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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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uns bekannten Erdkruste kaum halb so hoch ist. Die Wirkungsphäre
des Sauerstoffs reicht wahrscheinlicher Weise nur bis zu relativ geringer
Tiefe. Wenn die Temperatur nach dem Innern der Erde in derselben
Weise zunimmt, wie in den uns bekannten Tiefen, so liegt der Wärme-
ort, wo die Zersetzung des Wassers eintritt, also die chemischen Ver-
wandtschaftsbedingungen, die an der Oberfläche der Erde herrschen,
umgekehrt werden, verhältnismässig nicht fern und es ist anzunehmen,
dass über diese Grenze hinaus die schweren Metalle in unverbundenem
Zustande angehäuft sind. Der ferndringende Blick der Spektralanalyse
hat das Eisen noch weit ausserhalb unseres Planetensystems nachzu-
weisen vermocht. In den Atmosphären des Aldebaran und des Sirius
bilden Eisen und Wasserstoff die Hauptbestandteile.

Doch kehren wir zurück auf unsere Erde, wo zum Segen der
Menschheit die Erze des Eisens sich allerwärts vorfinden.

Sie sind so verbreitet, dass es eine höchst weitschweifige und er-
müdende Arbeit sein würde, wollte man die bekannten Eisenerzvor-
kommen aller Länder zusammentragen und so eine Geographie der
Eisenerzlagerstätten liefern. Diejenigen, welche für die Geschichte des
Eisens von besonderer Wichtigkeit sind, werden gelegentlich betreffen-
den Orts erwähnt werden. Dagegen ist es von Interesse, eine Ueber-
sicht der Erze nach ihrem chemischen Verhalten zu geben.

Die Eisenerze haben einen gemeinsamen chemischen Charakter,
alle sind Sauerstoffverbindungen. Das reichste derselben ist das
schwarze Oxyd, der Magneteisenstein, der aus drei Äquivalenten
Eisen und vier Äquivalenten Sauerstoff zusammengesetzt ist und in
chemisch reinem Zustande einen Eisengehalt von 72,4 Proz. hat. Sein
spezifisches Gewicht schwankt zwischen 4,98 bis 5,20. Er findet sich
krystallisiert im regulären System und ist hauptsächlich in Schweden,
Norwegen, im Ural, in Kanada, Neu-Jersey und Pennsylvanien verbreitet.

Die zweitreichste, häufig vorkommende Sauerstoffverbindung des
Eisens ist das rote Oxyd, das krystallinisch als Eisenglanz oder
dicht als Roheisenstein sich findet. Es besteht aus zwei Äquiva-
lenten Eisen mit drei Äquivalenten Sauerstoff und enthält im reinen
Zustande 70 Proz. Eisen. Sein spezifisches Gewicht ist 5,19 bis 5,23.
Die berühmten Eisenerze der Insel Elba bestehen aus Eisenglanz, wäh-
rend der dichte Roteisenstein das wichtigste Erz Mitteldeutschlands
bildet. Für sich erhitzt, verändert sich dieses Oxyd nicht, erst bei
sehr hoher Temperatur entweicht ein Anteil seines Sauerstoffs; durch
reduzierende Gase erleidet es dagegen schon bei verhältnismässig ge-
ringer Hitze eine teilweise geringe Reduktion. Wird der Roteisen-

Einleitung.
uns bekannten Erdkruste kaum halb so hoch ist. Die Wirkungsphäre
des Sauerstoffs reicht wahrscheinlicher Weise nur bis zu relativ geringer
Tiefe. Wenn die Temperatur nach dem Innern der Erde in derselben
Weise zunimmt, wie in den uns bekannten Tiefen, so liegt der Wärme-
ort, wo die Zersetzung des Wassers eintritt, also die chemischen Ver-
wandtschaftsbedingungen, die an der Oberfläche der Erde herrschen,
umgekehrt werden, verhältnismäſsig nicht fern und es ist anzunehmen,
daſs über diese Grenze hinaus die schweren Metalle in unverbundenem
Zustande angehäuft sind. Der ferndringende Blick der Spektralanalyse
hat das Eisen noch weit auſserhalb unseres Planetensystems nachzu-
weisen vermocht. In den Atmosphären des Aldebaran und des Sirius
bilden Eisen und Wasserstoff die Hauptbestandteile.

Doch kehren wir zurück auf unsere Erde, wo zum Segen der
Menschheit die Erze des Eisens sich allerwärts vorfinden.

Sie sind so verbreitet, daſs es eine höchst weitschweifige und er-
müdende Arbeit sein würde, wollte man die bekannten Eisenerzvor-
kommen aller Länder zusammentragen und so eine Geographie der
Eisenerzlagerstätten liefern. Diejenigen, welche für die Geschichte des
Eisens von besonderer Wichtigkeit sind, werden gelegentlich betreffen-
den Orts erwähnt werden. Dagegen ist es von Interesse, eine Ueber-
sicht der Erze nach ihrem chemischen Verhalten zu geben.

