WEnn wir uns vorgesetzt hätten, mit dem vortrefflichen
Plutarchus Vitas Parallelas zu schreiben, würde sich
der grosse Pyrrhus, ein berühmter König des Al-
terthums, auf ietzige Zeiten und Europäische Vor-
fallenheiten ungemein wohl schicken, ohne daß wir nöthig hätten,
seines gleichen mit einer Frantzösischen Feder aus Constantinopel
in der Person des Perfischen Schach Nadyrs zu suchen. Schon
gedachter Griechische Printz hatte eine unglaubliche Ehrsucht und
unmäßige Begierde mit denen Römern anzubinden, und, oh-
ne zu wissen warum, mit Krieg zu überziehen. Solchen Ruhms-
schwangeren Gedancken hienge er mehr als ein Jahr bey sich selbst
nach, und legte sie von einer Zeit zur andern unaufhörlich durch unter-
schiedliche Reden und Unternehmungen zu Tage; Sein vornehmster
und getreuester Minister, Cyneas, bemühete sich zwar sehr, doch allemal
vergeblich, ihn davon abzubringen, daß er ihn so gar einsmahls fragte:
Was doch Se. Majest. vor einen Endzweck bey diesem Vor-
satz hätten? Jch will, sagte er, die Römer überwinden, und
gantz Jtalien unter meine Bothmäßigkeit bringen. Cyneas
versetzte: Und was wollen Ew. Majest. hernach anfangen?
Jch will mich nach Sicilien wenden, antwortete Pyrrhus,
und die Einwohner daselbst sollen meine Unterthanen wer-
den. Und was werden Dieselben hernachmahls noch fer-
ner thun? fragte der redliche Minister noch weiter. Carthago
belagern, einnehmen, und mich zum Monarchen von gantz
Africa machen. Aber, wiederredete jener, was wird das En-
de aller dieser Feldzüge seyn? Hiemit, meynte Pyrrhus, wol-
len wir uns in Ruhe begeben, und unsere Lebens-Zeit mit
dem allerbesten Weintrincken beschliessen. Was? konte
sich endlich Cyneas nicht länger enthalten, werden wir auch ei-
nen bessern bekommen, als den wir ietzo trincken? und ha-
ben wir ietzo nicht so viel, als uns nöthig ist? Aber so klug
diese weise Reden des Cyneas waren, so bestunde der grosse Pyr-
rhus dennoch auf seinem Vorsatz, rüstete sich mit einem gewalti-
gen Heere, und besiegte auch die Römer zu zweymahlen, dabey er
aber doch allemahl so viel Volck verlohr, daß er bey denen Glück-
wünschungen seiner Generals sich nicht entbrechen konte zu ant-
worten: Tapffere Generals! Jhr habt wahrhafftig Ursa-
che, mir Glück zu wünschen: denn wenn ich noch einmahl
siegte, würde es zu meinem Verderben hinlänglich genug
seyn. Jn folgendem Stücke setzen wir diese Erzehlung weiter
fort.
Neuigkeiten von Teutschland.
Die von der Oesterreichischen Adminiſtration der Bayerischen
Geistlichkeit auferlegte Militair-Beysteuer hat verursacht, daß
zu München in der Haupt-Kirche zu St. Peter schon ein Theil
der Musicanten abgedancket worden; die gesammte Bayerische
Geistlichkeit hat sich aber immediate an den Hof zu Wien gewen-
det. Den 13. Januarii ward die Einnahme von dem gestempelten
Papier und Charten an den meistbiethenden verpachtet.
Weil zwischen denen Aſſeſſoren des Cammer-Gerichts zu
Wetzlar wegen der bekanntlichen unter beyderley Religions-Ver-
wandten in diesem Jahr strittigen Oster-Feyer Zwietracht entstan-
den; als ist von Sr. Kayserl. Majest. deshalben ein Rescript so-
wohl an das Cammer-Gericht als an den Stadt-Magistrat zu
Wetzlar ergangen, davon der Jnhalt noch nicht bekannt.
Auf Requiſition der Chur-Mayntzischen Gesandtschafft hat
der Magistrat zu Franckfurth eine ohnlängst ohne Nahmen her-
aus gekommene Schrifft, worinn sowohl das Chur-Mayntzische
Directorium als der Wienerische Hof mit injurieuſen Worten
angegriffen, confisciren lassen.
Von dem Frantzösischen Hof soll ein Operations-Plan an
Kayserl. Majest. überschickt worden seyn, wie höchst Dero Troup-
pen dieses Jahr agiren solten, welchen man auch genehmiget. Der
Feld-Marschall von Seckendorff aber soll, als man dessen Gutach-
ten darüber begehret, solchen Plan vor inpracticable gehalten
haben.
