Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung
der Frauenemanzipation.
Nr. 4.
Das Frauenstimmrecht und
seine Bekämpfung .
Von
Professor Dr. Langemann .
Berlin C. 19
Verlag der Buchhandlung Fr. Zillessen .
1. Die Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung
in Deutschland seit 1904 .
Die Frauenstimmrechtsforderung ist kein deutsches Gewächs ,
sie stammt aus dem Auslande und ist besonders durch die inter-
nationalen Frauenkongresse bei uns eingeschmuggelt worden . Jn den
Programmen der deutschen Frauenbewegung fand sich zwar schon
seit Jahren die Forderung nach politischen Frauenrechten ; aber
die ersten Führerinnen hatten zunächst Wichtigeres zu tun und
überließen darum die Stimmrechtsforderung zunächst den weniger
bedeutenden Radikalen . Der eigentliche Ausgangspunkt der
modernen deutschen Frauenstimmrechtsbewegung ist der Ber-
liner internationale Frauenkongreß von 1904 . Die damalige
höfliche und liebenswürdige Behandlung der internationalen
Damen seitens der preußischen Regierung , die in einem großen
Fest beim Reichskanzler , dem Fürsten von Bülow , ihren Gipfel-
punkt fand , hat nicht wenig dazu beigetragen , unsern zu jener
Zeit noch vereinzelten und verschämten Stimmrechtlerinnen Mut
zu machen , offen mit ihren Forderungen herauszurücken . Die
nächsten Wirkungen zeigten sich auf dem anscheinend friedlichen
Gebiete der Frauenbildungsfrage , bei deren Bearbeitung sich die
heute bereits radikalen , damals gemäßigten Führerinnen einer
klugen politischen Zurückhaltung befleißigten , durch welche sie sich
wiederum die Hilfe der höchsten Regierungsgewalten sicherten .
Die Reform der höheren Mädchenbildung und die allgemeine
Zulassung der Frauen zu den Universitätsstudien und damit im
Prinzip zu allen Männerberufen war die Frucht dieser feinen und
verschlagenen Taktik .
Jn demselben ominösen Jahre 1908 aber , welches diesen Er-
folg brachte , überreichte die Regierung der radikalen Frauen-
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bewegung noch ein weit wertvolleres Geschenk durch das neue
Reichsvereinsgesetz , welches die Zulassung der Frauen zu den
politischen Vereinen aussprach . Dieses Zugeständnis war ent-
scheidend für die weitere Entwicklung und führte direkt auf den
Weg , den bisher alle Frauenstimmrechtsländer gegangen sind ,
und den auch wir gehen werden , wenn wir nicht , wie Lucia
Dora Frost sagt , die Richtung unserer Frauenpolitik um 180 ° ver-
schieben . War vor dem Jahre 1908 die radikale Frauenbewegung
in ihrem Vorwärtskommen auf das Wohlwollen der Regierung
angewiesen , so fand sie nach Erlaß des Vereinsgesetzes einen
festen Halt an den Parteien und konnte jetzt der Regierung als
selbständige Macht entgegentreten . Am auffälligsten trat dieser
Umschwung zur Unbescheidenheit in dem anmaßlichen Protest
gegen die Königsberger Kaiserrede von 1910 hervor , in welcher
sich der Kaiser gegen die Politisierung der Frau aussprach . Nach
dem Jahre 1908 begann das bekannte Spiel der politischen Par-
teien mit der Frauenbewegung , ein Spiel der Katze mit der
Maus , bei welcher die Parteien die wenig beneidenswerte Rolle
der Maus übernehmen , die schließlich gefressen wird . – Wer
sich an einem klassischen Beispiel davon überzeugen will , wie
dieses Spiel gesetzmäßig verläuft , der sehe nach England hin .
Seit 40 Jahren haben dort die Politiker beider Parteien es für
eine besonders schlaue Taktik gehalten , wenn sie sich bei den
Wahlen der Hilfe politisch interessierter Frauen bedienten . Man
hielt die Sache für harmlos und war auch gern bereit , den
Damen als Gegengabe kleinere und größere Geschenke zu machen .
Die Frauen erhielten sämtliche Bildungs- und Erwerbs-
möglichkeiten , sie durften auch Rechtsanwälte , Bürgermeister und
Prediger werden ; man gab ihnen das kirchliche und ein be-
schränktes Gemeindewahlrecht und stellte ihnen auch bei Gelegen-
heit das staatliche Stimmrecht in Aussicht , ohne zunächst an die
Einlösung des Wechsels zu denken . Die Eifersucht der Parteien
und die fortschreitende Feminisierung der ganzen Nation führte
schließlich zu den Frauenstimmrechtsanträgen im Parlament , bis
denn auch die Regierung selbst durch den Druck der Parteien ge-
nötigt wurde , sich ernstlich mit der Frage zu befassen . – Nun
begann ein gänzlich unwürdiges Spiel der Verschleppung und
Vereitlung , und durch allerlei Kniffe wußte man es stets zu ver-
hindern , daß die Frauenstimmrechtsbill über die zweite Lesung
hinauskam . Man sieht , die Furcht vor dem Frauenstimmrecht
war schließlich bei allen Parteien gleich groß ; sobald die Katze
wirklich Ernst machte , wußte die Maus zu entschlüpfen . Diesem
schlimmen Spiel haben die fenstereinschlagenden und brand-
stiftenden Suffragetten ein plötzliches Ende bereitet . Sie nötigen
durch den Hungerstreik den Staat , ihre Schandtaten ungestraft
zu lassen und zwingen ihn , der sie so lange zum besten hatte , zur
wohlverdienten und , wie ich glaube , unabwendbaren Kapitulation .
Ein höchst widerwärtiger Abschluß eines unwürdigen Spiels ,
dessen Wiederholung in etwas rascherem Verlauf auch in den
nordischen Staaten in ähnlicher Weise zu beobachten ist . Zum
Schluß pflegt man dann aus der Not eine Tugend zu machen .
Wie man hört , ist man in den nordischen Ländern schon soweit
gediehen , daß manche konservativen Redner im Parlament keine
wichtigere Aufgabe kennen , als sich von dem „ schrecklichen “ Ver-
dachte zu reinigen , daß sie früher Gegner des Frauenstimmrechts
gewesen seien .
Und nun die Moral dieser Geschichte ! – Wir in Deutsch-
land erleben – darüber wollen wir uns doch nicht hinwegtäuschen
– einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang wie die Engländer
und die Nordstaaten . – Selbst bei der internationalen Sozial-
demokratie hat es recht lange gedauert , bis der männliche
Jnstinkt und die gesunde Vernunft der Parteidoktrin von
der allgemeinen Gleichheit , der Parteileidenschaft und dem
Hunger nach politischer Macht erlagen . Jn einer ganzen Reihe
von Ländern , in Belgien , Holland , England , Norwegen , Oester-
reich-Ungarn haben die Sozialisten früher gegen die Ausdehnung
des allgemeinen Wahlrechts auf das weibliche Geschlecht ge-
stimmt . Von der Sozialdemokratie griff die feministische Er-
krankung über auf die bürgerlichen Parteien , die genau wie in
England auf die weibliche Hilfe bei den Wahlen eifersüchtig
wurden . Damals bildete sich zuerst bei der demokratischen Ver-
einigung und später bei der fortschrittlichen Volkspartei die neue
sozialdemokratische Abart des Liberalismus aus , die ein Eugen
Richter noch nicht kannte , die sich aber jetzt auf dem Mann-
heimer Parteitage von 1912 als der rechte Bruder der radikalen
Frauenbewegung erkannt hat und das arme bis dahin ver-
stoßene Schwesterchen Frauenbewegung nun in das Vaterhaus
aufnimmt . Man spricht einfach einem jeden Liberalen von
seiten der Frauenbewegung den Liberalismus so lange ab , bis er
sich zum Frauenstimmrecht bekannt hat . – Diese Methode , die
einmal von einer Frauenrechtlerin sehr passend die „ Häkel-
methode “ genannt wurde , hat sich bei Sozialdemokraten und
Fortschrittsleuten ausgezeichnet bewährt und wird augenblicklich
bei den Nationalliberalen ausprobiert . – Als atavistische Reste
dieser Entwicklung der Parteileitung der Fortschrittspartei stehen
einige veraltete zurückgebliebene Demokraten wie Conrad Haus-
2*
mann da , welche die Politisierung der Frau entschieden ab-
lehnen und gar zu bezweifeln wagen , daß es sich bei der Frauen-
stimmrechtsforderung überhaupt um eine demokratische Forde-
rung handle . Hausmann behauptet , daß heute noch 65 pCt. aller
fortschrittlichen Männer und 95 pCt. aller Frauen entschiedene
Gegner des Frauenstimmrechts seien . Aber über solche reak-
tionären Anwandlungen geht es mit Hurra hinweg ; das Ver-
hängnis nimmt seinen Lauf .
