Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.

Bild:
<< vorherige Seite

und die Teilnahme der Königin und des Hofes verschwanden augenblicklich.

Der Kardinal Rohan nahm an dem Schicksal Latudes Anteil. Madame Legros machte lange vergebliche Versuche, vorgelassen zu werden, sie verstand es die Portierfrau für Latude zu interessieren und gelangte auf diesem Umweg endlich zum Prinzen. Er war von Madame Legros Eifer und Mut sehr gerührt und versprach ihr, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine Kommission sollte die gerechte Sache Latudes noch einmal überprüfen. Während 35 Jahre hatte Latude umsonst jene höllischen Gewölbe mit seinen Seufzern und seiner Verzweiflung ermüdet, seine Seele war jeden Augenblick durch Wutanfälle wie gebrochen und ohne Unterlass durch Schmerz niedergedrückt. Alle seine Glieder waren durch das Reiben und das Gewicht der Ketten gequetscht, der Körper von dem widerlichsten Getier zerfressen, anstatt reiner Luft hatte er die Ausdünstung der Fäulnis einzuatmen, und als Übermass des Entsetzens erschien es ihm immer, dass man ihn mit allen Mitteln gesund pflegte, wenn der Tot endlich Miene zu machen schien, seinen unerträglichen Leiden ein Ziel zu setzen und ihn seinen Henkern zu entreissen. Das war sein Los während dieser langen Reihe von Jahren. Diejenigen für die die Zeit angenehm verläuft, die in Freiheit und Freude leben, denen scheint sie allzurasch zu entfliehen, aber für einen armen Gefangenen, der im Kerker schmachtet, scheint sie regungslos stille zu stehen. Man bedenke, wie viele Jahrhunderte diese 35 Jahre für Latude zu enthalten schienen, dessen immer erneute Leiden sich in der Erinnerung verzehnfachten und seinen Mut und seine Kräfte untergruben. Als er nach einem seiner missglückten Fluchtversuche wieder im Gewahrsam sass und die Öde der scheinbar stillstehenden Zeit nicht zu ertragen vermochte, erhielt er durch die Protektion eines Richters, der ihm mit Wohlwollen entgegenkam und Mitleid mit ihm empfand, einen Privatdiener, mit dem er sprechen durfte, denn allen Gefangenwärtern

und die Teilnahme der Königin und des Hofes verschwanden augenblicklich.

