ſchien die Stadt Paris mehr einer
mit
Sturm eroberten Stadt, als der Hauptſtadt
des
Koͤnigreichs, aͤhnlich zu ſeyn. Man
begegnete nur be-
waffneten und undiſciplinirten Leuten, die
ſich den
groͤßten Ausſchweifungen
uͤberließen. Jn der Nacht
hatte man die Boutiken aller
Waffenſchmiede aufge-
brochen, und aus ſelbigen alle
vorraͤthigen Gewehre
weggenommen. Des Morgens mußte jeder
eine gruͤne
Cocarde, als das Symbolum der Hoffnung,
nehmen.
Bey der Conſternation verlohren doch die
Buͤrger den
Kopf nicht. Es war eine allgemeine
Verſammlung auf
dem Rathhauſe; (Hotel de ville) verſchiedene
Ver-
ſammlungen waren in den Kirchen, wo die
Buͤrger-
ſchaft beſchloß, ſich zu
bewaffnen und ſich ſelbſt
zu
ſchuͤtzen. Vor 4 Uhr des Nachmittags giengen
Pa-
trullen in allen Quartieren der Stadt, welche von
der
Verſammlung auf dem Stadthauſe abhiengen, wo
unter dem
Praͤſidio des Herrn von Fleſſelles,
Prevot
der Kaufleute, ein immerwaͤhrender Ausſchuß
errichtet
ward, um das zu reguliren, was die Buͤrgerwache
be-
trifft. Die Stadt nahm die
Franzoͤſiſchen Garden und
andere
Koͤnigl. Truppen in Sold, welche ihre
Fahnen
verlaſſen hatten. Sie errichtete von
dieſen Truppen
und von den buͤrgerlichen Truppen eine
Miliz von
48000 Mann; und, welches zum Erſtaunen war,
vom
Dienſtag an befanden ſich ſowol an
Soldaten, die ihre
Fahnen verlaſſen hatten, als an
Einwohnern, uͤber
100000 Mann unter den Waffen. Es
ſind wirklich
116000 bewaffnete Leute, worunter aber wenig
Caval-
lerie iſt. Man vertheilte dieſe Truppen
Quartierweiſe,
und die Quartiere wieder
Diſtrictweiſe. Man er-
nannte Officiers, und
errichtete eine Caſſe zur Bezah-
lung der Soldaten und
Arbeiter, ꝛc. Man bewog die
Buͤrger, zu dieſer
Caſſe ihre Beytraͤge zu geben, wozu
jeder
ſeinen Beytrag auch gab und noch uͤberfluͤßig
gie-
bet. Es wurden namhafte Summen dazu geliefert.
Vom Montag fruͤh an begab ſich ein Theil des be-
waffneten
Volks, ohne Ordnung und ohne Chef, nach
verſchiedenen
Kloͤſtern und andern Haͤuſern, um
zu
ſehen, ob ſich allda Korn- oder Memagazine befaͤn-
den. Die
Carthaͤuſer kamen der Viſite zuvor,
und
ſchickten ihr Korn nach der Halle. Jn dem Hauſe
der
Prieſter von der Mißion des heil Lazarus, in der
Vor-
ſtadt St. Martin, fand man etwa 50 Fuhren
Getraide,
die man ſogleich nach der Halle ſchickte.
Die Prieſter
mußten die Wagen beſteigen. Dieſes
Korn ward ver-
kauſt, und das Geld den Prieſtern
wiedergegeben.
Montags Abends begab ſich eine Menge
Raͤuber nach
dem gedachten Hauſe des heil. Lazarus,
pluͤnderte es,
und wollte das Haus in Brand ſtecken,
aber die Buͤr-
gerwache eilte herbey, und zerſtreuete
die Boͤſewichte,
von welchen viele getoͤdtet
und einige ſogleich aufge-
henkt wurden. Bey den jetzigen
Unruhen hat ſich die
Buͤrgerwache dergleichen
Executionen der Raͤuber er-
laubt. Nie iſt in Paris
die Ruhe groͤßer geweſen, als
in der Nacht vom Montag
auf den Dienſtag, und auch
an den folgenden Tagen, und nie war die Sicherheit
der
Buͤrger beſſer.