Den mit der fortschrittlichen Volkspartei von den Reichs-
tagswahlen her verbündeten Nationalliberalen ließen die
„ schönen “ Erfolge jener mit der Frauenpartei keine Ruhe . Jns-
besondere die süddeutsche Führung schwimmt bereits ganz in dem-
selben Fahrwasser . Jn der Landesversammlung nationalliberaler
Frauen in Karlsruhe ( 19. November 1912 ) entbot der Chef der
nationalliberalen Partei Badens , Geheimrat Rebmann , den
Damen den Gruß der Partei . Nach der Badischen Presse vom
30. November 1912 sagte er dem Sinne nach unter anderem
folgendes : „ Wenn ich es heute namens der Partei übernommen
habe , die Versammlung zu begrüßen , so weiß ich wohl genau wie
Sie selbst , daß nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter mir
stehen . Sie haben schon öfter gehört , daß nur ein Teil der
Partei soweit ist , daß er die Teilnahme der Frauen am politi-
schen Leben begrüßt . Aber das Umdenken ist auch hier
schon im Gange . Wir haben diesen Vorgang nicht nur bei
unserer Partei , sondern auch bei andern Parteien ist der Ge-
danke , daß die Frau sich am politischen Leben beteiligen soll , auf
Widerspruch gestoßen . Daß es auf diesem Gebiete vorwärts geht ,
ergibt sich auch daraus , daß die Gesetzgebung sich der Frau nicht
nur im passiven Sinne angenommen , sondern ihr auch eine aktive
Rolle zugewiesen hat ; ich erinnere nur an das Versicherungs-
gesetz . “ – Man könnte sich ja damit trösten , daß in diesen Worten
vom Stimmrecht der Frau kaum die Rede ist , aber aus dem Zu-
sammenhange geht deutlich hervor , worauf sich dieses „ Umdenken “
bezieht , nämlich auf die auch in der fortschrittlichen Volkspartei
zutage getretene Wandlung in der Stellung zum Frauenstimm-
recht . Herr Rebmann verständigte sich sehr gut mit den Damen ,
wenn er auch das entscheidende Wort „ Stimmrecht “ nicht aus-
sprach . Frau Jellinek zeigte , daß sie ihn verstanden hatte . Sie
erklärte , daß die Frau die Partei braucht , daß
aber auch die Partei die Frau notwendig habe ;
der Kuhhandel ist perfekt .
Herr Bassermann , der Führer der Partei , dessen Gattin mit
der bekannten Stimmrechtlerin Frau Steinmann-Bonn in Weimar
die nationalliberalen Frauen repräsentierte , hat aus seiner Be-
günstigung der politischen Frauenrechte niemals ein Hehl gemacht .
Schon im Frühling 1912 hielt er im Reichstage eine Rede , in
der er ausdrücklich betonte , daß die Regierung die Frauenrechte
erweitern und den Frauen nach einander alle Türen öffnen
müsse . Auch er geht mit Vorliebe um das Wort Stimmrecht
herum , aber jeder versteht , was gemeint ist . Verschiedene
nationalliberale Zeitungen , deren Namen ich auf
Wunsch nennen kann , weisen gegen das Frauen-
stimmrecht gerichtete Artikel von Parteiange-
hörigen unter Hinweis auf die abweichende
Stellung der Parteileitung zurück . Die Kandi-
datur von Traub , der sich offen zum Frauenstimmrecht bekannt
hat , wurde ohne Einschränkung von der Partei empfohlen . –
Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite . Am 10. De-
zember 1912 sprach in Kiel der Generalsekretär der national-
liberalen Partei in Hamburg über die politische Lage . Einem
Diskussionsredner gegenüber , der auf die auch der national-
liberalen Partei drohende Umgarnung seitens der Frauen-
bewegung hinwies , erklärte der Herr Generalsekretär , daß er ein
Gegner des Frauenstimmrechts sei mit dem ausdrücklichen Zu-
satze , daß auch die Führer der Partei nicht für das Frauenstimm-
recht einträten . – „ Die Botschaft hör ' ich wohl , allein mir fehlt
der Glaube ! “
Eine schlechte Zensur , die von dieser Seite kommend wohl
mehr als Belobigung zu werten ist , erhält auch der national-
liberale Verein für Altona-Ottensen vom „ Vorwärts “ , der ihm
Rückständigkeit vorwirft . Ein Herr Dr. R. hielt in Altona einen
Vortrag und empfahl bei aller Ablehnung der radikalen Frauen-
forderungen die Aufnahme der nationalliberalen Frauen in den
Verein . Charakteristisch ist u. a. folgendes Wort des Vor-
tragenden : „ Die Frauen stehen vor der Tür ; öffnen wir ihnen
nicht , so gehen sie ein Haus weiter zu den Freisinnigen . “ Dieses
eine Wort spricht Bände . Es sind also garnicht nationalliberale
Frauen , die um Einlaß bitten , um der Partei zu dienen , sondern
es sind Frauenrechtlerinnen , welche die Partei für sich ein-
fangen wollen , und eventuell , wenn das nicht gelingen sollte , auch
in das nächste Haus einbrechen . Nach kurzer Beratung beschloß
der Altonaer Verein : Frauen werden in den nationalliberalen
Verein nicht aufgenommen . Begründung : Es besteht die Be-
fürchtung , daß dann zahlreiche nationalliberale Männer aus-
treten würden . Ein getreues Spiegelbild der Haltung der
nationalliberalen Partei in der Frauenfrage gab auch die
Frauenstimmrecht 3
Stellung der Partei bei Gelegenheit der Stimmrechtsdebatte im
Landtage . Der Abg. Hausmann erklärte , daß die Wahlrechts-
frage der Frau in absehbarer Zeit aktuell werden könne , aber
er bestritt , daß der Zeitpunkt schon da sei , an sie heranzutreten . Re-
sultat : Man richtet sich auf alle Möglichkeiten ein und dokumen-
tiert sich so als verschämten guten Freund einer schlechten Sache .
Was am wunderbarsten anmutet , ist , daß die Parteiführer so
mangelhaft unterrichtet sind , daß sie durch das Vergrößerungsglas
der feministischen Presse eine ungeheure Macht im bürgerlichen
Frauenstimmrechtslager zu erblicken glauben , von der die Parteien
neues Heil zu erwarten hätten , während das ganze Häufchen zur
Zeit 10000 Frauen zählt . Allerdings verfügen diese über die
Lungenkräfte von Millionen und sind bei weiterem Wachstum
imstande , die ganze norddeutsche nationalliberale Wählerschaft zu
zersprengen . Es sind nicht die Freunde der Volkspartei , die ihr
die weiblichen Mitglieder gönnen und wünschen ; die zersetzende
Wirkung kann nicht ausbleiben . Die sämtlichen bürgerlichen
Parteien außer etwa der Zentrumspartei werden von dem
Techtelmechtel keinerlei Vorteil haben , die Gewinnenden sind allein
die Rechtlerinnen , die Sozialdemokraten und die Zentrumsleute .
Das Zentrum müßte seiner ganzen Natur und Weltanschau-
ung nach als eine auf eine feste Autorität sich stützende Partei der
entschiedenste Gegner aller Frauenemanzipation sein . Die der
atheistischen Sozialdemokratie entspringenden frauenrechtlerischen
Tendenzen richten sich allein auf das diesseitige Glück des Jndi-
viduums und insonderheit einer möglichst großen Zahl weiblicher
Jndividuen , auf ein „ Glück “ , das besonders in wirtschaftlicher und
persönlicher Unabhängigkeit gesehen wird . Solche Bestrebungen
stehen im schroffsten Gegensatz zu der katholisch-christlichen Welt-
anschauung , welche das diesseitige Leben nur als einen Durch-
gang zu dem Frieden des Jenseits betrachtet und strenge Pflicht-
erfüllung und Unterordnung unter göttliche und menschliche Auto-
rität und Geringachtung irdischen Wohllebens von ihren An-
hängern erwartet . Und von keiner Seite droht dieser Welt-
anschauung eine größere Gefahr als von der radikalen Frauen-
bewegung , die den christlichen Familiengeist verdirbt und die
väterliche und damit die priesterliche und göttliche Autorität unter-
gräbt . – Aber das Zentrum ist eine politische Partei , und als
solche rechnet es mit allen realen Möglichkeiten . Jedenfalls hat es
den seit 1908 auftauchenden Gedanken , die Frauen zur Mitarbeit
in der Politik heranzuziehen , mit Feuereifer aufgegriffen , und die
hohen geistlichen Würdenträger werden in ihren öffentlichen
Aeußerungen über die politische Frauenbewegung immer liebens-
würdiger und entgegenkommender . Sehr bezeichnend ist in dieser
Beziehung die Rede des Bischofs Faulhaber in Straßburg bei
Gelegenheit der Tagung des Katholischen Frauenbundes . Der
geistliche Herr hob hier mit Nachdruck hervor , daß vom Stand-
punkte der katholischen Dogmatik eine Ablehnung des Frauen-
stimmrechts nicht begründet werden könne . – Die „ Kölnische
Volkszeitung “ besprach am 21. August 1912 den Deutschen Bund
zur Bekämpfung der Frauenemanzipation , den sie als katholische
Zeitung nach Kräften unterstützen sollte , in wenig freundlicher
Weise . Das Schlußwort des Artikels lautet : „ Also schulen wir
unsere Frauen und Töchter , denn die objektive Wahrscheinlichkeit
ist vorhanden , daß früher oder später das Frauenstimmrecht
kommt , unbekümmert um unsere Zu- oder Abneigung ! “ – Zwar
hat der Abgeordnete Trimborn bei der Debatte im Abgeordneten-
hause über das kommunale Wahlrecht sich ziemlich kühl ausge-
sprochen mit dem Hinweis darauf , daß die Frauen selbst das
Stimmrecht nicht haben wollten . Jndessen hört man auch hier
nicht ein entschiedenes „ Niemals ! “ sondern das ominöse „ Noch
nicht “ herausklingen , das die Brücken nicht abbricht . Das Zen¬
trum und die katholischen Vereine stehen also in der Frauen-
frage im ganzen auf dem abwartenden Standpunkte , den zur
Zeit die nationalliberale Partei einnimmt , der aber bei Bedarf
jederzeit bereit ist , sich in einen direkt stimmrechtlerischen zu ver-
wandeln . Die einzige Partei , welche heute noch mit prinzipieller
Entschiedenheit die Politisierung der Frau ablehnt , ist die konser-
vative . Der Abgeordnete Stroßer erklärte im Landtage in der
Debatte zum kommunalen Frauenstimmrecht , daß seine politischen
Freunde das politische Wahlrecht der Frau unter keinen Um-
ständen wünschten ; die jetzigen Forderungen seien nur eine Vor-
stufe dazu . Und doch gibt es auch unter den Konservativen weite
Kreise , welche so lange mit der sogenannten gemäßigten Frauen-
bewegung , insbesondere dem Deutsch-evangelischen Frauenbunde
zusammengearbeitet haben , daß sie jetzt , wo die gesamte Frauen-
bewegung unter Führung der Radikalen die große Schwenkung
zum Frauenstimmrecht ausführt , zunächst noch nicht imstande
sind , sich energisch aus der Umklammerung des Bundes deutscher
Frauenvereine loszureißen . – Die der Frauenbewegung
auch im jetzigen Stadium noch immer bewiesene
Sympathie fürstlicher Damen erschwert diese
durchaus notwendige reinliche Scheidung der
Geister in allerstärkstem Maße . – Die Hillebrand'sche
Verteidigung des Deutsch-evangelischen Frauenbundes in der
Kreuzzeitung beweist , daß es leider auch auf konservativer Seite
3*
Leute genug gibt , die eine prinzipielle Bekämpfung der radikalen
Frauenbewegung nicht wünschen , sondern sogar bereit sind , durch
Annahme des kirchlichen und kommunalen Wahlrechts sich auf die
schiefe Ebene zu begeben , die unrettbar in den Abgrund führt .
