Der Menſch iſt von Natur Beobachter'.
Von der Geburt an iſts ſeine einige Beſchaͤff-
tigung, um den Gebrauch ſeiner Glieder ken-
nen zu lernen. Wuͤrde ihm nicht das Auge
unnuͤtzlich ſeyn, wenn ihn nicht die Natur
gleich anfaͤnglich antriebe, die kleinſte Veraͤn-
derungen, deren daſſelbe faͤhig iſt, zu bemer-
ken. Abwechſelnder Genuß und Mangel lehren
ihn das Daſeyn des Lichts und ſeine verſchie-
dene Grade kennen, aber nie wuͤrde er von
Weite, Groͤſſe und Geſtalt der Gegenſtaͤnde
einige Kaͤnntniß erhalten, wenn er nicht die
Eindruͤcke der uͤbrigen Empfindungs-Werkzeu-
ge damit vergliche, verbaͤnde, und einen
durch den andern berichtigte. Der groͤßte
Theil ſeiner Empfindungen ſind demnach Re-
ſultate ſeines Nachdenkens, uͤber die vereinig-
te Eindruͤcke ſeiner Empfindungs-Werkzeuge.
So bringt der Menſch ſeine erſte Jahre zu,
um zu einem ſchnellen und richtigen Gebrauch
ſeiner Sinne zu gelangen. Ein ihm aner-
ſchaffener Beobachtungstrieb, ſetzt ihn in Stand,
ſich ſelbſt zu bilden, und die Vollkommenheit
ſeiner Faͤhigkeiten, haͤngt, von der mehr oder
weniger ununterbrochenen Anwendung, dieſes
Triebs ab.
Unter unzaͤhligen Gegenſtaͤnden, die ſich
ihm nach und nach darſtellen, faͤllt ſeine Auf-
merkſamkeit weſentlich auf diejenige, die ihm
durch ganz beſondere Verhaͤltniſſe wichtig wer-
den. Beobachtungen der allgemeinen beſtaͤn-
digen Wirkungen der Natur auf jedes Jndivi-
duum ſind kein ausſchlieſſungsweiſe erhaltenes
Vorrecht des Weltweiſen. Der allgemeine
Vortheil macht faſt jeden einzelnen zum Be-
obachter, und dieſe vervielfaͤltigte, zu allen
Zeiten, aller Orten angeſtellte Beobachtungen
laſſen uns an ihrer Richtigkeit nicht zweiffeln,.
Allein die Thaͤtigkeit des menſchlichen Gei-
ſtes, verbunden mit der unerſaͤttlichen Wißbe-
gierde, verlaͤßt, indem ſie die ſchon erwor-
bene Kaͤnntniſſe zu vervollkommnen ſucht, den
Weg der Beobachtung, will dieſe durch un-
beſtimmtes oft unnuͤtzes Gruͤbeln erſetzen, bil-
det und haͤuft Lehr-Gebaͤude, die kein Ver-
dienſt als von einer Geheimnus vollen Ab-
ſtracktion haben, und entfernt unmerklich von
der Wahrheit, ſo daß man auf dem Punkt
ſteht, ſie aus dem Geſicht zu verliehren, ja
Unwiſſenheit und Aberglauben an ihre Stelle
zu ſetzen.
An dieſen ſo entſtellten menſchlichen Kaͤnnt-
niſſen, ſieht man keine Spuhr mehr von der
Wahrheit, die ſie im Anfang ſo vorzuͤglich aus-
zeichnete.
Oefters bemuͤhte ſich die Weltweisheit ſich
von Jrrthuͤmmern und Vorurtheilen loszureiſ-
ſen. Da ſie aber dieſe Gebaͤude allzuhitzig
zerſtoͤhrte, bedeckte ſie die Truͤmmer mit Ver-
achtung, ohne einen aufmerkſamen Blick, auf
die unter ihnen verborgene Koſtbarkeiten zu
werfen.
Wir ſehen, daß ſich, einerley Meynungen,
bey verſchiedenen Voͤlkern, unter einer ſo un-
vortheilhafften, dem menſchlichen Verſtand ſo
wenig Ehre bringenden Geſtalt erhalten haben,
daß es gar nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie im
Anfang ſo ausſahen.
A 4
Betrug und Verwirrung der Vernunft haͤt-
ten ſich umſonſt bemuͤhet, ganze Voͤlker zu
vereinigen, ſo augenſcheinlich ungereimten und
laͤcherlichen Lehrgebaͤuden allgemeinen Beyfall
und Annahme zu verſchaffen, wie ſie noch
jetzo haben. Wahrheit und allgemeines Jnter-
eſſe allein waren faͤhig, dergleichen Meynun-
gen allgemein zu machen.
Es laͤßt ſich daher behaupten, daß ſich un-
ter den allgemeinen Meynungen aller Zeiten
(wenn ſie anderſt ihren Grund nicht in dem
menſchlichen Herzen haben) ſehr wenige fin-
den, ſie moͤgen auch ſo laͤcherlich, ja aus-
ſchweiffend ſeyn als ſie immer wollen, welche
nicht als Ueberbleibſel einer anfaͤnglich anerkann-
ten Warheit, koͤnnten betrachtet werden. Der-
gleichen Betrachtungen, ſtellte ich uͤber die
menſchliche Kaͤnntniſſe uͤberhaupt, inſonderheit
aber uͤber das Schickſal der Lehre: Vom Ein-
fluß der Himmelskoͤrper auf unſere Erde, an.
Betrachtungen, die mich veranlaßten, unter
den Truͤmmern, dieſer, durch Unwiſſenheit,
veraͤchtlich gewordenen Wiſſenſchafft, das, in
ihr vielleicht enthaltene Nuͤtzliche und Wahre
aufzuſuchen.
Meine Gedanken, uͤber dieſen Gegenſtand,
gab ich 1766 in Wien in einer Abhandlung:
Vom Einfluß der Planeten in den menſchlichen
Koͤrper heraus. Nach vorausgeſchickten, be-
kannten, durch Erfahrungen beſtaͤttigten Grund-
ſaͤtzen, der allgemeinen Attracktion, die uns
uͤberfuͤhren, daß ein Planet auf den andern in
ſeiner Laufbahn wirkt, und daß Mond und
Sonne, auf unſerer Erde, Ebbe und Fluth ſo
wohl im Meer, als im Dunſtkreis verurſa-
chen und lenken; behauptete ich: Dieſe Welt-
koͤrper wirken auch gerade zu auf alle weſent-
liche Beſtandtheile lebendiger Koͤrper, vorzuͤg-
lich aber auf das Nerven-Syſtem, vermit-
telſt einer alles durchdringenden Fluͤſſigkeit.
Jch beſtimmte die Art dieſes Einfluſſes, und
ſagte: Daß er die Eigenſchafften der Materie
und der organiſchen Koͤrper, z. B. die Schwe-
re, Zuſammenhang, Schnellkraft, Reitz-
barkeit und Elecktricitaͤt, bald verſtaͤrke bald
ſchwaͤche.
Jch behauptete ferner: Daß dieſe, in Ab-
ſicht auf die Schwere entgegen geſetzte Wir-
kungen, welche auf der See, die merkliche
Veraͤnderung der Ebbe und Fluth verurſachen,
daß Verſtaͤrkung und Schwaͤchung der oben
bemerkten Eigenſchafften, da ſie einerley
Wirkungs-Quelle haben, auch in lebendigen
Koͤrpern, entgegen geſetzte, der Ebbe und
Fluth aͤhnliche Wirkungen verurſachen; daß
auch im thieriſchen Koͤrper, weil er den nem-
lichen wirkenden Kraͤfften ausgeſetzt iſt, eine
Art von Ebbe und Fluth ſtatt finde. Dieſe
Eigenſchafft thieriſcher Koͤrper, welche ſie des
Einfluſſes der Himmels Himmels- und unſers Erdkoͤrpers
faͤhig macht, nannt' ich thieriſchen Magne-
tismus.
Aus ihm erklaͤrt' ich die monatliche Zeiten
des Frauenzimmers, und uͤberhaupt alle perio-
diſche Veraͤnderungen, welche alle Aerzte, in
der ganzen Welt, von je her, bey Krankhei-
ten beobachtet haben.
Damals ſucht ich nur die Aufmerkſamkeit der
Aerzte rege zu machen, ich bemerkte aber
bald, daß man, mich, (ſtatt meine Abſicht
zu erreichen) als einen Sonderling, als einen
Syſtemwuͤrker anſaͤhe, ja mir, aus meiner
Neigun,gNeigung, den gewoͤhnlichen Weg in der Arzney-
kunſt zu verlaſſen, ein Verbrechen machte.
Nie verbarg ich, in dieſem Punkt, meine
Gedenkungs-Art. Jch konnte mich wirklich
nicht uͤberreden, daß wir in der Heilkunde ſo
groſſe Schritte ſollten gemacht haben, wie wir
uns ſchmeichelten. Jch glaubte vielmehr, je
weiter wir in der Kaͤnntniß des mechaniſchen,
der Oekonomie des thieriſchen Koͤrpers kaͤmen,
deſto mehr muͤßten wir unſer Unvermoͤgen ein-
geſtehen. Eben die, obſchon uochnoch ſehr nnvollkom-
meneunvollkom-
mene neuere Einſichten in die Natur und Wir-
kung der Nerven, laͤßt uns gar nicht hieran
zweiffeln. Wir wiſſen, daß ſie die erſte Trieb-
feder des Empfindens und der Bewegung ſind,
aber wir koͤnnen ſie nicht wieder in den natuͤrli-
chen geſunden Zuſtand ſetzen, wenn dieſer etwa
zerſtoͤhrt, unterbrochen wuͤrde. Ein Vorwurf
der uns gewiß trifft, denn unſre Vorfahren
kannten ſie zu wenig, als daß er ihnen haͤtte
gemacht werden koͤnnen. Das aberglaubiſche
Zutrauen, welches ſie ſelbſt auf ihre unfehlba-
re Mittel und Formeln ſetzten, und andern ein-
floͤßten, machte ſie zu ſtolzen Deſpoten.
Jch verehre die Natur zu ſehr, als daß ich
mich uͤberreden koͤnnte: Sie habe die Erhaltung
jedes einzelnen Menſchen, dem Ohngefehr der
Entdeckungen und unbeſtimmten Beobach-
tungen uͤberlaſſen, welche ſeit mehrern Jahr-
hunderten gemacht wurden, um das Eigenthum
einiger einzelnen Perſonen zu werden.