Man beſuchte am Montag und Dienſtag
verſchiedene
Privathaͤuſer, um aus
ſelbigen die etwa darinn befind-
lichen Waffen zu nehmen. Man
war auch in dem Hotel
des Polizey-Lieutenants, wo
verſchiedenes verdorben
ward. Um fernere
Beſchaͤdigung zu verhuͤten, hat er
ſich
eine Buͤrgerwache aus, die ihm auch bewilliget
ward. Man
beſuchte auch die Meublekammer der
Krone, aus welcher man
alle alte und neue Gewehre
wegnahm. Des Abends bemaͤchtigte
man ſich eines
Fahrzeuges mit Kugeln und Pulver, welches
fuͤr das
Lager beſtimmt war.
Eben dieſen Abend fieng man an, alle Poſtillions,
Couriers
und Bothen zu durchſuchen, (welches auch
bis jetzt noch
fortgeſetzt wird.) Man bemaͤchtigte
ſich
beſonders zweyer Couriere, bey welchen man
wichtige
Briefſchaften fand. Der erſte hatte ein
Packet an den
Poſt-Director in Verſailles, worinn
ſich eine Addreſſe
an den Koͤnig befand.
Es war dieſes ein Brief an
Se. Majeſtaͤt von
dem Marſchall von Caſtries, in wel-
chem er
ſich entſchuldigte, daß er die ihm angebotene
Stelle
eines Seeminiſters nicht wieder annehmen
koͤnne, er
ſagte noch, daß man in der Einſamkeit anders
denke,
als bey Hofe; daß man bey der Parthey, die
der Hof jetzt genommen,
nicht wiſſe, was man rathen
koͤnne, und
verſicherte zuletzt den Monarchen von ſei-
ner
Ergebenheit. Dieſer Brief hat das Publicum ſehr
zum
Vortheil des gedachten Miniſters eingenommen.
Der zweyte
Brief war von dem Herrn von Fleſſelles,
Prevot der
Kaufleute, an den Herrn von Breteuil,
oder, wie andere mit mehr
Wahrſcheinlichkeit ſagen,
an den Gouverneur der
Baſtille, worinn er meldete,
daß er bis jetzt die
buͤrgerliche Canaille unthaͤtig gehal-
ten
haͤtte, daß er aber fuͤr nichts mehr ſtehen
koͤnne,
wenn die Koͤnigl. Truppen nicht bald
erſchienen.
Man verpflichtet, auch bis jetzt noch, alle Perſonen,
welche aus
Paris gehen, zur Wiederkunft, und bittet
ſie, Paris nicht zu
verlaſſen. Verſchiedene angehaltene
Particuliers
hatten anſehnliche Summen bey ſich,
welche man nach dem
Stadthauſe gebracht hat, um ſie
den Eigenthuͤmern
mit der Zeit wiederzugeben.
Die Stadt befahl, daß die buͤrgerlichen Truppen
ſtatt der
gruͤnen Cocarde eine rothe und blaue nehmen
ſollten,
welches die Farben des Stadtwapens ſind, und
die von keinem
andern, als den regiſtrirten Truppen,
getragen werden
koͤnnen. Aber in eben dem Augen-
blick vertauſchte das
Publicum die gruͤne Cocarde mit
einer rothen und weißen. Niemand,
auch ſelbſt die
Geiſtlichen, darf ohne dieſe
Cocarde ausgehen. Die
gruͤne Farbe iſt wegen des Wapens
einer gewiſſen
Perſon verhaßt worden, von welcher
man glaubt, daß
ſie dem Koͤnige zu den genommenen
Maaßregeln ge-
rathen habe.
Gegen den Oberſtallmeiſter von Frankreich, Prinzen
von
Lambeſc, war der Poͤbel ſehr aufgebracht, der
am
Sonntag die Tumultuanten mit der Cavallerie bis in
den Garten der
Thuilleries verfolgt hatte. Am Mon-
tag begegnete man einer
ſeiner Kutſchen, die man nach
dem Platz von Greve
fuͤhrte, und daſelbſt verbrannte.
Als an eben dieſem Tage der Herzog von Chatelet,
Oberſter
der Franzoͤſiſchen Garden, zu Pferde war und
uͤber den Fluß ging, drohete man, ihn ins Waſſer
zu
werfen, aber ſein unerſchrockener Muth und 2
bewaff-
nete Franzoͤſiſche Garden befreyeten ihn
von der Wuth
des Poͤbels.