Jch gehe nun mit einem kurzen Wort auf die weibliche Taktik
und den Entwicklungsgang der Stimmrechtsforderung ein . Wie
planmäßig und konzentriert die Frauenbewegung zu Werke geht ,
kann man bei den neuerlichen Petitionsstürmen um das Wahlrecht
studieren . Jn den verschiedensten deutschen Landesteilen wurde
gleichzeitig das kommunale und kirchliche Wahlrecht in Angriff
genommen . Der Versuch im fortschrittlichen Lande Oldenburg ,
das kommunale Wahlrecht zu erobern , scheiterte nur am Ein-
spruche der Regierung . Darnach kamen Preußen und Sachsen an
die Reihe ; zunächst ohne Erfolg . Jn den Provinzialsynoden ver-
suchte man gleichzeitig , das kirchliche Stimmrecht zu gewinnen ,
eine Pionier- und Minierarbeit , bei der leider von den liberalen
Geistlichen und der kirchlich-liberalen Presse kräftige Mithilfe ge-
leistet wird . Die Resultate sind ungleich ; die schleswig-holstei-
nische Synode hat glücklicherweise die Forderung glatt abgelehnt ,
in andern Bezirken dagegen sind die Aussichten bessere . Jmmer-
hin bereiten die Damen mit echt weiblicher Willenszähigkeit nach
jedem Fehlschlage die neue Petition vor , um die Männer schließ-
lich zu ermüden und ihren Willen durchzusetzen . Jnteressant ist
die Harmlosigkeit , mit der die konfessionellen Verbände , der evan-
gelische und der katholische Frauenbund , die politische Natur des
kommunalen Wahlrechts einfach wegleugnen und dieses Recht ge-
wissermaßen als eine notwendige Erweiterung des kirchlichen
Stimmrechts hinstellen , das den Frauen bei ihrer sozialen und
charitativen Tätigkeit als Waisen- und Armenpflegerinnen un-
umgänglich nötig sei . – Nimmt man hinzu , daß die Führerinnen
der konfessionellen Verbände das politische Wahlrecht nicht prin-
zipiell zurückweisen , sondern es aus taktischen Gründen vorläufig
ablehnen , dafür einzutreten , so erkennt man , daß die Differenz
zwischen ihnen und den radikaleren Gruppen im wesentlichen eben
in der Taktik liegt , und daß die Taktik der sogenannten „ Ge-
mäßigten “ entschieden die illoyalere und gefährlichere ist .
Daß es den Führerinnen der Frauenverbände ursprünglich
gemäßigter Richtung nicht leicht wird , ihre Heerscharen , die sie
einst unter dem Banner friedlicher , charitativer , unpolitischer
Frauenarbeit sammelten , jetzt bei der neuen Fahne mit der Jn-
schrift „ Frauenstimmrecht “ festzuhalten , das ist aus den ver-
schiedensten Anzeichen zu schließen . Eine hannöversche Dame ,
Gattin eines Geistlichen , erzählte dem Verfasser kürzlich , daß sie
zwar immer eine eifrige Anhängerin des Deutsch-evangelischen
Frauenbundes gewesen sei , aber eine an sie gelangte Petition für
das kirchliche Frauenstimmrecht habe sie nicht unterschrieben . Also
schon beim kirchlichen Stimmrecht machen die Damen teilweise
nicht mehr mit . Wie werden sie sich erst zu dem kommunalen
und staatlichen stellen ! – Weiter hörte ich folgendes : Jn einer
Stadt im mittleren Deutschland besteht ein Frauenverein von etwa
400 Mitgliedern . Eines Tages erschienen zwei große Stimm-
rechtsdamen und hielten einen Vortrag . Resultat : Ein Viertel
der Damen trat sofort aus , eine große Zahl ist noch schwankend .
Also so ganz sicher begründet ist das Solidaritätsgefühl innerhalb
der einzelnen Gruppen nicht , wie manche Führerinnen das glauben
machen möchten .
Von Zeit zu Zeit veranstalten sie einmal eine größere Probe-
mobilmachung , um den inneren Zusammenhang zu prüfen und
zu stärken oder einen besonders kräftigen Druck auf die öffentliche
Meinung oder die Regierung auszuüben . Eine derartige Uebung
war auch der Kasseler Frauenkongreß von 1907 , der besonders der
Durchsetzung der Mädchenschulreform dienen sollte und tatsächlich
diente . Die Vorbereitung auf die Politisierung der Frau und
die Stimmrechtsforderung haben die Berliner Ausstellung und der
Frauenkongreß von 1912 besorgen müssen . Es ist hochbedauerlich ,
daß unsere Regierungsgewalten , welche doch die eigentlichen Geg-
ner dieser ultrademokratischen Bewegung sein müßten , es sich
nicht nehmen lassen , solchen Veranstaltungen internationaler Her-
kunft durch ihre Anwesenheit und Protektion zu hohem Glanze
und großer Wirkung zu verhelfen , obgleich doch die Zusammen-
hänge nicht gar so schwer zu erkennen sind . Das Frauenstimm-
recht hat , wie Prof . Sigismund an dem Beispiel der amerikani-
schen Staaten nachweist , seine Wurzeln nicht in der Begeisterung
für die „ gute Sache “ , sondern in männlicher politischer Selbst-
sucht und Schwäche ; man könnte hinzusetzen : und in weiblicher
Eitelkeit . Wenn Lucia Dora Trost recht behält , daß
unsere Frauenbewegung eine „ königlich-preu-
ßische “ ist , dann wird sie zum unvermeidlichen
Verhängnis , dem Preußen und Deutschland
ebenso verfallen werden , wie die nordischen
Länder .
Noch ein Wort über die radikalen Frauenstimmrechts-
organisationen . Es würde sich kaum verlohnen , auf diese Ver-
bände mit ihren etwa insgesamt 10000 Stimmrechtlerinnen über-
haupt hier einzugehen , wenn diese Gruppen nicht durch die kurz-
sichtige und selbstmörderische Politik der bürgerlichen Parteien den
Rechtlerinnen gegenüber eine Bedeutung erlangt hätten , die in
einem geradezu lächerlichen Verhältnis zu ihrer zahlenmäßigen
Macht steht . – Wenn in letzterer Zeit die Beiratskonferenz des
Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht seinen § 3 , der ein
gleiches , geheimes und direktes Wahlrecht für alle Frauen
fordert , abzuändern vorschlägt und auf die Form bringen will
„ ein gleiches Wahlrecht für alle Frauen “ , so hat das seine guten
taktischen Gründe . Diesem Verbande , der unter Frau Cauers
Führung stand und dessen Organ die von Dr . An . Augsburg re-
digierte Zeitschrift „ Frauenstimmrecht “ ist , stehen drei andere
Verbände gegenüber , der Frauenstimmrechtsverband für West-
deutschland , der Schlesische Verband für Frauenstimmrecht und der
Norddeutsche Verband für Frauenstimmrecht . Manche Mitglieder
des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht haben wohl be-
fürchtet , daß seine sozialdemokratische Forderung des gleichen , ge-
heimen und direkten Wahlrechts für alle Frauen ihn bei den ge-
mäßigten politischen Parteien als Bundesgenossen gänzlich un-
möglich machen würde gegenüber den zuletzt genannten Ver-
bänden , deren meist nationalliberale Führerinnen die weniger
radikale Forderung auf das gleiche Wahlrecht mit den Männern
erheben . – Es würde sehr irrig sein , aus dieser Zersplitterung
der wenigen Stimmrechtlerinnen auf einen Auflösungsprozeß
schließen zu wollen . Auch hier verfolgt die radikale Frauen-
bewegung den richtigen Grundsatz : Getrennt marschieren und ver-
eint schlagen . Die gemäßigten Verbände betreiben eben den
Stimmenfang bei den gemäßigten Parteien , die radikalen bei den
Linksparteien . Das Endziel ist bei allen das gleiche , nämlich
das des berühmten , vorläufig beiseite gestellten § 3 . Es ist nur
sehr die Frage , ob unsere in Frauenfragen etwas begriffsstutzigen
gemäßigten Politiker rechtzeitig dahinterkommen werden .
Der Totaleindruck vom heutigen Stande der Frauenstimm-
rechtsbewegung ist für den Gegner ein durchaus trüber , und die
Siegeszuversicht der Rechtlerinnen ist leider allzu begreiflich .
