Sozialdemokratie und Frauen-
stimmrecht.
Von Rosika Schwimmer (Budapest).
Die Frage des Frauenstimmrechtes hat in den letzten
zwei Jahren Freunde und Feinde verblüffende Fortschritte
gemacht. Sie ist in dieser Zeit aus dem Stadium einer
als utopistisch angesehenen Ueberforderung „verrückter Frauen-
rechtlerinnen“ in die sehr reale Sphäre der allgemeinen
Tagespolitik aufgerückt und so weit fortgeschritten, daß die
Sozialdemokratie ihr nunmehr auch praktische Bedeutung
beizumessen beginnt. Erst beginnt, denn die Füße scheinen
ihr auf dem Schwungbrett der theoretischen Anerkennung
von der Notwendigkeit des Frauenstimmrechts so fest ein-
geschlafen zu sein, daß sie sich sehr schwer zu dem Sprunge
in die praktische Förderung entschließt.
Nun wippt sie aber immer lebhafter auf ihrem Sprung-
brette, und wenn nicht alle Zeichen trügen, so machte der
Stuttgarter internationale Sozialistenkongreß das längst
fällige Saltomortale.
Ein unvergängliches Verdienst hat sich die Sozialdemo-
kratie um die politische Gleichberechtigung der Frauen er-
worben. Allen übrigen politischen Parteien voran, hat sie
sie ins Programm aufgenommen. Alle übrigen Parteien,
die diese Forderung anerkannt haben, folgten ihr darin nur.
Aber dem großartigen ersten Schritt – der auf dem zweiten
internationalen Sozialistenkongreß zu Brüssel gefaßten Re-
solution für die volle politische Gleichberechtigung des weib-
lichen Geschlechtes – folgte eine schwere Reaktion.
Die parlamentarisch tätigen Sozialdemokraten versäumten
es nämlich, die Konsequenzen der Resolution zu ziehen, und
blieben bei der theoretischen Anerkennung entweder ganz
stehen oder sie taten Schlimmeres.
Anläßlich der Wahlkampagne 1902 zog die belgische
Sozialistenpartei scheinbar prinzipientreu das Frauenstimm-
recht auch in den Kreis seiner Parlamentsreform-Forderung,
ließ diese Forderung aber ohne Ueberlegung im Stich, als
die klerikale Partei erklärte, sie vollkommen zu akzeptieren.
Die Sozialdemokratie deckte den Rückzug mit der Ausrede,
die klerikale Geneigtheit zeigte, welchen Nutzen die verhaßte
Partei vom Frauenstimmrecht erwarte. Seither war es bei
allen radikalen Parteien, die logischerweise für das Frauen-
stimmrecht eintreten sollten, Trumpf: die klerikale Gefahr
gegen das Drängen der Frauenrechtlerinnen auszuspielen.
Jch hatte bereits vor Jahren Gelegenheit, die Unhalt-
barkeit dieses Argumentes darzulegen, und die Tatsache, daß die
Macht des Klerikalismus unter dem ausschließlichen Regime
der Männer entstanden und gewachsen ist, als Beweis heran-
zuziehen, dem ich als weiteren Beweis die offenkundige Ab-
neigung der klerikalen Regierungen (s.Z. in Holland) und Par-
lamentarier (bis auf Belgien in allen Ländern) hinzufügen
konnte. Wenn der Klerikalismus nur den geringsten Fort-
schritt vom Frauenstimmrecht zu erwarten hätte, so säßen
wahrscheinlich schon in allen Ländern Europas Frauen in
den Parlamenten. Der Klerus ist sich aber ganz genau be-
wußt, daß seine Macht, in der schwülen Finsternis des
Beichtstuhles unbegrenzt, im grellen Lichte der Oeffentlichkeit
zerrinnen würde. Er wird sich gewiß hüten, diese Krisis
heraufzubeschwören, denn durch die Zugänglichkeit der Frau
anderen Einflüssen gegenüber verliert er nicht nur die zu
radikalen Ueberzeugungen geneigten Frauen, sondern deren
jetzt durch den unkontrollierbaren Priester-Einfluß mit-
geangelten männlichen Angehörigen.
