Mein lieber Bruder.
Ich kañ Dir für deine freundliche Einladung nicht herz-
Lich und iñig genug gedanken. Weñ ich dies erst heute thue,
so ist der Grund, weil ich hoffte und wünschte, mit einem: „Ich
kom̃e an dem und dem Tage“ antworten zu köñen und ich hätte
das dies mal auch gethan, weñ ich nicht mit dem Schnupfen, oder
(wie der Arzt ihn bei mir zu benamsen pflegt) mit der Grippe so
eng liiert wäre. Ich besitze nämlich die größte Empfänglich-
keit für den unangenehmen Geist, der sich deñ seit gestern ein-
mal wieder bei mir eingestellt hat und –, wie ich seiner leider
nur allzu treu Anhänglichkeit an mir aus Erfahrung keñe –
schwerlich vor einer Woche mich wieder frei giebt. Unter so-
Umständen aber kañ und darf ich ans Reisen nicht denken,
um nicht aus einem allerdings sehr störenden, aber doch im̃er
nichtsbedeutenden Unwohlsein etwas Schlim̃eres zu machen.
Höchst ungern und widerwillig freilich verzichte ich daher – weil
ich verzichte muß – darauf, Mittwoch im Kreise der Fröhlichen
mit Euch Lieben fröhlich zuzubringen. Nochmals Euch
meinen
meinen besten Dank!
Zum Schluß dieser flüchtigst mit einem vom Schnupfen un-
gewoñenen dumpfen Kopf geschriebenen Zeilen nur noch wenige
Worte. Ob ich überhaupt nach Berlin kom̃e, was nach deiner vielleicht
richtigen Ansicht eben auch keine Erholung für mich sein würd
(einer solchen bedarf ich aber nicht sowohl als vielmehr an-
eregender Zerstreuung!) –, steht dahin. Jedenfalls ist es meine
bestim̃te Absicht, auf ein‘ oder die andre Weise mit Euch
– wenn auch nur auf Tage – zusam̃en zu sein. Ob es mir gelin-
gen wird, diese Absicht auszuführen und wie es möglich
sein wird, das schwebt allerdings für mich noch ziemlich
in der Luft. Sobald ich irgend Bestim̃tes mittheilen
kañ, geschieht es.
Euch alles Gute und Liebe, namentlich zunächst zum
Mittwoch gutes Wetter und viel Vergnügen wünschend,
in alter Treue Dein
Zopf
Strelitz 4.5.72
Grüße von Allen! Die „Morchel“ schämt sich schrecklich,
weil trotz aller aufgewandter Mühe sie bis jetzt noch
keine Morcheln hat bekom̃en köñen.