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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

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(wie man sich ausdruckt) keinen Sprung thue,
weil die Geschöpfe in Rücksicht ihrer form so
sein stufenweise auf einander folgten, das wäre
doch schon an sich eine vermeßne Schwachheit,
wenn sie auch nicht, wie doch der Fall ist, bey
ernsterer Prüfung sich selbst widerlegte.

Denn man braucht bloß die noch so kunstreich
und sorgfältig angelegten Entwürfe von solchen
Stufenfolgen in der Reihe der Geschöpfe näher
zu beleuchten, um einzusehn, wie sehr darin
einerseits sich ganze Haufen von Geschöpfen ähn-
licher Bildung in Geschlechtern von fast unüber-
sehlich zahlreichen Gattungen (zumahl unter den
Insecten und Gewürmen, aber auch im Pflan-
zenreiche) zusammen drängen, und andere dagegen
gleichsam isolirt stehen, weil sie wegen ihrer aus-
gezeichneten ganz eigenen Bildung nicht ohne sicht-
lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur
irgendwo eingeschoben und untergebracht werden
können (wie z. B. die ganze Classe der Vögel;
unter den Gewürmen das schon gedachte Ge-
schlecht der Sepien u. a. m. - Ferner aber
finden sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey
den Schildläusen, Männchen und Weibchen eine
so durchaus ganz verschieden Gestaltung haben,
daß man folglich in der gedachten Leiter die
einen von den andern trennen und nach dieser so
sehr verschiedenen Sexualform beyden auf weit
von einander entfernten Sprossen ihre verschiede-
nen Stellen anweisen müßte. - Nun dann
zeigen sich Lücken in der Leiter, wo offenbar
ohne einen sehr gewagten Sprung gar nicht
über zu kommen ist, wie zu Einem Beyspiel
statt aller, die zwischen den organisirten Körpern
und den Mineralien u. s. w.

So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen
Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. ge-
rathen müssen, so ganz grundlos ist nun vollends
gar die vermessene Behauptung mancher Physico-
theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer
zu Papier gebrachten Kette ausfallen dürste,

(wie man sich ausdruckt) keinen Sprung thue,
weil die Geschöpfe in Rücksicht ihrer form so
sein stufenweise auf einander folgten, das wäre
doch schon an sich eine vermeßne Schwachheit,
wenn sie auch nicht, wie doch der Fall ist, bey
ernsterer Prüfung sich selbst widerlegte.

Denn man braucht bloß die noch so kunstreich
und sorgfältig angelegten Entwürfe von solchen
Stufenfolgen in der Reihe der Geschöpfe näher
zu beleuchten, um einzusehn, wie sehr darin
einerseits sich ganze Haufen von Geschöpfen ähn-
licher Bildung in Geschlechtern von fast unüber-
sehlich zahlreichen Gattungen (zumahl unter den
Insecten und Gewürmen, aber auch im Pflan-
zenreiche) zusammen drängen, und andere dagegen
gleichsam isolirt stehen, weil sie wegen ihrer aus-
gezeichneten ganz eigenen Bildung nicht ohne sicht-
lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur
irgendwo eingeschoben und untergebracht werden
können (wie z. B. die ganze Classe der Vögel;
unter den Gewürmen das schon gedachte Ge-
schlecht der Sepien u. a. m. – Ferner aber
finden sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey
den Schildläusen, Männchen und Weibchen eine
so durchaus ganz verschieden Gestaltung haben,
daß man folglich in der gedachten Leiter die
einen von den andern trennen und nach dieser so
sehr verschiedenen Sexualform beyden auf weit
von einander entfernten Sprossen ihre verschiede-
nen Stellen anweisen müßte. – Nun dann
zeigen sich Lücken in der Leiter, wo offenbar
ohne einen sehr gewagten Sprung gar nicht
über zu kommen ist, wie zu Einem Beyspiel
statt aller, die zwischen den organisirten Körpern
und den Mineralien u. s. w.

So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen
Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. ge-
rathen müssen, so ganz grundlos ist nun vollends
gar die vermessene Behauptung mancher Physico-
theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer
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[9/0029] (wie man sich ausdruckt) keinen Sprung thue, weil die Geschöpfe in Rücksicht ihrer form so sein stufenweise auf einander folgten, das wäre doch schon an sich eine vermeßne Schwachheit, wenn sie auch nicht, wie doch der Fall ist, bey ernsterer Prüfung sich selbst widerlegte. Denn man braucht bloß die noch so kunstreich und sorgfältig angelegten Entwürfe von solchen Stufenfolgen in der Reihe der Geschöpfe näher zu beleuchten, um einzusehn, wie sehr darin einerseits sich ganze Haufen von Geschöpfen ähn- licher Bildung in Geschlechtern von fast unüber- sehlich zahlreichen Gattungen (zumahl unter den Insecten und Gewürmen, aber auch im Pflan- zenreiche) zusammen drängen, und andere dagegen gleichsam isolirt stehen, weil sie wegen ihrer aus- gezeichneten ganz eigenen Bildung nicht ohne sicht- lichen Zwang in einer solchen Leiter der Natur irgendwo eingeschoben und untergebracht werden können (wie z. B. die ganze Classe der Vögel; unter den Gewürmen das schon gedachte Ge- schlecht der Sepien u. a. m. – Ferner aber finden sich Thiere, bey welchen, wie z. B. bey den Schildläusen, Männchen und Weibchen eine so durchaus ganz verschieden Gestaltung haben, daß man folglich in der gedachten Leiter die einen von den andern trennen und nach dieser so sehr verschiedenen Sexualform beyden auf weit von einander entfernten Sprossen ihre verschiede- nen Stellen anweisen müßte. – Nun dann zeigen sich Lücken in der Leiter, wo offenbar ohne einen sehr gewagten Sprung gar nicht über zu kommen ist, wie zu Einem Beyspiel statt aller, die zwischen den organisirten Körpern und den Mineralien u. s. w. So mangelhaft aber überhaupt die bildlichen Vorstellungen von Kette der Natur u. s. w. ge- rathen müssen, so ganz grundlos ist nun vollends gar die vermessene Behauptung mancher Physico- theologen, als ob kein Glied aus dieser ihrer zu Papier gebrachten Kette ausfallen dürste,

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/29>, abgerufen am 28.03.2024.