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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

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Aehnlichkeit mit den Fischen haben. Aber nie-
mand wird meinen, deßhalb müsse nun die Schei-
dewand zwischen der Classe der Fische und der
Classe der Gewürme aufgehoben werden. - Und
eben so wenig wird jemand im Ernst in Ver-
suchung gerathen, das Thier- und Pflanzenreich
deßhalb mit einander zu verbinden, weil man
an gewissen Pflanzen gewisse Aehnlichkeiten mit
gewissen Thieren bemerkt hat. Von der Art sind
z. B. die sonderbaren Bewegungen mancher Mi-
mosenarten, und des hedysarum gyrans etc., die,
so merkwürdig sie auch an sich bleiben, doch gar
nicht einmahl in den oben angegebnen Charakter
der Animalität eingreifen. So wenig als hin-
wiederum diejenigen Aehnlichkeiten, so die Arm-
polypen mit den Gewächsen haben, den oben
bestimmten Charakter der Vegetabilität betreffen.
Sondern, die Arm-Polypen sind Thiere, die,
so wie der Mensch und die Auster, vom Hunger
getrieben ihre Nahrung durch willkürliche Be-
wegung in den Mund bringen, was hingegen
bey keiner Pflanze, in der bis jetzt bekannten
Schöpfung, der Fall ist.

Nun und so beantwortet sich die andere Ein-
wendung gegen die Naturreiche etc. die sich auf
die so gepriesene Metapher von Stufenfolge der
Geschöpfe gründet, eigentlich von selbst.

Alle die beliebten Bilder von Kette, von
Leiter, von Netz etc. in der Natur, haben zwar
für die Methodologie im Studium der Natur-
geschichte in so fern ihren unverkennbaren Nutzen,
als sie den Grund eines so genannten natürli-
chen Systems abgeben, worin man die Geschöpfe
nach ihren mehresten und auffallendsten Aehnlich-
keiten, nach ihrem Totalhabitus und der darauf
gegründeten so genannten Verwandtschaft unter-
einander, zusammen ordnet.

Aber sie nun, wie doch so oft von wohlmei-
nenden Physicotheologen geschehen, dem Schöpfer
in den Plan seiner Schöpfung hinein legen, und
die Vollkommenheit und den Zusammenbang der-
selben darin suchen zu wollen, daß die Natur

Aehnlichkeit mit den Fischen haben. Aber nie-
mand wird meinen, deßhalb müsse nun die Schei-
dewand zwischen der Classe der Fische und der
Classe der Gewürme aufgehoben werden. – Und
eben so wenig wird jemand im Ernst in Ver-
suchung gerathen, das Thier- und Pflanzenreich
deßhalb mit einander zu verbinden, weil man
an gewissen Pflanzen gewisse Aehnlichkeiten mit
gewissen Thieren bemerkt hat. Von der Art sind
z. B. die sonderbaren Bewegungen mancher Mi-
mosenarten, und des hedysarum gyrans etc., die,
so merkwürdig sie auch an sich bleiben, doch gar
nicht einmahl in den oben angegebnen Charakter
der Animalität eingreifen. So wenig als hin-
wiederum diejenigen Aehnlichkeiten, so die Arm-
polypen mit den Gewächsen haben, den oben
bestimmten Charakter der Vegetabilität betreffen.
Sondern, die Arm-Polypen sind Thiere, die,
so wie der Mensch und die Auster, vom Hunger
getrieben ihre Nahrung durch willkürliche Be-
wegung in den Mund bringen, was hingegen
bey keiner Pflanze, in der bis jetzt bekannten
Schöpfung, der Fall ist.

Nun und so beantwortet sich die andere Ein-
wendung gegen die Naturreiche ꝛc. die sich auf
die so gepriesene Metapher von Stufenfolge der
Geschöpfe gründet, eigentlich von selbst.

Alle die beliebten Bilder von Kette, von
Leiter, von Netz ꝛc. in der Natur, haben zwar
für die Methodologie im Studium der Natur-
geschichte in so fern ihren unverkennbaren Nutzen,
als sie den Grund eines so genannten natürli-
chen Systems abgeben, worin man die Geschöpfe
nach ihren mehresten und auffallendsten Aehnlich-
keiten, nach ihrem Totalhabitus und der darauf
gegründeten so genannten Verwandtschaft unter-
einander, zusammen ordnet.

Aber sie nun, wie doch so oft von wohlmei-
nenden Physicotheologen geschehen, dem Schöpfer
in den Plan seiner Schöpfung hinein legen, und
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[8/0028] Aehnlichkeit mit den Fischen haben. Aber nie- mand wird meinen, deßhalb müsse nun die Schei- dewand zwischen der Classe der Fische und der Classe der Gewürme aufgehoben werden. – Und eben so wenig wird jemand im Ernst in Ver- suchung gerathen, das Thier- und Pflanzenreich deßhalb mit einander zu verbinden, weil man an gewissen Pflanzen gewisse Aehnlichkeiten mit gewissen Thieren bemerkt hat. Von der Art sind z. B. die sonderbaren Bewegungen mancher Mi- mosenarten, und des hedysarum gyrans etc., die, so merkwürdig sie auch an sich bleiben, doch gar nicht einmahl in den oben angegebnen Charakter der Animalität eingreifen. So wenig als hin- wiederum diejenigen Aehnlichkeiten, so die Arm- polypen mit den Gewächsen haben, den oben bestimmten Charakter der Vegetabilität betreffen. Sondern, die Arm-Polypen sind Thiere, die, so wie der Mensch und die Auster, vom Hunger getrieben ihre Nahrung durch willkürliche Be- wegung in den Mund bringen, was hingegen bey keiner Pflanze, in der bis jetzt bekannten Schöpfung, der Fall ist. Nun und so beantwortet sich die andere Ein- wendung gegen die Naturreiche ꝛc. die sich auf die so gepriesene Metapher von Stufenfolge der Geschöpfe gründet, eigentlich von selbst. Alle die beliebten Bilder von Kette, von Leiter, von Netz ꝛc. in der Natur, haben zwar für die Methodologie im Studium der Natur- geschichte in so fern ihren unverkennbaren Nutzen, als sie den Grund eines so genannten natürli- chen Systems abgeben, worin man die Geschöpfe nach ihren mehresten und auffallendsten Aehnlich- keiten, nach ihrem Totalhabitus und der darauf gegründeten so genannten Verwandtschaft unter- einander, zusammen ordnet. Aber sie nun, wie doch so oft von wohlmei- nenden Physicotheologen geschehen, dem Schöpfer in den Plan seiner Schöpfung hinein legen, und die Vollkommenheit und den Zusammenbang der- selben darin suchen zu wollen, daß die Natur

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/28>, abgerufen am 29.03.2024.