Einst hatte die aus dem gesellschaftlichen und industriellen
Leben vollkommen ausgeschlossene Frau eine einzige Ge-
meinschaft, in der sie auch zählte, wo sie sich auch als ein
dem Manne gleichwertiges Geschöpf fühlen durfte. Die
Kirche in ihrer äußerlichen Demokratie war die einzige Jn-
stitution, die der Frau auch das Gefühl ihrer selbst ver-
mittelte. Jst es ein Wunder, daß die Frau aus der Ab-
geschlossenheit der vier Wände in die einzige Gemeinschaft
flüchtete, die sie aufnahm, in die Kirche? Ueberall Abwehr,
hier Anziehung: so wurde die Frau klerikal, und sie bleibt
klerikal, so lange man ihr die Gemeinschaftlichkeit anderer
Kreise, anderer Jnteressen verwehrt. Und da sie innerhalb
ihrer vier Wände Mittel hat, sich der kirchlichen Lehren zu
bedienen, hängen die klerikalen Männer, oft vielleicht nur
unbewußt, an dem Faden, der im Beichtstuhl gesponnen wird.
Diese Minierarbeit verträgt aber nicht das Licht der
Oeffentlichkeit, in das sie in dem Moment geraten müßte,
da alle anderen Parteien auch politisches Jnteresse an der
Frau haben. Wie weit sie das aus der Erkenntnis dieser Tat-
sache entspringende Abneigung des Klerikalismus gegen die
politische Gleichberechtigung der Frauen geht, erhellt auch
aus der Tatsache, daß Pius X., darüber befragt, erklärte,
alle Forderungen der Frauenbewegung berechtigt zu finden,
die Forderung nach politischem Rechte aber strengstens ab-
weisen zu müssen. Das ist deutlich und für alle Klerikalen
maßgebend.
Vandervelde, der über alle Zweifel gesinnungstreue
belgische Sozialist, bewies s. Z. in einer Zeitschrift, daß
das scheinbare Eingehen der klerikalen Partei auf das
Stimmrecht in Belgien blos ein Manöver zum Sprengen
der sozialistisch-liberalen Koalition war, dem diese Parteien
auch bereitwilligst – aufgesessen sind. Jn Beantwortung
einer Rundfrage über das Frauenstimmrecht schreibt Vander-
velde jetzt in der Revue Socialiste:
„Die klerikale Erklärung genügte, um die Opposition zu
teilen: Die Liberalen von denen viele einen Vorwand suchten,
um sich in der Wahlrechtsfrage von den Sozialisten loszulösen,
machten diesen bittere Vorwürfe darüber, daß sie die Frage des
Frauenwahlrechts auf Tapet gebracht hätten. Der Wahrheit ge-
mäß müssen wir hinzufügen, daß auch inmitten der Sozialisten
sich lebhafter Widerstand gegen die Forderung erhoben hatte,
sobald es den Anschein gewann, daß sie aus der Theorie in die
Praxis übersetzt werden sollte. Man fürchtete in Belgien, wie
jetzt in Frankreich, daß die baldige Einführung des Frauen-
wahlrechts – in einem Lande, wo der Beichtstuhl eine große
Rolle spielt – auf unendlich lange Zeit hinaus die Oberherrschaft
der Parteien der Rechten sichern würde. Wie ich aber bereits früher
in Belgien erklärt habe, bleibe ich überzeugt, daß sogar im Hin-
blick auf die Wahlresultate das Frauenwahlrecht nicht oder
wenigstens nicht lange die Folgen zeitigen würde, welche die
Klerikalen erhoffen und die Antiklerikalen fürchten.
Gewiß: es wäre kindisch, zu verkennen, daß in der ersten
Zeit nach Einführung des Frauenwahlrechts die Demokratie die
Strafe dafür tragen muß, daß sie fast nichts für die politische
und soziale Erziehung der Frauen geleistet und diese oft voll-
ständig dem Einfluß der Kirche überlassen hat.