Des Printz Carls von Lotthringen Abreise von Wien ist den
19. Febr. festgestellt, doch wird vor derselben der künfftige Kriegs-
Operations-Plan zu seiner Richtigkeit kommen. Jn Dreßden ist
schon ein Fourier aus Wien ankommen, der die Marsch-Route be-
sorgen muß, wobey er punctuellen Befehl haben soll, die Einrich-
tung dahin zu machen, damit nicht das mindeste vom Preußischen
Territorio berühret werde. Welches von einer grossen Animoſi-
té des Oesterreichischen Hofs zeigt; die vornemlich ihren Ursprung
von dem allzugenauen Attachement des Preußischen Hofs an Kay-
serl. Majest. in puncto die Dictatur Sache betreffend, herrühret,
wie denn in dem Preußischen Rück-Schreiben dieserhalb sehr har-
te Ausdrückungen mit eingeflossen seyn sollen. Sonsten sagt man
vor gewiß, daß der Printz Carl nicht in Dreßden eintreffen, son-
dern zu Zehist übernachten werden. Vermuthlich geschiehet es we-
gen Vermeidung des Ceremoniels. Vorläuffig sind schon 300.
Pferde zu Fortbringung dieser hohen Herrschafften in Beschlag ge-
nommen worden.
Hingegen muß man das fernere Gute aus der Wiener und
Dreßdner Alliantz auch dahin ziehen, daß man Kayserlicher Seits
nicht mit Tilgung der Oesterreichischen Protestations-Schrifften
procediren kan. Wenigstens fällt die pluraritas Votorum Ele-
ctoralium weg. Denn gesetzt, Böhmen bleibt hierinne ſuſpen-
dirt; so sind doch solchenfalls, zum Besten der Königin von Un-
garn, Sachsen, Hannover, Mayntz und Trier egal wider Bayern,
( falls man es nicht qua partem ausschließt, ) Brandenburg, Pfaltz
und Cölln, es wäre denn, daß man eine völlige Trennung unter
denen Reichs-Ständen verursachen wolte. Anderns ist auch von
Oesterreich denen angeschuldeten Preußischen Deſſeins vorgebauet:
Denn, da Chur-Sachsen sich anheischig gemacht, der Königin von
Ungarn mit 12000. Mann zu aßistiren, wenn Sie von andern in
Jhren Landen attaquirt werden solte; so fragt sichs: Ob dieses
nicht auch wider Preussen zu verstehen? Wie mit sichern Briefen
verlautet, soll das Chur-Sächsische Ahlenbeckische Jnfanterie-Re-
giment den 15. Febr. von Eger und deren Diſtrict Poſſesſion neh-
men, indem dieser, nebst noch zwey Böhmischen Creyssen, und der
ſuperioritate territoriali über auswärtige Böhmische Lehen ( ob
hierunter die Schönburgische sogenannten Reichs-Affter-Lehen
und die Schwartzburgische Böhmischen Feuda verstanden werden,
ist zur Zeit noch nicht bekannt, ) gegen Uberlassung 20000. Mann,
an Chur-Sachsen concedirt worden. Jhro Durchl. der Landgraf
von Hessen-Cassel sind nun den 16. Jan. von Berlin in Dreßden
angekommen, und man weiß nun schon wieder die gesuchte 10de
Chur, und die von beyden hohen Churfürsten nöthige Beystimmung
zum neuen Motiv dessen Besuchs anzugeben.
Jhro Königl. Majest. in Pohlen werden nebst der Königin
künfftigen May nach Dero Königreich gehen, woselbst Sie läng-
stens mit Anfang des Herbsts einen Land-Tag halten werden.
Der neue Frantzösische Gesandte, Herr Graf von Bayern,
wird ehestens in Franckfurth erwartet; er ist schon den 16. Jan.
von Paris abgereist, und hat in Franckfurth den Gasthof zum Kö-
nig von England vor 8000. fl. jährlich gemiethet.
Jn denen Chur-Psältzischen Landen ist eine Verordnung pu-
blicirt, laut welcher alle Lehns-Besitzer den Beweiß ihres Besitzes
beybringen sollen. Die von weyl. Churfürst Carl Ludwig ver-
schenckte und dadurch an die Gräfliche Degenfeldische Familie ge-
kommene Güther sind bereits als Landesherrliche Domainen ſe-
queſtri ret.
Nunmehro sagt man gantz gewiß, daß die Hessen-Casselische
Printzeßin Amalia, mit Genehmhaltung des Rußischen Hofs, an
den Schwedischen Thronfolger vermählt solte werden.
Jtalien.
