Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

doch keine Spur von Aphasie, von Beweglichkeitsstörung
der Zunge oder sonst irgend welcher Muskellähmung.

Bei der Section fanden wir, soweit es uns hier inte-
ressirt, Folgendes: Schädeldach mässig dick, mit der Dura
mater ziemlich verwachsen, weiche Hirnhäute blass, leicht
serös infiltrirt, namentlich zwischen den Gyris. Die Sulci
beiderseits auffallend tief, so dass die Windungen stark
von einander abstehen und dadurch einen ausgesprochen
atrophischen Eindruck machen. Die Hirnrinde, auf das
Sorgfältigste untersucht, namentlich was die Gegend der
Broca'schen Stelle und des linken corticalen Sehcentrums
angeht, zeigt makroscopisch nirgends eine Spur
eines hämorrhagischen, entzündlichen oder eines
Erweichungsheerdes, überhaupt weder hinsicht-
lich der Farbe oder der Consistenz irgendwo etwas
Bemerkenswerthes.
Höchstens wäre zu erwähnen,
dass die mittleren Abschnitte der die linke Fossa Sylvii
nach vorn und nach hinten begränzenden Gyri (hintere
Centralwindung und 1. Schläfenwindung) bei der Betastung
mit dem Finger sich ein wenig weicher anfühlten als die
übrige Corticalis. Bei dem Mangel jeglicher Farbenver-
änderung und in Anbetracht des Umstandes, dass seit
dem Eintritt des Todes schon 36 Stunden verflossen waren,
glaubten wir diesen Befund als Leichenerscheinung deuten
zu müssen. Die grossen Ganglien, das Cerebellum und
die Medulla oblongata waren normal, die Ventrikel ein
wenig erweitert. Die beiden Sehnerven machten auf dem
Durchschnitt den Eindruck, als wenn sie in der Richtung
von oben nach unten ein wenig abgeflacht wären. Die
Arteria basilaris zeigte Spuren von Atherom, die linke
Arteria fossae Sylvii dagegen war bis in ihre
kleinsten Ausläufer hochgradig atheromatös,
doch
war es nicht möglich, makroscopisch irgend eine Spur
von Thromben nachzuweisen. Beide Lungen hinten unten
hypostatisch hyperämisch, oben stark ödematös. Das Herz

doch keine Spur von Aphasie, von Beweglichkeitsstörung
der Zunge oder sonst irgend welcher Muskellähmung.