Vollſtaͤndig ſorgte Sie fuͤr das Entſtehen jedejedes
Jndividuums, das Erzeugungs-Werk wird
ohne Syſtem ohne Kuͤnſteleyen verrichtet. Und
ſollte nicht fuͤr die Erhaltung eben ſo herrlich ge-
ſorgt ſeyn? Warlich ihre Vorſorge fuͤr die unver-
nuͤnftige Thiere beweißt das Gegentheil.
Eine unbeſtrichene in Bewegung geſetzte Ma-
gnet-Nadel, ſetzt ſich blos durch den Zufall
wieder in eine beſtimmte Lage, hingegen die be-
ſtrichene vom nemlichen Stoß bewegte, wird
nach verſchiedenen, dem Stoß und der mitge-
theilten magnetiſchen Krafft proportionirten
Schwingungen ihre erſte Lage wieder finden,
und denn ſtille ſtehen. Eben ſo nngewißungewiß, wird,
nach meiner erſten Vorausſetzung, die einmal ge-
ſtoͤhrte Harmonie organiſcher Koͤrper wieder her-
geſtellt, wenn es nicht durch ein allgemein
wirkendes beſtimmtes Principium geſchieht,
von deſſen Daſeyn ich uͤberzeugt bin. Diß allein
kann dieſe Harmonie wieder in ihren natuͤrlichen
Zuſtand verſetzen. Man fand aber auch, daß
Krankheiten, bald ohne, bald beym Gebrauch
der Arzney-Mittel, bey verſchiedenen Syſtemen,
bey voͤllig ſich entgegen geſetzten Methoden, oft
gefaͤhrlicher, oft gehoben wurden. Dieſe Be-
trachtungen uͤberzeugten mich vollends, es muͤſſe
in der Natur ein allgemein wirkendes Principium
vorhanden ſeyn, welches, ohne unſer Zuthun
das verrichtet, was wir ſehr unbeſtimmt der Kunſt
und der Natur zuſchreiben. Dergleichen Be-
trachtungen entfernten mich nach und nach von
der alltaͤglichen Straſſe. Jch unterwarf meine
Jdeen einer zwoͤlfjaͤhrigen Erfahrung, die ich
den genaueſten Beobachtungen aller Arten von
Krankheiten widmete, und hatte endlich das Ver-
gnuͤgen, die von mir vermuthete Grundſaͤtze oh-
ne Ausnahme beſtaͤttigt zu ſehen.
Vorzuͤglich uͤbernahm ich in den Jahren 1773
und 1774 die Beſorgung der 29 jaͤhrigen Jung-
fer Oeſterlin, welche ſchon viele Jahre von den
Gichtern geplagt wurde. Die ſchlimmſten Zu-
faͤlle bey ihr waren, daß das Blut ungeſtuͤmm
in benden Kopf drang, und die fuͤrchterlichſte Zahn-
und Ohren-Schmerzen verurſachte, welche mit
Wahnwitz, Wuth, Erbrechen und Ohnmachten
verbunden waren. Diß war fuͤr mich die
beſte Gelegenheit, mit der groͤßten Genauigkeit
die Art von Ebbe und Fluth, welche der thieri-
ſche Magnetismus im menſchlichen Koͤrper
verurſachet, zu beobachten. Oft zeigten ſich
bey der Kranken ſehr heilſame Criſen, wor-
auf betraͤchtliche Erleichterung folgte, aber ſie
dauerten nur einige Augenblicke, und blieben im-
mer unvollkommen. Die Begierde den Grund
dieſer Unvollkommenheit zu entdecken, und mei-
ne ununterbrochene Beobachtungen fuͤhrten mich
nach und nach ſo weit, daß ich die Wirkungen
der Natur einſah, genug entdeckte, um voraus
mit voller Gewißheit, die abwechſelnde Gaͤnge
dieſer Krankheit beſtimmen zu koͤnnen. Aufge-
muntert durch dieſen erſten gluͤcklichen Erfolg,
zweiffelte ich nicht an der Moͤglichkeit, es biß
zur Vollkommenheit zu treiben, wenn ich ſo
gluͤcklich waͤre, die Entdeckung zu machen: Daß
in denen auf unſerer Erde befindlichen Koͤrpern,
auch eine wechſelsweiſe, dem Einfluß der Him-
mels-Koͤrper aͤhnliche Einwirkung ſtatt finde,
die mich in Stand ſetzen koͤnnte, durch die
Kunſt, die periodiſche Ebbe und Fluth, wovon
ich bereits geſprochen, nachzuahmen.
Jch hatte vom Magnet die gewoͤnliche Kaͤnnt-
niſſe. Seine Wirkung auf das Eiſen, die
Moͤglichkeit, diß Mineral mit unſern Saͤff-
ten zu verbinden, die verſchiedene in Frankreich,
Teutſchland und Engelland bey Magen- und
Zahnſchmerzen damit gemachte Verſuche, waren
mir bekannt. Diß alles, die Aehnlichkeit dieſer
Materie mit meinem allgemeinen Syſtem, mach-
ten, daß ich den Magnet als das ſchicklichſte
Mittel zu dergleichen Verſuchen anſahe. Mich
davon durch Erfahrungen zu uͤberzeugen, berei-
tete ich die Kranke, wenn ſie von ihren Anfaͤllen
frey war, durch anhaltenden Gebrauch der Eiſen-
Mittel, dazu vor. Nun ſtund ich mit dem Je-
ſuiten, Herrn Pater Hell, Profeſſor der Aſtro-
nomie in freundſchafftlichen Verbindungen. Jch
bat ihn daher, mir durch ſeinen Kuͤnſtler, einige
Magneten verfertigen, aber ihnen eine zu mei-
nem Gebrauch ſchickliche Figur geben zu laſſen.
Hell ſagte ja, und verſprach mir ſie zu ſchaffen.
Den 28ten Julius 1774. bekam die Kranke
aufs neue einen ihrer gewoͤhnlichen Anfaͤlle, und
ich brachte bey ihr drey kuͤnſtliche Magnete, ei-
nen auf dem Magen, zween auf den beyden Fuͤſ-
ſen an. Diß verurſachte ihr, in ſehr kurzer
Zeit, auſſerordentliche Empfindungen. Sie
fuͤhlte, innerlich, ein ſchmerzhaftes Stroͤhmen
einer ſehr feinen Materie, welches ſich bald da,
bald dorthin, endlich aber in die untere Theile
des Koͤrpers zog, und ſie 6 Stunden von allen
fernern Anfaͤllen befreyte. Die Lage der Kran-
ken veranlaßte mich, den folgenden Tag, den
nemlichen Verſuch zu machen, und er gluͤckte
mir wie das erſtemal. Die Beobachtung dieſer
Wirkungen, verbunden mit meinem allgemei-
nen Syſtem, gab mir ein neues Licht, beſtaͤt-
tigte meine vorhergehende Gedanken, von dem
Einfluß eines allgemein wuͤrkenden Principiums,
uͤberzeugte mich, daß ein vom Magnet ganz ver-
ſchiedener Stof, (dann er fuͤr ſich kann unmoͤg-
lich auf dieſe Art auf die Nerven wirken) ihn
wirkſam mache, daß ich nur noch einige Schrit-
te bis zu meiner Nachahmungs-Theorie, dem
Gegenſtand meiner Unterſuchungen, zu thun
haͤtte.
Einige Tage darauf, begegnete ich Herrn
Pater Hell, ſprach mit ihm unter andern, von
der Beſſerung meiner Kranken, den guten Wir-
kungen meines Verfahrens und der Hofnung die
ich daraus ſchoͤpfte, bald ein Mittel gegen die
Nerven-Krankheiten zu entdecken.
Kurz darauf erfuhr ich durchs Publicum und
die Zeitungen, daß Herr Hell ſeinen beruͤhmten
aſtronomiſchen Namen mißbrauchte, ſich eine
Entdeckung zueignete, deren Natur und Vorzuͤ-
ge er nicht kannte, ja ſo gar ſich erkuͤhnte bekannt
zu machen: Er habe ein Mittel erfunden, die
gefaͤhrlichſte Nerven-Krankheiten durch den
Magnet zu heilen, dann ihm und ſeiner beſon-
dern Figur ſchrieb er dieſe hierinnen vorzuͤgliche
Krafft zu. Dieſem Einfall ein deſto groͤſſeres
Gewicht zu geben, ſchickte Er an verſchiedene
Akademien ganze Sammlungen kuͤnſtlicher Ma-
gnete vouvon mancherley Figuren, und beſtimmte
nach ihrer Figur die Aehnlichkeit, welche ſie mit
ver-
verſchiedenen Krankheiten haben ſollten. Man
hoͤre ihn ſelbſt: „Jch entdeckte, in dieſen,
„dem magnetiſchen Wirbel aͤhnlichen Figuren,
„eine Vollkommenheit, von welchen ihre ſpeci-
„fiſche Krafft gegen die Krankheiten abhaͤnget.
„Der Mangel dieſer Vollkommenheit machte,
„daß die in Frankreich und Engelland damit an-
„geſtellte Verſuche, nicht gluͤcklich ausfielen.„“
Ja er ſtellte ſich, als ob er die aͤuſſerliche
Geſtalt der Magnete, mit der Entdeckung,
wovon ich mit Jhm geſprochen hatte, ver-
wechſelte und ſchloß: „Er habe alles den
„Aerzten, vorzuͤglich mir bekannt gemacht, und
„wuͤrde ſich meiner ferner zu ſeinen Verſuchen
„bedienen.„“
Hell ſchrieb verſchiedenes uͤber dieſen Gegen-
ſtand, und dadurch verbreitete ſich in dem,
nach einem ſpecifiſchen Mittel gegen die Nerven-
Krankheiten aͤuſſerſt begierigen Publicum, die
ungegruͤndete Meynung: Daß die ganze Entde-
ckung in dem Gebrauch des Magnets beſtehe.
Nun ſchrieb ich zwar, um dieſen Jrrthum zu
zerſtoͤhren: Vom wirklich vorhandenen, weſent-
lich vom Magnet verſchiedenen thieriſchen Ma-
gnetismus. Allein das von dem beruͤhmten
Hell eingenommene Publicum, blieb auf ſei-
ner irrigen Meynung.
B
Jch ſetzte meine Verſuche bey verſchiedenen
Krankheiten fort, um meine Einſichten allge-
meiner, ihre Anwendung vollkommener zu
machen. Weil ich nun den Herrn Baron von
Stoͤrk, Praͤſidenten der Mediciniſchen Facul-
taͤt zu Wien und Kayſerlichen Erſten Leibarzt
genau zu kennen die Ehre hatte, es auch uͤber-
diß ſehr ſchicklich war, Jhn genau von der
Natur und dem Gegenſtand meiner Entdeckung
zu benachrichtigen; ſo erklaͤrte ich Jhm alle
kleine Umſtaͤnde meiner Bemuͤhungen, vorzuͤg-
lich aber die Mittheilung und das Stroͤhmen
der thieriſch magnetiſchen Materie, bat ihn,
ſich ſelbſt davon zu uͤberzeugen, mit der Ver-
ſicherung: Daß ich ihm in der Folge genaue
Nachricht, von dem Fortgang meiner neuen
Entdeckungen geben, ja Jhn deſto gewiſſer von
meiner Anhaͤnglichkeit an Jhn zu uͤberzeugen,
alle meine Handgriffe, ohne einiges Zuruͤck-
halten, mittheilen wuͤrde.