Der Kardinal Rohan nahm an dem Schicksal Latudes Anteil. Madame Legros machte lange vergebliche Versuche, vorgelassen zu werden, sie verstand es die Portierfrau für Latude zu interessieren und gelangte auf diesem Umweg endlich zum Prinzen. Er war von Madame Legros Eifer und Mut sehr gerührt und versprach ihr, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine Kommission sollte die gerechte Sache Latudes noch einmal überprüfen. Während 35 Jahre hatte Latude umsonst jene höllischen Gewölbe mit seinen Seufzern und seiner Verzweiflung ermüdet, seine Seele war jeden Augenblick durch Wutanfälle wie gebrochen und ohne Unterlass durch Schmerz niedergedrückt. Alle seine Glieder waren durch das Reiben und das Gewicht der Ketten gequetscht, der Körper von dem widerlichsten Getier zerfressen, anstatt reiner Luft hatte er die Ausdünstung der Fäulnis einzuatmen, und als Übermass des Entsetzens erschien es ihm immer, dass man ihn mit allen Mitteln gesund pflegte, wenn der Tot endlich Miene zu machen schien, seinen unerträglichen Leiden ein Ziel zu setzen und ihn seinen Henkern zu entreissen. Das war sein Los während dieser langen Reihe von Jahren. Diejenigen für die die Zeit angenehm verläuft, die in Freiheit und Freude leben, denen scheint sie allzurasch zu entfliehen, aber für einen armen Gefangenen, der im Kerker schmachtet, scheint sie regungslos stille zu stehen. Man bedenke, wie viele Jahrhunderte diese 35 Jahre für Latude zu enthalten schienen, dessen immer erneute Leiden sich in der Erinnerung verzehnfachten und seinen Mut und seine Kräfte untergruben. Als er nach einem seiner missglückten Fluchtversuche wieder im Gewahrsam sass und die Öde der scheinbar stillstehenden Zeit nicht zu ertragen vermochte, erhielt er durch die Protektion eines Richters, der ihm mit Wohlwollen entgegenkam und Mitleid mit ihm empfand, einen Privatdiener, mit dem er sprechen durfte, denn allen Gefangenwärtern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="9"/>
und die Teilnahme der Königin und des Hofes verschwanden augenblicklich.</p>
        <p>Der Kardinal Rohan nahm an dem Schicksal Latudes Anteil. Madame Legros machte lange vergebliche Versuche, vorgelassen zu werden, sie verstand es die Portierfrau für Latude zu interessieren und gelangte auf diesem Umweg endlich zum Prinzen. Er war von Madame Legros Eifer und Mut sehr gerührt und versprach ihr, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine Kommission sollte die gerechte Sache Latudes noch einmal überprüfen. Während 35 Jahre hatte Latude umsonst jene höllischen Gewölbe mit seinen Seufzern und seiner Verzweiflung ermüdet, seine Seele war jeden Augenblick durch Wutanfälle wie gebrochen und ohne Unterlass durch Schmerz niedergedrückt. Alle seine Glieder waren durch das Reiben und das Gewicht der Ketten gequetscht, der Körper von dem widerlichsten Getier zerfressen, anstatt reiner Luft hatte er die Ausdünstung der Fäulnis einzuatmen, und als Übermass des Entsetzens erschien es ihm immer, dass man ihn mit allen Mitteln gesund pflegte, wenn der Tot endlich Miene zu machen schien, seinen unerträglichen Leiden ein Ziel zu setzen und ihn seinen Henkern zu entreissen. Das war sein Los während dieser langen Reihe von Jahren. Diejenigen für die die Zeit angenehm verläuft, die in Freiheit und Freude leben, denen scheint sie allzurasch zu entfliehen, aber für einen armen Gefangenen, der im Kerker schmachtet, scheint sie regungslos stille zu stehen. Man bedenke, wie viele Jahrhunderte diese 35 Jahre für Latude zu enthalten schienen, dessen immer erneute Leiden sich in der Erinnerung verzehnfachten und seinen Mut und seine Kräfte untergruben. Als er nach einem seiner missglückten Fluchtversuche wieder im Gewahrsam sass und die Öde der scheinbar stillstehenden Zeit nicht zu ertragen vermochte, erhielt er durch die Protektion eines Richters, der ihm mit Wohlwollen entgegenkam und Mitleid mit ihm empfand, einen Privatdiener, mit dem er sprechen durfte, denn allen Gefangenwärtern
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0025] und die Teilnahme der Königin und des Hofes verschwanden augenblicklich. Der Kardinal Rohan nahm an dem Schicksal Latudes Anteil. Madame Legros machte lange vergebliche Versuche, vorgelassen zu werden, sie verstand es die Portierfrau für Latude zu interessieren und gelangte auf diesem Umweg endlich zum Prinzen. Er war von Madame Legros Eifer und Mut sehr gerührt und versprach ihr, seinen Einfluss geltend zu machen. Eine Kommission sollte die gerechte Sache Latudes noch einmal überprüfen. Während 35 Jahre hatte Latude umsonst jene höllischen Gewölbe mit seinen Seufzern und seiner Verzweiflung ermüdet, seine Seele war jeden Augenblick durch Wutanfälle wie gebrochen und ohne Unterlass durch Schmerz niedergedrückt. Alle seine Glieder waren durch das Reiben und das Gewicht der Ketten gequetscht, der Körper von dem widerlichsten Getier zerfressen, anstatt reiner Luft hatte er die Ausdünstung der Fäulnis einzuatmen, und als Übermass des Entsetzens erschien es ihm immer, dass man ihn mit allen Mitteln gesund pflegte, wenn der Tot endlich Miene zu machen schien, seinen unerträglichen Leiden ein Ziel zu setzen und ihn seinen Henkern zu entreissen. Das war sein Los während dieser langen Reihe von Jahren. Diejenigen für die die Zeit angenehm verläuft, die in Freiheit und Freude leben, denen scheint sie allzurasch zu entfliehen, aber für einen armen Gefangenen, der im Kerker schmachtet, scheint sie regungslos stille zu stehen. Man bedenke, wie viele Jahrhunderte diese 35 Jahre für Latude zu enthalten schienen, dessen immer erneute Leiden sich in der Erinnerung verzehnfachten und seinen Mut und seine Kräfte untergruben. Als er nach einem seiner missglückten Fluchtversuche wieder im Gewahrsam sass und die Öde der scheinbar stillstehenden Zeit nicht zu ertragen vermochte, erhielt er durch die Protektion eines Richters, der ihm mit Wohlwollen entgegenkam und Mitleid mit ihm empfand, einen Privatdiener, mit dem er sprechen durfte, denn allen Gefangenwärtern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-02-11T11:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-11T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-02-11T11:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Wird ein Wort durch einen Seitenumbruch getrennt, so wird es vollständig auf der vorhergehenden Seite übernommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/25
Zitationshilfe: Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/adler_frauen_1906/25>, abgerufen am 19.04.2024.