Bei der Section fanden wir, soweit es uns hier inte-
ressirt, Folgendes: Schädeldach mässig dick, mit der Dura
mater ziemlich verwachsen, weiche Hirnhäute blass, leicht
serös infiltrirt, namentlich zwischen den Gyris. Die Sulci
beiderseits auffallend tief, so dass die Windungen stark
von einander abstehen und dadurch einen ausgesprochen
atrophischen Eindruck machen. Die Hirnrinde, auf das
Sorgfältigste untersucht, namentlich was die Gegend der
Broca’schen Stelle und des linken corticalen Sehcentrums
angeht, zeigt makroscopisch nirgends eine Spur
eines hämorrhagischen, entzündlichen oder eines
Erweichungsheerdes, überhaupt weder hinsicht-
lich der Farbe oder der Consistenz irgendwo etwas
Bemerkenswerthes.
Höchstens wäre zu erwähnen,
dass die mittleren Abschnitte der die linke Fossa Sylvii
nach vorn und nach hinten begränzenden Gyri (hintere
Centralwindung und 1. Schläfenwindung) bei der Betastung
mit dem Finger sich ein wenig weicher anfühlten als die
übrige Corticalis. Bei dem Mangel jeglicher Farbenver-
änderung und in Anbetracht des Umstandes, dass seit
dem Eintritt des Todes schon 36 Stunden verflossen waren,
glaubten wir diesen Befund als Leichenerscheinung deuten
zu müssen. Die grossen Ganglien, das Cerebellum und
die Medulla oblongata waren normal, die Ventrikel ein
wenig erweitert. Die beiden Sehnerven machten auf dem
Durchschnitt den Eindruck, als wenn sie in der Richtung
von oben nach unten ein wenig abgeflacht wären. Die
Arteria basilaris zeigte Spuren von Atherom, die linke
Arteria fossae Sylvii dagegen war bis in ihre
kleinsten Ausläufer hochgradig atheromatös,
doch
war es nicht möglich, makroscopisch irgend eine Spur
von Thromben nachzuweisen. Beide Lungen hinten unten
hypostatisch hyperämisch, oben stark ödematös. Das Herz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="12"/>
doch keine Spur von Aphasie, von Beweglichkeitsstörung<lb/>
der Zunge oder sonst irgend welcher Muskellähmung.</p><lb/>
        <p>Bei der Section fanden wir, soweit es uns hier inte-<lb/>
ressirt, Folgendes: Schädeldach mässig dick, mit der Dura<lb/>
mater ziemlich verwachsen, weiche Hirnhäute blass, leicht<lb/>
serös infiltrirt, namentlich zwischen den Gyris. Die Sulci<lb/>
beiderseits auffallend tief, so dass die Windungen stark<lb/>
von einander abstehen und dadurch einen ausgesprochen<lb/>
atrophischen Eindruck machen. Die Hirnrinde, auf das<lb/>
Sorgfältigste untersucht, namentlich was die Gegend der<lb/><hi rendition="#g">Broca&#x2019;s</hi>chen Stelle und des linken corticalen Sehcentrums<lb/>
angeht, zeigt <hi rendition="#g">makroscopisch nirgends eine Spur<lb/>
eines hämorrhagischen, entzündlichen oder eines<lb/>
Erweichungsheerdes, überhaupt weder hinsicht-<lb/>
lich der Farbe oder der Consistenz irgendwo etwas<lb/>
Bemerkenswerthes.</hi> Höchstens wäre zu erwähnen,<lb/>
dass die mittleren Abschnitte der die linke Fossa Sylvii<lb/>
nach vorn und nach hinten begränzenden Gyri (hintere<lb/>
Centralwindung und 1. Schläfenwindung) bei der Betastung<lb/>
mit dem Finger sich ein wenig weicher anfühlten als die<lb/>
übrige Corticalis. Bei dem Mangel jeglicher Farbenver-<lb/>
änderung und in Anbetracht des Umstandes, dass seit<lb/>
dem Eintritt des Todes schon 36 Stunden verflossen waren,<lb/>
glaubten wir diesen Befund als Leichenerscheinung deuten<lb/>
zu müssen. Die grossen Ganglien, das Cerebellum und<lb/>
die Medulla oblongata waren normal, die Ventrikel ein<lb/>
wenig erweitert. Die beiden Sehnerven machten auf dem<lb/>
Durchschnitt den Eindruck, als wenn sie in der Richtung<lb/>
von oben nach unten ein wenig abgeflacht wären. Die<lb/>
Arteria basilaris zeigte Spuren von Atherom, die <hi rendition="#g">linke<lb/>
Arteria fossae Sylvii dagegen war bis in ihre<lb/>
kleinsten Ausläufer hochgradig atheromatös,</hi> doch<lb/>
war es nicht möglich, makroscopisch irgend eine Spur<lb/>
von Thromben nachzuweisen. Beide Lungen hinten unten<lb/>
hypostatisch hyperämisch, oben stark ödematös. Das Herz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0016] doch keine Spur von Aphasie, von Beweglichkeitsstörung der Zunge oder sonst irgend welcher Muskellähmung. Bei der Section fanden wir, soweit es uns hier inte- ressirt, Folgendes: Schädeldach mässig dick, mit der Dura mater ziemlich verwachsen, weiche Hirnhäute blass, leicht serös infiltrirt, namentlich zwischen den Gyris. Die Sulci beiderseits auffallend tief, so dass die Windungen stark von einander abstehen und dadurch einen ausgesprochen atrophischen Eindruck machen. Die Hirnrinde, auf das Sorgfältigste untersucht, namentlich was die Gegend der Broca’schen Stelle und des linken corticalen Sehcentrums angeht, zeigt makroscopisch nirgends eine Spur eines hämorrhagischen, entzündlichen oder eines Erweichungsheerdes, überhaupt weder hinsicht- lich der Farbe oder der Consistenz irgendwo etwas Bemerkenswerthes. Höchstens wäre zu erwähnen, dass die mittleren Abschnitte der die linke Fossa Sylvii nach vorn und nach hinten begränzenden Gyri (hintere Centralwindung und 1. Schläfenwindung) bei der Betastung mit dem Finger sich ein wenig weicher anfühlten als die übrige Corticalis. Bei dem Mangel jeglicher Farbenver- änderung und in Anbetracht des Umstandes, dass seit dem Eintritt des Todes schon 36 Stunden verflossen waren, glaubten wir diesen Befund als Leichenerscheinung deuten zu müssen. Die grossen Ganglien, das Cerebellum und die Medulla oblongata waren normal, die Ventrikel ein wenig erweitert. Die beiden Sehnerven machten auf dem Durchschnitt den Eindruck, als wenn sie in der Richtung von oben nach unten ein wenig abgeflacht wären. Die Arteria basilaris zeigte Spuren von Atherom, die linke Arteria fossae Sylvii dagegen war bis in ihre kleinsten Ausläufer hochgradig atheromatös, doch war es nicht möglich, makroscopisch irgend eine Spur von Thromben nachzuweisen. Beide Lungen hinten unten hypostatisch hyperämisch, oben stark ödematös. Das Herz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/16
Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/16>, abgerufen am 28.03.2024.