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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.

In Nordamerika machte sich Shepard vornehmlich um die Unter-
suchung der Meteoriten verdient. Er kannte 1846 bereits 22 Fundorte
in den Staaten, darunter den über 3000 Pfund schweren Block vom
Red River, Texas, weswegen, weil man ihn für Platina hielt, zwei kost-
spielige Expeditionen ausgerüstet worden waren. In den Vereinigten
Staaten, und zwar in Tennessee, ereignete sich im Jahre 1835 am
letzten Juli oder am ersten August nach Agram der erste Meteoreisen-
fall vor Zeugen. Auf den Feldern von Dickson fiel vor den Augen
mehrerer Arbeiter aus einem explodierenden Meteor ein Körper auf ein
Baumwollenfeld, auf welchem bald darauf beim Pflügen ein 9 Pfund
schweres Stück Meteoreisen aufgefunden wurde.

Der dritte und merkwürdigste Fall vor Zeugen ereignete sich aber
bei Hauptmannsdorf bei Braunau auf der bömisch-schlesischen Grenze am
14. Juli 1847, Morgens 33/4 Uhr. Es bildete sich am Himmel eine Wolke,
die mit einem Mal erglühte; Blitze zuckten nach allen Richtungen
und zwei Feuerstreifen fuhren zur Erde mit heftigem Doppelknall, der
alle Bewohner weckte. In einem 3 Fuss tiefen Loche fand sich das
eine 42 Pfund und 6 Lot schwere Stück Eisen, das nach 6 Stunden
noch so heiss war, dass es niemand anfassen konnte; das zweite von
30 Pfund und 16 Lot fiel durch das Schindeldach eines armen Mannes
in das Schlafzimmer seiner Kinder, ohne zu zünden. Der Mann war
der Meinung, der Blitz habe eingeschlagen und ahnte nichts von der
Sache. Erst am folgenden Tage, am 15. Juli, wurde das Stück nach
eifrigem Suchen unter den Trümmern der Kammerwand aufgefunden.

Unter den sonstigen Meteoreisenfunden bietet das Eisen von Disko
in der Baffinsbay ein besonderes Interesse dar, da sich hier Eisen-
massen im Basalt eingeschlossen fanden. Sie müssten also, wenn ihr
meteorischer Charakter fest stände, bereits in einer früheren geologi-
schen Epoche auf die Erde gelangt sein.

Nach dieser historischen Einleitung, die zur Genüge die Thatsache
feststellt, dass zeitweilig meteorische Körper aus der Atmosphäre auf
unsere Erde gelangen, wollen wir die Eigenschaften des meteorischen
Eisens, die wir zum Teil vorübergehend schon erwähnt haben, etwas
näher betrachten.

Das Meteoreisen ist in chemischer und physikalischer Beziehung
durchaus verschieden von unserem künstlich dargestellten Eisen und
besitzt so charakteristische Eigenschaften, dass diese ein nahezu untrüg-
liches Kriterium zwischen siderischem und tellurischem Eisen abgeben.

Das meteorische Eisen ist fast niemals eine homogene Masse,
wie dies unser Kunsteisen ist. So abweichend weisses und graues

Einleitung.

In Nordamerika machte sich Shepard vornehmlich um die Unter-
suchung der Meteoriten verdient. Er kannte 1846 bereits 22 Fundorte
in den Staaten, darunter den über 3000 Pfund schweren Block vom
Red River, Texas, weswegen, weil man ihn für Platina hielt, zwei kost-
spielige Expeditionen ausgerüstet worden waren. In den Vereinigten
Staaten, und zwar in Tennessee, ereignete sich im Jahre 1835 am
letzten Juli oder am ersten August nach Agram der erste Meteoreisen-
fall vor Zeugen. Auf den Feldern von Dickson fiel vor den Augen
mehrerer Arbeiter aus einem explodierenden Meteor ein Körper auf ein
Baumwollenfeld, auf welchem bald darauf beim Pflügen ein 9 Pfund
schweres Stück Meteoreisen aufgefunden wurde.

Der dritte und merkwürdigste Fall vor Zeugen ereignete sich aber
bei Hauptmannsdorf bei Braunau auf der bömisch-schlesischen Grenze am
14. Juli 1847, Morgens 3¾ Uhr. Es bildete sich am Himmel eine Wolke,
die mit einem Mal erglühte; Blitze zuckten nach allen Richtungen
und zwei Feuerstreifen fuhren zur Erde mit heftigem Doppelknall, der
alle Bewohner weckte. In einem 3 Fuſs tiefen Loche fand sich das
eine 42 Pfund und 6 Lot schwere Stück Eisen, das nach 6 Stunden
noch so heiſs war, daſs es niemand anfassen konnte; das zweite von
30 Pfund und 16 Lot fiel durch das Schindeldach eines armen Mannes
in das Schlafzimmer seiner Kinder, ohne zu zünden. Der Mann war
der Meinung, der Blitz habe eingeschlagen und ahnte nichts von der
Sache. Erst am folgenden Tage, am 15. Juli, wurde das Stück nach
eifrigem Suchen unter den Trümmern der Kammerwand aufgefunden.