Jedoch selbst in der Uebergangsperiode würde der Wahl-
nutzen der Rechtsparteien nicht so groß sein, wie man gewöhnlich
erwartet. Zunächst weil schon jetzt viele Männer so stimmen,
wie es ihre Frauen wollen oder richtiger, wie es ihr Pfarrer
will, der sich der Frauen als Vermittlerinnen seines Einflusses
bedient.
Jn derselben Erklärung betont Vandervelde, was die
parteiunabhängige Frauenbewegung von jeher behauptet:
„Von dem Augenblicke an, wo die Frauen wahlberechtigt
sein werden, gewinnen alle Parteien ein Wahlinteresse – von
höheren Erwägungen abgesehen – an der politischen Schulung
des weiblichen Geschlechts. Es wäre vorbei mit der schmach-
vollen Gleichgültigkeit, welche viele Demokraten und Sozialisten
gegenüber dem Elend, der Unwissenheit, der geistigen Verwahr-
losung der Hälfte der Menschheit an den Tag legen. Dank ihrer
politischen Befreiung würde die Frau aus dem Schatten der
Kirche in das volle Tageslicht des öffentlichen Lebens treten.
Und – das ist meine unerschütterliche Ueberzeugung – indem
die Kirche ihre letzte Reserve aufmarschieren ließe, würde sie für
eine nahe Zukunft ihre endgültige Niederlage vorbereiten. Darum
meine ich, daß die Konservativen sich die Sache zweimal über-
legen werden, ehe sie für eine Reform stimmen, die ihren Prin-
zipien widerstreitet. Die Sozialisten aber ihrerseits müssen es
sich viermal überlegen, ehe sie eine Reform ablehnen, die ihr
Programm fordert.“
Außer in Belgien wurde das Frauenstimmrecht im
Parlament nirgends zuerst von der Sozialdemokratie ge-
fordert. Jn den besten Fällen schloß diese sich anderen
Parteien an, und in den meisten Ländern war ihr die
Frage des Frauenstimmrechtes Luft. Als hätte sie nie
grundsätzliche Erklärungen formuliert. Schließlich fehlte es
nicht an Ländern, in denen die Sozialdemokratie für
Parlamentsreformen scharf kämpfte und kämpft, ohne dem
Frauenstimmrecht Aufmerksamkeit zu schenken, ja sogar mit
bewußter, energischer Abwehr der von anderen Seiten,
speziell der Frauenbewegung herandrängenden Forderung
nach dem Frauenstimmrecht.
So war es kürzlich in Oesterreich und so ist es jetzt
in Ungarn. Die ungarische Sozialdemokratie hat in ihrem
Zentralorgan wiederholt offen herausgesagt, sie halte die
Einführung des Frauenstimmrechtes in Ungarn für total
unzeitgemäß. Das in einer Zeit, wo es gilt, „allgemeines
Wahlrecht“ einzuführen! Die liberale Partei in England
hat gewiß viel gegen die politische Anständigkeit verbrochen,
als sie sich Jahrzehntelang wie ein hungriger Kandidat an
der Kost der in England kolossal starken politischen Frauen-
bewegung stärkte und, als sie zur Macht kam, ihren Ver-
sprechungen untreu wurde, wie der zur Anstellung gelangte
Kandidat. Von dieser Partei sagte aber Sir Charles Mc
Laren, einer der Parteiführer, sie würde es nicht wagen,
das Frauenstimmrecht abzulehnen, wenn das Parlament sich
mit irgend einer allgemeinen Wahlrechtsausdehnung zu
befassen hätte. Nur außerhalb dieses Zusammenhanges
wäre es möglich, die politische Gleichberechtigung der eng-
lischen Frauen noch immer aufzuhalten.
Aber nicht die Stimme Vanderveldes, noch anderer
einsichtiger Sozialistenführer bringt den sich augenscheinlich
vorbereitenden Umschwung innerhalb der Sozialdemokratie
an die Oberfläche. Wichtigere Tatsachen drängen die
Sozialdemokratie aus der ihrer Natur eigentlich zuwider-
laufenden Unbeweglichkeit.
