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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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Aphasie, d. h. hie und da eine Verwechselung oder ein
undeutliches Aussprechen kleinerer Worte oder einzelner
Silben sich geltend machte. Dies letztere Symptom war
zum Theil wohl auf eine geringgradige Beweglichkeits-
störung der rechtsseitigen Lippenmuskulatur zurückzu-
führen, welche sich als eine leicht flatternde Bewegung
der rechten Lippenhälften beim Sprechen und einen dem-
entsprechenden Timbre der Sprache, sowie durch eine
Erschwerung des Pfeifens kund gab. Ein ausgesprochenes
Tieferstehen des rechten Mundwinkels war nicht vor-
handen, jedoch hatte die ganze rechte Gesichtshälfte einen
steiferen Ausdruck. Die Motilitität der Zunge war in
keiner Weise beeinträchtigt.

In Anbetracht des günstigen Erfolges, welchen Herr
Dr. Faber auch in Bezug auf die Hornhauttrübung durch
die Inunctionscur erzielt hatte, glaubte ich, noch einmal
eine solche versuchen zu sollen und liess täglich 2 mal
je 1 gr ungt. einer. einreiben. Nachdem wir diese Be-
handlung mit einigen, durch intercurrirende Stomatitis
bedingten Unterbrechungen 5 Wochen lang fortgesetzt
und im Ganzen ca. 60 gr verbraucht hatten, konnten wir
eine wesentliche Verbesserung nicht nur der Augen, son-
dern auch des Allgemeinbefindens constatiren. Das Pelzig-
sein des rechten Armes verschwand, die motorische Schwäche
desselben besserte sich, Kopfweh und Schwindel hörten
fast ganz auf und es blieb nur ein gewisser Grad von
Verlangsamung der Sprache und eine aphasische Ermü-
dung bei längerem und schnellerem Sprechen zurück. Die
entzündliche Trübung beider Hornhäute klärte sich in
beträchtlichem Grade auf, so dass das Sehvermögen des
rechten Auges auf , des linken auf stieg. Die
Störung der Farbenperception blieb dieselbe wie früher.
Die Verbesserung des Sehvermögens und der motorischen
Leistungsfähigkeit der rechten oberen Extremität setzte
den Patienten in den Stand, wieder etwas zu arbeiten

Aphasie, d. h. hie und da eine Verwechselung oder ein
undeutliches Aussprechen kleinerer Worte oder einzelner
Silben sich geltend machte. Dies letztere Symptom war
zum Theil wohl auf eine geringgradige Beweglichkeits-
störung der rechtsseitigen Lippenmuskulatur zurückzu-
führen, welche sich als eine leicht flatternde Bewegung
der rechten Lippenhälften beim Sprechen und einen dem-
entsprechenden Timbre der Sprache, sowie durch eine
Erschwerung des Pfeifens kund gab. Ein ausgesprochenes
Tieferstehen des rechten Mundwinkels war nicht vor-
handen, jedoch hatte die ganze rechte Gesichtshälfte einen
steiferen Ausdruck. Die Motilitität der Zunge war in
keiner Weise beeinträchtigt.

In Anbetracht des günstigen Erfolges, welchen Herr
Dr. Faber auch in Bezug auf die Hornhauttrübung durch
die Inunctionscur erzielt hatte, glaubte ich, noch einmal
eine solche versuchen zu sollen und liess täglich 2 mal
je 1 gr ungt. einer. einreiben. Nachdem wir diese Be-
handlung mit einigen, durch intercurrirende Stomatitis
bedingten Unterbrechungen 5 Wochen lang fortgesetzt
und im Ganzen ca. 60 gr verbraucht hatten, konnten wir
eine wesentliche Verbesserung nicht nur der Augen, son-
dern auch des Allgemeinbefindens constatiren. Das Pelzig-
sein des rechten Armes verschwand, die motorische Schwäche
desselben besserte sich, Kopfweh und Schwindel hörten
fast ganz auf und es blieb nur ein gewisser Grad von
Verlangsamung der Sprache und eine aphasische Ermü-
dung bei längerem und schnellerem Sprechen zurück. Die
entzündliche Trübung beider Hornhäute klärte sich in
beträchtlichem Grade auf, so dass das Sehvermögen des
rechten Auges auf , des linken auf stieg. Die
Störung der Farbenperception blieb dieselbe wie früher.
Die Verbesserung des Sehvermögens und der motorischen
Leistungsfähigkeit der rechten oberen Extremität setzte
den Patienten in den Stand, wieder etwas zu arbeiten

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[25/0029] Aphasie, d. h. hie und da eine Verwechselung oder ein undeutliches Aussprechen kleinerer Worte oder einzelner Silben sich geltend machte. Dies letztere Symptom war zum Theil wohl auf eine geringgradige Beweglichkeits- störung der rechtsseitigen Lippenmuskulatur zurückzu- führen, welche sich als eine leicht flatternde Bewegung der rechten Lippenhälften beim Sprechen und einen dem- entsprechenden Timbre der Sprache, sowie durch eine Erschwerung des Pfeifens kund gab. Ein ausgesprochenes Tieferstehen des rechten Mundwinkels war nicht vor- handen, jedoch hatte die ganze rechte Gesichtshälfte einen steiferen Ausdruck. Die Motilitität der Zunge war in keiner Weise beeinträchtigt. In Anbetracht des günstigen Erfolges, welchen Herr Dr. Faber auch in Bezug auf die Hornhauttrübung durch die Inunctionscur erzielt hatte, glaubte ich, noch einmal eine solche versuchen zu sollen und liess täglich 2 mal je 1 gr ungt. einer. einreiben. Nachdem wir diese Be- handlung mit einigen, durch intercurrirende Stomatitis bedingten Unterbrechungen 5 Wochen lang fortgesetzt und im Ganzen ca. 60 gr verbraucht hatten, konnten wir eine wesentliche Verbesserung nicht nur der Augen, son- dern auch des Allgemeinbefindens constatiren. Das Pelzig- sein des rechten Armes verschwand, die motorische Schwäche desselben besserte sich, Kopfweh und Schwindel hörten fast ganz auf und es blieb nur ein gewisser Grad von Verlangsamung der Sprache und eine aphasische Ermü- dung bei längerem und schnellerem Sprechen zurück. Die entzündliche Trübung beider Hornhäute klärte sich in beträchtlichem Grade auf, so dass das Sehvermögen des rechten Auges auf [FORMEL], des linken auf [FORMEL] stieg. Die Störung der Farbenperception blieb dieselbe wie früher. Die Verbesserung des Sehvermögens und der motorischen Leistungsfähigkeit der rechten oberen Extremität setzte den Patienten in den Stand, wieder etwas zu arbeiten

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/29>, abgerufen am 25.04.2024.