Aber die natuͤrliche Forchtſamkeit dieſes
Arztes, vielleicht von Bewegungs-Gruͤnden
unterſtuͤtzt, die ich nicht unterſuchen mag, ließ
Jhn mir antworten: Er verlange von allem,
was ich ihm hier ſagte nichts zu wiſſen, und
riethe mir, die Facultaͤt, durch Bekanntma-
chung dieſer Neuerungen, nicht mit ins Spiel
zu ziehen. Nun veranlaßten mich die vorge-
faßte Meynungen des Publicums und deſſen
Ungewißheit wegen der Beſchaffenheit meiner
Mittel, den 5ten Jenner 1775, ein Schreiben
an einen auswaͤrtigen Arzt bekannt zu machen,
worinn ich meine Theorie, und den bißheri-
gen und vermuthlich noch zu hoffenden Er-
folg, beſtimmt, entwickelte. Jch beſchrieb
die Natur, Wirkung und Aehnlichkeit der Ei-
genſchafften des thieriſchen Magnetismus,
mit dem Magnet und der Elecktricitaͤt, mit
dem Beyſatz: „Es ſind alſo alle Koͤrper, ſo
„gut als der Magnet, der Mittheilung dieſes
„magnetiſchen Principiums faͤhig, dieſe Fluͤſſig-
„keit durchdringt alles, laͤßt ſich wie die eleck-
„triſche anhaͤuffen und verſtaͤrken, und wirkt
„auch in der Entfernung. Es giebt zweyerley
„lebendige Koͤrper. Einige ſind dieſes Magne-
„tismus faͤhig, andere haben eine entgegen ge-
„ſetzte Krafft, welche ſeine Wirkung hindert.„“
Kurz ich erzaͤhlte die verſchiedene Wirkungen, und
unterſtuͤtzte meine Saͤtze durch die Erfahrungen,
die mich veranlaßt hatten, ſie zu behaupten.
Kurz vor der Bekanntmachung dieſes Briefs,
erfuhr ich, daß Herr Jngenhaus, Mitglied
der Koͤniglichen Akademie in Londen und Po-
cken-Einimpfer in Wien, der dem Adel und
andern Standes-Perſonen, durch Verſuche mit
der verſtaͤrkten Elecktricitaͤt, und durch manche
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angenehme Veraͤnderungen der magnetiſchen
Wirkungen, viel Vergnuͤgen gemacht, ſich aber
dadurch den Namen eines Naturforſchers erwor-
ben hatte, daß dieſer Herr Jngenhaus, als
Er von meinen Curen gehoͤrt, ſie fuͤr Grillen
erklaͤrt habe, ja ſo weit gegangen ſeye zu
behaupten: „Nur das Genie eines Engellaͤn-
„ders ſeye im Stand eine ſolche Entdeckung zu
„machen, wenn ſie ja moͤglich ſeyn ſollte.„“ Er
beſuchte mich, nicht in der Abſicht ſich beſſer
zu unterrichten, ſondern einig mich zu uͤber-
zeugen, daß ich Gefahr liefe zu irren, und
die Bekanntmachung gaͤnzlich verhindern
muͤßte, wann ich nicht, wie es ſonſt gewiß
geſchehen wuͤrde, laͤcherlich werden wollte.
Jch verſetzte: Er haͤtte nicht genug Kaͤnnt-
nuͤſſe von dieſer Sache um mir ſo rathen zu
koͤnnen, und ich wuͤrde mir ein Vergnuͤgen
daraus machen, Jhn bey der erſten Gele-
genheit hievon zu uͤberzeugen. Dieſe zeigte
ſich gleich nach zween Tagen. Jungfer Oeſter-
lin ſtand einen Schrecken und Verkaͤltung aus,
welche Jhr ein ploͤtzliches Auſſenbleiben der mo-
natlichen Reinigung verurſachten, und nun wa-
ren die erſten gichteriſchen Zufaͤlle wieder da.
Jch bat Herrn Jngenhaus zu mir, Er kam
mit einem jungen Arzt, und die Kranke lag,
eben, von den Gichtern uͤberfallen, in Ohn-
macht. Jch ſagt' ihm, diß waͤre gerade die
beſte Gelegenheit, ſich ſelbſt, von der Wirk-
lichkeit, des von mir behaupteten Principiums,
und von deſſen Mittheilbarkeit, uͤberzeugen.
Jch entfernte mich von der Kranken, hieß ihn
ſich naͤhern und ſie anruͤhren, und ſie regte
ſich nicht.
Jch bat Jhn wieder zu mir zu kommen,
theilte ihm, durch Anfaſſen ſeiner Haͤnde, die
magnetiſche Krafft mit, blieb immer von der
Kranken entfernt, Jhn aber erſuchte ich, ſich ihr
noch einmal zu naͤhern und ſie anzuruͤhren, worauf
gichteriſche Bewegungen erfolgten. Oefters be-
ruͤhrte Er ſie auf dieſe Art mit der Spitze ſei-
nes Fingers, bald nach der, bald nach jener
Richtung, und immer, wuͤrkte diß, zu ſeinem
groſſen Erſtaunen, in dem angeruͤhrten Theil Zu-
ckungen. So bald diß vorbey war, geſtund
Er mir: Er ſeye uͤberzeugt.
Jch aber ſchlug ihm eine zwote Probe vor.
Wir entfernten uns ſo von der Kranken, daß
ſie uns nicht haͤtte ſehen koͤnnen, wann ſie
auch bey ſich ſelbſt geweſen waͤre.
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Jch gab Herrn Jngenhaus ſechs porcellain
Taſſen, mit dem Erſuchen, ſelbſt zu beſtim-
men, welcher ich die magnetiſche Krafft mit-
theilen ſollte. Die von ihm gewaͤhlte, ruͤhrte ich
an, ließ ihn eine nach der andern von dieſen 6
Taſſen, an die Hand der Kranken bringen,
und als man an die von mir beruͤhrte kam,
bewegte ſich ihre Hand mit Zeichen des Schmer-
zens. Jngenhaus wiederhohlte den Verſuch
mit allen ſechs Taſſen, und fand immer die
nemliche Wirkung.
Man ſetzte hierauf die Taſſen wieder an
ihren vorigen Ort, und nach einer kleinen
Weile, ergriff ich ſeine eine Hand, und bat
Jhn mit der andern, welche er wollte von
den Taſſen anzuruͤhren. Er thats, man
brachte, wie vorher, dieſelbige an die Kranke,
und auch hier erfolgte die vorige Wirkung.
Nun war Herr Jngenhaus, durch ſeine ei-
gene Augen, von der Mittheilbarkeit des Ma-
gnetismus uͤberzeugt, und ich ſchlug Jhm den
dritten Verſuch vor, um Jhm die Wirkung
deſſelben in die Ferne und ſeine durchdringende
Staͤrke zu zeigen. Jn dieſer Abſicht, ſtreckt
ich, in einer Entfernung von acht Schritten,
meinen Finger gegen die Kranke aus, und den
Augenblick darauf bekam ſie ſo ſtarke, mit an-
ſcheinenden Schmerzen begleitete gichteriſche Zu-
ckungen, daß ſie beynahe im Bett in die Hoͤ-
he geworfen wurde. Jch fuhr fort, ſtellte aber
Herrn Jngenhaus zwiſchen mich und die Kran-
ke, und ſie bekam die nemliche Anfaͤlle. Die-
ſe Proben wurden, ſo oft Herr Jngenhaus ver-
langte, wiederholt, worauf ich Jhn fragte:
Ob Er zufrieden, und von den wunderbaren
Eigenſchafften des thieriſchen Magnetismus,
die ich Jhm voraus geſagt haͤtte, uͤberzeugt
ſeye? widrigenfalls waͤr' ich erboͤtig, alles
noch einmal zu wiederholen. Er verſetzte:
Vollkommen, ich bin uͤberfuͤhrt, aber ich bitte
Sie, aus Freundſchafft: Machen Sie dem
Publicum nichts davon bekannt, damit Sie
Sich nicht ſeinem Unglauben blos ſtellen. Wir
ſchieden von einander, ich ſetzte mit der
Kranken die Behandlung mit ſo gluͤcklichem Er-
folg fort, daß ſich am nemlichen Tage die
Reinigung wieder einfand, und dadurch alle,
von der Unterdruckung derſelbigen veranlaßte
Zufaͤlle, gehoben wurden.
Zwey Tage darauf hoͤrt' ich mit Erſtaunen,
daß Herr Jngenhaus im Publicum gerade das
Gegentheil von dem behauptete, was er gegen
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mir erklaͤrt hatte, den gluͤcklichen Erfolg, aller
der Verſuche, wovon er ein Augenzeuge gewe-
ſen war, laͤugnete, den thieriſchen Magne-
tismus vorſetzlich mit dem gewoͤhnlichen Ma-
gnet vermengte, und meinen Ruf durch das Vor-
geben zu kraͤnken ſuchte: Er ſeye ſo gluͤcklich ge-
weſen, durch Huͤlfe vieler Magneten, womit
er ſich vorhin verſehen haͤtte, mir die Larve
wegzunehmen, zu entdecken: Daß alles, nichts
als eine laͤcherliche abgeredte Betruͤgerey ſeye.
