Schreiben aus dem Haag, vom 31 Jan.
Vorgeſtern iſt der Chevalier d’Aranjo, ehemaliger
Portugieſiſcher Miniſter bey unſrer Republik, welcher
ſich ſeit ſeiner Ruͤckkunft aus Dentſchland einen Mo-
nat hier aufgehalten hatte, nach ſeiner Beſtimmung,
nach England, abgereiſet, und zwar auf einem Parle-
mentairſchiff, welches ihm unſre Regierung zu Rotter-
dam hatte anweiſen laſſen, und auf welchem zugleich
einige Engliſche Kriegsgefangne mit nach England ab-
geſandt ſind. Dieſe Attention gegen den Miniſter
einer Macht, mit welcher wir ſeit 3 Jahren alle poli-
tiſche Verhaͤltniſſe abgebrochen haben, und die ſich noch
im Kriegsſtande mit unſerm Alliirten, mit Frankreich,
befindet, veranlaßt mehrere Perſonen zu der Muth-
maßung, daß ſeine Abreiſe mit irgend einer Negocia-
tion in Verbindung ſtehe.
Vorgeſtern erhielten wir hier ans Paris von unſerm
Geſandten, dem Buͤrger Schimmelpenning, durch einen
Courier die Nachricht von dem in Jtalien abgeſchloſſe-
nen Waſſenſtillſtande. Man hatte geglaubt, daß nur
die Etſch zur Graͤnzlinie beſtimmt werden wuͤrde; dazu
iſt aber nun der Tagliamento angeſetzt, hinter welchen
ſich die Oeſterreichiſche Armee zuruͤckgezogen hat, ſo
daß nun faſt der ganze ehemalige Venetianiſche Staat
und die uͤbrigen Gegenden Jtaliens, wo bisher noch
Kayſerliche waren, von den Franzoſen occupirt ſind.
Man glaubt, daß die Art, wie Oeſterreich anderwaͤrts
zu entſchaͤdigen ſey, die Definitiv-Friedens-Unterhand-
lungen nun noch etwas mehr in die Laͤnge ziehen duͤrfte.
Der St. Petersburger und Berliner Hof verwenden ſich
bey dem Frieden ſehr fuͤr das Deutſche Reich.
Der Franzoͤſiſche Admiral Euſtache Bruix, welcher
bisher taͤglich Conferenzen mit unſerm See-Miniſter,
Buͤrger Spoors, gehabt hatte, auch unſerm Directorio
vorgeſtellt ward, iſt geſtern von hier nach Amſterdam
abgereiſet, wohin der Franzoͤſiſche General Victor ſchon
vorher abgegangen war!
Admiral de Winter wird im Haag erwartet.
Unſere Regierung hat nun Nachricht erhalten, daß
Herr Jefferſon, ein Freund Frankreichs und unſrer Re-
publik, zum Praͤſidenten der vereinigten Nordamerica-
niſchen Staaten iſt erwaͤhlt worden.
Aus Erlangen iſt hier der Wuͤrtembergiſche Kriegs-
Seeretair, Herr Roͤmer, mit Depeſchen an den hieſi-
gen Wuͤrtembergiſchen Geſandten angekommen, deren
Jnhalt ſich auf das Wuͤrtembergiſche Regiment bezieht,
welches ſich in Bataviſchem Dienſte in Oſtindien be-
findet.
Die Englaͤnder ſuchen jetzt den Handel nach Belgien
der beſonders durch Daͤniſche und Schwediſche Schiff n e
betrieben wurde, ganz zu hemmen.
Der neue Finanzplan iſt nun von der erſten Kammer
unſers geſetzgebenden Corps voͤllig decretirt; es ſteht
jetzt zu erwarten, ob die zweyte Kammer ihn ganz ge-
nehmigen werde.
Die noch in unſern und in den Belgiſchen Haͤfen be-
findlichen Daͤniſchen und Schwediſchen Schiſſe ſegeln
jetzt, nachdem das Embargo in England verordnet wor-
den, bis auf weiter nicht ab.