Der Oeſterreichiſche Ambaſſadeur, Graf von
Mercy,
ließ das Silberzeug und andere koſtbare Meublen
aus
ſeinem Hotel wegbringen, und verlangte eine Wache
von der
Schweizergarde; aber das Volk bezeigte die
groͤßte Achtung
fuͤr dieſes Hotel, ſo wie fuͤr alles,
was
dem Ambaſſadeur und auch den uͤbrigen hier
befindlichen
fremden Geſandten gehoͤrt.
Es fehlte der großen Anzahl buͤrgerlicher Truppen an
Waffen. Am
Dienſtag Vormittag begaben ſie ſich
haͤufig
nach dem Jnvalidenhauſe, welches an das
ſogenannte
Champ de Mars ſtoͤßt, wo uͤber
6000 Mann Truppen
campiren. Man machte den Thorweg zu. Sie
ver-
langten, daß man ihnen die Waffen ausliefere. Der
Gouverneur,
Herr von Sombreuil, erſchien an dem
Thorweg, um mit dem Volke zu
reden. Aber kaum
war er da, als ſchon viele Buͤrger
uͤber die Mauern
und Graben geſetzt waren, und ſich
auf dem Hofe be-
fanden. Hierauf ließ der Gouverneur die Thore
oͤffnen.
Das Volk nahm alle Saͤbel, Bajonette, und
30000
Flinten, fuͤhrte auch 22 Kanonen mit ſich fort,
ohne
daß ſich die im Lager befindlichen Truppen regten.
Waͤh-
rend daß ein kleines Detaſchement der
buͤrgerlichen Trup-
pen dieſe Canonen im Triumph
fortfuͤhrte, begaben
ſich die uͤbrigen nach dem
Arſenal, wo ihnen nichts
widerſtand. Sie giengen hierauf
nach der Baſtille, die
ans Arſenal ſtoͤßt,
und verlangten, daß man ihnen
die darinn befindlichen Waffen und Pulver
ausliefere.
Der Marquis von Launay, Gouverneur der
Baſtille,
ließ die Thore oͤffnen, und 2 bis 300
Perſonen auf den
erſten Hof kommen, ließ hierauf die
Zugbruͤcke auf-
ziehen und die Thore wieder zumachen, ſo
daß dieſe
Perſonen eingeſchloſſen
waren. Herr von Launay that
noch mehr, er ließ mit
Kartaͤtſchen auf ſie feuern.
Hierauf
verſuchten die Truppen, die ſich außerhalb be-
fanden,
einen Sturm auf die Baſtille. Man ließ die
aus dem
Jnvalidenhauſe genommene Kanonen kommen,
ſchoß mit
ſelbigen das Thor auf, und riß die Zugbruͤcke
ab; aber
vorher waren einige Soldaten der Franzoͤſi-
ſchen
Garden und der Buͤrger (eine unglaubliche Sache!)
in den Platz
hineingekommen. Es war ein Grenadier
der
Franzoͤſiſchen Garden, welcher zuerſt hinein
kam.
Er lief zu einer Kanone, toͤdtete den Kanonier,
nahm
ſeine Lunte, brannte los, und toͤdtete etwa 12
Jnva-
liden. Gleich hierauf zog er ſein weiſſes
Schnupftuch
hervor, zeigte es dem Volk, lief zum Gouverneur,
und
nahm ihn gefangen. Schon waren die buͤrgerlichen
Truppen
durch das Thor und uͤber die Bruͤcke in
die
Baſtille gedrungen, und in weniger als 3 Stunden
war
dieſer Platz von buͤrgerlichen Truppen angegriffen
und
erobert. Man nahm dem Herrn von Launay das
Ludwigskreuz ab, und
knoͤpfte es dem obengedachten
Grenadier ins Knopfloch. Man
fuͤhrte den Gouverneur,
den Major der Baſtille, und einige
invalide Kanoniers
im Triumph nach dem Platz von Greve. Man
zwang
ſie, ihre Kleider verkehrt anzulegen. Zu gleicher
Zeit
befreyte man alle Staatsgefangene, unter welchen
ſich
einer befand, der ſchon 40 Jahre
geſeſſen hatte. Als
man auf dem Platz von Greve
angekommen war, erſtach
man den Hrrrn von Launay und den Major, man henkte
2 Kanoniers,
und pardonnirte einige andere. Als
Herr von Fleſſelles,
Prevot der Kaufleute, der ſich auf
dem Stadthauſe befand,
erfuhr, daß man den Herrn
von Launay umbringen wolle, ging er hinaus, um
fuͤr
ihn Pardon zu bitten; aber kaum war er auf der
Treppe,
dem Platze gegenuͤber, als die Perſon mit dem
oben-
gedachten Brief ankam, den ſie ihm zeigte, ihn
einen
Verraͤther hieß, und ihn mit einem Piſtol todt zur
Erde
ſtreckte. Man ſchnitt dem Herrn von Launay und
dem
Major die Koͤpfe ab, fuͤhrte ſie im Triumph
nebſt den
Schluͤſſeln der Baſtille
durch die Straßen und nach dem
Garten des Palais Royal. Ein in der
Baſtille
14 Jahre geweſener Gefangener ward auch
im
Triumph aufgefuͤhrt, der einer der
ſchoͤnſten Maͤnner
war. Von den Soldaten
oder National-Truppen ſind
27 getoͤdtet.