Jch geſtehe es, kaum konnt' ich diß alles an-
faͤnglich glauben, es geſchah mir ſauer, Herrn
Jngenhaus vor den Urheber dieſes Geruͤchts zu
halten. Aber ſein genauer Umgang mit dem
Jeſuiten Hell, die abgeſchmackte Schrifften
des letztern, um dergleichen aͤrgerliche Behaup-
tungen zu unterſtuͤtzen, und die Wirkungen
meines Schreibens vom 5ten Jenner zu vereiteln,
erlaubten mir nicht mehr Herrn Jngenhaus fuͤr
unſchuldig zu halten. Jch widerlegte den Pater
Hell, und war im Begriff ihn zu verklagen,
als Jungfer Oeſterlin Herrn Jngenhauſens
Verfahren erfuhr, und ſich ſo ſehr daruͤber aͤr-
gerte, daß man ſie auf dieſe Art beſchimpft hat-
te, daß ſie noch einmal ihre vorige Zufaͤlle, und
uͤberdiß ein ſchlimmes Nervenfieber bekam. Jh-
re Lage zog, meine ganze Aufmerkſamkeit, 15
Tage, auf ſich. Und gerade dieſer Umſtand,
der mich veranlaßte, meine Unterſuchungen
fortzuſetzen, verſchaffte mir das Gluͤck, alle mir
im Weg liegende Schwierigkeiten zu uͤberwinden,
meiner Theorie die ſelbſt gewuͤnſchte Vollkommen-
heit zu geben. Die erſte Frucht davon war,
die vollſtaͤndige Geneſung dieſer Jungfer, und
ich hatte das Vergnuͤgen, ſie, ſeit dieſem Vor-
fall vollkommen geſund, verheyrathet und mit
Kindern geſegnet zu ſehen.
Jnzwiſchen entſchloß ich mich auch in dieſen
fuͤnfzehn Tagen mein Betragen zu rechtfertigen,
dem Publicum einen richtigen Begriff von mei-
nen Mitteln zu geben, und die Auffuͤhrung des
Herrn Jngenhaus jedermann vor Augen zu le-
gen. Jch gab Herrn von Stoͤrk von allem Nach-
richt, bat Jhn, Befehle vom Hof, zu einer
Commiſſion, von Seiten der mediciniſchen Fa-
cultaͤt, auszuwirken, welche alle dieſe Thatſa-
chen unterſuchen, beſtaͤttigen und bekannt ma-
chen ſollte. Mein Betragen ſchien dem Praͤſi-
denten der Aerzte angenehm, und Er Theil an
meiner Gedenkungsart zu nehmen. Er verſprach
mir, ſo, wie ich wuͤnſchte zu handlen, nur be-
dung er ſich nimmer aus, kein Mitglied von der
Commiſſion zu ſeyn. Oefters ſchlug ich Jhm
vor, die Jungfer Oeſterlin zu ſehen, und ſich
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ſelbſt von dem Erfolg meiner Cur zu uͤberzeugen.
Aber hierauf antwortete Er immer unbeſtimmt
und unentſcheidend. Jch machte Jhm die Vorſtel-
lung, wie vortheilhafft fuͤr die Menſchheit, die
Einfuͤhrung meiner Methode in den Hoſpitaͤlern
werden muͤßte, und bat um die Erlaubnus den
Nutzen derſelben in dem Spaniſchen zu zeigen.
Diß bewilligte Er, und ertheilte Herrn Rein-
lein dem Arzt dieſes Hauſes die noͤthigen Befeh
leBefeh-
le. Acht Tage war dieſer letztere ein Zeuge von
den Wirkungen und dem Nutzen meiner Beſu-
che, bezeugte mir oft ſein Erſtaunen, und gab
Herrn von Stoͤrk Nachricht davon. Aber bald
bemerkt' ich, daß man Herrn von Stoͤrk anders
geſtimmt hatte. Jch ſah Jhn faſt taͤglich, um
mein Geſuch wegen der Commiſſion zu erneuren,
und Jhn an die wichtige Dinge, wovon ich Jhn
unterhalten hatte, zu erinnern. Aber ich be-
obachtete von ſeiner Seite nichts als Gleichguͤl-
tigkeit, Kaͤlte und Abneigung gegen alles, was
einigen Bezug auf dieſen Gegenſtand hatte. Da
ich nun nichts ausrichten konnte, Herr Reinlein
mir keine Nachrichten mehr gab, und anderswo
erfuhr, daß diß veraͤnderte Betragen, eine Fol-
ge von Herrn Jngenhausens Bemuͤhungen war;
ſo fuͤhlt ich mein Unvermoͤgen, den Wirkungen
der heimlich entworfenen Maasregeln zu widerſte-
hen, und nahm mir vor zu ſchweigen.
Jngenhaus aber, durch den Erfolg ſeiner
Bemuͤhungen kuͤhn gemacht, trieb es immer
aͤrger, machte ſich ein Verdienſt aus ſeinem Un-
glauben, und brachte es in kurzer Zeit ſo weit,
daß man alle fuͤr ſchwache Koͤpfe hielte, welche
ihr Urtheil aufſchoben, oder nicht dem ſeinigen
beytratten. Mehr war freylich nicht noͤthig die
Menge abwendig zu machen, und mich, aufs
gelindeſte, fuͤr einen Traͤumer zu erklaͤren, um
ſo mehr, da die Gleichguͤltigkeit der Facultaͤt,
dieſe Meynung unterſtuͤtzte. Am ſeltſamſten aber
kam es mir vor, daß im folgenden Jahr, Herr
Klinkoſch, Profeſſor der Medicin in Prag, ſich
auf die Seite meiner Gegner ſchlug. Dieſer
hatte, ohne mich zu kennen, ohne einen Begriff
von dem, wovon eigentlich die Frage war, zu
haben, (um mich nicht ſtaͤrker auszudruken)
die Schwachheit, in oͤffentlichen Schrifften,Brief uͤber den thieriſchen Magnetismus
und das Elecktrophor an den Herrn Grafen
von Kinszky. Er wurde in die SchriffenSchrifften der
boͤhmiſchen gelehrten Geſellſchafft vom Jahr
1776. T. II. eingeruͤckt, aber auch beſonders
gedruckegedruckt, und das folgende Jahr in Wien
verbreitet.
die ſeltſame Erzaͤhlung von angeblichen Betruͤge-
reyen, die Herr Jngenhaus auf meine Rechnung
verbreitet hatte, zu unterſtuͤtzen. Damals moch-
te das Publicum davon denken, was es wollte,
ſo glaubt' ich doch, daß die Wahrheit nicht beſ-
ſer, als durch That-Sachen koͤnnte ver-
theidigt werden. Jch machte mich an die
Cur verſchiedener Krankheiten, unter andern ei-
ner Hemiplygie die eine Folge einer Apoplygie
war, an unterdruckte monatliche Reinigungen,
Blut-Erbrechen, haͤufige Colicken, durch gichte-
riſche Bewegungen, von Kindheit an unterbroche-
nen Schlaf, der mit Blutſpeyen und anhalten-
den Augenſchmerzen verbunden war. An dieſer
letzten Krankheit litte der ſo beruͤhmte Herr
Bauer, Profeſſor der Mathematick zu Wien.
Der gluͤcklichſte Erfolg kroͤnte meine Bemuͤhun-
gen, und Herr Bauer hatte die Guͤte, ſelbſt
eine umſtaͤndliche Erzaͤhlung ſeiner Geneſung
dem Publicum vorzulegen. Aber die Vorurthei-
le waren ſchon zu tief eingewurzelt. Jnzwiſchen
hatte ich das Vergnuͤgen, daß mich ein groſſer
Miniſter, ein geheimer Rath und ein Hofrath
ſehr genau kennen lernten, wahre Menſchen-
Freunde, welche, da ſie die Wahrheit unter-
ſtuͤtzten und vertheidigten, ſie ſelbſt erkannten,
und verſchiedene Verſuche machten, das Dunkel,
worein man ſie zu huͤllen ſuchte, zu zerſtreuen:
Aber man wies ſie immer, unter dem Vorwand
ab: Der Ausſpruch der Aerzte ſeye allein faͤhig
hierinnen zu entſcheiden. Jhre beſte Abſichten
konnten alſo weiter nichts, als mir anbieten:
Sie wollten meine Schrifften in fremden Laͤndern
ſo bekannt machen, als es meine Lage erforderte.
Auf dieſe Art kam mein Schreiben vom 5ten
Jenner 1775 in die Haͤnde der meiſten Akade-
mien der Wiſſenſchafften und einiger anderer Ge-
lehrten. Die einige Berliner Akademie antwor-
tete den 24ten Merz im nemlichen Jahr, ſchrifft-
lich. Weil ſie aber die Eigenſchafften des von
mir beſchriebenen thieriſchen Magnetismus,
mit den Eigenſchafften des gewoͤhnlichen Magnets,
den ich doch nur als einen Leiter angebe, ver-
wechſelte, ſo gerieth ſie in verſchiedene Jrrthuͤm-
mer, und erklaͤrte ſich: Jch muͤßte mich ſelbſt
getaͤuſchet haben.
Sie begieng aber nicht allein dieſen Jrrthum
den thieriſch und mineraliſchen Magnetis-
mus zu verwechſeln, ohngeachtet ich in allen
meinen Schrifften ausdruͤcklich gezeigt hatte, daß
der Gebrauch des letztern zwar nuͤtzlich, aber
doch ohne die Theorie des erſtern immer unvoll-
kommen ſeye. NaturkundigerNaturkundige und Aerzte, mit
denen ich im Briefwechſel ſtund, oder die mir
meine Entdeckung fuͤr ſich abzulocken ſuchten,
behaupteten, und gaben ſich alle Muͤhe es aus-
zubreiten, entweder, daß ich alles durch den
gewoͤhnlichen Magnet verrichte, oder daß ich die
Electricitaͤt damit verbinde, blos weil man wuß-
te, daß ich von beyden Gebrauch gemacht hatte.
Nun belehrte zwar die meiſte ihre eigene Erfah-
rung von ihrem Jrrthum. Statt aber der von
mir beſchriebenen Wahrheit beyzufallen, ſchloſſen
ſie: Weil ſie durch dieſe beyde Mittel nichts
ausrichteten, die von mir beſchriebene Curen
muͤßten erdichtet, meine Theorie ein taͤuſchendes
Hirngeſpinſt ſeyn. Um nun auf immer derglei-
chen aͤhnliche Jrrthuͤmer unmoͤglich zu machen,
und die Wahrheit in das gehoͤrige Licht zu ſetzen,
entſchloß ich mich, ſeit 1776, gar keinen Ge-
brauch mehr, weder von der Elecktricitaͤt noch
dem gewoͤhnlichen Magnet zu machen.
Die ſchlechte Aufnahme meiner Erfindung,
und die wenige Hofnung, daß es kuͤnftig beſſer
gehen wuͤrde, bewog mich, gar keinen oͤffentli-
chen Verſuch mehr in Wien zu machen.
Jch reiſete nach Schwaben und in die Schweitz,
mich ſelbſt durch Thatſachen immer mehr von der
Wahrheit zu uͤberfuͤhren, meine Erfahrungen zu
vermehren. Und wirklich hatt' ich das Vergnuͤ-
gen viele auffallende Curen in Schwaben, aber
auch in Bern und Zuͤrich, unter den Augen der
Aerzte, in den Hoſpitaͤlern, zu verrichten, wel-
che Jhnen nicht den geringſten Zweiffel uͤber das
Daſeyn des thieriſchen Magnetismus, und
den Nutzen meiner Theorie uͤbrig lieſſnlieſſen, auch
den Jrrthum, worein ſie meine Gegner ſchon
verleitet hatten, voͤllig zerſtreuten.