Die Einfuhr Spaniſcher Wolle in unſre Republik,
die zu Lande durch Frankreich paßirt, iſt nun unter
der Bedingung erlaubt worden, daß dieſe Wolle nicht
aus einem Orte in Spanien kommt, wo die Seuche
geweſen.
Einige unſrer oͤffentlichen Blaͤtter ſagen, der Ober-
conſul Bonaparte werde im bevorſtehenden Sommer in
dem Schloſſe zu St. Cloud reſidiren.
Die Sendung des Staatsraths Regnauld von Paris
nach Bruͤſſel ſoll beſonders die Conſtatirung der Sum-
men betreffen, welche die Belgier noch von Oeſterreich
fordern, und wegen deren in dem bevorſtehenden Frie-
den das Naͤhere beſtimmt werden wird.
Mayland, den 20 Januar.
Folgendes iſt der Waffenſtillſtand, welcher zwi-
ſchen dem General Brune und dem General, Gra-
fen von Bellegarde, am 16ten dieſes zu Treviſo
geſchloſſen worden:
Da die Oberbefehlshaber der Franzoͤſ. und der K. K.
Armee in Jtalien das Blutvergießen in dem Augen-
blick einſtellen wollen, in welchem beyde Regierungen
an der Schließung des Friedens arbeiten, ſo haben ſie
einerſeits die B. Marmont, Diviſions-General und
Staatsrath, und Sebaſtiani, Chef einer Dragoner-
Brigade, — ſo wie andrerſeits den Hrn. Grafen von
Hohenzollern, Generallieutenant, und den Baron v.
Zach, Generalmajor, ernannt und mit ihren Vollmach-
ten verſehen, um uͤber die Bedingungen eines Waſſen-
ſtillſtandes einig zu werden, welche ſie auf folgende
Weife feſtgeſetzt haben:
Art. 1. Es wird ein Waffenſtillſtand in Jtalien
Statt haben zwiſchen den Armeen der Franzoͤſ. Repu-
blik und denen Sr. Majeſtaͤt des Kayſers und Koͤnigs,
bis zu dem 4ten Pluvioſe (24ſten Januar), als dem
Zeitpuncte, in welchem der Waffenſtillſtand in Deutſch-
land ablaͤuft. Die Feindſeligkeiten koͤnnen deſſen un-
geachtet erſt 15 Tage nach Aufkuͤndigung der gegen-
ſeitigen Oberbefehlshaber in Jtalien wieder beginnen.
Art. 2. Jn dieſem Waffenſtillſtande ſind alle Corps
begriffen, welche Theile von der Armee von Jtalien
und Graubuͤndten ausmachen, wie auch die Corps von
den Kayſerl. Armeen in Jtalien und in Tyrol.
Art. 3. Die Franzoͤſ. Armeen werden ſich uͤber-
morgen den 28ſten Nivoſe (18ten Jan.) in Bewegung
ſetzen, um von der neuen Linie Beſitz zu nehmen. Dieſe
Linie zieht ſich an dem linken Ufer der Livenza vom
Meer an bis zu ihrem Urſprunge bey Golſenigo, von
da ſteigt ſie auf die Hohlſpitze der Berge, welche die
von der Piave von der Celine trennen, geht uͤber die
Berge Mauri, Croupit, Renda und Raupialſpitze hin,
ſteigt von da in das Thal Kany gegen Aich herab,
ſteigt wieder bergauf, um ſich in das Drauthal zu
Mitheland laͤngs der Drau bis Lienz hinzuſenken, wo
ſie auf die Scheidungslinie ſtoͤßt, welche durch die
Waſſenſtillſtands-Uebereinkunft in Deutſchland feſtge-
ſetzt wurde.
Art. 4. Die K. K. Armee nimmt zur Demarca-
tionslinie das rechte Ufer des Tagliamento, von der
See an bis zu ſeinem Urſprunge bey Montemarne.
Von dieſem Puncte ſteigt die Linie hinauf und folgt
der im vorigen Artikel beſchriebenen, welche beyden
Armeen gemeinſchaftlich iſt.