Vor allem die sensationellen Ereignisse in FinlandFinnland,
wo ausnahmslos alle Parteien für das auch auf die Frauen
ausgedehnte allgemeine Stimmrecht mit vollem Erfolg ge-
kämpft hatten. Neunzehn Frauen, auf alle Parteien ver-
teilt, gelangten bei der ersten Gelegenheit in den finnischen
Landtag. Dann das am 14. Juli vom norwegischen
Storthing angenommene Frauenstimmrechtsgesetz, das bei
der nächsten Wahl in Norwegen zweifellos auch Frauen
ins Parlament bringen wird.
Unter dem Einfluß dieser Ereignisse ist die Ver-
wirklichung des Frauenstimmrechtes in Schweden, wo es
vor kurzem abgelehnt wurde – sehr nachdrücklich auch von
der sozialdemokratischen Partei – mehr als wahrscheinlich
geworden.
Jn Holland hat eine zur Vorbereitung der für 1909
geplanten Verfassungsrevision gewählte parlamentarische
Kommission, in der alle politischen Parteien vertreten sind,
sich mit Stimmenmehrheit für die vollständige politische
Gleichberechtigung der Frauen ausgesprochen; 1909 wird
also der holländischen Frau Freiheit bringen. Jn diesem
Land erklärte Troelstra, der Führer der sozialdemokratischen
Partei, der letzte „balikluiver“ (Brückenlungerer) müsse
Stimmrecht bekommen, aber keine einzige Frau.
Die unglaubliche Prinzipienvernachlässigung der sozi-
alistischen Partei könnte ihr aber zukünftig ungeheueren
Schaden verursachen. Einerseits direkten Verlust von An-
hängern, die enttäuscht sind durch die Leichtigkeit, mit der
allerorten aus „taktischen Opportunitätsrücksichten“ das
Jnteresse der Frauen in die Ecke gestellt wird, wie ein
Stock, den man manchmal benützt, um sich darauf zu stützen,
ein andermal als Waffe der Abwehr gebraucht und ihn
dann nach Belieben wieder in die Ecke wirft. Viele be-
geisterte Gläubige haben sich trostlos von dieser Partei ab-
gewendet, weil sie ihre Haltung den Frauen gegenüber allzu
theoretisch fanden.
Andererseits hätte diese Partei den Einfluß der Kirche
zum größten Teil an sich reißen können, wenn sie ihrer
seinerzeitigen prinzipiellen Erklärung entsprechende tat-
sächliche Schritte getan hätte. Damals hätten sich noch
alle bürgerlichen Parteien gegen die Forderung gesträubt
und der sozialdemokratischen Partei wären alle in die Arme
gelaufen, die für die vollen Menschenrechte der Frau ein-
treten. Und das sind Millionen, die ihr so fern ge-
blieben sind.
Nun scheint aber die Sozialdemokratie doch darauf zu
kommen, daß sie es so nicht weiter treiben kann, und
interessante Momente deuten auf ein Erwachen aus der
gefährlichen Untätigkeit hin.
Es war z. B. lange Zeit hindurch Taktik der englischen
Sozialisten, den Anträgen für das Frauenstimmrecht zu
opponieren, weil „Sozialisten das beschränkte Frauenstimm-
recht ablehnen müssen“. Nun erklärte aber Keir Hardie
seinerseits, jeder Frauenrechtsbill zuzustimmen, weil
er wohl das unbeschränkte Stimmrecht wünscht, aber, wenn
es nicht sofort zu erreichen ist, auch das beschränkte Wahl-
recht als Beginn der weiteren Befreiung der Frau an-
nehmen muß.
Auf dem vorjährigen deutschen Sozialistentag sprach
Bebel das Donnerwort von der Schändlichkeit, das Frauen-
stimmrechtsprinzip Opportunitätsrücksichten zu opfern. Die
sozialdemokratische Fraktion des österreichischen Reichstages
hat im Parlament einen Antrag zu Gunsten des Frauen-
stimmrechts angemeldet.
Bedeutungsvoller als diese vereinzelten Vorgänge ist
aber die Stellungnahme des Stuttgarter internationalen
sozialdemokratischen Kongresses, der den Parteien endlich
nicht nur theoretische Anerkennung, sondern Aktion zur
Pflicht machte.