An dem merkwuͤrdigen Dienſtage nahm man noch
12 Kanonen
weg, die in der Nachbarſchaft von Paris
auf Befehl des
Marſchalls von Broglio gepflanzt waren.
Des Abends ward die
allgemeine Conſternation des
vorigen Tages in Freude verwandelt.
Man befuͤrchtete
einige Angriffe in der Nacht, man riß
alſo das Pflaſter
einiger Straßen auf, beſonders in
den Vorſtaͤdten,
und man nahm alle Maaßregeln, um
ſich dem Angriffe
der Koͤnigl. Truppen zu
widerſetzen. Um 10 Uhr des
Abends, entſtand ein
falſcher Laͤrm; ein neuer entſtand
um 3 Uhr, des
Morgens. Es waren die Truppen aus
dem Lager des ſogenannten Champ
de Mars, welche
aufbrachen, und mit ſolcher Eile nach
Verſailles zogen,
daß ſie ihre Zelter, Matratzen,
Toͤpfe, ꝛc. zuruͤck ließen,
deren ſich die
National-Truppen den folgenden Mor-
gen bemaͤchtigten.
Seit dem Sonntage iſt hier kein Schauſpiel
gewe-
ſen, und man weiß noch nicht, wenn ſie wieder
anfan-
gen werden. Am Mittewochen fiengen 15 Maurer an,
die
Baſtille niederzureißen, und man faͤhrt noch immer
fort
damit. Als man dieſen Ort einnahm, nahm man
zugleich das
Regiſter mit, worinn ſich die
Gefangenen
einſchreiben, und brachte es aufs Stadthaus.
Am
Mittewochen warf das Volk alle Archive auf den Hof,
welche
zerſtreuet und zum Theil zerriſſen wurden, und
die
man ſehr bedauert, weil ſie vieles zur
Aufklaͤrung
deſſen, was in der Baſtille
vorgegangen, beygetragen
haben wuͤrden. An der Niederreißung der
Baſtille
wird noch mit unglaublicher Thaͤtigkeit
gearbeitet.
Ohne den Schritt, welchen Se. Majeſtaͤt, der
Koͤ-
nig, am Mittewochen thaten, und wovon ich gleich
reden
werde, wuͤrden in der Nacht vom Mittewochen
auf dem
Donnerſtag alle Große und Geiſtliche, die es
nicht mit der
ſogenannten Volksparthey halten, aufge-
hoben worden ſeyn.
Man wollte Gewalt gebrauchen,
und ſie mit bewaffneten Leuten und
Kanonen von
Verſailles holen, ꝛc. ꝛc.
Man hat Nachricht, daß zu Rouen ein allgemeiner
Aufſtand
geweſen, als man die Abreiſe des Herrn
Necker erfahren.
Man hat viel Getraide und Mehl
weggenommen. Die Soldaten haben gefeuert,
und
man hat wiederum viele Soldaten erſchoſſen.
Nachdem ich Jhnen nun von den verſchiedenen ſchreck-
lichen
Auftritten Nachricht gegeben, die in dieſen Ta-
gen hier
vorgegangen ſind; ſo muß ich jetzt noch etwas
von
den verſchiedenen Sitzungen der Nationalverſamm-
lung
ſagen.
