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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.
Dennoch gehört es zu unserer Aufgabe, auch zu diesen mehr oder
weniger anerkannten Ansichten Stellung zu nehmen. Eine solche, die
sich auf die uranfängliche Entdeckung des Eisens bezieht, ist enthalten
in der verbreiteten Behauptung, dass das Eisen, welches die Menschen
zuerst benutzt hätten, Meteoreisen gewesen sei. Die Hypothese hat
etwas Bestechendes. Meteoreisenblöcke haben sich in allen Gegenden
der Erde gefunden. Einzelne, kleinere Massen sind an vielen Orten
bekannt, angehäuft fanden sie sich am Maguragebirge in Ungarn, bei
Kobija in Südamerika, bei Toluka in Mexiko, am grossen Fischfluss
in Südafrika, auf Disko, Ost-Grönland und anderen Orten. Von grösse-
ren Massen sind am berühmtesten der 95,5 kg schwere Block von
Elnbogen, die ursprünglich 800 kg schwere Masse von Krasnojarsk, die
1500 kg schwere Masse vom Red-River in Louisanna, die über 8500 kg
schwere, am Flusse Bemdego in Brasilien und die auf 15000 kg ge-
schätzte Masse von Otumba in Peru u. s. w. Auch ist die Kenntnis,
dass Steine und Eisen zeitweise vom Himmel fallen, sehr alt.

Die wissenschaftliche Thatsache, dass meteorisches Eisen existiert,
d. h. dass metallische Eisenmassen zeitweise aus dem unbekannten
Weltraum durch die Atmosphäre auf die Erde gelangen, ist indes,
trotz mancherlei älteren Überlieferungen, erst seit Anfang dieses Jahr-
hunderts anerkannt. Im vorigen Jahrhundert behandelte man noch
die älteren Berichte als Märchen, was allein schon beweist, wie spär-
lich die Zahl der Meteorfälle ist und wie selten solche beobachtet wer-
den. Die Anerkennung der Meteoriten in der Wissenschaft ist für die
Geschichte unserer Erkenntnis von nicht geringem Interesse. Obgleich
die Erscheinung, dass zuweilen mineralische Massen aus der Luft auf
die Erde fielen, bereits im Altertum bekannt war, so wurde sie doch
von den skeptischen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts gänzlich in
Abrede gestellt. Bereits die parische Marmorchronik berichtet von
einem Meteorsteinfall, der im 13. Jahrhundert vor Christus sich ereignete.
Im Jahre 465 vor Christi wurde in Thrakien am Flusse Ägos ein sol-
cher Steinfall beobachtet, über den Plutarch und Plinius berichten.
Solche Steine wurden zuweilen als Heiligtümer verehrt, besonders im
westlichen Asien, wo sie als Opfersteine bei den Blutopfern dienten.
Ein solches Heiligtum ist auch der angeblich als Rubin vom Himmel
gefallene, aber durch die Sünden der Menschen schwarz gewordene,
jetzt in Silber gefasste Stein Hadschar-el-Aswad in der Kaaba zu Mekka.
Es ist dies der älteste aufbewahrte Meteorit, da sich das angebliche
Meteoreisen von Pompeji durch die Untersuchung von Gustav Rose
als künstliches Eisen erwiesen hat. Der erste von Zeugen beobachtete

Einleitung.
Dennoch gehört es zu unserer Aufgabe, auch zu diesen mehr oder
weniger anerkannten Ansichten Stellung zu nehmen. Eine solche, die
sich auf die uranfängliche Entdeckung des Eisens bezieht, ist enthalten
in der verbreiteten Behauptung, daſs das Eisen, welches die Menschen
zuerst benutzt hätten, Meteoreisen gewesen sei. Die Hypothese hat
etwas Bestechendes. Meteoreisenblöcke haben sich in allen Gegenden
der Erde gefunden. Einzelne, kleinere Massen sind an vielen Orten
bekannt, angehäuft fanden sie sich am Maguragebirge in Ungarn, bei
Kobija in Südamerika, bei Toluka in Mexiko, am groſsen Fischfluſs
in Südafrika, auf Disko, Ost-Grönland und anderen Orten. Von gröſse-
ren Massen sind am berühmtesten der 95,5 kg schwere Block von
Elnbogen, die ursprünglich 800 kg schwere Masse von Krasnojarsk, die
1500 kg schwere Masse vom Red-River in Louisanna, die über 8500 kg
schwere, am Flusse Bemdêgo in Brasilien und die auf 15000 kg ge-
schätzte Masse von Otumba in Peru u. s. w. Auch ist die Kenntnis,
daſs Steine und Eisen zeitweise vom Himmel fallen, sehr alt.