Die Eisenerze haben einen gemeinsamen chemischen Charakter,
alle sind Sauerstoffverbindungen. Das reichste derselben ist das
schwarze Oxyd, der Magneteisenstein, der aus drei Äquivalenten
Eisen und vier Äquivalenten Sauerstoff zusammengesetzt ist und in
chemisch reinem Zustande einen Eisengehalt von 72,4 Proz. hat. Sein
spezifisches Gewicht schwankt zwischen 4,98 bis 5,20. Er findet sich
krystallisiert im regulären System und ist hauptsächlich in Schweden,
Norwegen, im Ural, in Kanada, Neu-Jersey und Pennsylvanien verbreitet.

Die zweitreichste, häufig vorkommende Sauerstoffverbindung des
Eisens ist das rote Oxyd, das krystallinisch als Eisenglanz oder
dicht als Roheisenstein sich findet. Es besteht aus zwei Äquiva-
lenten Eisen mit drei Äquivalenten Sauerstoff und enthält im reinen
Zustande 70 Proz. Eisen. Sein spezifisches Gewicht ist 5,19 bis 5,23.
Die berühmten Eisenerze der Insel Elba bestehen aus Eisenglanz, wäh-
rend der dichte Roteisenstein das wichtigste Erz Mitteldeutschlands
bildet. Für sich erhitzt, verändert sich dieses Oxyd nicht, erst bei
sehr hoher Temperatur entweicht ein Anteil seines Sauerstoffs; durch
reduzierende Gase erleidet es dagegen schon bei verhältnismäſsig ge-
ringer Hitze eine teilweise geringe Reduktion. Wird der Roteisen-

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[9/0031] Einleitung. uns bekannten Erdkruste kaum halb so hoch ist. Die Wirkungsphäre des Sauerstoffs reicht wahrscheinlicher Weise nur bis zu relativ geringer Tiefe. Wenn die Temperatur nach dem Innern der Erde in derselben Weise zunimmt, wie in den uns bekannten Tiefen, so liegt der Wärme- ort, wo die Zersetzung des Wassers eintritt, also die chemischen Ver- wandtschaftsbedingungen, die an der Oberfläche der Erde herrschen, umgekehrt werden, verhältnismäſsig nicht fern und es ist anzunehmen, daſs über diese Grenze hinaus die schweren Metalle in unverbundenem Zustande angehäuft sind. Der ferndringende Blick der Spektralanalyse hat das Eisen noch weit auſserhalb unseres Planetensystems nachzu- weisen vermocht. In den Atmosphären des Aldebaran und des Sirius bilden Eisen und Wasserstoff die Hauptbestandteile. Doch kehren wir zurück auf unsere Erde, wo zum Segen der Menschheit die Erze des Eisens sich allerwärts vorfinden. Sie sind so verbreitet, daſs es eine höchst weitschweifige und er- müdende Arbeit sein würde, wollte man die bekannten Eisenerzvor- kommen aller Länder zusammentragen und so eine Geographie der Eisenerzlagerstätten liefern. Diejenigen, welche für die Geschichte des Eisens von besonderer Wichtigkeit sind, werden gelegentlich betreffen- den Orts erwähnt werden. Dagegen ist es von Interesse, eine Ueber- sicht der Erze nach ihrem chemischen Verhalten zu geben. Die Eisenerze haben einen gemeinsamen chemischen Charakter, alle sind Sauerstoffverbindungen. Das reichste derselben ist das schwarze Oxyd, der Magneteisenstein, der aus drei Äquivalenten Eisen und vier Äquivalenten Sauerstoff zusammengesetzt ist und in chemisch reinem Zustande einen Eisengehalt von 72,4 Proz. hat. Sein spezifisches Gewicht schwankt zwischen 4,98 bis 5,20. Er findet sich krystallisiert im regulären System und ist hauptsächlich in Schweden, Norwegen, im Ural, in Kanada, Neu-Jersey und Pennsylvanien verbreitet. Die zweitreichste, häufig vorkommende Sauerstoffverbindung des Eisens ist das rote Oxyd, das krystallinisch als Eisenglanz oder dicht als Roheisenstein sich findet. Es besteht aus zwei Äquiva- lenten Eisen mit drei Äquivalenten Sauerstoff und enthält im reinen Zustande 70 Proz. Eisen. Sein spezifisches Gewicht ist 5,19 bis 5,23. Die berühmten Eisenerze der Insel Elba bestehen aus Eisenglanz, wäh- rend der dichte Roteisenstein das wichtigste Erz Mitteldeutschlands bildet. Für sich erhitzt, verändert sich dieses Oxyd nicht, erst bei sehr hoher Temperatur entweicht ein Anteil seines Sauerstoffs; durch reduzierende Gase erleidet es dagegen schon bei verhältnismäſsig ge- ringer Hitze eine teilweise geringe Reduktion. Wird der Roteisen-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/31>, abgerufen am 18.04.2024.