Unsere Hoffnung für die Zukunft ruht vor allem auf der jetzt
endlich organisierten Aufklärungsarbeit , welche die Massen auf
unsere Seite führen und damit den Regierungen den Rücken
stärken wird , um den selbstsüchtigen Treibereien der politischen
Parteien einen unerschütterlichen Widerstand entgegen setzen zu
können . Die Stellungnahme der Regierungen
entscheidet alles ; beim parlamentarischen Regiment in
Deutschland würde heute schon unser Schicksal entschieden sein .
Der nächste Abschnitt wird darzulegen versuchen , aus welchen
ethischen und nationalen Gründen alle Kraft daran gesetzt werden
muß , das Frauenstimmrecht abzuwehren , warum seine Ein-
führung geradezu als ein nationales Unglück anzusehen wäre .
2. Kritik des Frauenstimmrechts .
Wir fragen zunächst : Wie stehen die deutschen Frauen selbst
zu der Forderung des Frauenstimmrechts ? – Jn Deutschland ist
zur Zeit die Frauenstimmrechtsbewegung in der Hauptsache noch
auf die am meisten interessierten ledigen Erwerbenden beschränkt ,
es ist vor der Hand nur eine sehr geringe Zahl wirklicher Frauen ,
der Ehefrauen und Mütter , welche mitmachen . So soll es in
Schleswig-Holstein zur Zeit ganze 170 organi-
sierte Stimmrechtlerinnen geben . Bei Gelegenheit
einer Vereinsversammlung berichtete eine der Vorstandsdamen
selbst , daß unter den Frauen noch sehr wenig Sinn und Opfer-
freudigkeit für das Stimmrecht bestände . Manche bäten , ihnen
doch das Stimmrechtsblatt nicht durch die Post zuzuschicken , da der
Postbote immer so schlechte Witze mache . – Man sieht , wie sich
unsere Frauen heute der Stimmrechtlerei noch schämen . Aber
derartige Anwandlungen werden , wie die Erfahrung lehrt , schnell
überwunden und bieten keine Gewähr dafür , daß die Frauen nicht durch
die Macht der Suggestion in Kürze zu den in Mode gekommenen
Stimmrechtsforderungen bekehrt werden , wie man das in Amerika
gegenwärtig erlebt ; denn es ist bekanntlich nichts so töricht , was
von der Mode nicht in Flor gebracht werden könnte . – Die ledigen
Frauen hoffen zunächst mit Hilfe des Stimmrechts eine noch
sicherere Position im wirtschaftlichen Konkurrenzkampfe zu er-
ringen . Da aber die einseitige Betonung dieser Jnteressen für
sich allein ohne Wirkung bleibt auf den ideal und philosophisch
angelegten Deutschen , so führt man Gründe ethischer und natio-
naler Art für seine Forderungen ins Feld . Man gibt vor , zu
der Erkenntnis gekommen zu sein , daß zur vollen Entfaltung
auch der weiblichen Persönlichkeit eine gleichberechtigte Teil-
nahme am Staatsleben gehöre , und weiter , daß unserem Staats-
leben der Einfluß der Mütterlichkeit dringend notwendig sei . Wir
fragen erstaunt : Waren denn alle die Milliarden deutscher Frauen
und Mütter , deren treuer Arbeit in Haus und Familie das deutsche
Volk seine Kulturblüte zum größten Teile verdankt , etwa keine
vollwertigen Persönlichkeiten ? Bestand nicht gerade der höchste Wert
dieser Persönlichkeiten in der bewußten Selbstbeschränkung , mit der
sie sich auf diejenigen Aufgaben zurückzogen , die ihnen als den
Müttern der neuen Generation zukamen , und für welche sie ge-
eignet waren ? Haben sie auf diese Weise nicht einen unendlich viel
größeren und segensreicheren politischen Einfluß auf ihr Volk
und seine Kultur ausgeübt , als wenn man sie schon vor Jahr-
zehnten ihrem eigentlichen Wirkungskreise entfremdet und
in die Politik hineingestoßen hätte ! – Gerade in der Arbeitsteilung
sieht man doch im heutigen Kulturleben die sicherste Bürgschaft
für den Fortschritt ; warum will man denn das biologische Grund-
gesetz der Arbeitsteilung der Geschlechter umstoßen und aus der
guten Hausfrau und Mutter eine schlechte Politikerin machen ,
die ihr Hauswesen vernachlässigt , und aus dem willensstarken ,
wehrfreudigen Manne einen Weiberknecht , der nicht mehr imstande
ist , den Staat auszubauen und Heim und Vaterland zu vertei-
digen ? – Jm häuslichen und Familienleben liegen nicht nur die
Aufgaben der Frau , dort allein kann sie ihre weibliche Persönlich-
keit voll entfalten und den rechtmäßigen großen Einfluß auf
das Volksleben und indirekt auf das Staatsleben gewinnen , den
wir bisher an der deutschen Frau so hoch eingeschätzt haben . Das
politische Leben beruht auf dem Egoismus der Stände und dem
daraus hervorwachsenden politischen Kampfe , das Wesen der
Frau , der deutschen Frau , ist das Gegenstück zum Egoismus , der
Altruismus , die Sorge für die anderen , darum eignet sie sich
nicht für das politische Leben und würde in ihm ihre besten
Eigenschaften , ihr Herz , einbüßen .
Bisher steht die Frau außerhalb der politischen Parteien
und hat die Möglichkeit , unsere Kulturverhältnisse ohne die Vor-
eingenommenheit des Parteigängers nach nationalen und ethischen
Gesichtspunkten zu beurteilen und zu beeinflussen . Wir haben
Preß- und Redefreiheit , Versammlungs- und Petitionsfreiheit
auch für das weibliche Geschlecht , und Tausende von Frauen
haben durch Kongresse , Resolutionen , Petitionen und durch di-
rekte Fühlungnahme mit den Behörden heute bereits einen so
großen Einfluß auf die Regierungen und Parlamente gewonnen ,
daß diese ihnen oft schon mehr zu Willen sind , als sich das mit
einer gesunden Entwicklung verträgt . Fräulein Paula Müller ,
die Vorsitzende des Deutsch-evangelischen Frauenbundes , stellt im
Novemberheft der „ Frau “ 1912 in ihrem Zusammenstoß mit
Fräulein Helene Lange folgendes fest : „ Einige Frauen haben
auf die Gestaltung der Mädchenschulreform einen größeren Ein-
fluß als Sachverständige ausgeübt , als es ein oder zwei weibliche
Abgeordnete hätten tun können . Und weil mir die heutige Ver-
tretung der Fraueninteressen am Herzen liegt , so glaube ich , daß
wir mehr dadurch gewinnen , wenn wir die kommissarische Ver-
wendung der Frauenkraft , die Einstellung weiblicher Hilfsar-
beiter in diesem oder jenem Dezernat befürworten , die ohne Ver-
fassungsänderung möglich ist , als daß wir Forderungen erheben ,
die eine solche zur Voraussetzung haben . “ Der Einfluß der
Frauenbewegung in unserem sozialen Leben ist nicht nur auf
dem Schulgebiete sondern auf allen Gebieten , wo Frauen ernstlich
mitarbeiten , ein so großer , daß es , wie auch Frl. Müller einsieht ,
sehr fraglich ist , ob durch Einführung des Frauenstimmrechts der
rechtmäßige , gute Fraueneinfluß auf das politische Leben eine
Verstärkung erfahren würde . Der in die Parteibataillone ein-
gereihte Staatsbürger verliert gewissermaßen seine politische
Persönlichkeit , sein eigenes freies Urteil und sinkt herab auf den
Wert einer Nummer , die an sich von unendlicher Bedeutungs-
losigkeit nur noch ein willenloses Atom der in den Händen der
Führer befindlichen Masse vorstellt . Und wo bleibt der Einfluß
der Minderheiten , deren Wille im Parlament überhaupt nicht zur
Geltung kommt ? – Die Parteityrannei veranlaßt nicht wenige
unserer besten Männer , sich von der offiziellen Politik fernzuhalten
und freiwillig die Vorzugsstellung der Frauen einzunehmen , denen
niemand den indirekten , aber oft sehr großen Einfluß der eigenen
objektiven Meinungsäußerung rauben kann .