Ein gewiſſer ehrlicher, aber allzueifriger Geiſt-
licher, brachte, in den Jahren 1774 und 1775 in dem
Regensburger Kirchſprengel, bey mehreren Kran-
ken die an den Nerven litten, Wirkungen hervor,
welche in den Augen der uneingenommenſten
aufgeklaͤrteſten Perſonen dieſer Gegend uͤberna-
tuͤrlich ſchienen. Sein Ruf verbreitete ſich biß
nach Wien, und da war man in zwo Parthien
getheilt. Die eine gab alles fuͤr Betruͤgereyen
und Blendungen aus, die andere fuͤr Wunder
der goͤttlichen Allmacht. Beyde irrten und mich
lehrte, von der Zeit an, meine Erfahrung, daß
dieſer Mann nichts als bloſſes Werkzeug der Na-
tur war. Sein Stand und ein gluͤckliches Un-
gefaͤhr, vereinigten in ihm gewiſſe natuͤrliche
Verbindungen, daß Er die periodiſche Zufaͤlle
dieſer Krankheiten erwecken konnte, ohne die wir-
kende Urſache zu kennen. Man ſahe das Auf-
hoͤren der Anfaͤlle als vollendete wirkliche Curen
an, und die Zeit allein konnte dem Publicum
ſeinen Jrrthum benehmen.
Als ich gegen das Ende 1775 Jahrs nach
Wien zuruͤck reiſete, gieng ich durch Muͤnchen.
Hier hatten Jhro Durchlaucht der Churfuͤrſt von
Bayern die Gnade, mich uͤber dieſe Materie zu
zu fragen, Sie wollten wiſſen: Ob ich Jhnen
dieſe angebliche Wunder erklaͤren koͤnnte? Jch
machte auch vor ſeinen Augen Verſuche, welche
Jhm alle Vorurtheile benahmen, und nicht den
geringſten Zweifel, gegen die von mir behaupte-
te Wahrheiten uͤbrig lieſſen, und kurz darauf er-
wieß mir, die Muͤnchner Akademie der Wiſſen-
ſchafften, die Ehre, mich unter ihre Mitglieder
aufzunehmen.
Jm Jahr 1776 reiſete ich zum zweyten mal
nach BayeruBayern, und war in der Cur verſchiede-
ner Krankheiten eben ſo gluͤcklich, als das erſte-
mal. Vorzuͤglich aber bey Herrn von Oſterwald,
Direcktor der Akademie der Wiſſenſchafften in
Muͤnchen, der lahm war, und einen unvollkom-
menen Staar hatte. Er war ſo guͤtig, dem
Publicum hievon und von andern Curen, die er
mit angeſehen hatte, Nachricht zu geben. Da
ich nach Wien zuruͤck kam, blieb ich, biß ans
Ende des nemlichen Jahrs, bey meinem Vorſatz,
nichts mehr zu unternehmen, ich wuͤrde auch den-
ſelben nicht geaͤndert haben, wann ſich nicht alle
meine
meine Freunde dagegen vereinigt haͤtten,
Jhr Bitten, mein Verlangen, die Wahrheit ſie-
gen zu ſehen, machten mir Hoffnung, durch ei-
nen neuen gluͤcklichen Erfolg, vorzuͤglich aber
durch eine auffallende Cur, meinen Wunſch zu
erreichen. Jn dieſer Abſicht nahm ich, nebſt
andern Kranken, die 18 jaͤhrige18jaͤhrige Jungfer Paradis
deren Eltern bekannt genug ſind, in die Cur,
Jhro Kayſerlich Koͤnigl. Majeſtaͤt kannten ſie
ſelbſt, dann ſie erhielte, ſeit ihrem 4ten Jahr.,
als eine ſtockblinde Perſon, von Jhrer hohen
Milde, ein Gnadengehalt. Dieſe Jungfer hat-
te einen vollkommenen Staar und Gichter in den
Augen, war melancholiſch, und litte an Verſtop-
fungen der Milz und Leber, die Jhr oͤfters
ſolche Anfaͤlle von Wahnſinn und Wuth zuzogen,
daß man ſie beynahe fuͤr gaͤnzlich toll halten mußte.
Ueberdiß nahm ich eine gewiſſe Zwelferinn
von 19 Jahren, in die Cur. Sie war vom
zweyten Jahr an blind, hatte den Staar,
Jm Anfang 1778 erſchien: Eine Samm-
lung derer durch den Magnetismus ver-
richteten Curen, in Leipzig. Dieſe unſchick-
liche Sammlung (deren Verfaſſer ich nicht ken-
ne) hat nichts als das Verdienſt, getreu und
ohne Partheylichkeit, alle Erzaͤhlungen und
Schrifften, fuͤr und gegen mein Syſtem, ge-
ſammlet zu haben. C
ein runzlichtes ſehr dickes Fell auf den Augen,
und der Augapfel war ganz geſchwunden. Zu-
dem wurde ſie von einem periodiſchen Blutſpeyen
oͤfters angefallen. Dieſes Maͤdgen erhielt ich
aus dem Wieneriſchen Wayſenhaus, und zu-
gleich von den Aufſehern deſſelben ein Zeugnis
ihrer Blindheit.
Die dritte Kranke, deren Beſorgung ich zu-
gleich uͤbernahm, war Jungfer Oſſine von 18
Jahren, die auch, als die Tochter eines Kay-
ſerlichen Officiers von Jhro Kayſ. Koͤnigl. Ma-
jeſtaͤt ein Gnadengehalt bezog. Sie war ſchwind-
und Lungenſuͤchtig, ſehr melancholiſch, hatte
oft Gichter, Toben, Erbrechen, Blutſpeyen und
Ohnmachten. Dieſe drey Kranke, befanden
ſich, ſo wie die andere, in meinem Haus,
um ſie ununterbrochen nach meiner Art beſor-
gen zu koͤnnen. Und ich war ſo gluͤcklich, ſie
alle drey herzuſtellen.
Die Eltern der Jungfer Paradis, waren Zeu-
gen ihrer Geneſung, des immer zunehmenden Ge-
brauchs ihrer Augen, und bemuͤheten ſich die-
ſen Vorgang und ihre Freude uͤberall zu verbrei-
ten. Alles uͤberlief mich, ſich davon zu uͤberzeu-
gen, jederman ſetzte die Kranke auf eine Art von
Probe, und gieng voll Verwunderung, mit den
verbindlichſten Ausdruͤcken gegen mich, aus mei-
nem Hauſe.
Auf wiederholtes Bitten des Herrn Paradis,
kamen die beyde Praͤſidenten der mediciniſchen
Facultaͤt, an der Spitze einiger von derſelben
Abgeordneten, zu mir, unterſuchten die Kran-
ke und vereinigten ihren lauten Beyfall mit der
Stimme des Publicums. Herr von Stoͤrk,
einer von dieſen Herren, der dieſe Jungfer per-
ſoͤnlich kannte, weil er ſie zehn Jahre ohne
einigen Erfolg, in der Cur gehabt hatte, be-
zeugte mir ſein Vergnuͤgen uͤber eine ſo wich-
tige Heilung, und bedauerte, daß er ſo lange
gezoͤgert haͤtte, durch ſeinen Beyfall dieſe wich-
tige Erfindung zu beguͤnſtigen. Noch mehrere
Aerzte folgten dem Beyſpiel unſerer Oberhaͤup-
ter, u. gaben der Wahrheit ihren freudigen Beyfall.
Nach allen dieſen unverwerflichen glaubwuͤr-
digen Vorfaͤllen, ſuchte mir Herr Paradis ſeine
Dankbarkeit zu bezeugen, und machte die gan-
ze Geſchichte, durch ſeinen eigenen Aufſatz in
ganz Europa bekannt. Er ruͤckte, um dieſe
Zeit, die wichtigſte Umſtaͤnde, von der Ge-
neſung ſeiner Tochter, in alle oͤffentliche Blaͤt-
ter ein.Man ſehe ſeinen eigenen Aufſatz im Anhang.
Unter den Aerzten, welche ihre Neugierde
zu befriedigen, mich beſucht hatten, befand
ſich Herr Barth, Profeſſor der Anatomie, der
C 2
ſich vorzuͤglich mit Augenkrankheiten und dem
Staarſtechen beſchaͤfftigte. Er ſelbſt hatte
zweymal die Jungfer Paradis fuͤr ſehend erklaͤrt.
Aber aus Neid erkuͤhnte Er ſich im Publicum
auszuſtreuen: Sie ſey noch blind, er habe
ſich ſelbſt davon uͤberzeugt, und unterſtuͤtzte
diß Vorgeben dadurch: Weil ſie die Namen
der ihr vorgelegten Dinge oft nicht wußte, oft
verwechſelte. Jedermann antwortete ihm: Er
vergaͤſſe hier den nothwendigen Unterſchied, den
man zwiſchen Blindgebohrnen, oder die wenig-
ſtens in ihrer zarten Kindheit blind geworden
waͤren, und zwiſchen Blinden, die erſt nach
mehrern Jahren vom Staar befallen, nach-
her aber durch die Kunſt ihr Geſicht wieder
erlangt haͤtten, machen muͤßte. Jene koͤnnten
unmoͤglich die Kenntniſſe wie dieſe haben. Wie
iſts moͤglich, ſagte man, daß ein Mann von
Jhrem Handwerk ſo einen groben Jrrthum be-
gehen kann? Aber ſeine Unverſchaͤmtheit be-
hauptete von allem gerade das Gegentheil. Das
ganze Publicum mochte ihm noch ſo oft tauſend
Zeugen ihrer voͤlligen Geneſung anfuͤhren, er al-
lein leugnete alles weg, und ſchlug ſich alſo zu
dem ſchon oben angefuͤhrten Herrn Jngenhaus.
Diese beyde Maͤnner, welche anfaͤng-
lich, von rechtſchaffenen, vernuͤnftigen Perſonen
fuͤr ſeltſame Koͤpfe gehalten wurden, brachtens
endlich doch ſo weit, daß ſie, durch die Bemuͤhun-
gen des Partheygeiſtes, die Jungfer Paradis
meiner Cur entriſſen, ehe ſie ihre Augen voll-
kommen brauchen gelernt hatte, verhinder-
ten, daß ſie Jhro Kayſerlichen Majeſtaͤt
nicht, wie ich vorhatte, vorgeſtellt wurde, und
ſo wurde nun, dem verbreiteten Geruͤcht, daß
alles Betruͤgerey geweſen, voͤllig Glauben bey-
gemeſſen. Ja man machte, in dieſer Abſicht
dem Herrn Paradis, durch die Forcht, er
moͤchte das Gnadengehalt ſeiner Tochter
verliehren, und hundert andere ihm verſpro-
chene Vortheile, den Kopf warm, biß er ſeine
Tochter aus meinen Haͤnden haben wollte.