Montags, den 13ten, beſchaͤfftigte man ſich noch
mit
der Entfernung der Truppen, und mit der Ent-
laſſung des
Herrn Necker. Es wurden ſtarke Reden
gehalten. Eine Deputation
von Paris, welche Nach-
richt von dem brachte, was
daſelbſt in der Nacht vor-
gegangen war, unterbrach die
Deliberationen auf eine
kurze Zeit; man fieng aber gleich wieder an zu
delibe-
riren, und nach verſchiedenen aͤußerſt
ſtarken Aeußerun-
gen einiger Deputirten, ward
beſchloſſen, ſogleich eine
Deputation an den
Koͤnig zu ſchicken, mit der Bitte,
die neuen
Miniſter wieder zu entlaſſen, die
Truppen
zuruͤckzuſchicken, und zu erlauben, daß eine
gewiſſe
Anzahl Deputirter ſich nach Paris begebe,
um daſelbſt
die Errichtung einer buͤrgerlichen
Wache zu bewerk-
ſtelligen. Die Deputation gieng zum
Koͤnige, der ſel-
biger, ohne von der
Entlaſſung der Miniſter etwas zu
gedenken, die
folgende Antwort gab: “Jch habe Jhnen
ſchon meine Meynung
uͤber die Maaßregeln zu erkennen
gegeben, zu welchen mich die in
Paris vorgegangenen
Unordnungen bewogen haben. Mir allein koͤmmt
es
zu, uͤber deren Nothwendigkeit zu urtheilen, und ich
kann
hierinn nichts aͤndern. Einige Staͤdte
bewachen
ſich ſelbſt, aber die Groͤße der
Hauptſtadt erlaubt dieſes
nicht. Jch zweifle an der
Reinigkeit ihrer Abſichten
nicht, die Sie bewegen, Mir Jhre
Sorgfalt in dieſen
traurigen Umſtaͤnden anzubieten,
aber Jhre Gegenwart
zu Paris wuͤrde nichts gutes wirken;
ſie iſt hier noch
zur Beſchleunigung der wichtigen
Arbeiten nothwendig,
deren Fortſetzung ich noch immer von ihnen
verlange.”
Auf dieſe Antwort machte die Nationalverſammlung
das
folgende Arreté: Die Generalverſammlung
er-
klaͤrt, als Dollmetſcherinn der Nation, daß Herr
Necker und die uͤbrigen
Miniſter, welche entfernt wor-
den, die Achtung und das
Bedauern der Nation mit
ſich nehmen, daß in ihren Communicationen mit dem
Koͤnige keine
Mittelsperſon exiſtiren kann; daß
die
Miniſter und Agenten der Civil- und
militairiſchen
Macht alles das verantworten
muͤſſen, was gegen die
Rechte der Nation und
die Decrete der Nationalver-
ſammlung unternommen wird; daß die
gegenwaͤrtigen
Miniſter und Raͤthe
perſoͤnlich fuͤr alles Ungluͤck
ſtehen
ſollen; daß die
Nationalſchuld unter den Schutz der
Ehre der Nation genommen,
daß die Nation die Jn-
tereſſen davon bezahlen will,
daß niemand das infame
Wort Bankerott ausſprechen
ſoll, und keine Macht
Treue und oͤffentlichen Glauben
brechen muͤſſe; daß
die Verſammlung bey ihren genommenen Arretes
bleibe.
[
](/nn_hamburgischer13_1789/ar005)>(Man ſehe unſere Mittwochs-Zeitung.) Die
Verſamm-
lung beſchloß hierauf, in der Nacht nicht
auseinander
zu gehen. Dem Koͤnige ward das gedachte Arreté beym
Abendeſſen
uͤbergeben. Die darauf ertheilte Antwort
war der
erſtern mehrentheils gleich. Eine zwote Ant-
wort, worinn der
Koͤnig verſprach, daß der Prevot
der Kaufleute von
Paris eine Buͤrgerwache einrichten,
und daß ſich die
Truppen aus dem Champ de Mars
zuruͤckziehen ſollten,
befriedigte die Nationalverſamm-
lung nicht.
Jn der Sitzung vom 14ten wurden dieſe Koͤnigl.
Antworten in
Ueberlegung genommen, und der Praͤſi-
dent ſagte
noch, daß er erfahren, daß die Papiere, die
die Finanzen betreffen, ſo wie es Herr Necker
einge-
richtet habe, der Verſammlung vorgelegt werden
ſoll-
ten. Ein Ausſchuß von 6 Gliedern ward ernannt,
den
Plan der Conſtitution aufzuſetzen.
