X. Gröſse der Körner von gediegenem Platin.
Aus einem Schreiben des Hrn. Alexander von
Humboldt an den Herausgeber.
— Mit Freuden theile ich Ihnen für Ihre ſchätz-
baren, mit ſo vielem Fleiſse bearbeiteten Annalen der
Phyſik die Nachricht von der im Ural gefundenen
Maſſe gediegenen Platins mit. Sie iſt aus officiellen
Berichten gezogen, und ich verdanke ſie dem Staats-
und Finanzminiſter Herrn von Cancrin, welcher
lebhaft und verdienſtlichſt mit Benutzung des neuent-
deckten uraliſchen Platins beſchäftigt iſt. Als ich von
meiner Reiſe nach den Tropenländern America's zu-
rückkam, gab es in den europäiſchen Mineralſamm-
lungen kaum Platin-Körner von dem Durchmeſſer
einer Linie pariſer Maaſses. Ein zollgroſses Geſchiebe
von 1088 Gran Gewicht; welches ich in die Königli-
che Mineralienſammlung niederlegte, zog daher die
Aufmerkſamkeit der Naturforſcher auf ſich. Es blieb
20 Jahre lang das gröſste Stück, welches man kannte.
Seit dem Jahre 1822 hat das Muſeum zu Madrid eine
Pepita von Platin aus den Goldwäſchen von Condoto
erhalten, welches 2 Zoll 4 Linien im Durchmeſſer
hält und 11641 Gran wiegt. Wie viel wird das Ge-
wicht dieſes Stückes aber von dem übertroffen, wel-
ches neulich am Ural gefunden worden iſt, und deſſen
Gröſse die politiſchen Zeitungen ſo verſchieden ange-
geben haben! „Der Reichthum des Uralgebirges an
Platina, ſchreibt mir Hr. von Cancrin Der Brief war vom 15/27 Auguſt 1827., iſt in
ſeinem nördlichen Theile nichts weniger als unbedeu-
tend, und noch kürzlich wurde auf den Demidoff-
ſchen Bergwerken ein gediegenes Stück von 1054/96 ruſ-
ſiſchen Pfunden gefunden. Sein ſpecifiſches Gewicht
überſtieg etwas 16 Das von mir mitgebrachte Stück hat 18,94 ſpec. Gewicht.. Wenn man ſich erinnert, daſs
9216 Gran auf ein franzöſches Pfund (zu 0Kil,489) ge-
hen, und daſs ein ruſſiſches Pfund (zu 96 Solotnik)
gleich iſt 0Kil,409; ſo verhalten ſich die Gewichte der
drei Körner von Berlin, Madrid und Petersburg nahe
wie 1; 11; 75. Nächſt der Natur der Rollſteine, welche
mit dem Platin gefunden werden, haben mir immer
Gröſse und Form der Körner geognoſtiſch am wichtig-
ſten geſchienen. Die Vermuthungen, welche ich ſtets
über die Einlagerung des Platin's in den weſtlichſten
Theilen von Südamerica äuſserte, iſt durch meines
Freundes Boussingault Entdeckung beſtätigt wor-
den. Sie erinnern ſich, daſs dieſer unermüdete Rei-
ſende gediegenes Platin, und zwar in ſehr kleinen ab-
gerundeten Körnern in den Andes von Antioquia auf
Gängen beobachtet hat, die in Syenit- und Grünſtein-
Gebirgen aufſetzen. Die abſolute Gröſse der Maſſen,
in welchen man jetzt das Metall in beiden Weltthei-
len zu finden anfängt, läſst vermuthen, man werde
einſt eine Lagerſtätte entdecken, welche gediegenes
Platin mit Palladium, Osmium-Iridium, und andern
begleitenden neuen Metallen, derb, wie gediegenes Sil-
ber, Tellur und Kupfer darbieten. Nach Hrn. Doctors
und Leibarztes Erdmann ſchätzbaren Beiträgen zur
Kenntniſs des Innern von Ruſsland hat Hr. Lu-
barsky, Profeſſor am Berg-Cadetten-Corps zu Pe-
tersburg, im Jahre 1823, zuerſt durch chemiſch-ana-
lytiſche Arbeiten gediegenes Platin und Osmium-Iri-
dium im uralſchen Waſchgolde entdeckt. Im Auslan-
de bezweifelte man lange die Wahrheit dieſer für un-
ſere Schwefelſäure-Fabriken und andere Gewerbs-
zweige ſo wichtigen Entdeckung. Hr. Laugier zu
Paris, den ich die Körner mittheilte, welche ich der Güte
des gelehrten Sprachforſchers Baron von Schilling
verdankte, hat die Verſuche Lubarsky's und ande-
rer ruſſiſcher Chemiker vollkommen beſtätigt. Es
wird im Kurzen von mir eine Karte der ganzen Pro-
vinz Choco erſcheinen, zu der ich völlig ungenutzte
Materialien angewandt habe, z. B. des ſpaniſchen In-
genieurs Donoso Aufnahme des unteren Laufes des
Atrato (aus Bauza's Manuſcripten), eine Karte des
ganzen Landſtrichs zwiſchen der Mündung des Rio
San Juan und dem Golf von Darien (vom Columbi-
ſchen Miniſter des Innern, Herrn Restrepo an
mich geſandt), Situationszeichnungen des Hafens Cu-
pica, nördlich von den Altos von San Francisco So-
lano, aufgenommen vom Capitain Illingrot. Dieſe
Karte, deren Stich ſchon beendet iſt, wird die meiſten
Platingruben im Choco angeben.