Die wissenschaftliche Thatsache, daſs meteorisches Eisen existiert,
d. h. daſs metallische Eisenmassen zeitweise aus dem unbekannten
Weltraum durch die Atmosphäre auf die Erde gelangen, ist indes,
trotz mancherlei älteren Überlieferungen, erst seit Anfang dieses Jahr-
hunderts anerkannt. Im vorigen Jahrhundert behandelte man noch
die älteren Berichte als Märchen, was allein schon beweist, wie spär-
lich die Zahl der Meteorfälle ist und wie selten solche beobachtet wer-
den. Die Anerkennung der Meteoriten in der Wissenschaft ist für die
Geschichte unserer Erkenntnis von nicht geringem Interesse. Obgleich
die Erscheinung, daſs zuweilen mineralische Massen aus der Luft auf
die Erde fielen, bereits im Altertum bekannt war, so wurde sie doch
von den skeptischen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts gänzlich in
Abrede gestellt. Bereits die parische Marmorchronik berichtet von
einem Meteorsteinfall, der im 13. Jahrhundert vor Christus sich ereignete.
Im Jahre 465 vor Christi wurde in Thrakien am Flusse Ägos ein sol-
cher Steinfall beobachtet, über den Plutarch und Plinius berichten.
Solche Steine wurden zuweilen als Heiligtümer verehrt, besonders im
westlichen Asien, wo sie als Opfersteine bei den Blutopfern dienten.
Ein solches Heiligtum ist auch der angeblich als Rubin vom Himmel
gefallene, aber durch die Sünden der Menschen schwarz gewordene,
jetzt in Silber gefaſste Stein Hadschar-el-Aswad in der Kaaba zu Mekka.
Es ist dies der älteste aufbewahrte Meteorit, da sich das angebliche
Meteoreisen von Pompeji durch die Untersuchung von Gustav Rose
als künstliches Eisen erwiesen hat. Der erste von Zeugen beobachtete

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[18/0040] Einleitung. Dennoch gehört es zu unserer Aufgabe, auch zu diesen mehr oder weniger anerkannten Ansichten Stellung zu nehmen. Eine solche, die sich auf die uranfängliche Entdeckung des Eisens bezieht, ist enthalten in der verbreiteten Behauptung, daſs das Eisen, welches die Menschen zuerst benutzt hätten, Meteoreisen gewesen sei. Die Hypothese hat etwas Bestechendes. Meteoreisenblöcke haben sich in allen Gegenden der Erde gefunden. Einzelne, kleinere Massen sind an vielen Orten bekannt, angehäuft fanden sie sich am Maguragebirge in Ungarn, bei Kobija in Südamerika, bei Toluka in Mexiko, am groſsen Fischfluſs in Südafrika, auf Disko, Ost-Grönland und anderen Orten. Von gröſse- ren Massen sind am berühmtesten der 95,5 kg schwere Block von Elnbogen, die ursprünglich 800 kg schwere Masse von Krasnojarsk, die 1500 kg schwere Masse vom Red-River in Louisanna, die über 8500 kg schwere, am Flusse Bemdêgo in Brasilien und die auf 15000 kg ge- schätzte Masse von Otumba in Peru u. s. w. Auch ist die Kenntnis, daſs Steine und Eisen zeitweise vom Himmel fallen, sehr alt. Die wissenschaftliche Thatsache, daſs meteorisches Eisen existiert, d. h. daſs metallische Eisenmassen zeitweise aus dem unbekannten Weltraum durch die Atmosphäre auf die Erde gelangen, ist indes, trotz mancherlei älteren Überlieferungen, erst seit Anfang dieses Jahr- hunderts anerkannt. Im vorigen Jahrhundert behandelte man noch die älteren Berichte als Märchen, was allein schon beweist, wie spär- lich die Zahl der Meteorfälle ist und wie selten solche beobachtet wer- den. Die Anerkennung der Meteoriten in der Wissenschaft ist für die Geschichte unserer Erkenntnis von nicht geringem Interesse. Obgleich die Erscheinung, daſs zuweilen mineralische Massen aus der Luft auf die Erde fielen, bereits im Altertum bekannt war, so wurde sie doch von den skeptischen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts gänzlich in Abrede gestellt. Bereits die parische Marmorchronik berichtet von einem Meteorsteinfall, der im 13. Jahrhundert vor Christus sich ereignete. Im Jahre 465 vor Christi wurde in Thrakien am Flusse Ägos ein sol- cher Steinfall beobachtet, über den Plutarch und Plinius berichten. Solche Steine wurden zuweilen als Heiligtümer verehrt, besonders im westlichen Asien, wo sie als Opfersteine bei den Blutopfern dienten. Ein solches Heiligtum ist auch der angeblich als Rubin vom Himmel gefallene, aber durch die Sünden der Menschen schwarz gewordene, jetzt in Silber gefaſste Stein Hadschar-el-Aswad in der Kaaba zu Mekka. Es ist dies der älteste aufbewahrte Meteorit, da sich das angebliche Meteoreisen von Pompeji durch die Untersuchung von Gustav Rose als künstliches Eisen erwiesen hat. Der erste von Zeugen beobachtete

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/40>, abgerufen am 29.03.2024.