Es ſcheint, daß der Koͤnig von dem, was den Tag
vorher in
Paris vorgegangen, nicht genau unterrichtet
geweſen; indem
Se. Majeſtaͤt, wie gewoͤhnlich, auf
die Jagd
giengen. Am Mittewochen, den 15ten, fruͤh
um 9 Uhr, kamen der
Herzog von Orleans und der
Prinz von Beauveau, Audienz bey dem
Monarchen zu
haben. Man wollte ſie erſt nicht
zulaſſen, aber zuletzt
beſtanden ſie
ſo ſehr darauf, daß ſie die Audienz
er-
hielten. Sie erzaͤhlten Sr. Majeſtaͤt
hierauf alles,
was ſich in Paris bey dem
Jnvalidenhauſe und der Ba-
ſtille zugetragen, mit
großer Freymuͤthigkeit. Der
Monarch begab ſich hierauf
mit ſeinen beyden Koͤnigl.
Bruͤdern in einem
Jagdwagen nach der National-Ver-
ſammlung, und hielt
daſelbſt folgende Rede:
“Meine Herren! Jch habe Sie
verſammelt, um
Sie uͤber die wichtigſten
Staats-Angelegenheiten um
Rath zu fragen. Das, was meinem Herzen am
mei-
ſten ſchmerzlich iſt, betrifft die Unordnungen
in der
Hauptſtadt. Der Chef der Nation koͤmmt mit
Zu-
trauen in die Mitte ihrer Repraͤſentanten, ihnen
ſeine
Bekuͤmmerniß zu erkennen zu geben, und ſie
einzula-
den, Mittel auszufinden, Ordnung und Ruhe
wieder
herzuſtellen. Jch weiß, daß man ſich unterfangen
hat,
bekannt zu machen, daß ihre Perſonen nicht in
Sicher-
heit waͤren. Sollte es wohl noͤthig ſeyn,
Jhnen wegen
ſo ſtrafbarer Geruͤchte Muth
einzuſprechen, die Mein
bekannter Charakter ſchon im
voraus widerlegt? Ja,
Jch bin es, der nur eines mit Jhnen ausmacht,
Jch
bin es, der Jch Mein Vertrauen auf Sie ſetze. Hel-
fen
Sie Mir bey dieſen Umſtaͤnden das Wohl des
Staats
ſichern; Jch erwarte es von der National-
Verſammlung und
der Eifer der Repraͤſentanten Mei-
nes zum allgemeinen
Wohl vereinigten Volks iſt Mir
der ſichere Buͤrger
davon. Da Jch Mich auf die Treue
Meiner Unterthanen
verlaſſe; ſo habe Jch Meinen
Truppen befohlen,
ſich von Paris und Verſailles zu
entfernen. Jch
bevollmaͤchtige Sie, und lade Sie ein,
Meine Willensmeynung der
Hauptſtadt bekannt zu
machen.”
Dieſe Rede erweckte die lebhafteſte Freude, und die
ganze
Verſammlung ertoͤnte von dem: Es lebe der
Koͤnig!
Der Koͤnig kehrte hierauf mit ſeinen
beyden
Bruͤdern nach dem Schloſſe zuruͤck,
begleitet von der
National-Verſammlung. Die Koͤniginn,
Madame,
ihre Tochter, Madame Eliſabeth und der Dauphin
waren
auf dem Balkon.
Hierauf giengen 80 Deputirte, an deren Spitze ſich
der
Erzbiſchof von Paris befand, von Verſailles nach
Paris, um
den Koͤnigl. Entſchluß der Stadt anzu-
kuͤndigen.
Als ſie auf dem Platze von Louis XV.
angekommen waren, fanden ſie ſich mit mehr
als
4000 Mann buͤrgerlicher Truppen umgeben. Ein
Theil der
Deputirten begab ſich grade nach dem Stadt-
hauſe mit den
ſie begleitenden Truppen; der uͤbrige
Theil gieng in den
Garten der Thuilleries, durch die
Straße St. Honoré, und begab ſich nachher auch nach
dem
Stadthauſe, und kuͤndigte allenthalben den Frie-
den an.
Als ſie durch die Straße St. Honoré
gien-
gen, kamen ſie 2 Cabriolets vorbey, welche das
Volk
im Triumph auffuͤhrte, worauf ſich 4 bey der
Belage-
rung der Baſtille verwundete
Franzoͤſiſche Garden,
nebſt dem Grenadier,
befanden, der zuerſt in dem Hof
der Baſtille eindrang. Er
hatte eine Krone von Blu-
men, das Ludwigskreuz und das blaue Band.