Berlin, im September 1827.
Vor Erſcheinung der ſo eben von Hrn. v. Humboldt ange-
kündigten Karte wird es nicht überflüſſig ſeyn, noch Einiges über
die Fundorte des Platins in Südamerica mitzutheilen, da über ſie
die Angaben theils mangelhaft, theils unrichtig ſind. Wie Hr. v.
Annal. d. Phyſik. B. 86. St. 3. J. 1827. St. 7. Ii
Humboldt in ſeinem Essai politique sur le royaume de la
Nouvelle Espagne bemerkt, iſt es durchaus ungegründet, daſs man
je bei Carthagena oder Santa Fé de Bogota, in Portorico, Barba-
dos, Peru oder in der mexicaniſchen Provinz Sonora Platin gefunden
habe (wie unter andern in Haüy Mineral. T. III. p. 370 und in
Phillips Mineral. 1823. p. 325 angegeben iſt). Auſser den Fund-
orten in St. Domingo und den ſpäter entdeckten in Brasilien und
am Ural kommt dieſs Metall bis jetzt nur in Columbien vor, in
den Provinzen Barbacoas und Choco. Hier ſind es namentlich die
Goldwäſchen in dem Landſtriche, der die Quellen des Rio Atrato
(der ſich in den Meerbuſen von Mexico ergieſst) von denen des
Rio San Juan (der in die Südſee mündet) trennt, aus welchen
man heut zu Tage Platin gewinnt. Hr. v. Humboldt verdankt
die ausführlichſten Nachrichten über die Lage der Waſchwerke
dem Hrn. Joaquim d'Acosta, einem jungen columbiſchen Offi-
cier, der lange in Choco lebte und ſich in Paris ſeit 1825 auf-
hält. Es iſt ſehr merkwürdig, daſs alle dieſe Fundorte nur am
weſtlichen Abhange des weſtlichen Zweiges der Cordilleren liegen.
Bis 1826 hatte man nie im Oſten dieſes Zweiges, im Thale des Cau-
cafluſſes, Platin entdeckt. In dem Waſchgoldé von Quilichao und
Jelima, Orten, die 15 Lieues nördlich von Popayan liegen und
durch dieſe, an Höhe nur unbeträchtliche, Gebirgskette von den
Wäſchen zu Novita und Choco getrennt werden, konnte Hr. v.
Humboldt mit aller Sorgfalt nicht ein einziges Platinkorn un-
terſcheiden. Die neueren Entdeckungen des Hrn. Boussingault
haben indeſs gelehrt, daſs die eigentliche Lagerſtätte des columbi-
ſchen Platins in den Gebirgsknoten der Provinz Antioquia zu ſu-
chen iſt, und dieſs hat es wahrſcheinlich gemacht, daſs nur der
Zerſetzung der Syenit- und Grünſteinformation die Platin haltigen
Alluvionen von Choco und Barbacoas ihren Urſprung verdanken.
Merkwürdig iſt es, daſs die Lavaderos von Santa Lucia und Tado
⅔ Platin und ⅓ Gold (alſo mehr Platin als Gold!) liefern (Essai
politiq. III. 157). — Noch verdient bemerkt zu werden, daſs
neuerlich Hr. Prof. Osann in Dorpat ein neues Metall in dem ruſ-
ſiſchen Platinerze entdeckt hat, worüber indeſs das Nähere noch
zu erwarten ſteht. P.