Zu Turin ist ein grosser Kriegs-Rath gehalten worden, welchem
Jhro Königl. Majestät, der obriste Staats-Minister, Marquis
d'Ormea, der Englische Admiral Matthews, und der Königl. Un-
garische General Vettes beygewohnt. Es soll zwar noch zur Zeit
ein Geheimniß seyn, was darinn beschlossen worden; weil aber seit
der Abreise des Admirals der König einen Courier nach Londen mit
wichtigen Briefen, worinn unter andern ein Operations-Plan begrif-
fen, abgeschicket; so vermuthet man nicht unbillig, daß letzterer der Ge-
genwurff gedachter Conferenz gewesen. Man will nach solchem die
Spanier nicht nur aus gantz Jtalien delogiren, sondern vor allen
Dingen einige Eroberungen gewisser Jtaliänischen Staaten ma-
chen, damit die Königin von Ungarn wegen des Wormser-Tractats
schadloß gehalten würde. Und da dörffte der Hertzog von Mode-
na wohl oben an stehen.
Was Sr. Sardinischen Majestät, laut dieses Tractats, cedirt
worden, bestehet in folgenden: Die Stadt und Diſtrict Vigevano,
ein Theil von Paveſan, zwischen dem Po und Tesin liegend, vom
Oberlac bis an den Ort, wo sich der Po hinein giesset, ausgenom-
men die durch den Canal formirte Jnsul, welche Pavia gegen über
liegt, iedoch mit gleicher Communication aufm Fluß Tesin. Noch
weiter Oltrapo, Bobbio und sein Territorium, die Stadt Piacenza
mit begriffen, vom Ursprung des Flusses Nura, bis am Po, also daß
die Mittelscheid vom Po und Nura die Gräntzen beyder Staaten
ausmachen. Endlich der Theil der Grafschafft Anghiero, das Thal
Seccia, die grosse Alpen und das Walliser-Land, bis an die Vor-
gräntzen der Schweitzer Valmaggia und Locarno, so daß eine zu
dem Ende gezogene Linie die Gräntzen ausmacht, und heilig und
fest darob gehalten werden soll. Von allen diesen ist, auf Ordre
des Hofs zu Wien, ein Verzeichniß derer Einkünffte gemacht wor-
den, woraus man ersiehet, daß die Einkünffte von diesen Ländern
monathlich auf 400000. Jtal. Gulden betragen.
Der Spanische Genaral des Gages hat seine Equipage von
Pesaro nach Pescaro ins Neapolitanische geschickt, daher der Auf-
bruch der Spanischen Armee auch nicht weit mehr seyn kan.
Das Paradieß von Europa, Calabrien und Neapolis, wird
beynahe auf einmahl mit denen grösten Landes-Plagen heimgesucht.
Die Pest fängt wieder vom neuen an zu wüten; die Erde zittert,
und thut in Calabrien, besonders in Miletto, unbeschreiblichen
Schaden, wie denn daselbst die Haupt-Kirche völlig eingefallen, und
viel Menschen getödtet. Chistens aber wird das Kriegs-Geschrey
mit ohne Zweifel nicht aussen bleibenden Zerrüttungen und Wider-
willen, wie sich bereits zu Chieti geäussert, more Siciliano nicht
aussenbleiben.
Franckreich.
Die Königl. Printzeßinnen haben den 17. Januarii zu Marly ei-
nen Ball en Masque geben wollen, wobey der Hertzog von Char-
tres mit seiner Gemahlin auch zugegen, nebst vielen andern Herren und
Damen, seyn sollen; Man wird, weil man lange genug zahm ge-
wesen, als Wilde gekleidet erscheinen. Diese Neuigkeit ist zwar
von keiner Staats-Wichtigkeit, sie kam uns aber um so mehr be-
dencklich vor, weil uns bey derselben Lesung König Carls in Franck-
reich unglücklicher Todt einfiel, als welcher bey gleicher Lustbarkeit
und in solcher Masque eines wahrhafften Satyrischen Todes ver-
brannte, und sterben müssen.
Gegenwärtig will man unter der Hand erfahren haben, daß
der Allerchristl. König eben nicht sonderlich auf seine eigene Unko-
sten der Spanischen Königin Herrn Sohn zum König von der Lom-
bardey mit Gewalt machen würde; sondern man habe feste beschlos-
sen, dem Kayser in seiner gerechten Sache wider das Haus Oester-
reich behülflich zu seyn, und der Sache ein gantz anderes Ansehen
zu geben, als man sich in Wien nicht eingebildet. GOtt ist der
höchste Maitre über Königreiche und Länder, also wird man sehen,
wie dessen Weißheit bey menschlichen Propoſitis diſponi rt.
Wie Particulier-Briefe mit sich gebracht, sind der Aller-
christl. König sehr piquirt, daß zu Wien allerhand satyrische Me-
daillen geprägt worden, und wären Dieselben reſolvirt, sich über
kurtz oder lang zu revengiren.