Unter den sonstigen Meteoreisenfunden bietet das Eisen von Disko
in der Baffinsbay ein besonderes Interesse dar, da sich hier Eisen-
massen im Basalt eingeschlossen fanden. Sie müſsten also, wenn ihr
meteorischer Charakter fest stände, bereits in einer früheren geologi-
schen Epoche auf die Erde gelangt sein.

Nach dieser historischen Einleitung, die zur Genüge die Thatsache
feststellt, daſs zeitweilig meteorische Körper aus der Atmosphäre auf
unsere Erde gelangen, wollen wir die Eigenschaften des meteorischen
Eisens, die wir zum Teil vorübergehend schon erwähnt haben, etwas
näher betrachten.

Das Meteoreisen ist in chemischer und physikalischer Beziehung
durchaus verschieden von unserem künstlich dargestellten Eisen und
besitzt so charakteristische Eigenschaften, daſs diese ein nahezu untrüg-
liches Kriterium zwischen siderischem und tellurischem Eisen abgeben.

Das meteorische Eisen ist fast niemals eine homogene Masse,
wie dies unser Kunsteisen ist. So abweichend weiſses und graues

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[23/0045] Einleitung. In Nordamerika machte sich Shepard vornehmlich um die Unter- suchung der Meteoriten verdient. Er kannte 1846 bereits 22 Fundorte in den Staaten, darunter den über 3000 Pfund schweren Block vom Red River, Texas, weswegen, weil man ihn für Platina hielt, zwei kost- spielige Expeditionen ausgerüstet worden waren. In den Vereinigten Staaten, und zwar in Tennessee, ereignete sich im Jahre 1835 am letzten Juli oder am ersten August nach Agram der erste Meteoreisen- fall vor Zeugen. Auf den Feldern von Dickson fiel vor den Augen mehrerer Arbeiter aus einem explodierenden Meteor ein Körper auf ein Baumwollenfeld, auf welchem bald darauf beim Pflügen ein 9 Pfund schweres Stück Meteoreisen aufgefunden wurde. Der dritte und merkwürdigste Fall vor Zeugen ereignete sich aber bei Hauptmannsdorf bei Braunau auf der bömisch-schlesischen Grenze am 14. Juli 1847, Morgens 3¾ Uhr. Es bildete sich am Himmel eine Wolke, die mit einem Mal erglühte; Blitze zuckten nach allen Richtungen und zwei Feuerstreifen fuhren zur Erde mit heftigem Doppelknall, der alle Bewohner weckte. In einem 3 Fuſs tiefen Loche fand sich das eine 42 Pfund und 6 Lot schwere Stück Eisen, das nach 6 Stunden noch so heiſs war, daſs es niemand anfassen konnte; das zweite von 30 Pfund und 16 Lot fiel durch das Schindeldach eines armen Mannes in das Schlafzimmer seiner Kinder, ohne zu zünden. Der Mann war der Meinung, der Blitz habe eingeschlagen und ahnte nichts von der Sache. Erst am folgenden Tage, am 15. Juli, wurde das Stück nach eifrigem Suchen unter den Trümmern der Kammerwand aufgefunden. Unter den sonstigen Meteoreisenfunden bietet das Eisen von Disko in der Baffinsbay ein besonderes Interesse dar, da sich hier Eisen- massen im Basalt eingeschlossen fanden. Sie müſsten also, wenn ihr meteorischer Charakter fest stände, bereits in einer früheren geologi- schen Epoche auf die Erde gelangt sein. Nach dieser historischen Einleitung, die zur Genüge die Thatsache feststellt, daſs zeitweilig meteorische Körper aus der Atmosphäre auf unsere Erde gelangen, wollen wir die Eigenschaften des meteorischen Eisens, die wir zum Teil vorübergehend schon erwähnt haben, etwas näher betrachten. Das Meteoreisen ist in chemischer und physikalischer Beziehung durchaus verschieden von unserem künstlich dargestellten Eisen und besitzt so charakteristische Eigenschaften, daſs diese ein nahezu untrüg- liches Kriterium zwischen siderischem und tellurischem Eisen abgeben. Das meteorische Eisen ist fast niemals eine homogene Masse, wie dies unser Kunsteisen ist. So abweichend weiſses und graues

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/45>, abgerufen am 19.04.2024.