Die Schliche und Kniffe , die Roheiten und Kämpfe des po-
litischen Lebens können nur verderblich auf die Lauterkeit der
weiblichen Einzelpersönlichkeit wirken . Die englischen Suffra-
gettes liefern dafür den besten Beweis . Darum hat Professor
Delbrück recht , wenn er sagt : „ Welch eine verhängnisvolle Jllu-
sion , daß unsere Frauenrechtlerinnen sich einbilden , ihr Geschlecht
zu heben , indem sie ihm die Arena der Politik eröffnen ! “
Mit der Vervollkommnung der weiblichen Einzelpersönlichkeit
durch die politische Tätigkeit ist es ein für allemal nichts , und
es fragt sich nun weiter : „ Welche Wandlungen werden die Frauen
als Gattinnen und Mütter , werden Ehe und Familie durch das
Frauenstimmrecht erfahren ? “ –
Die natürliche instinktive Abneigung der Frauen und
Mütter gegen die von den Ledigen aufgebrachte Stimmrechts-
forderung ist im Grunde schon ein vernichtendes Urteil . Die
Hausfrauen sehen an dem Beispiel ihrer Gatten , welche beson-
dere Belastung die durch ihren Beruf schon stark beanspruchten
Männer sich auferlegen müssen , wenn sie sich aktiv an der poli-
tischen Tätigkeit beteiligen wollen , welche Summe von Zeit und
Kraft sie ihrer Familie entziehen müssen , um ihre Schuldigkeit
als Staatsbürger voll zu erfüllen . Da erfaßt die Frau ein berech-
tigtes Grauen vor einem künftigen Zustande , wo beide , Mann
und Frau , die Familie im Stich lassen und in die politischen Ver-
sammlungen gehen . Was sollte da aus der leiblichen und geistigen
Pflege unserer Kinder werden , welche gründliche Zerstörung
deutschen Familienlebens müßte die Folge sein ! – Da hilft auch
die Ausrede nichts , daß ja keine Frau gezwungen würde , am
politischen Leben teilzunehmen . Wenn einmal das Frauenstimm-
recht eingeführt ist – das bezeugen heute schon die dänischen Fa-
milienmütter – dann werden die Hausfrauen schon durch die
Unmöglichkeit , den radikalen Ledigen das ganze politische Feld
zu überlassen , gezwungen , ihren Widerwillen zu überwinden und
zum Wahllokal zu gehen . – Vermutlich würden die meisten Ehe-
frauen sich in ihren politischen Meinungen denen der Männer
anschließen , und es würde dann beim Frauenstimmrecht nichts
weiter herauskommen als eine Verdopplung der Stimmen , die
besonders den radikalen Parteien zugute käme , die ihrer Frauen
ganz sicher sind . Oder aber die Frauen sind echte Rechtlerinnen
von eigener Ueberzeugung , und dann werden sie den ehelichen
Frieden in der stärksten Weise stören . – Man erkennt : Eine
normale Ehefrau konnte unmöglich auf den Gedanken des Frauen-
stimmrechts kommen , er konnte nur dem Kopfe der selbständigen
Ledigen entspringen . Von dem gewaltigen politischen Einfluß ,
welchen die Ehefrauen und Mütter durch ihre erziehliche
Einwirkung auf die heranwachsende Generation ausüben , von
der wahren , echten Mütterlichkeit im Staatsleben erzählt uns in
ergreifender Weise das Erhebungsjahr 1813 , dessen Jubelfeier
wir begehen . Aus 15jährigen Knaben machte die hinreißende
vaterländische Glut tapferer preußischer und deutscher Mütter
über Nacht Männer und Helden , die freudig hinauszogen in
Kampf und Tod fürs Vaterland . Dieser Art von Müttern
wünschte Bismarck einst einen größeren politischen Einfluß ; an
das Frauenstimmrecht hat er bei ihnen gewiß nicht gedacht .
Es erhebt sich weiter die Frage : Wie ist das Frauenstimm-
recht vom Standpunkte der Kirche , der Gemeinde und des Staates
zu beurteilen ? – Es gibt heute unter uns schon zahlreiche Geist-
liche und Laien , die sich von einer Teilnahme der Frauen an den
kirchlichen Wahlen viel Gutes für die Kirche versprechen und vor
allem der Meinung sind , daß es ein Gebot der Gerechtigkeit sei ,
den Frauen als den fleißigsten Kirchgängern auch die entsprechenden
kirchlichen Rechte zu gewähren . Allgemein ist dazu zunächst zu
sagen : Wenn der Persönlichkeitswert des einzelnen und die Jdee
der Gerechtigkeit für alle Staatsangehörigen die politische Betä-
tigung und das Stimmrecht erforderte , so würde es z. B. von
seiten des Staates eine schreiende Ungerechtigkeit sein , daß er
seinen Offizieren , die als Persönlichkeiten in allgemeiner höchster
Wertschätzung stehen , dieses Menschenrecht vorenthält und sie so ,
wie die Frauenrechtlerinnen sich auszudrücken pflegen , zu Bürgern
zweiter Klasse macht . Aehnlich könnte man im Hinblick auf die
farbige Bevölkerung unserer Kolonien argumentieren . Es ist
eben immer wieder zu betonen , daß das Prinzip der formalen Ge-
rechtigkeit und des Persönlichkeitswertes in Stimmrechtsfragen
nicht von entscheidender Bedeutung ist , sondern vielmehr die Frage
nach der Zweckmäßigkeit und den Konsequenzen für das Staats-
leben . – Wenden wir uns nun zum kirchlichen Stimmrecht ! Zu-
nächst ist zu betonen , daß es nicht die wirklich stillen kirchlichen
Frauen sind , von denen die Forderung des kirchlichen Wahl-
rechts erhoben wird . Es sind gerade im Gegenteil solche Frauen ,
die großenteils sich um die Kirche wenig kümmern und das kirch-
liche Stimmrecht nur als Vorstufe zu weiteren Rechten betrachten .
– Sie wissen recht wohl , daß auch die kirchlichen Wahlen , besonders
in den Städten , zu elenden Parteikämpfen politischer Natur ent-
artet sind . – Leider hat sich , wie schon oben bemerkt , die liberale
Theologie des kirchlichen Frauen-Stimmrechts und des Frauen-
Stimmrechts überhaupt freundlich angenommen , weil sie von den
radikalen Stimmrechtlerinnen eine Stärkung des kirchlichen Libe-
ralismus erwartet . Jn der Landeskirchlichen Rundschau schreibt
eine Frau zu diesem Thema : „ Warum wollen denn eigentlich die
Frauenrechtlerinnen kirchliche Rechte ? Warum auch die Radikalen
unter ihnen , die in der Kirche doch nur eine Einrichtung sehen , die
sich längst überlebt hat , und die je eher , desto lieber eigentlich auf-
gelöst werden müßte ? – Sie wollen sie , weil es für sie die erste
Stufe bedeutet zur Erlangung weiterer Rechte , und hat man sich
daran gewöhnt , sie solche ausüben zu sehen , so wird man bald
nichts mehr darin finden , daß sie das kommunale Wahlrecht er-
streben . Und von diesem bis zum politischen , dem höchsten Ziel
und Wunsch jeder Frauenrechtlerin , kann es dann nicht mehr gar
so weit sein . “ – Wir sahen schon oben , daß die konfessionellen
Frauenvereine , wenigstens in ihren Führerinnen , diesen Ent-
wicklungsgang bereits zurückgelegt und den einen Fuß schon auf
die letzte Stufe gesetzt haben , indem sie zwar zunächst das poli-
tische Stimmrecht nicht fordern , es aber auch nicht prinzipiell
ablehnen . Man sei nun Gegner oder Freund des kirchlichen
Frauenstimmrechts , ganz zu verwerfen ist jedenfalls die Stellung-
nahme eines bekannten Theologen , der seinen Uebergang in das
Stimmrechtslager damit begründet , daß ihm , dem früheren Geg-
ner , von den verschiedensten Seiten das Stimmrecht nicht nur als
diskutabel , sondern als unvermeidlich bezeichnet sei ; auch müsse
er sich sagen , es kommt , du magst dazu stehen , wie du willst , und
so habe er sich entschlossen , seinen Einspruch fallen zu lassen . Das
nennt man zu Deutsch : sich ins Unvermeidliche schicken , d. h. die
bessere Ueberzeugung aus oppurtunistischen Motiven aufgeben .
Daß das kirchliche Frauenstimmrecht von den meisten seiner Be-
fürworter als die erste Staffel zur Erreichung der vollen Gleich-
berechtigung angesehen wird , dafür spricht schon die Entwicklung
des Deutsch-evangelischen Frauenbundes , der im verflossenen
Jahre zum ersten Male ernstlich auch mit der Forderung des
kommunalen Wahlrechts hervorgetreten ist , als man des kirch-
lichen so ziemlich sicher zu sein glaubte und den Anschluß beim
Bunde deutscher Frauenvereine nicht verpassen wollte . Man be-
gründet das neue Verlangen damit , daß die im Gemeindedienst
als Armen- und Waisenpflegerinnen oder sonst tätigen Frauen
ihre Pflichten besser erfüllen könnten , wenn sie zur Teilnahme an
den Kommunalwahlen zugelassen würden . Frau von Meerheimb
hat in der Versammlung des Bundes zur Bekämpfung der Frauen-
emanzipation in Berlin am 3. November 1912 diese Ansicht auf
Grund eigener Erfahrungen schlagend widerlegt . Auch hier
kommt es darauf hinaus , daß nach dem von Fräulein Lange ge-
gebenen Rezept die Frauen die Pflichten aufsuchen , um damit
einen Anspruch auf die damit zusammenhängenden Rechte zu ge-
winnen . Es dürfte vielleicht an der Zeit sein , diese egoistischen
ungerufenen Helfer einfach zurückzuweisen , da eine Arbeit , welche
aus solchen Motiven heraus übernommen wird , unmöglich eine
gesegnete sein kann . Um die Forderung des kommunalen Wahl-
rechts in milderem Lichte erscheinen zu lassen , behaupten die Füh-
rerinnen des Deutsch-evangelischen Frauenbundes , das kommu-
nale Wahlrecht sei kein politisches . Wer aber die Kommunal-
wahlen aus eigener Praxis kennt , bezweifelt keinen Augenblick
deren politischen Charakter . Wer weiter bedenkt , daß unter allen
Parteien die Sozialdemokratie allein das Frauenstimmrecht
unbedingt fordert und ihrer Frauenbataillone vollkommen sicher
ist , und daß andererseits die radikale Frauenbewegung mit der
Sozialdemokratie auf das lebhafteste sympathisiert , wie das ihre
Presse stets von neuem beweist , dem wird die außerordentliche
Gefahr zum Bewußtsein kommen , die darin liegt , daß das kommu-
nale Wahlrecht der Frauen wahrscheinlich in aller Kürze sämt-
liche Stadtvertretungen in sozialdemokratische Hände bringen
würde . Dieser Gefahr gegenüber treten sogar die mutmaßlichen
Störungen im Familienleben in zweite Linie zurück . Wer diese
Zusammenhänge durchdenkt , wundert sich nicht mehr über die
Massenversammlungen der Sozialdemokratie zugunsten des
Frauenstimmrechts und über den in ihrer Presse immer heftiger
erschallenden brutalen Ruf : Her mit dem Frauenstimmrecht ! –
Daß das kommunale Wahlrecht die unmittelbare Vorfrucht des
politischen sein würde , ergibt sich mit Sicherheit aus der Ent-
wicklung der Stimmrechtsbewegung in andern Ländern . Noch
kürzlich hat der dänische Premierminister die Forderung des po-
litischen Frauenstimmrechts damit begründet , daß es eine Sinn-
losigkeit sei , Personen , die bereits im Besitz des kommunalen Wahl-
rechts seien , das politische Wahlrecht vorzuenthalten . Wer diese
Dinge übersieht , muß sich höchlichst erstaunen , daß freikonservative
Abgeordnete in den Frauenstimmrechtsvereinen das politische
Frauenstimmrecht bekämpfen und zugleich das kommunale in
Aussicht stellen . Diese Ergüsse werden dann auch von den Damen
mit Schmunzeln entgegengenommen , ihnen sind die Zusammen-
hänge besser bekannt als jenen sich konservativ nennenden Herren .