Das Blatt der deutschen sozialdemokratischen Frauen-
bewegung „Die Gleichheit“ ermahnte vor kurzem die Sozial-
demokratie, doch endlich zu bemerken, daß
„die bürgerlichen Parteien aller Länder Entwicklungstendenzen
zeitigen, welche auf einen Frontwechsel in der Frage des Frauen-
stimmrechts hindrängen und ganz besonders eine starke und wach-
sende Neigung zur Einführung eines beschränkten Frauenwahl-
rechts erzeugen. Da gilt es für den internationalen Sozialismus,
sich nirgends durch Möglichkeiten überraschen und überrumpeln
zu lassen, die über Nacht zu Wirklichkeiten reifen können, ihnen
vielmehr weitschauend zuvorzukommen und dem proletarischen
Befreiungskampfe nutzbar zu machen.“
Etwas spät, aber doch bemerkt man nun, daß andere
Parteien, die in dieser Beziehung gar keine programmatischen
Verpflichtungen haben, in der Praxis weiter gehen, als die
theoretisch an der Spitze marschierenden Sozialdemokraten.
Denn in der Evolution der Frauenemanzipation bedeutet es
unendlich mehr, wenn Norwegen zwei Drittel statt aller
Frauen politisch befreit, als wenn es platonisch allen das
Recht zuspricht, in der Praxis aber keine einzige heranläßt.
Und auch den sozialistischen Frauen dämmert es, daß
in dem ständigen Unterordnen der speziellen Fraueninteressen
unter die der „Allgemeinheit des Proletariats“ eine tüchtige
Portion Männerklasseninteresse steckt. Und eine ebenso ent-
schiedene Klassifizierung von Proletariern Nr. 1 und Nr. 2
und die bürgerliche Einteilung der erstklassigen und zweit-
klassigen Bürger: Mann und Frau. Von einer Partei,
deren höchste Aufgabe es ist, das Selbstbewußtsein des Pro-
letariats zu wecken, ist es ein schwerer Fehler, das Selbst-
bewußstsein der Proletarierinnen so unentwickelt zu lassen,
als es nötig ist, wenn diese immer wieder fromm ja und
amen sagen sollen zu dem Ausschalten der Frauenforderun-
gen, „die das Jnteresse der Männer gefährden“.
„Erst die vollen Rechte des Proletariers, dann die der
Frauen.“ Das ist ja auch ein Standpunkt, dem Geiste einer
wirklichen Demokratie aber ebenso fernstehend, wie die Pri-
vilegierung einzelner Klassen.
Jn manchen Ländern, wie in England, Holland ꝛc.
arbeiten die sozialistischen Frauen auch schon längst für das
Frauenstimmrecht; in Oesterreich und in Ungarn enthielten
sich die Frauen dieses direkten Kampfes für ihr ureigenstes
Recht. Demgegenüber zeigen die sozialdemokratischerseits als
„bürgerlich“ verspotteten Frauen aller Länder ein viel in-
tensiveres Verständnis für die Notwendigkeit des direkten
praktischen Einflusses. Wenn die „bürgerlichen“ Frauen
glaubten, was sich sozialdemokratische Frauen so lange weis-
machen ließen, daß die Männer durch das Betonen des
Klasseninteresses durch die Jnteressen der ihrer Klasse an-
gehörigen Frauen genügend vertreten, gäbe es heute nicht
Millionen umspannende politische Frauenorganisationen, wie
die Jnternational Woman`s Suffrage Alliance und den Jn-
ternational Council of Women.
Jn der Praxis humpelt das Proletariat der Frauen-
stimmrechtsbewegung nach. Die Durchführung des Stutt-
garter Beschlusses könnte der Sozialdemokratie doch noch zu
einem schönen Posten in diesem Gefechte verhelfen. Der
Kongreß hat zum Angriff geblasen. Werden die sozial-
demokratischen Parteien aller Länder nun auch losmarschieren
– ganz sicher ist es nicht – so kann die in ganz Europa
schon im Eilschritt einschreitende Frauenstimmrechts-
bewegung in ein Tempo verfallen, das überall den ent-
scheidenden Kampf aufs höchste beschleunigen dürfte.