Einige Grossen des Frantzös. Hofs haben sich verlauten lassen,
daß binnen 6. Wochen ein groß Evenement eclati ren würde, al-
lein sie haben vielleicht mit Fleiß vergessen, oder wissen es gar nicht
zu melden, worinne es bestehen soll.
Groß-Brittannien.
Jn Londen geschehen grosse Wetten, daß der Admiral Matthews
die Frantzösische Flotte, wenn sie ins Meer sticht, nicht attaqui-
ren werde. Entweder die Herren sind gut Frantzösisch, oder haben
eine allzustarcke Einbildungs-Krafft, oder können sich der allerge-
heimesten Cabinets-Nachrichten rühmen, oder müssen des Geldes
zu viel haben. Wir glauben vielmehr noch zur Zeit beständig, wie
dem Auslauff der Frantzös. Escadre ein derbes Englisches Salvete
beneventiren werde.
Wegen Abdanckung der Hannöverischen Trouppen ist die Hof-
Parthey gantz ohne Sorgen, indem man, allen üblen Gesichtern
und Murren der Nation vorzukommen, die Reſolution gefaßt, an
die in Englischen Sold stehende Trouppen Befehl zu ertheilen, de-
nen Ordres derer künfftigen Generals en Chef unausbleiblich zu ge-
horchen, und dahin zu marchiren, wohin sie befehliget würden, weil
solches im letztern Feldzug die Hannoverische Trouppen nicht thun
wollen. Solte aber dennoch die Gegen-Parthey den Platz behau-
pten, so weiß man schon ein ander Fleckgen, denen widrigen Pairs,
die von sich selbst sagen, daß sie durch ihre Protestation nichts an-
ders gesucht, als der Nachkommenschafft zu zeigen, daß sie rechtschaf-
fene Engländer sind, aus zupariren. Diesen Herren ihr Concept zu ver-
rücken, wird man solchenfalls der Königin von Ungarn eben die Sum-
men verwilligen, welche die Völcker gekostet, und diese wird sie her-
nach in Jhren Sold nehmen, und mit eben dem Englischen Geld
bezahlen.
Die Englische See-Macht wird, einhelligen Bericht nach, die-
ses Jahr in 200. Kriegs-Schiffen bestehen, von welchen man sich
nicht unrecht schmeicheln darff, daß sie in Zukunfft die Groß-Brit-
tannische Flagge bey andern wird können in Ehrfurcht setzen.
Niederlande.
Die Vermuthung oder vielmehr schon halbe Gewißheit, daß der
Graf von Stairs wieder in den Haag kommen werde, scheint
wieder zu verschwinden, nachdem derselbe sein in der Miethe gehab-
tes Quartier aufsagen lassen. Einige Briefe von Londen melden so
gar, daß dieser Herr Graf auf seine Land-Güther gegangen sey.
Rußland.
Auf wiederholtes Begehren des Königl. Schwedischen Hofs, daß
ihme auch Geld-Subſidien mögten gegeben werden, wenn Den-
nemarck mit dem Krieg loßbräche, hat Jhro Kayserl. Majest. auf 4.
Termine, als im Februario, Majo, Julio und Octobr. 400000.
Rubeln zugestanden.
Alle Welt wartet mit curieuſen Augen auf den Ausgang des
Mißverständnisses zwischen Rußland und Oesterreich wegen der
Bottaischen Affaire. Jn Wien bleibt man beständig dabey, daß es
eine Frantzösische Intrigue, und man giebt insonderheit dem Herrn
Lestock hierbey viele Schuld. Hingegen weiß man zu Petersburg
hiervon allen nichts, und wird dieser Hof durch solcherley Vorge-
ben nur noch erbitterter.
Einige haben als etwas merckwürdiges betrachtet, daß, so
bald der am Englischen Hof gestandene Printz Nariskin wieder in
Petersburg angelangt, und Director der neuen errichteten Peters-
burger Ritter-Academie geworden, die politischen Actien des
Marquis de Chetardie, welche bishero aufs höchste gestiegen zu
seyn geschienen, um ein ziemliches gefallen, die auch bey denen
Rußischen Grossen noch geringer werden dörfften, wenn der Lord
Tirawley erst angekommen. Wie denn auch die Reise nach der
Haupt-Stadt Moscau nicht eher vor sich gehen wird, als bis dieser
Englische Abgesandte nebst dem Dähnischen Herrn Gesandten, Ba-
ron von Holstein, angekommen.
Türckey.
Der Schach-Nadyr hat die Belagerung von Mosul nicht, wie man allein in
Constantinopel sagt, und von daher weitläufftig schreiben läßt, wegen des er-
littenen grossen Verlusts aufgehoben, sondern der Mangel an Lebens-Mitteln ist.
daran Ursach gewefen, und glaubt man, daß er von einer andern Seite in das
Ottomannische Reich einbrechen werde
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