5.
Einige Bemerkungen über die Berei-
tung und Zusammensetzung des
Brugnatellischen und Howard-
schen Knallsilbers.
(Vom Herrn Liebig, der Chemie Beflissenen
aus
Darmstadt Die Leser mögen diese erste Probe des experi-
mentellen
Fleisses eines jungen Chemikers mit
Nachsicht aufnehmen. Der Hr. Verf. widmete
sich der
Chemie bereits in Bonnmit achtungs-
werthem Eifer und setzte hier seine
Studien in
gleichem Geiste fort. Kastner).
Es scheint vielleicht überflüssig, zu den
vielen Vorschriften und Bereitungsarten die-
ses merkwürdigen Salzes noch eine neue hin-
zuzufügen; allein die älteren Angaben sind
mehr oder weniger unbestimmt und unsicher,
so, dass wenn man darnach arbeitet, ohne be-
sondere Uebung das Präparat meistentheils
misslingt. Schon seit 2 Jahren verfertige ich
nach der unten gegebenen Vorschrift eine
grosse Menge Knallsilbers, ohne dass es mir
einmal missrathen
wäre.
Descotils löste Silber in Salpetersäure
auf und goss, während die
Auflösung vor
sich gieng, Alkohol hinzu. Die Auflösung
des Silbers in der Säure wird
hiebei ausseror-
dentlich verlangsamt, und giesst man zuviel
Alkohol hinzu, ganz
verhindert; die Menge
des hiernach zu erhaltenden Knallsilbers ist
sehr gering, und da
weder die Menge noch
die Concentration der Säure und des Alko-
hols bestimmt wird, so ist
die Bereitung
sehr unsicher.
Nach Wagenmann wird zu einer Auflö-
sung von einer Drachme Silbers
in einer
Unze Salpetersäure von 1,180 Eigengew.
gegossen und dann zu der Mischung eine
halbe
Unze rauchende Salpetersäure von 1,480 ge-
tröpfelt.
Die Erhitzung ist so stark, dass die Bil-
dung des Salzes meistentheils verhindert,
und
wenn schon etwas sich erzeugt hat, die-
ses zum Theil wieder zersetzt wird, auch ist
die Menge des Alkohols im Verhältnis zur
Säure zu gering.
Cruikshankwandte 40 Theile Silber,
60 Th. Salpetersäure, mit
gleichviel Wasser
verdünnt, und 60 Th. Alkohol an.
Die Menge der Salpetersäure, so wie die
Menge des Alkohols ist im Verhältnis zum
Silber
zu gering, um eine einigermassen ent-
sprechende Menge Knallsilber zu erhalten.
Mehrere dergleichen unvollständige An-
gaben fanden sich in den meisten Lehr- und
Wörterbüchern der Chemie; auch ist bei ei-
nigen Vorschriften der Zusatz von Terpentin-
öl
zu dem Weingeiste, so wie auch die An-
wendung des geschmolzenen salpetersauren
Silbers
mit rauchender Salpetersäure und Al-
kohol, wie es mir scheint, nichts weniger
als
zweckmässig.
Ich kehre nun zur Bereitung dieses Salzes
zurück und werde alle Umstände berücksich-
tigen, bei welchen das Gelingen des Präpa-
rates möglich ist, und mir ein paar Bemer-
kungen über die Natur desselben hinzuzufü-
gen erlauben.
Man giesst in ein gewöhnliches Trink-
glas von nicht zu dickem Boden, das wenig-
stens
die doppelte Menge der Flüssigkeit zu
fassen vermag, 10 Theile reine Salpetersäure
von
1,250 Eigengewicht, und löst darin (auf
einer Sandkapelle, unter mässiger Erwärmung)
1
Theil feines Silber auf, erhitzt darauf die
Auflösung etwas stärker, doch nicht bis zum
Sieden, und giesst sie dann in ein anderes
Glas, welches 16 Theil erwärmten Alkohol
von
0,825 Eigengewicht enthält. Man setzt
nun dieses Glas, welches den Alkohol und
die
salpetersaure Silberauflösung enthält, wieder
auf die Sandkapelle, umschüttet es, so weit
die Flüssigkeit reicht, mit Sand, und erhitzt
es, bis sich auf der Flüssigkeit weisse
Blasen
zeigen und bis man deutlich den Geruch
nach Salpeteräther bemerkt; man hüte
sich
in die Nähe des Glases ein brennendes Licht
zu bringen, weil sich der Aetherdampf
leicht
entzündet und desshalb die Zersprengung des
Glases nach sich ziehen kann. Man
vermin-
dert nun das Feuer, oder zieht das Glas aus
dem warmen Sande heraus, ohne es von der
Kapelle zu entfernen. Das Gemisch siedet
fort, so lange noch die
Einwirkung der Salpe-
tersäure auf den Alkohol dauert; es ent-
wickelt sich dabei eine
grosse Menge Salpe-
teräther Anm. Bei
Anwendung einer Tubulatretorte,
statt des offenen Glases, würde dieser Aether,
oder
vielmehr diese Salpeternaphta nicht
verloren gehen. K.).
