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Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887.

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griffen waren. Dieser Befund bestätigt die schon 3 Jahre
vor dem Tode durch Herrn Dr. Faber gestellte Diagnose:
Endarteritis, und zwar hatte derselbe auf Grund der
Anamnese die Gefässerkrankung als eine syphilitische be-
zeichnet. Wenn auch die Section für dieses ätiologische
Moment keine weiteren Anhaltspunkte bot, so darf doch
aus der prompten und jahrelang anhaltenden Wirkung
der Inunctionscuren auf die Richtigkeit dieser Auffassung
geschlossen werden.

Ich übergehe die in dem Protocoll erwähnten Be-
funde an den übrigen Organen und beschränke mich auf
die Besprechung der cerebralen Veränderungen. Hier war
es zunächst der fast den ganzen oberen Rand der Fossa
Sylvii einnehmende Erweichungsheerd, welcher unser In-
teresse fesselte.

In meiner ersten Mittheilung über diesen selben Fall
hatte ich mich hinsichtlich der präsumtiven Oertlichkeit,
an welcher das anatomische Substrat der Lesestörung etwa
zu suchen sei, folgendermaassen geäussert*): "Diese be-
gleitenden Symptome (Hemiplegie, Hemianopsie, Aphasie
etc.) mit Hinzurechnung der einmal constatirten rechts-
seitigen Gesichtsmuskelzuckungen weisen darauf hin, dass
wir im gegebenen Falle unser Augenmerk auf diejenigen
Theile der Rindenschicht zu richten haben dürften, welche
zwischen der Broca'schen Windung, Facialis-Centrum
und Bewegungs-Centrum der rechten Extremitäten einer-
seits und dem Seh-Centrum andererseits gelegen sind."
Ich habe dann diese Stelle in einer schematischen Scizze
genauer bezeichnet und die letztere nach dem Vortrage
herumgegeben. Wenn man dieselbe (Fig. I, a) mit dem
vorliegenden Befunde (Fig. II, a) vergleicht, so frappirt
zunächst die Uebereinstimmung der hypothetischen Oert-
lichkeit mit der wirklich erkrankten. Die erstere nimmt

*) l. c. S. resp. S. 210.

griffen waren. Dieser Befund bestätigt die schon 3 Jahre
vor dem Tode durch Herrn Dr. Faber gestellte Diagnose:
Endarteritis, und zwar hatte derselbe auf Grund der
Anamnese die Gefässerkrankung als eine syphilitische be-
zeichnet. Wenn auch die Section für dieses ätiologische
Moment keine weiteren Anhaltspunkte bot, so darf doch
aus der prompten und jahrelang anhaltenden Wirkung
der Inunctionscuren auf die Richtigkeit dieser Auffassung
geschlossen werden.

Ich übergehe die in dem Protocoll erwähnten Be-
funde an den übrigen Organen und beschränke mich auf
die Besprechung der cerebralen Veränderungen. Hier war
es zunächst der fast den ganzen oberen Rand der Fossa
Sylvii einnehmende Erweichungsheerd, welcher unser In-
teresse fesselte.

In meiner ersten Mittheilung über diesen selben Fall
hatte ich mich hinsichtlich der präsumtiven Oertlichkeit,
an welcher das anatomische Substrat der Lesestörung etwa
zu suchen sei, folgendermaassen geäussert*): „Diese be-
gleitenden Symptome (Hemiplegie, Hemianopsie, Aphasie
etc.) mit Hinzurechnung der einmal constatirten rechts-
seitigen Gesichtsmuskelzuckungen weisen darauf hin, dass
wir im gegebenen Falle unser Augenmerk auf diejenigen
Theile der Rindenschicht zu richten haben dürften, welche
zwischen der Broca’schen Windung, Facialis-Centrum
und Bewegungs-Centrum der rechten Extremitäten einer-
seits und dem Seh-Centrum andererseits gelegen sind.“
Ich habe dann diese Stelle in einer schematischen Scizze
genauer bezeichnet und die letztere nach dem Vortrage
herumgegeben. Wenn man dieselbe (Fig. I, a) mit dem
vorliegenden Befunde (Fig. II, a) vergleicht, so frappirt
zunächst die Uebereinstimmung der hypothetischen Oert-
lichkeit mit der wirklich erkrankten. Die erstere nimmt

*) l. c. S. resp. S. 210.
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[44/0048] griffen waren. Dieser Befund bestätigt die schon 3 Jahre vor dem Tode durch Herrn Dr. Faber gestellte Diagnose: Endarteritis, und zwar hatte derselbe auf Grund der Anamnese die Gefässerkrankung als eine syphilitische be- zeichnet. Wenn auch die Section für dieses ätiologische Moment keine weiteren Anhaltspunkte bot, so darf doch aus der prompten und jahrelang anhaltenden Wirkung der Inunctionscuren auf die Richtigkeit dieser Auffassung geschlossen werden. Ich übergehe die in dem Protocoll erwähnten Be- funde an den übrigen Organen und beschränke mich auf die Besprechung der cerebralen Veränderungen. Hier war es zunächst der fast den ganzen oberen Rand der Fossa Sylvii einnehmende Erweichungsheerd, welcher unser In- teresse fesselte. In meiner ersten Mittheilung über diesen selben Fall hatte ich mich hinsichtlich der präsumtiven Oertlichkeit, an welcher das anatomische Substrat der Lesestörung etwa zu suchen sei, folgendermaassen geäussert *): „Diese be- gleitenden Symptome (Hemiplegie, Hemianopsie, Aphasie etc.) mit Hinzurechnung der einmal constatirten rechts- seitigen Gesichtsmuskelzuckungen weisen darauf hin, dass wir im gegebenen Falle unser Augenmerk auf diejenigen Theile der Rindenschicht zu richten haben dürften, welche zwischen der Broca’schen Windung, Facialis-Centrum und Bewegungs-Centrum der rechten Extremitäten einer- seits und dem Seh-Centrum andererseits gelegen sind.“ Ich habe dann diese Stelle in einer schematischen Scizze genauer bezeichnet und die letztere nach dem Vortrage herumgegeben. Wenn man dieselbe (Fig. I, a) mit dem vorliegenden Befunde (Fig. II, a) vergleicht, so frappirt zunächst die Uebereinstimmung der hypothetischen Oert- lichkeit mit der wirklich erkrankten. Die erstere nimmt *) l. c. S. resp. S. 210.

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Zitationshilfe: Berlin, Rudolf: Eine besondere Art der Wortblindheit (Dyslexie). Wiesbaden, 1887, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlin_wortblindheit_1887/48>, abgerufen am 29.03.2024.