Dieſe aber, und ihre Mutter dachte eben ſo,
weigerte ſich, weil ſie beſorgte, daß ihre Ge-
neſung unvollkommen ausfallen moͤchte. Man
drang in ſie, diß widerwaͤrtige Betragen er-
neuerte ihre gichteriſche Anfaͤlle, und veranlaß-
te einen ungluͤcklichen Ruͤckfall, doch hatte der,
ſelbeder-
ſelbe keine Folgen auf ihr Geſicht, in deſſen Ge-
brauch ſie ſich immer vollkommener zu machen
ſuchte. Kaum ſahe ſie ihr Vater beſſer, ſo
erneuerte er, vom Partheygeiſt aufgehetzt,
ſein voriges Betragen, verlangte von mir mit
Hitze ſeine Tochter, und zwang ſeine Frau ſie
C 3
mir abzufordern. Die Tochter weigerte ſich
aus den erſten Bewegungs-Gruͤnden. Die
Mutter, welche ſie bißher unterſtuͤtzt, und
mich gebeten hatte, die Seltſamkeiten ihres
Manns zu entſchuldigen, ſagte mir den 29ten
April, daß ſie entſchloſſen ſeye, ihre Tochter
auf der Stelle aus meinem Hauſe zu nehmen.
Sie haben ihr zu befehlen, verſetzt ich, wenn
ſie aber neue Anfaͤlle bekommen ſollte, denn
thu' ich keinen Zug mehr. Diß hoͤrte ihre
Tochter, und wurde ſo empfindlich dadurch
geruͤhrt, daß ſie neuerdingen die Gichter be-
kam. Der Herr Graf von Pellegrini, einer
meiner Kranken, kam ihr zu Huͤlfe, die Mut-
ter aber, welche ihr Geſchrey hoͤrte, verließ
mich ploͤtzlich, riß ihre Tochter halb wuͤthend
aus den Haͤnden, die ihr zu Huͤlfe gekommen
waren, und ſagte: Ungluͤckliche! Du ſpielſt
auch mit den Leuten dieſes Hauſes unter einem
Huͤtgen! ja ſie ſtieß ihr den Kopf in der Wuth
gegen die Wand. Nun erneuerten ſich alle
Anfaͤlle dieſer Ungluͤcklichen. Jch eilte auf ſie
zu, ihr zu helfen, die noch immer wuͤthende
Mutter ſtuͤrzte uͤber mich her, mich zu hin-
dern, und ſchimpfte was ſie konnte. Jch aber
ließ ſie durch einige Perſonen meines Hauſes
entfernen, und gieng wieder zur Tochter, um
fuͤr ſie zu ſorgen. Jndem ich hiemit beſchaͤff-
tiget war, hoͤrt ich ein neues wuͤthendes Ge-
ſchrey und abwechſelnde wiederholte Bemuͤhun-
gen, die Thuͤre des Zimmers, worinn ich mich
befand, aufzureiſſen und wieder zuzuſchmet-
tern. Diß war Herr Paradis. Seine Frau
hatte ihn durch einen ihrer Bedienten ruffen
laſſen. Er kam mit bloſſem Degen in mein
Haus, und ſuchte in das Zimmer zu drin-
gen, mein Bedienter aber bemuͤhte ſich ihn abzu-
halten, und ſtellte ſich vor die Thuͤre. End-
lich wurde der Raſende entwafnet, und verließ,
unter tauſend Fluͤchen uͤber mich und die Mei-
nige, meine Wohnung. Seine Frau hingegen
lag in Ohnmacht, ich ließ ihr die noͤthige
Huͤlfe leiſten, und ſie begab ſich nach einigen
Stunden hinweg. Aber ihre ungluͤckliche Toch-
ter bekam Erbrechen, Gichter und Anfaͤlle von
Wuth, welche das geringſte Geraͤuſch, vor-
zuͤglich der Ton der Glocken biß zum Erſtau
nenErſtau-
nen vermehrte. Ja ſie wurde durch den heff-
tigen Stoß, den ihr ihre Mutter gegeben hat-
te, wieder blind, und diß ließ mich ſehr viel
fuͤr ihr Gehirn befuͤrchten.
Diß waren, fuͤr ſie und mich, die trauri-
ge Folgen dieſes betruͤbten Auftritts. Leicht
haͤtt' ich alle dieſe Vergehungen, gerichtlich,
C 4
durch das Zeugnis des Herrn Grafen von Pel-
legrini, und noch acht Perſonen, die ſich bey
mir befanden, erhaͤrten koͤnnen, ohne von eben
ſo viel Nachbarn zu ſprechen, welche alle im
Stand waren die Wahrheit zu bezeugen. Allein,
einzig damit beſchaͤfftigt, wenn es immer moͤg-
lich waͤre, die Jungfer Paradis zu retten, ver-
nachlaͤſſigte ich alle rechtliche Mittel. Umſonſt
vereinigten ſich meine Freunde, mir die Son-
nenklare Undankbarkeit dieſer Leute, und die
fruchtloſe Bemuͤhungen meiner Arbeiten vorzu-
ſtellen. Jch blieb bey meinem erſten Entſchluß
und wuͤrde mich noch dazu gluͤcklich geſchaͤtzt
haben, wenn ich durch Wohlthaten die Feinde
der Wahrheit, und meiner Ruhe haͤtte beſiegen
koͤnnen.
Den folgenden Tag erfuhr ich, daß Herr Pa-
radis, um ſeine Vergehungen zu bemaͤnteln,
die ſchaͤndlichſten Beſchuldigungen gegen mich
ausſtreute, alles in der Abſicht ſeine Tochter
aus meinem Haus zu ſchaffen, und durch ihren
Zuſtand das Gefaͤhrliche meiner gebrauchten
Mittel zu beweiſen. Und wirklich erhielt ich,
durch Herrn Hof-Medicus Oſt, einen, von
Herrn von Stoͤrk, als Praͤſidenten des Medici-
nal-Weſens geſchriebenen Befehl, Schoͤnbrunn
den 2ten May 1777, der mir auferlegte: Die-
ſer Betruͤgerey ein Ende zu machen, (diß
war ſein Ausdruck) „und die Jungfer Paradis
„ihren Eltern zuruͤck zu geben, wenn ich glaub-
„te, daß es ohne Gefahr fuͤr die Kranke ge-
„ſchehen koͤnnte.„“
Wer haͤtte glauben ſollen, daß der, ſo gut,
durch den nemlichen Arzt, von dem bey mir
vorgefallenen Auftritt, unterrichtete Herr von
Stoͤrk, der ſeit ſeinem erſten Beſuch zweymal
gekommen war, ſich von der Beſſerung der Kran-
ken, und dem Nutzen meiner gebrauchten Mit-
tel ſelbſt zu uͤberzeugen, daß dieſer Herr ſich
gegen mir einen ſo beleidigenden verachtungs-
vollen Ausdruck erlauben wuͤrde? Jch hatte
vielmehr alle Gruͤnde zu vermuthen: Er, deſ-
ſen eigentliche Beſtimmung es erforderte, eine
Wahrheit von dieſer Art zu unterſuchen, wuͤrde
ihr Vertheydiger ſeyn. Ja ich unterſtehe mich
noch hinzuſetzen: Es waͤre ſeine, als Praͤſi-
denten der mediciniſchen Facultaͤt, noch mehr
als eines Mannes, der das ganze Vertrauen
des hoͤchſten Kayſerlichen Hofes hatte, erſte
Pflicht geweſen, unter dieſen Umſtaͤnden ein
Mitglied der Facultaͤt zu beſchuͤtzen, an dem
er nichts auszuſetzen wußte, einen Mann, den
er hundertmal ſeiner Zuneigung und Hochach-
C 5
tung verſichert hatte. Jch antwortete uͤbrigens
auf dieſen unuͤberlegten Befehl: Die Kranke be-
faͤnde ſich auſſer Stand, ohne Lebens-Gefahr,
aus dem Haus gebracht zu werden.
Eben dieſe Lebens-Gefahr der Jungfer Pa-
radis, machte ohne Zweifel ihren Vater zahm,
und ließ ihn einige Ueberlegungen anſtellen. Er
bediente ſich bey mir der Vermittelung zweyer
liebenswuͤrdigen Perſonen, um mich dahin zu
bringen, noch ferner fuͤr ſeine Tochter beſorgt
zu ſeyn. Jch ließ ihm ſagen: Es wuͤrde, doch
nur unter der Bedingung, geſchehen, wenn
weder Er, noch ſeine Frau, ſich in meinem Haus
blicken lieſſen. Und in der That uͤbertraf die
Wirkung meiner Bemuͤhungen, alle meine
Hoffnungen. Schon in neun Tagen verlohren
ſich die Gichter und alle Zufaͤlle, aber ſie war
noch immer blind. Eine fuͤnfzehn taͤgige Cur
hob auch diß, und ſtellte auch ihre Augen
wiederum ſo gut her, als ſie vor dieſem Zu-
fall waren. Jch wandte noch andere 15 Ta-
ge an, ſie zu unterrichten, wie ſie ſich, um
ihre Geſundheit immer vollkommener zu ma-
chen und zu ſtaͤrken, verhalten muͤßte. Nun
erfuhr das Publicum ihre Wiederherſtellung,
und faſt jederman, bezeugte mir aufs neue,
ſo gar ſchrifftlich, ſein Vergnuͤgen und Zufrie-
denheit daruͤber. Herr Paradis, der von dem
Herrn Oſt, welcher auf ſein Erſuchen, mit mei-
ner Bewilligung die ganze Cur beobachte-
te, die gute Umſtaͤnde ſeiner Tochter er-
fuhr, dankte meiner Frau ſchrifftlich fuͤr ihre
muͤtterliche Sorgfalt. Auch mir dankte er,
mit der Bitte: Jch moͤchte das geſchehene guͤ-
tigſt entſchuldigen, von ſeiner kuͤnftigen Dank-
barkeit verſichert ſeyn, und ſchloß zuletzt mit der
Bitte: Jhm ſeine Tochter zu ſchicken. Er ge-
daͤchte ſich aufs Land zu begeben, und wuͤnſch-
te, daß ſie mit Jhm die Landluft genieſſen koͤnn-
te. Von da aus, wuͤrde er ſie, mir ſo oft zu-
ruͤcke ſchicken, als ich es fuͤr noͤthig erachten
wuͤrde, ſie noch ferner zu unterrichten, ja er
hoffe, daß ich die Guͤte haben wuͤrde, Sie nicht
zu verlaſſen. Jch war gutherzig genug ihm zu
glauben, und ſchickt' ihm ſeine Tochter den 8ten
Junius, erfuhr aber gleich den folgenden Tag,
daß ſein ganzes Haus ſich bemuͤhete, das Ge-
ruͤcht auszubreiten: Jhre Tochter ſeye noch
blind und von den Gichtern geplagt, ja daß
man ſie noͤthige, gichteriſche Bewegungen und
das Betragen einer Blinden nachzuahmen, und
ſo den Leuten zeige. Jm Anfang wurde dieſem
Maͤrchen von denen Perſonen widerſprochen,
welche ſelbſt das Gegentheil geſehen hatten.