Nach Verlauf von einiger Zeit bildet sich
eine kleine weisse Wolke, meistens am Bo-
den
des Gefässes; die Flüssigkeit wird trübe,
und gleich darauf entstehen weisse Flocken,
welche, vermöge ihres grösseren Eigenge-
wichts, leicht zu Boden fallen. Die Bildung
des
Knallsilbers dauert nun fort, so lange
noch die Flüssigkeit siedet; wenn sich die
Menge
des am Boden liegenden Knallsilbers
nicht mehr vermehrt, so giesst man die oben
stehende
klare Flüssigkeit ab (welche, wenn
sie etwas Kupfer enthält, schön blau gefärbt
erscheint), süsst das fertige Knallsilber mit
destilliertem Wasser aus, schüttet es auf ein
Filter und trocknet
es am Schatten, unter
leichter Bedeckung. Man bekommt gewöhn-
lich die Hälfte mehr, als
das angewandte
Silber betrug.
Es besteht getrocknet aus schneeweissen,
stark glänzenden, undurchsichtigen, ½ bis
1
Linie langen prismatischen Nadeln, und ist
schwerlöslich, beinahe unauflöslich im Was-
ser. Der Geschmack ist gering, etwas bitter-
lich metallisch; nur dann, wenn es nicht ge-
hörig ausgesüsst worden und eben desshalb
noch salpetersaures Silber mechanisch adhä-
rirt, ist derselbe ätzend metallisch.
Durch koncentrirte Schwefelsäure wird
es, wie alle Oxalate, in seine Bestandtheile
zerlegt, und zwar unter heftiger Detonation;
dem blauen Lichte, so wie dem Sonnenlichte
ausgesetzt, wird es nach einiger Zeit schwarz,
entwickelt Stickgas, Kohlensäure, Wasser-
dunst und es bleibt schwarzes Suboxyd, nebst
noch wenigem unzerlegten Silbersalze zurück.
Ein halber Gran auf einer Eisenplatte, einem
Stein oder Amboss mit der Spitze eines Messers
oder sonstigen Instrumentes gestossen, deto-
nirt sehr stark, mit
einem dem Ohre höchst
empfindlichen Knalle; es wird bläulich- röth-
liches Licht
entbunden, welches besonders
im Dunkeln sehr bemerkbar wird, und nach
der Explosion
bemerkt man einen sichtbaren
grauen Rauch, von einem eigenthümlichen
elektrischen Geruche.
Die Eisenplatte ist an
der Stelle, wo es explodirte, mit braunem
Oxyde überzogen. Mit
Schiesspulver gemengt,
entzündet es dieses nicht, sondern letzteres wird
weit
umhergeschleudert. Werden 4 Gran
mit frisch bereitetem Kalkwasser übergossen,
so färben
sich die Krystalle braun, verschwin-
den endlich ganz, und am Boden zeigt sich
ein
bräunliches Pulver, von dem sich ein klei-
ner, in der alkalischen Lauge herumschwim-
mender, äusserst fein zertheilter Theil, mit
der Lauge zur bräunlich gefärbten Flüssig-
keit zu verbinden scheint; setzt man nun et-
was koncentrirte Salpetersäure zu, so wird
die Flüssigkeit augenblicklich weiss, und es
sondern sich käsige nicht krystallinische
Flocken ab, welche sich als wiederhergestell-
tes Knallsilber zeigen Anm. Ein Verhalten, welches sowohl hinsicht-
lich des angegebenen Ammoniakgehalts, als
auch rücksichtlich der Oxalsaure
weitere
Prüfung verdient. K.. Uebrigens stimmt
es im Verhalten gegen Säuren
grösstentheils
mit dem von Cruikshank angegebenen über-
ein. (Man
sehe Klaproth’s und Wolf’s
chem.