Daß das Suffragettentum in England trotz seiner verbrecherischen
Ausschreitungen schließlich den Sieg erringen wird , ist darum sehr
wahrscheinlich , weil ein großer Teil der englischen Frauen schon
seit längerer Zeit das Gemeindewahlrecht besitzt , wodurch ganz im
Sinne des dänischen Premierministers ein ständiger Druck in der
Richtung auf die Ergänzung durch das politische Wahlrecht ausge-
übt wird .
Wie würde der Staat selbst – so fragen wir weiter – durch
die Einführung des Frauenstimmrechts beeinflußt werden , wie
stände es um seine Großmachts- und Weltstellung ? – Es be-
steht kein Zweifel darüber , daß der Feminismus durchaus
wesensverwandt ist mit der Friedensbewegung , dem Antimilitaris-
mus und dadurch mit der Sozialdemokratie . Die nationalen
Kräfte würden in den Zeiten des Frauenstimmrechts noch viel
stärker als heute von jenen unreifen kosmopolitischen , internatio-
nalen Jdeen paralysiert werden ; eine Großmachts- und Weltmachts-
politik ist unter der Herrschaft des Frauenstimmrechts ebenso
wenig möglich , wie unter der des Proletariats , am wenigsten
bei uns in Deutschland , wo beide gemeinsam uns das Mark aus-
saugen würden . – Aehnliche Gedankengänge sind es auch , welche
den liberalen englischen Premierminister Asquith zu einem er-
bitterten Gegner des Frauenstimmrechts machen . Es geht dabei ,
wie man nun allmählich erkennt , um nichts Geringeres als um
Englands Weltmachtstellung .
Jch füge ein Wort von Wolfgang Eisenhart in der liberalen
Münchener Allgemeinen Zeitung hinzu :
„ Man sehe sich doch auch einmal das Problem der Frauen-
frage vom Standpunkte des Staates an ! Würde dieser durch das
Eindringen der Frauen in die obrigkeitlichen Aemter oder gar
durch deren Beteiligung an der Politik , dank dem auch ihnen ver-
liehenen Wahlrechte , gewinnen an Kraft und Festigkeit , an Macht und
Autorität ? Würde seine Politik gegen das Ausland durch die Be-
teiligung der Frauen am öffentlichen Leben kraftvoller , ent-
schlossener , schneidiger werden ? Man klagt so oft , daß unsere
Politik der nachbismarckischen Zeit es gegen die Feinde im Aus-
lande wie im Jnlande an bewußter Kraft , an Entschlossenheit und
Schneidigkeit fehlen lasse , daß sie zu vieles hinnehme , wo sie
mutig reagieren sollte . Würden diese Uebelstände beseitigt werden ,
wenn die Frauen sich an der Politik beteiligten ? Würde nicht viel-
mehr ihr Einfluß ein schwächliches Bestreben bedeuten , den Frieden
um jeden Preis aufrecht zu erhalten ? Die Politik am aller-
meisten kann nur geführt werden mit männlichen Mitteln , mit
männlichem Scharfsinn und männlicher Entschlußkraft , mit jenem
den Frauen fernliegenden , weit ausholenden konstruktiven Sinne ,
der mit einer weiten Zukunft rechnet , endlich aber auch in den
entscheidenden Stunden des Völkerlebens mit jenem kühnen
männlichen Wagemute , wie ihn ein Friedrich der Große und Bis-
marck besaß , vor dem aber eine Frau immer wieder zurückschrecken
wird . “
Man mag der logischen Gründe gegen das Frauenstimm-
recht noch so viele beibringen , seine Anhänger werden nicht so bald
überzeugt werden , weil sie in ihrem Raisonnement von ganz an-
dern Gefühlsgrundlagen ausgehen . Darum gibt es auch im letzten
Grunde , wie in allen Parteifragen , keine andere wirkliche Ent-
scheidung als die durch die Erfahrung . – Wir fragen darum : Wie
hat sich das Frauenstimmrecht da , wo es besteht , bewährt ? – Man
sollte denken , da müßte es ein Leichtes sein , zu einem festen und
sicheren Resultate zu kommen . Aber auch an dieser Stelle sind die
Frauen durch ihre Presseherrschaft im Vorteil ; die für sie gün-
stigen Urteile laufen durch Hunderte von Zeitungen , während die
abträglichen schnell abgetan oder totgeschwiegen werden . Einige
Beispiele mögen hier genügen . Jm vorigen Jahre veröffentlichte
ich in den „ Hamburger Nachrichten “ die Uebersetzung eines
Briefes , den Lady Glasgow an den Herausgeber der Times ge-
richtet hatte . Diese Dame , die Gattin desjenigen Gouverneurs
von Neuseeland , der seinerzeit die Frauenstimmrechtsbill unter-
schrieben und eingeführt hat , bezeugte in ihrem Briefe , daß viele
bedeutende Frauen und Männer in Neuseeland , die beim Zu-
standekommen jenes Gesetzes eifrig mitgewirkt hätten , heute mit
Freuden bereit wären , dieselbe Arbeit noch einmal aufzuwenden ,
damit das Gesetz wieder aufgehoben würde . Lady Glasgow über-
gab diesen Brief der Öffentlichkeit , um ihr Vaterland England
vor dem Schicksale Neuseelands zu bewahren , und wir Deutschen
hätten wohl allen Grund , aus solchen ernsten Warnungen unsere
Lehren zu ziehen . Aber dieses doch gewiß nicht uninteressante
Schreiben ist von der deutschen Presse sorgfältig totgeschwiegen ;
einige Zeitungen , denen ich es zusandte , haben es mir unbenutzt
zurückgegeben .
Etwas größere Beachtung haben späterhin die in der Lon-
doner Zeitschrift „ Nineteenth Century and After “ von Mrs .
Edith Sellers veröffentlichten Beobachtungen aus Finnland ge-
funden . Ueber die Erkundigungen , die sie bei Männern und
Frauen Finnlands eingezogen hat , bemerkt sie folgendes :
„ Nach dem Urteil dieser Männer und Frauen aus Stadt
und Land und aus den verschiedenen Kreisen des Volkes hat ,
seitdem das Frauenstimmrecht in Kraft getreten , ein recht großer
Teil der in den Städten Finnlands wohnenden Frauen viel von
dem eingebüßt , was man natürliches Gefühl für Vernunft und
Billigkeit nennen könnte . Sie sind jetzt so hitzig auf ihre Rechte
versessen , daß sie gar zu leicht vergessen , daß andere Leute auch
Rechte und daß sie selbst auch Pflichten haben . Sie haben auch
an innerem Gleichgewicht verloren ; die Politik ist ihr ein und
alles , und sie haben für keinen anderen Gedanken Raum , abge-
sehen etwa von der Frauenbewegung . Glücklich scheinen sie sich
nur noch in der Volksversammlung zu fühlen , wenn sie politischen
Erörterungen lauschen oder , noch besser , sie selbst vortragen
können . Keine politische Frage ist so verwickelt , daß sie nicht im
Handumdrehen mit ihr fertig würden ; sie finden im Augenblick
Lösungen für Fragen , über die Staatsmänner jahrelang umsonst
nachgedacht haben . Bei der geringsten Herausforderung unter-
nehmen sie Vortragsreisen durch das Land .
Sie haben viel mehr Lust dazu , draußen in der Welt als im
Hause zu wirken ; das häusliche Leben hat tatsächlich alle An-
ziehungskraft für sie verloren . Lieber arbeiten sie den ganzen
Tag auf einem Bureau , als daß sie ein paar Stunden darauf ver-
wenden , ihr eigenes Haus in Ordnung zu bringen . Einige von
ihnen gehen so weit , zu behaupten , daß es sich für sie als Voll-
bürgerinnen besser zieme , Eisenbahnfahrkarten auszugeben als
ihrer Kinder zu warten . Denn Kinder gelten in diesen Kreisen
heutigentags nicht viel ; vielmehr gewinnt die Ansicht schnell an
Boden , sobald die Kinder geboren seien , liege es dem Staate und
nicht den Müttern ob , sich um sie zu kümmern . Es gibt keine
Arbeit außer dem Hause , die sie nicht , selbst für Hungerlohn oder
ganz umsonst , zu übernehmen bereit sind . Sie gönnen sich tat-
sächlich niemals Ruhe , sondern sind früh und spät unterwegs ,
natürlich zum Schaden ihrer Nerven und damit ihrer Gesund-
heit und vieler anderen Dinge . “
Es sei hinzugefügt , daß die Mehrzahl der im finnischen
Landtage sitzenden weiblichen Abgeordneten Sozialistinnen sind ,
ein deutlicher Hinweis darauf , welche Partei auch bei uns den
Vorteil des Frauenstimmrechts einheimsen würde . Wer sich für
die im einzelnen in der Stimmrechtsfrage im Auslande gemachten
Erfahrungen interessiert , der findet das Gesuchte in einem Aufsatze
von Professor Sigismund in der Februar-Nummer des Monats-
blattes , welches der Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzi-
pation herausgibt .