Allein es wurde nicht nur unterſtuͤtzt, ſondern
fand ſo gar, durch die ſchwarze Kunſtgriffe, zu
denen ſich Herr Paradis brauchen ließ, Glau-
ben; ohne daß es mir moͤglich geweſen waͤre,
der Wahrheit, durch die Zeugniſſe der ſchaͤtzbar-
ſten Perſonen, z. E. des Kayſ. Koͤnigl. Herrn
Hofrath und Staats-Canzley-Directors Spiel-
manns, der Kayſ. Koͤnigl. Raͤthe, Herrn von
Molitor und Umlauer Kayſ. Koͤnigl. Arztes;
Herrn von Boulanger, von Heufeld, und der
Herrn Barons von Colnbach und von Weber,
den Sieg zu verſchaffen, welche doch, (nicht
von vielen andern Perſonen zu ſprechen) aus
eigener Bewegung, faſt taͤglich, mein Verfah-
ren und ſeine Wirkungen beobachtet hatten.
Auf dieſe Art, kam man endlich, trotz al-
ler meiner ſtandhafften Bemuͤhungen, ſo weit,
die aufs unwiderleglichſte bewieſene Wahrheit
unter die Claſſe der Betruͤgereyen, wenigſtens
der allerungewiſſeſten Dinge zu verſetzen. Je-
derman begreifft, welch einen Eindruck, die
wuͤthende Begierde meiner Gegner, mir zu
ſchaden, und die Undankbarkeit eines Hauſes,
welches ich mit Wohlthaten uͤberhaͤuft hatte,
auf mich machen mußte. Und dannoch ſetzt
ich, waͤhrend der letzten Haͤlfte 1777, die Cur
der Jungfer Oſſine und Zwelferinn fort. Die-
ſe letztere, hatte, wie ich ſchon geſagt habe,
noch weit elendere Augen als die Jungfer Pa-
radis. Gluͤcklich verfolgte ich die Cur der
uͤbrigen bey mir gebliebenen Kranken, nament-
lich der Jungfer Wipior von neun Jahren.
Dieſe hatte auf dem einen Aug einen Auswuchs
der Hornhaut, welcher gemeiniglich unter dem
Namen Staphyloma bekannt iſt. Und dieſe drey
bis vier Linien hohe knorpelichte Erhoͤhung raub-
te ihr den Gebrauch des einen Auges. Jch war
ſo gluͤcklich, dieſen Auswuchs ſo ſehr zu zerthei-
len, daß ſie mit dieſem Aug wieder leſen
konnte. Nur ein ſchwaches Fell war auf der
Mitte der Hornhaut zuruͤck geblieben, und ich
glaube gewiß, ich wuͤrde auch diß weggebracht
haben, wenn mir die Lage meiner Umſtaͤnde ge-
ſtattet haͤtte, die Cur fortzuſetzen. Aber, er-
muͤdet von meinen zwoͤlfjaͤhrigen anhaltenden
Arbeiten, noch mehr durch die unterſtuͤtzte
Verfolgung meiner Gegner, ohne das minde-
ſte Vergnuͤgen fuͤr alle meine Unterſuchungen
und Beſchwehrlichkeiten, als dasjenige, das
mir meine Feinde nicht rauben konnten, erhal-
ten zu haben, glaubt' ich bißher alle meine
Pflichten gegen meine Mitbuͤrger erfuͤllt zu ha-
ben: Ueberzeugt, daß ein Tag kommen wuͤr-
de, wo man mir mehr Gerechtigkeit wuͤrde
wiederfahren laſſen, entſchloß ich mich zu rei-
ſen, in der einigen Abſicht, mir die hoͤchſtnoͤ-
thige Erholung zu verſchaffen. Um aber zu-
gleich, ſo viel mir moͤglich war, dem Vorur-
theil und den Beſchuldigungen entgegen zu ar-
beiten, richtete ich alles ſo ein, daß Jungfer
Oſſine und Zwelferinn, waͤhrend meiner
Abweſenheit, in meinem Haus blieben, und ge-
brauchte hernach die Vorſicht, dem Publicum
den Grund davon anzugeben: „Sie blieben
„deßwegen in meiner Wohnung, damit man
„ihre Lage alle Augenblick zur Steuer der Wahr-
„heit unterſuchen und beſtaͤttigen koͤnnte. Acht
„Monate brachten ſie da zu, und verlieſſen es
„blos auf hoͤhere Befehle..„“
Jm Februar 1778 kam ich nach Paris,Meine, mir zu ſchaden immer unermuͤde-
te Gegner, bemuͤhten ſich, bey meiner An-
kunft in Frankreich, alles gegen mich ein-
zunehmen. Sie zogen ſo gar die Wieneri-
ſche mediciniſche Facultaͤt mit ins Spiel,
und lieſſen im Merz 1778 ein Schreiben oh-
ne Namen, in das Iournal Encyclopédi-
que p. 506. eiuruͤckeneinruͤcken. Herr Hell, Herr zu
Hirſingen und zu Lundzer, nahm keinen
Anſtand zu dieſer Verleumdungs-Schrifft
ſeinen Namen zu leihen. Jnzwiſchen war
ich noch nicht bekannt, und ſah' ſie nicht,
biß man ſich in Paris daruͤber gegen mich
entſchuldigte. Die Unwahrheit, erbaͤrmli-
und fieng an das angenehme der Ruhe zu genieſ-
ſen, mich ganz der wichtigen Bekanntſchafft der
Gelehrten und Aerzte dieſer Hauptſtadt zu uͤber-
laſſen, biß ich mich endlich, um ihre zuvorkom-
mende Hoͤflichkeit, womit ſie mich uͤberhaͤufften,
zu erwiedern, genoͤthigt ſahe, ihre Neugier-
de zu befriedigen, und von meinem Syſtem zu
ſprechen. Sie ſtutzten uͤber ſeine Beſchaffenheit
und Wirkungen, und wuͤnſchten meine Erklaͤ-
rung daruͤber. Jch gab Jhnen auch dieſelbe in
meinen 19 kurzen Saͤtzen.Dieſe nemliche Saͤtze, wurden 1776, von
Herrn Elliot, Engliſchen Geſandten auf
dem Reichstag zu Regensburg, nach Londen
der Koͤniglichen Geſellſchafft uͤberſchickt. Jch
hatte ſie dieſem Herrn, auf ſein Verlangen
mitgetheilt, da er von mir ſehr viele Verſu-
che in Muͤnchen und Regensburg geſehen
hatte. Dieſe ſchienen
Jhnen in gar keiner VerbindnngVerbindung mit denen bißher
bekannten Kenntniſſen zu ſtehen. Jch fuͤhlte
wirklich ſelbſt, die Schwierigkeit, durch bloſſe
Vernunft-Schluͤſſe, das Daſeyn eines Princi-
piums zu beweiſen, von dem man noch gar kei-
nen Begriff hatte, und willigte, in dieſer Ruck-Ruͤck-
ſicht, in die Forderung, die Wahrheit und den
che Schluͤſſe und Boßheit dieſes Schreibens,
verdienen uͤbrigens nichts als Verachtung.
Man darf es nur leſen, um ſich davon zu
uͤberzeugen.
Nutzen meiner Theorie, durch die Cur einiger
ſchwehren Krankheiten, zu beweiſen.
Man vertraute mir verſchiedene Kranke an,
aber der groͤßte Theil befand ſich in ſo uͤbeln
Umſtaͤnden, daß meine ganze Neigung, nuͤtz-
lich zu ſeyn, erfordert wurde, um mich nur zu
ihrer Annahme zu bewegen. Und doch war ich
ſo gluͤcklich: Eine mit krampfigtem Erbrechen
verbundene von Vapeurs entſtandene Melan-
cholie, verſchiedene alte Verſtopfungen der Miltz,
der Leber und des Gekroͤſes, einen unvollkomme-
nen Staar, der ſchon ſo weit gekommen war,
daß die Perſon nicht mehr ohne Fuͤhrer gehen
konnte, eine allgemeine mit Zittern verbundene
Laͤhmung, welche den viertzig jaͤhrigen Kranken
einem Greis und Betrunkenen aͤhnlich machte,
zu heilen. Dieſe letzte Krankheit war eine Fol-
ge des Erfrierens, und verſchlimmerte ſich durch
ein boͤsartiges Faulfieber, wovon der Kranke
vor ſechs Jahren in America war uͤberfallen
worden. Eben ſo gluͤcklich hob ich eine gaͤnzli-
che Laͤhmung und Schwinden der Fuͤſſe; ein an-
haltendes Erbrechen, welches dem Krank-nKranken eine
Doͤrrſucht zugezogen hatte; eine Schwindſucht
und Verhaͤrtung der Druͤſen (Cachexia ſcrophu-
loſa) und endlich eine allgemeine Unordnung
in den Ausduͤnſtungs-Werkzeugen.
Alle
Alle dieſe Kranke, deren Lage den Pariſer
Aerzten bekannt und von ihnen anerkannt worden
war, bekamen Criſen und merkliche, der Na-
tur ihrer Krankheiten gemaͤſſe Ausleerungen,
ohne irgend ein Arzney-Mittel gebraucht zu
haben, und lieſſen mir, nach geendigter Cur,
hieruͤber eine umſtaͤndliche Erklaͤrung.