Die
Deputirten gaben ihm die Hand, und einige kuͤßten
ſie
ihm. Als der Erzbiſchof von Paris auf dem
Stadt-
hauſe den Koͤnigl. Entſchluß bekannt machte,
entſtand
große Freude. Er ſelbſt begab ſich
nach der Metropo-
litankirche, und ſtimmte das Te Deum an. Einige
Deputirten begaben
ſich des Abends nach dem Garten
des Palais Royal, wo ſie
mit großen Freuden-Bezeu-
gungen aufgenommen wurden.
Den Tag darauf hatte der auf dem Stadthauſe er-
richtete
immerwaͤhrende Ausſchuß den Marquis de la
Fayette zum
General-Commandanten der buͤrgerlichen
Miliz, und den Herrn Bally
zum Prevot der Kaufleute
ernannt. Die erſte Ernennung
geſchah mit großem
Jubel. Der Marquis wollte reden, er konnte
aber
nicht. Er zog hierauf ſeinen Degen, ſenkte ihn
vor
der Verſammlung zum Zeichen des Danks, und
geſtern
blieb er auf dem Stadthauſe, und ertheilte
ſeine
Befehle.
Dem ungeachtet bewachte die buͤrgerliche Miliz die
Stadt die ganze
Nacht hindurch, und man ſcheint we-
gen des Abmarſches
der Truppen noch in Sorgen zu
ſeyn, aber ohne Grund, indem
die Truppen nicht da-
von fliegen koͤnnen, und erſt
die noͤthigen Anſtalten
zum Abmarſch treffen
muͤſſen.
Jn der National-Verſammlung von geſtern las man
viele
erhaltene Dank-Addreſſen. Der Adel und
die
Geiſtlichkeit waren nun voͤllig mit dem
Buͤrgerſtande
einig. Es ward der Verſammlung
bekannt gemacht,
daß der Koͤnig den Siegelbewahrer, den Herrn
von
Villedeuil, und den Kriegsminiſter, Marſchall
von
Broglio, entlaſſen habe. Was den Baron von
Bre-
teuil und den Herzog de la Vauguyon betrifft, ſo
hatten
dieſe noch nicht den Eid abgelegt, und werden
ihre
Stellen nunmehr nicht erhalten. Die Verſammlung
machte
eine Addreſſe an den Koͤnig, worinn ſie um
die
Zuruͤckberufung des Herrn Necker bat, welche
Se.
Majeſtaͤt gewiß bewilligen werden. Man glaubt,
die
Verſammlung werde eine Deputation an den Herrn
Necker
ſchicken, um ihn zu bitten, daß er wieder zu-
ruͤckkomme.
Der Graf von Montmorin und der Herr
de la Luzerne werden ebenfalls ihre
Miniſterſtellen
wieder erhalten.
Der Polizey Lieutenant, Herr von Crosne, hat ge-
ſtern
ſeine Stelle niedergelegt.
Auch das Parlement hat ſich geſtern beym
Koͤnige
bedankt, daß er die Truppen wieder
zuruͤckmarſchiren
laſſen.
Die Herren de la Galaiſiere, Foulon und de la
Porte hatten, der
erſte die Stelle eines Generalcon-
trolleurs, der zweyte das
Kriegs-Departement fuͤr die
ſtreitigen Faͤlle, und
der dritte das See-Departement
ausgeſchlagen.
So eben erhaͤlt man Nachricht, der Koͤnig werde
um 11 Uhr
Vormittag nach dem Stadthauſe kommen.
Man macht alle
Anſtalten zu ſeinem Empfang, und
die buͤrgerlichen
Truppen werden ſich von Paſſy bis
nach dem Stadthauſe ſtellen, damit der Monarch
die
Menge derſelben ſehen moͤge. Es werden
wenigſtens
100000 Mann ſeyn.
Jn der vorigen Nacht iſt der Prinz von Lambeſe
einem
Detaſchement Cavallerie gluͤcklich entwiſcht.
Sein
Tod war unvermeidlich, haͤtte man ihn in die
Haͤnde
bekommen.
Jetzt iſt es hier ganz ruhig. Alle Boutiken und
Laden ſind
wieder offen, und jeder geht ſeinem Ge-
werbe nach.