Ein drittes Dokument gegen das Frauenstimmrecht möchte
ich noch erwähnen , das einen besonders starken Eindruck zu
machen geeignet ist . Eine Dame aus Colorado , Mrs. Francis
Goddard , veröffentlichte in „ Ladies Home Journal “ folgende Er-
klärung :
„ Jch habe mein Stimmrecht seit 1893 ausgeübt ; ich bin als
Delegierte auf Stadt- und Staats-Konventionen geschickt worden
und war Mitglied des republikanischen Staatskomitees meines Be-
zirks . Jahrelang glaubte ich an das Frauenstimmrecht und habe
Tag und Nacht dafür gearbeitet und würde mein Unrecht gut
machen , wenn ich es noch könnte . Die Frauen haben in Colorado
kein Gesetz veranlaßt , das irgendwie einen Vorteil für die Frauen
und Kinder bietet . Was die wahlberechtigten Frauen selbst an-
geht , so habe ich eine Unmenge von Frauen gekannt , die in einem
Jahre für die republikanische und im nächsten Jahre für die de-
mokratische Partei arbeiteten , indem sie erklärten , daß die demo-
kratische besser bezahle . Das ganze Frauenstimmrecht ist ein
Fehlschlag . Es hat im Staate Colorado nichts Gutes geschaffen ,
auch für die Frauen nicht . Das Beste wäre für beide , wenn das
Gesetz morgen abgeschafft würde . “ Zahlreiche Lobeshymnen auf
das Frauenstimmrecht , die von Politikern ausgehen , die nach Ein-
führung desselben von den weiblichen Wählern abhängig sind ,
wiegt ein einziges solch reuevolles Bekenntnis einer früheren
Stimmrechtlerin wie Mrs. Goddard auf . Der nachdenkliche
Deutsche darf an solchen Zeugnissen nicht achtlos vorübergehen ;
diese Gedankenlosigkeit könnte ihm teuer zu stehen kommen und
ihm später ähnliche Seufzer auspressen wie jener amerikanischen
Dame , die den Mut hatte , ihren Jrrtum einzugestehen und ihr
eigenes Lebenswerk zu verwünschen .
3. Der Kampf gegen das Frauenstimmrecht .
Jch glaube nachgewiesen zu haben , daß das Frauenstimm-
recht für jedes Land und besonders für Preußen und Deutsch-
land ein nationales Unglück bedeutet , und komme nun zu der
Frage : Wie ist das heranrückende Frauenstimmrecht zu bekämpfen ,
und wie ist die irregeleitete Frauenbewegung in richtige Bahnen
zurückzuführen ? –
Was den ersten Teil dieser Frage betrifft , so stehen sich da
zwei Meinungen gegenüber , eine optimistische und eine pessi-
mistische . Die Optimisten – im allgemeinen diejenigen , die sich
um die bisherige Entwicklung wenig gekümmert haben – sagen
uns : Was wollt ihr denn eigentlich ? Bei uns in Deutschland
existiert diese Gefahr ja doch kaum , wir sind doch nicht in England .
Die paar Wahlweiber werden doch nicht unsere gesamten Verhält-
nisse auf den Kopf stellen können ! Das deutsche Volk in seiner Ge-
samtheit denkt garnicht an das Frauenstimmrecht . Die andern ,
die Pessimisten , die man auch die Wissenden nennen könnte , sagen
im Gegensatz dazu : Es ist nichts mehr zu retten ; diese große
internationale Bewegung ist euch bereits über den Kopf gewachsen ,
der ganze feminine Zeitgeist , die Regierungen , die Volksver-
tretungen , die Jnteressen der Väter und Brüder erwerbstätiger
Mädchen , die Mädchenschulleute , die Vertreter der Universitäten ,
der demokratische Zug der Zeit , alles begünstigt diese Entwick-
lung , der ihr ohnmächtig erliegen müßt . Beide extreme Mei-
nungen enthalten etwas Richtiges . Die Pessimisten haben recht
darin , daß die heutige Gefahr bereits ungeheuer groß ist ; die Ent-
wicklung in den nordischen Ländern und in England zeigt das
mit erschreckender Deutlichkeit . Unsere Rechtlerinnen befinden sich
denn auch trotz ihrer winzigen Zahl in einem förmlichen Sieges-
taumel . Jm „ Frauenstimmrecht “ , dem Organ des Deutschen Ver-
bandes für Frauenstimmrecht , heißt es im Februarheft 1913 : „ Die
Stimmrechtsbewegung der Frauen hat unbestreitbar einen ge-
waltigen Höhepunkt erreicht . Sie steht nahe vor dem Siege auf
der ganzen Linie . “ Die Siegesgewißheit gründet sich aber weni-
ger auf das Bewußtsein von der Güte der eigenen Sache und des
Vollgefühls der Kraft als auf das Vertrauen in die Saum-
seligkeit der Gegner und auf die politischen Parteien , welche seit
der Zulassung der Frauen zu den politischen Vereinen den Versuch
unternehmen , sie vor den Parteiwagen zu spannen , und denen all-
mählich die Zügel aus den Händen gleiten . Um die Posse fertig
zu machen , hat sich jetzt auch in Deutschland eine der inter-
nationalen Männerliga für Frauenstimmrecht angeschlossene Ver-
einigung deutscher Männer aufgetan , die sich die Verweiberung
des deutschen Volkes als Ziel gesteckt hat . Der Pessimismus ist
also nur allzu berechtigt . Aber die Wahrheit liegt schließlich doch
auch hier in der Mitte . Auch die Optimisten haben recht , wenn
sie darauf Hinweisen , daß das deutsche Volk und vor allem seine
Frauen von Emanzipation und Frauenstimmrecht im Grunde
nichts wissen wollen . Zwar wurden die Millionen von stillen
Frauen im Lande bisher in den Versammlungen nicht gehört und
meldeten sich in der Presse nicht zum Worte . Aber an diesem
Punkte muß der Hebel angesetzt werden . Es gilt die großen
Scharen der Optimisten und Lauen unter den Männern und
Frauen aufzuklären über die gewaltige Größe der Gefahr und sie
zu sammeln zu einem mächtigen Heere , das sich der kleinen aber
stark gerüsteten und siegesfreudigen Armee der Rechtlerinnen
entgegengestellt und sie zurückwirft über die Grenzen , welche der
Frauenbewegung im Jnteresse der Volkswohlfahrt für ewige
Zeiten angewiesen bleiben müssen . Diese Aufklärungs- und
Sammlungsarbeit ist bei der fortgeschrittenen feministischen Ver-
seuchung keine leichte Sache – darin bin ich Pessimist – aber da-
neben denke ich optimistisch genug , dem deutschen Volke noch so viel
Manneskraft zuzutrauen , daß es sich dieser großen Aufgabe schließ-
lich gewachsen zeigen wird . Käthe Sturmfels darf nicht recht be-
halten , wenn sie sagt : „ Es ist wie ein Hohn , daß das männlichste
Volk dieser Erde , das deutsche , die Schmach erlebt , von seinen
Weibern dem Verfall entgegengeführt zu werden . Denn wenn
auch alle europäischen Völker am Weibe kranken , so sicher und so
bald wie das deutsche wird keins am Weibe verkommen . “ Diese
furchtbare Prophezeiung darf und soll nicht in
Erfüllung gehen ! – Den Gebildeten und Führenden im
Volksleben , vor allem den Regierungen und Volksvertretungen
muß dieses anklagende Wort so lange in den Ohren klingen , bis
sie den verhängnisvollen Optimismus der Nichtsahnenden und
den Pessimismus der Wissenden abschütteln . Sie müssen die Ge-
fahr gründlich studieren und ihr voll und bewußt ins Auge sehen
lernen , um ihr mit Kraft und Erfolg begegnen zu können . Den
Freunden der sog. gemäßigten Frauenbewegung , die heute be-
sonders von den konfessionellen Frauenverbänden repräsentiert
wird , muß die verhängnisvolle Umwälzung zum Bewußtsein
kommen , die in der beginnenden Politisierung der Frau liegt ,
welche der Bund deutscher Frauenvereine neuerdings auf seine
Fahne geschrieben hat . Jnsbesondere sind die Angehörigen der
gemäßigten Parteien davon zu überzeugen , daß das Frauen-
stimmrecht als ultrademokratische Forderung die so viel und mit
Recht gefürchtete Demokratisierung unseres politischen Lebens mit
einem Schlage zur Wirklichkeit machen würde , und daß es be-
kanntlich ein „ Zurück “ auf diesem Wege zum Abgrund nicht gibt .
– Wie soll dieses Ziel erreicht werden ? – Die radikale Frauen-
bewegung kann nur mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden .
Wir müssen in ausdauernder , geduldiger Arbeit die Presse und die
öffentliche Meinung zurückgewinnen . Wir dürfen dessen gewiß
sein , daß wir die Sache der Vernunft und der nationalen Wohl-
fahrt verfechten . Tun wir unsere Schuldigkeit , dann wird sich
der alte treue deutsche Familien- und Volksgeist , dessen Jdeale
wir verfechten , auf unsere Seite stellen und uns den Sieg er-
ringen .