Art. 5. Der Landſtrich, der zwiſchen beyden De-
marcationslinien liegt, iſt als neutral erklaͤrt. Es
koͤnnen keine Truppen cantonirungsweiſe dahin verlegt
werden, und nur Poſten und Pikete werden dahin aus-
geſtellt werden, um die Hauptwege zu bewachen. Dieſe
Poſten koͤnnen uͤber 1 Meile von den Fluͤſſen nicht ent-
fernt ſeyn.
Art. 6. Man wird eine Linie ziehen, welche den
neutralen Landſtrich mitten durchſchneidet, um Lebens-
mittel daraus zu ziehen. Dieſe Linie wird bezeichnet
von dem Celinebache bis Barco, wird ſodann durch
Villuta, Portogruaro gehen, und der Limene bis an
die See hin folgen.
Art. 7. Der Franzoͤſ. Armee werden abgetreten,
die Plaͤtze Peſchiera, Sermione, die Caſtelle von
Verona und Legnago, die Stadt und Citadelle von
Ferrara, die Stadt und das Fort Ancona unter fol-
genden Bedingungen: 1) Die Garniſonen werden frey
mit den Kriegs-Ehrenzeichen ausziehen, Waffen, Equi-
page und Eigenthum mit ſich nehmen, um ſich mit der
Kayſerl. Armee zu vereinigen. 2) Alle Artillerieſtuͤcke
von Kayſerl. Caliber, mit ihren Munitionen, ſo wie
jedes andere Kayſerl. Eigenthum, das in folgenden
Artikeln nicht bezeichnet iſt, werden frey ausziehen,
und um dieſe Raͤumung zu vollziehen, werden der
Oeſterreichiſchen Armee 6 Wochen zugeſtanden. 3) Alle
Artillerieſtuͤcke von anderm als Kayſerl. Caliber wer-
den ſammt ihrer Munition der Franzoͤſ. Armee als
Eigenthum zugeſtellt. Jn Betreff des Tranſports
nimmt es die Franzoͤſ. Armee uͤber ſich, die Fahrzeuge
zu Waſſer herbeyzuſchaffen, um die Effecten der Feſtun-
gen und Plaͤtze von Verona, Legnago und Ferrara bis
ins Meer zu bringen. Dieſe Fahrzeuge werden ihr
gewiſſenhaft zuruͤckgeſchickt werden. — Die Franzoͤſ.
Armee wird die noͤthigen Mittel darbieten, um die
Effecten der Feſtungen und Plaͤtze von Sermione und
Peſchiera nach Verona zu bringen, woſelbſt ſie auf der
Etſch werden eingeſchifft werden. — Der Theil der ge-
genwaͤrtig auf dem Gardaſee befindlichen Flottille, wel-
cher den Franzoſen bey der Uebergabe von Peſchiera
weggenommen wurde, wird ihnen allein wieder erſtattet
werden; derjenige Theil, welcher der Oeſterreichiſchen
Armee als Eigenthum gehoͤrt, kann nur durch den
Mincio und den Po weggebracht werden, wozu die
Oeſterreichiſche Armee eigene Mittel darbieten wird.
Wenn im Zeitraum von 6 Wochen, welcher zur gaͤnz-
lichen Raͤumung der Haabſchaften der Kayſerl. Armee
zugeſtanden worden, ſie den Theil der Flottille, der zu
ihrer Beſtimmung bleibt, nicht haͤtte fortſchaffen koͤn-
nen, macht ſie ſich verbindlich, ſolchen unverſehrt an
die Franzoͤſ. Armee als ihr zukommendes Eigenthum
abzutreten. 4) Der Mundvorrath der Plaͤtze wird in
zwey gleiche Theile getheilt; eine Haͤlfte von der Gar-
niſon abgefuͤhrt, die andern der Franzoͤſ. Garniſon
uͤberlaſſen werden; das Vieh folgt den Garniſonen
ganz. 5) Dieſe Plaͤtze werden als Unterpfand bis zu
dem Frieden der Franzoͤſ. Armee eingeraͤumt, welche
ſie in dem jetzigen Zuſtande zu erhalten verſpricht.