Wörterbuch u. dessen Supplemente d.
Artikel Knallsilber.)
Der Vorgang bei der Bildung des Knall-
silbers scheint folgender zu seyn. Während
der
Auflösung des Silbers in Salpetersäure,
wird neben salpetersaurem Silber auch salpe-
tersaures Ammoniak erzeugt; wird nun Alko-
hol hinzugebracht, so ist noch freie Säure
genug zugegen, um auf den Alkohol zerle-
gend zu wirken. Der Sauerstoff der Säure
wirkt
oxydirend auf einen Theil des Alkohils,
es bildet sich neben Oxalsäure wenig Aepfel-
und
Essigsäure; ein Antheil durch die Zerle-
gung der Säure entstandene salpetrichte Säure
oder Salpetergas, verbindet sich mit einem
andern Antheile Alkohol
zu Salpeteräther, und
die gebildete Oxalsäure vereinigt sich mit
dem Ammonium und
Silberoxyde zu einem
dreifachen Salze, oder das Silberoxyd tritt
mit der Oxalsäure
zusammen, eine Doppel-
säure bildend, gegen welche das Ammoniak
als Base erscheint. Wenn
man die Flüssig-
keit (dieselbe vom Feuer nehmend) schüttelt,
so bekommt man blos ein
weisses Pulver von
undeutlicher Krystallgestalt. Bei sehr grosser
Sorgfalt habe ich schon
2 Linien lange Kry-
stalle erhalten, jedoch sehr selten, indem
vielleicht fremde Umstände
zufällig mitwirkten.
Lässt man die Flüssigkeit länger auf der
Sandkapelle kochen, so zersetzt sich ein
Theil
des Salzes wieder, es entstehen von
dem Boden des Glases ausgehende Explosio-
nen, welche
oft das schon gebildete Knall-
silber bis über den Rand des Glases schleu-
dern, und die
Menge, welche man nun be-
kommt, ist merklich geringer. Erhitzt man
die Auflösung nicht
bis zum Kochen, oder
überhaupt Anfangs zu gelinde, so entsteht
kein Knallsilber, und die
Flüssigkeit bleibt
klar; um diesem Uebelstande zu begegnen,
dampft man das Ganze bis
auf eine Unze ab,
und behandelt dieses wiederum, unter Zusatz
von etwas Silber, mit der
oben angegebenen
Menge Säure und Alkohol. Betrachtet man
mit einer Lupe das im
krystllisiren begriffene
Salz, so lässt sich hier sehr schön die Rich-
tungsentgegengesetztheit des werdenden Kry-
stalls beobachten. Deutlich sieht man, wie
sich die Krystalltheilchen, andere anziehend
oder abstossend, vergrössern; (man sehe
Kastner’s Einleitung 1814. S. 279. ff., Des-
senGrundzüge der Phys. u. Chem. St 32. ff.,
System d. Chemie den Artikel Magnetismus,
und Grundriss der Physik, 2te Aufl. Iten Bds.
IVtes u. IIten Bds. XIItes Kap.). Wenn sich
in der Flüssigkeit ein Stäubchen oder Fäser-
chen befindet, so bilden sich an diesem die
ersten Krystalle, dasselbe sternförmig umge-
bend. Ist die Bildung des Salzes beendet,
so
setzt es sich ohngefähr einen halben Zoll
hoch von dem Boden in dem Glase an, und
man
bemerkt in der sich niedergesetzten
Masse viele, ohngefähr erbsengrosse, bis an
den Boden des Glases gehende Oeffnungen,
aus welchen sich
fortwährend Gasblasen ent-
binden. Die überstehende Flüssigkeit ist
noch sehr
silberhaltig, man kann dasselbe
durch Kupfer fällen, oder die Flüssigkeit zu
sonstigen
Zwecken benutzen. Die Bereitungs-
art des Howard’schen
Knallquecksil-
bers beruht auf denselben Gründen.
Weitere Versuche, welche ich mir für
die Folge bei grösserer Musse vorbehalte,
werden
die Natur und Menge der in dem
Salze sich befindenden Bestandtheile, die Art
seines
chemischen Bestandes und die Reaction
anderer Substanzen gegen diese merkwürdige
Verbindung zeigen.