Als Wähler haben wir den Parteiführern und Abgeordneten ,
die aus Parteiegoismus , ohne zu wissen , was sie tun , das frevle
Spiel mit den Frauenrechtlerinnen begonnen haben , zu der Ein-
sicht zu verhelfen , daß jede bürgerliche Partei , welche
die sozialdemokratische Frauenstimmrechts-
forderung vertritt , damit ihr eigenes Grab
gräbt , weil sie sich dadurch mit der Mehrzahl der eigenen
Wähler in Widerspruch setzt und damit Uneinigkeit und Er-
bitterung in den eigenen Reihen schafft und den internationalen
Feinden der nationalen Entwicklung neues Wasser auf ihre
Mühlen trägt . Die Parteihäupter müssen erkennen , daß die
Frauenstimmrechtsforderung die giftigste Blüte am Baume des
Demokratismus ist , und daß alle bürgerlichen Parteien in ihrem
eigensten Jnteresse wohl daran tun , die Frucht , an der sie zu
Grunde gehen müßten , nicht zur Reife kommen zu lassen .
Die Regierungen müssen die Gefahren erkennen , welche die
zunehmende Politisierung der Frau für den Staat heraufbeschwört ,
und sich denselben bewußt und konsequent entgegenstemmen . –
Es ist hier mit aller Energie darauf hinzuweisen , daß man nicht
ein Freund der Emanzipation und ein Gegner der Politisierung
der Frau sein kann . Die vollzogene Emanzipation hat als not-
wendige Konsequenz die Politisierung . Darum dürfen wir nicht ,
wie in Norwegen , den Frauen sämtliche Studien , Examina und
Staatsämter freigeben , sondern müssen sie nach wie vor auf die
innerhalb der weiblichen Sphäre liegenden Berufsarten ver-
weisen , zu denen ich auch die der Oberlehrerin und Aerztin rechne .
Ausgeschlossen bleibe die Frau von allen Aemtern , die ihr staat-
liche Hoheitsrechte , ein Recht der Herrschaft und Disziplinar-
gewalt über den Mann verleihen würden . – Nachdem man in
England weibliche Bürgermeister zugelassen hat , wird man dort
dem politischen Frauenstimmrecht schwerlich entgehen .
Die Frauenrechtlerinnen haben seit Jahr und Tag in Ver-
sammlungen und Kongressen die hochtönendsten Reden gehalten
über die gewaltige Mission der Frauenbewegung auf den Gebieten
der Volkswohlfahrtspflege . Es soll nicht geleugnet werden , daß
die alte gesunde Frauenbewegung sich durch selbstlose treue Hilfs-
arbeit auf diesem Felde große Verdienste erworben hat . Aber auf
einigen Gebieten tritt neuerdings der alte politische Pferdefuß um
so stärker hervor . Jch erinnere beispielsweise an die Frage der
weiblichen Schöffen , an den Eifer der radikalen Frauenbewegung ,
sich der weiblichen Jugendpflege und damit der Jugend zu be-
mächtigen , und schließlich die Stellung zur Antialkoholbewegung .
Diese letztere versucht man ganz besonders im frauenrechtlerischen
Sinne auszunützen . Und leider Gottes sind viele Temperenzler ,
besonders die vom „ Vortrupp “ , schon der Meinung , daß wir ohne
Frauenstimmrecht in Deutschland des Alkohols nicht Herr werden
würden . Das wäre allerdings das traurigste Zeugnis , das die
deutschen Männer sich selbst ausstellen könnten , wenn sie , um den
einen Herrn loszuwerden , sich dafür einen schlimmeren ein-
tauschen und sich unter die Fuchtel der Frauen begeben müßten ,
wenn die Alkoholherrschaft nur durch die Weiberherrschaft be-
seitigt werden könnte . – Jene alkoholfeindlichen , frauenfreund-
lichen Herren mögen sich überlegen , daß nur der Mann selbst diesen
Kampf durchführen kann und in Deutschland schon führt . Sie
mögen vor allem bedenken , daß das Frauenstimmrecht , wie die
Stimmrechtsländer Australien , Neuseeland und die amerikanischen
Staaten beweisen , überhaupt keinerlei Erfolge im Kampfe gegen
den Alkohol aufzuweisen hat . Jn Neuseeland z. B. stieg seit der
Zeit des Frauenstimmrechts von 1893-1910 die Zahl der Be-
strafungen wegen Trunkenheit um 53 pCt. , während sie in der-
selben Zeit in Großbritannien um 19 pCt. abnahm . – Jnsbe-
sondere ist bei uns in Deutschland dahin zu wirken , daß der Ver-
ein gegen den Mißbrauch der geistigen Getränke , dem Tausende
von Männern angehören , sich nicht zum Vorspann für die politi-
schen Frauenbestrebungen mißbrauchen läßt , und daß er die Ver-
bindung mit dem Bunde deutscher Frauenvereine , der das Frauen-
stimmrecht erstrebt , aufhebt . Den Mitgliedern des Bundes gegen
die Frauenemanzipation ist jedenfalls heute die Mitgliedschaft in
jenem Verein unmöglich gemacht , und sie täten wohl daran , einen
Männerverein dieser Art zu begründen .
Man hat dem Bunde zur Bekämpfung der Frauenemanzi-
pation in letzterer Zeit häufig den Vorwurf gemacht , es fehle ihm
an positiven Zielen , er betone der Frauenbewegung gegenüber zu
sehr die Negation , den Kampf . Dabei enthält unser Programm
die Zusage , daß wir die Bestrebungen einer gesunden unpolitischen
Frauenbewegung unterstützen wollen . Aber man versteht unter
den positiven Leistungen noch etwas Besonderes , das in den
Worten des Programms nicht ausdrücklich enthalten ist , nämlich
die Verstärkung des guten , berechtigten Fraueneinflusses
im Staatsleben , etwa durch kommissarische Heranziehung der Frauen-
organisationen zu Gutachten bei solchen Gesetzesvorlagen , welche
die Frauen besonders nahe angehen . Wir würden gerne bereit
sein , einer solchen Verwendung der Frauenkraft im Staatsleben
das Wort zu reden , wenn man uns die Sicherheit gäbe , daß diese
Arbeit solchen Frauenorganisationen anvertraut würde , die in der
Tat ganz frei von stimmrechtlerischen Elementen sind . Andern-
falls würde bei einem solchen Entgegenkommen der Bock zum
Gärtner gemacht ; wir würden unsere eigenen Totengräber
werden und der Frauenemanzipation zu einem raschen Siege
verhelfen .
Noch ein Wort über unsern Bund . Zwar sind wir noch eine
verhältnismäßig kleine Schar , und die Gegnerinnen prophezeien
uns mit anmaßlicher Sicherheit den baldigen Untergang , oder
was sie noch lieber tun , sie begrüßen unser Erscheinen als ein
freudiges Ereignis , nur geeignet , die Zahl ihrer Anhänger zu ver-
stärken . Aber einen wie großen Ansporn zu verdoppelten An-
strengungen unser Bund den Gegnerinnen auch gegeben haben
mag , weite Kreise sind auch in unserem Sinne erweckt worden
und fangen an , die Lage zu überdenken , die Gefahr zu erkennen
und sich am Kampfe zu beteiligen . Jn diesem Sinne ist es auch
ein Vorteil für den Bund , daß sich eine christlich-nationale Gruppe
dem Bunde angegliedert hat . Während der Bund seine Ziele
unter religiös-neutraler Flagge , auf ethisch-nationaler Grund-
lage erstrebt , verfolgt die christlich-nationale Gruppe denselben
Zweck unter stärkerer Betonung der christlichen Weltanschauung .
Auf diese Weise ist es dem Bunde möglich , alle Kreise an sich her-
anzuziehen und in gemeinsamer Arbeit , so Gott will , den Feind
niederzuringen . – Wir hoffen in diesem schweren Kampfe vor
allem auf die Umsicht und Voraussicht der Regierungen . Für eine
Regierung , welche die radikale Frauenbewegung wirklich erkannt
hat in ihrem Wesen und ihren Konsequenzen , welche sich davon
überzeugt hat , daß diese ultrademokratische Entwicklung geeignet
ist , unser Volksleben an der Wurzel zu treffen , Deutschlands
Groß- und Weltmachtsstellung und damit seine Zukunft zu ver-
nichten , für diese gibt es heute kaum eine wichtigere Aufgabe als
hier energisch einzugreifen und der Bewegung ein kategorisches
Halt zuzurufen . – Das Schicksal der englischen Regierung , die
Jahrzehnte lang mit der Frauenbewegung ihre Kompromisse ge-
schlossen hat und ihr jetzt auf Gnade und Ungnade verfallen zu
sein scheint , kann unsern Regierungen und Parteien noch als
rechtzeitig erschienenes Menetekel von Nutzen sein und ihnen
zeigen , wie die Frauenbewegung nicht behandelt werden muß .
Man sieht an dem englischen Beispiel , wie schwer es für vornehme
und ritterlich denkende Staatsmänner ist , den Ränken und
Schlichen unverantwortlicher Politikerinnen gewachsen zu bleiben .
Es ist scharfe Aufmerksamkeit und fester Wille nötig , um nicht
bei beständiger Liebenswürdigkeit und Nachgiebigkeit schließlich
Positionen aufzugeben , die das Schlachtfeld beherrschen und dem
Gegner den Sieg verbürgen . Jch möchte das vorhin zitierte Wort
von Käthe Sturmfels umprägen und sagen : Wenn auch alle
europäischen Völker am Weibe verkommen sollten , das deutsche
Volk , das männlichste Volk der Erde , an dessen Wesen noch die Welt
genesen soll , muß im heiligsten Jnteresse der Menschheit vor
diesem Schicksal bewahrt werden . – Das walte Gott !
Buchdruckerei Gutenberg ( Fr. Zillessen ) , Berlin C. 19 , Wallstr . 1718 .