Art. 8. Es werden auf der Stelle die Befehle zur
Raͤumung der abzutretenden Plaͤtze abgeſchickt werden.
Die Commandanten werden mit ihren Garniſonen ſo
ſchleunig als moͤglich, allerſpaͤtſtens 3 Tage nach Em-
pfang der Befehle, ausziehen, welche mit außerordent-
lichen Oeſterreichtſchen Couriers ihnen zugeſandt werden
ſollen. — Die zur Raͤumung genannter Plaͤtze ernannten
Commiſſairs werden bis zum Ende dieſer Verrichtung
mit der fuͤr die Magazins-Verwaltung noͤthigen Oeſter-
reichiſchen Wache daſelbſt bleiben.
Art. 9. Nur die Commiſſairs, welche zum Em-
pfang der Arſenaͤle und Magazine beſtimmt ſind, koͤn-
nen vor dem Ausmarſch der Oeſterreichiſchen Garniſo-
nen in die Plaͤtze kommen; die Franzoͤſ. Garniſonen
werden 12 Stunden vor ihrem Einruͤcken nur eines von
den Thoren jedes Platzes beſetzen.
Art. 10. Die Kranken, welche in den Plaͤtzen zu-
ruͤck bleiben, werden nicht als Kriegsgefangene ange-
ſehen. Die Franzoͤſ. Armee wird ſie verpflegen und
zur Oeſterreichiſchen Armee ſchicken, der die Rechnung
fuͤr die aufgewandten Koſten zugeſtellt werden wird.
Art. 11. Sollte ſich bey Ankunft der vom Gene-
ral Bellegarde abgeſchickten Couriers einer oder meh-
rere der erwaͤhnten Plaͤtze ergeben haben, ſo wird dies
keine Veraͤnderung im Ganzen der Capitulation zur
Folge haben.
Art. 12. Die Feſtung Mantua bleibt von Fran-
zoͤſ. Poſten blokirt, welche 800 Klafter von der Eſpla-
nade entfernt bleiben. Es wird geſtattet, von 10 zu
10 Tagen Lebensmittel fuͤr die Garniſon hinein zu
ſchicken, ſie werden auf 15000 Rationen Mehl, 1500
Rationen Fourage und die andern Lebensmittel im
Verhaͤltniß beſtimmt werden. — Die Stadtbewohner
werden von Zeit zu Zeit die Freyheit genießen, Le-
bensmittel, die ihnen noͤthig ſind, kommen zu laſſen.
Allein der Franzoͤſ. Armee bleibt das Recht, Maaß-
regeln zu nehmen, die ſie fuͤr tauglich haͤlt, um zu
verhindern, daß die Quantitaͤt nicht mehr als das taͤg-
liche Beduͤrfniß ſey, welches nach der Volksmenge be-
ſtimmt werden wird. — Die Communicationen fuͤr
Lebensmittel mit Mantua werden uͤber den Po bis
Governolo und von da an uͤber den Mincio feſtgeſetzt
werden.
Art. 13. Man wird die Perſonen, welche mit der
Oeſterreichiſchen Regierung verbunden ſind, ſo wie das
Eigenthum reſpectiren, und niemand wird wegen poli-
tiſcher Meynungen verfolgt werden koͤnnen.
Art. 14. Jn den Zwiſtigkeiten, welche ſich uͤber
die oben beſchriebene Demarkationslinie ergeben koͤnn-
ten, wird die Karte von Dalbe zur Richtſchnur dienen.
Art. 15. Zu Abfertigung der noͤthigen Couriers
werden die erforderlichen Paͤſſe ertheilt werden.
So geſchehen in Duplo zu Treviſo, den 26ſten Ni-
voſe, 9. J. (16ten Jan. 1801.)
(Unterzeichnet:)
Der Graf von Hohenzollern-Hechingen,
Generallieut. Sr. Maj. des Kayſers und
Koͤnigs.
von Zach, Generalmajor, Gen. Quartier-
meiſter.
Marmont, Staatsrath, Diviſions-General.
Orazio Sebaſtiani, Brigade-Chef.