Und iſt diß nicht mehr als hinreichend, die
Vorzuͤge meiner Cur-Art, unwiderleglich, zu
beweiſen, hatt' ich nicht Grund mir zu ſchmei-
cheln, daß es eine volle Ueberzeugung wirken wuͤr-
de? Aber gerade die Perſonen, welche mich
bewogen, dieſe Curen zu unternehmen, ſetzten
ſich nicht in die Lage worinnen ſie den Erfolg
genau beobachten konnten, und diß aus Be-
weggruͤnden, deren Entwickelung in dieſer
Schrifft am unrechten Ort ſtehen wuͤrde. Da
dieſe Curen, gegen mein Erwarten, nicht dem
Corps vorgelegt wurden, deſſen Achtung al-
lein die Stimme des Publicums haͤtte berichti-
gen koͤnnen, ſo erreichten ſie die Abſicht, wel-
che ich mir vorgeſetzt, womit ich mir geſchmei-
chelt hatte, nur unvollkommen. Und diß ver-
anlaßt mich nun einen neuen VerſnchVerſuch fuͤr den
Sieg der Wahrheit znzu wagen. Hier liefere ich
meine erſte, aber merklich erweiterte Saͤtze, und
mache ſie hiemit oͤffentlich ſo bekannt, wie es biß-
her noch nie geſchahe.
D
Saͤtze.
1) Die Himmels-Koͤrper, die Erde und die
thieriſche Koͤrper haben einen wechſelſeiti-
gen Einfluß in einander. Und zwar ver-
moͤge
2) Einer allgemein verbreiteten ſtaͤtigen,
aͤuſſerſt feinen Fluͤſſigkeit, welche ihrer
Natur nach die Faͤhigkeit hat alle Ar-
ten von Bewegung anzunehmen, die-
ſelbe mitzutheilen, und fortzupflanzen.
3) Dieſe wechſelsweiſe Wirkung richtet ſich
nach mechaniſchen, bißher unbekanten
Geſetzen.
4) Von ihr entſpringen die wechſelsweiſen
Wuͤrkungen, die man als eine Ebbe und
Fluth anſehen kann.
5) Dieſe Ebbe und Fluth iſt mehr oder weni-
ger allgemein, mehr oder weniger auf
einzelne Gegenſtaͤnde eingeſchraͤnkt, mehr
oder weniger zuſammen geſetzt, je nach-
dem ihre beſtimmende Urſachen beſchaf-
fen ſind.
6) Auf dieſe Art (und es iſt die aller all-
gemeinſte, die man in der ganzen Natur
findet) ſtehen die Himmels-Koͤrper, die
Erde und ihre weſeutlicheweſentliche Beſtandtheile in
einem thaͤtigen Verhaͤltnus gegen einander.
7) Und von ihr hangen die Eigenſchafften
der Materie und der organiſchen Koͤr-
per ab.
8) Auf deuden thieriſchen Koͤrper haben die ab-
wechſelnde Wirkungen dieſes Principium
einen Einfluß, indem es die Subſtanz
der Nerven durchdringt, und unmittelbar
auf ſie wirkt.
9) Vorzuͤglich hat der menſchliche Koͤrper
magnetaͤhnliche Eigenſchafften, ſich entge-
gen geſetzte Pole, die man mit einander
verbinden, veraͤndern, zerſtoͤhren und ver-
ſtaͤrken kann, ja man hat ſchon die magneti-
ſche Neigung (inclinatio) daran beobachtet.
10) Eben dieſe Eigenſchafft des thieriſchen
Koͤrpers, welche ihn des Einfluſſes der
Himmels-Koͤrper und der Zuruͤckwirkung
auf das, was ihn umgiebt, faͤhig macht,
da ſie ſich auf eine Magnet aͤhnliche Art aͤuſ-
ſert, bewog mich, ſie den thieriſchen
Magnetismus zu nennen...
11) Die Wirkung und die Krafft dieſes eben
beſchriebenen thieriſchen Magnetismus,
laͤßt ſich andern, lebendigen und lebloſen
Koͤrpern mittheilen, doch ſind beyde bald
mehr, bald weniger geſchickt, ſie anzu-
nehmen.
12) Dieſe Wirkung und dieſe Krafft koͤnnen
durch die nemliche Koͤrper verſtaͤrkt und
fortgepflanzt werden.
13) Schon die Erfahrung lehrt den Aus-
fluß einer ſehr feinen Materie, welche alle
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Koͤrper durchdringt, ohne ein merkliches
von ihrer Thaͤtigkeit zu verliehren.
14) Sie wirkt auch in der Entfernung,
ohne Beyhuͤlfe eines andern vermittelnden
Koͤrpers.
15) Sie wird, wie das Licht, durch Spie-
gel vermehrt und zuruͤck geworfen.
16) Sie laͤßt ſich durch den Schall fortpflan-
zen und vermehren.
17) Dieſe magnetiſche Krafft kann angehaͤuf-
fet, zuſammen gedraͤngt, und von einem
Ort an den andern gebracht werden.
18) Nicht alle lebendige Koͤrper haben dieſe
Faͤhigkeit in gleichem Grad, ja man findet,
doch ſehr ſelten, einige, welche ſo ſehr die
entgegen geſetzte Eigenſchafft beſitzen, daß
ihre bloſſe Gegenwart, die Wirkung dieſes
Magnetismus in andere Koͤrper, zerſtoͤhrt.
19) Auch dieſe entgegen geſetzte Krafft durch-
dringt alle Koͤrper, laͤßt ſich mittheilen,
fortpflanzen, anhaͤuffen, zuſammendraͤn-
gen, von einem Ort an den andern brin-
gen, durch Spiegel zuruͤcke werfen, und
durch den Schall fortpflanzen, und iſt alſo
nicht nur eine negative, ſondern wirklich,
obſchon entgegen geſetzte poſitive Krafft.
20) NatuͤrlichNatuͤrliche und kuͤnſtliche Magnete ſind,
ſo gut als andere Koͤrper, des animali-
ſchen Magnetismus, und ſo gar der ihm
entgegen geſetzten Krafft faͤhig, ohne daß,
weder im erſten noch im andern Fall, ihre
Wirkung auf das Eiſen, und die Nadel,
die geringſte Veraͤnderung dadurch erlitte.
Ein Umſtand, welcher den weſentlichen
Unterſchied, der Principien des thieri-
ſchen und mineraliſchen Magnetismus,
beweiſet.
21) Diß Syſtem verbreitet ein neues Licht,
uͤber die Natur des Feuers, des Lichts,
die Theorie der Attraction, der Ebbe und
Fluth, des Magnets und der Electricitaͤt.
22) Es zeigt, daß der Magnet und die
kuͤuſtlichekuͤnſtliche Electricitaͤt, in Abſicht auf die
Krankheiten, nur die gewoͤhnliche Eigen-
ſchafften, anderer, von der Natur uns an-
gebottenen Mittel haben, und daß, wenn
ſie bißweilen einige gute Wirkung thaten,
dieſe blos vom thieriſchen Magnetismus
herruͤhre.
23) Meine practiſche Regeln, die ich ange-
ben werde, ſollen durch die Erfahrung
lehren, daß diß Principium, Nerven-
Krankheiten unmittelbar, andere mit-
telbar heile.
24) Daß durch ſeine Unterſtuͤtzung, dem
Arzt ein Licht im Gebrauch der Arzney-
Mittel aufgeſteckt wird, daß er ihre
Wirkung vollkommener machen, heilſame
Criſen hervorbringen, nach Gefallen len-
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ken, und ſich vollkommen zum Herrn
von ihnen machen kann.
25) Jn der Beſchreibung meiner Methode,
werde ich, durch eine neue Theorie der
Krankheiten, den allgemeinen Nutzen,
meines ihnen entgegen geſetzten Princi-
piums beweiſen.
26) Ein mit dieſen Einſichten verſehener
Arzt, wird zuverlaͤſſig, den Urſprung,
die Natur und den Fortgang, auch der
zuſammengeſetzteſten Krankheiten, beur-
theilen, ihr Steigen verhindern und ſie
heben, ohne jemals den Kranken einer
gefaͤhrlichen Wirkung oder ſchaͤdlichen Fol-
gen auszuſetzen, ſein Alter, Temperament
und Geſchlecht ſeye beſchaffen, wie es
immer will. Selbſt Schwangere und Ge-
baͤhrende koͤnnen dieſen Vortheil genieſſen.
27) Mit einem Wort: Diß Lehrgebaͤude
wird den Arzt in Stand ſetzen, die Geſund-
heit eines jeden beſtimmt zu beurtheilen,
ihn vor allen Krankheiten, denen er etwa
ausgeſetzt ſeyn koͤnnte, zu verwahren,
und folglich die Heilkunſt auf den hoͤch-
ſten Gipfel ihrer Vollkommenheit bringen.
Ungeachtet unter allen dieſen Saͤtzen nicht
ein einiger iſt, uͤber welchen, mir, meine
zwoͤlfjaͤhrige unermuͤdete Beobachtungen, nur
den mindeſten Zweifel zuruͤckgelaſſen haͤtten,
ſo begreiff' ich doch ſehr leicht, daß nach denen
einmal angenommenen Grundſaͤtzen und Kaͤnnt-
niſſen, mein Syſtem, beym erſten Anblick eben
ſo ſehr einem Traum als der Wahrheit aͤhnlich
ſcheinen werde. Allein ich erſuche alle aufge-
klaͤrte Perſonen, alle Vorurtheile zu entfernen,
und wenigſtens ihr Urtheil ſo lange zuruͤck zu
halten, biß mir die Umſtaͤnde geſtatten, mei-
nen Grundſaͤtzen, den Grad der Ueberzeugung
zu ertheilen, deren ſie faͤhig ſind. Der An-
blick ſo vieler, unter der Laſt des Jammers
und des Ungluͤcks blos deßwegen Leidender,
weil die bekannte Mittel nicht im Stand
ſind ihnen zu helfen, iſt wohl hinreichend, den
Wunſch, ja die Hoffnung, nach beſſern, rege zu
machen.
Nur Aerzte, dieſe Vertraute des Publi-
cums, in Abſicht auf die Erhaltung und Gluͤck-
ſeligkeit des Menſchen-Geſchlechts, ſind,
vermoͤge der ihrer Lage weſentlichen Kaͤnntniſ-
ſe faͤhig, die Wichtigkeit meiner angekuͤndigten
Entdeckung reif zu beurtheilen — ihre Folgen
ins Licht zu ſtellen. Sie allein koͤnnen ſie in
Ausuͤbung bringen.
Der Vorzug, den ich genieſſe, ſelbſt unter
eine ſo wuͤrdige Claſſe von Menſchen zu gehoͤren,
laͤßt mich nicht zweiffeln: Sie werden ſich ge-
wiß alle Muͤhe geben, GruudſaͤtzeGrundſaͤtze anzunehmen
und zu verbreiten, welche zum groͤßten Vor-
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theil der leidenden Menſchheit gereichen. Sie
werden es gewiß thun, ſo bald ſie durch dieſe,
ihnen vorzuͤglich gewidmete Schrift einen wah-
ren Begriff von dem thieriſchen Magnetismus
erhalten haben.