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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803.

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Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli-
chen Reiben von Generationen fortgepflanzt haben,
so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße
Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen
(Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent-
scheidung in dergleichen Fällen keine andern in
praxi anwendbare Regeln, als die, so aus der
Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so
Ray, Büffon und andere angenommen haben,
den Charakter von Species darnach zu bestimmen,
wenn die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nach-
kommenschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr un-
zulänglich und schwankend ist.

Denn abgerechnet, daß die Anwendung dieser
Regel ohnehin bey den unzähligen Thieren und
Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort-
pflanzen. (- s. unten §. 70. -), so findet sie auch
in unzähligen andern Fällen wegen unüberwind-
licher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey
Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der
africanische Elephant zu einerley Species gehören
oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung
Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von
Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der
gewöhnliche oder aber der äußerst seltne Erfolg
als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich
sind die Maulthiere steril, und nut in äußerst
seltenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung
fähig befunden. Wollte man also diesen mun-
derseltenen Fall als Regel gelten lassen, so müßte
man Pferd uns Esel für Thiere derselben Species
halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körper-
bau - zumahl im Innern (und nahmentlich) in
der ganz auffalend verschiedenen Einrichtung ihrer
Stimmwerkzeuge!), wenigstens eben so specifisch
von einander differiren als Löwe und Katze. Da
stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als
zwei ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen.
Und eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß
halte ich auch die gedachten beyderley Elephanten
für ganz verschiedene Gattungen, weil ihr Gebiß
eine so constante auffalende Verschiedenheit zeigt,
die sich unmöglich als bloße Folge der Degene-
ration gedenken läßt.

Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli-
chen Reiben von Generationen fortgepflanzt haben,
so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße
Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen
(Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent-
scheidung in dergleichen Fällen keine andern in
praxi anwendbare Regeln, als die, so aus der
Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so
Ray, Büffon und andere angenommen haben,
den Charakter von Species darnach zu bestimmen,
wenn die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nach-
kommenschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr un-
zulänglich und schwankend ist.

Denn abgerechnet, daß die Anwendung dieser
Regel ohnehin bey den unzähligen Thieren und
Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort-
pflanzen. (– s. unten §. 70. –), so findet sie auch
in unzähligen andern Fällen wegen unüberwind-
licher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey
Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der
africanische Elephant zu einerley Species gehören
oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung
Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von
Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der
gewöhnliche oder aber der äußerst seltne Erfolg
als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich
sind die Maulthiere steril, und nut in äußerst
seltenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung
fähig befunden. Wollte man also diesen mun-
derseltenen Fall als Regel gelten lassen, so müßte
man Pferd uns Esel für Thiere derselben Species
halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körper-
bau – zumahl im Innern (und nahmentlich) in
der ganz auffalend verschiedenen Einrichtung ihrer
Stimmwerkzeuge!), wenigstens eben so specifisch
von einander differiren als Löwe und Katze. Da
stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als
zwei ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen.
Und eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß
halte ich auch die gedachten beyderley Elephanten
für ganz verschiedene Gattungen, weil ihr Gebiß
eine so constante auffalende Verschiedenheit zeigt,
die sich unmöglich als bloße Folge der Degene-
ration gedenken läßt.

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[26/0046] Anm. Wenn sich gewisse Ausartungen seit unabsehli- chen Reiben von Generationen fortgepflanzt haben, so hält es oft schwer zu bestimmen, ob das bloße Rassen oder ursprünglich verschiedene Gattungen (Species) sind? Wenigstens gibt es dann zur Ent- scheidung in dergleichen Fällen keine andern in praxi anwendbare Regeln, als die, so aus der Analogie abstrahirt sind; da hingegen die, so Ray, Büffon und andere angenommen haben, den Charakter von Species darnach zu bestimmen, wenn die Geschöpfe mit einander fruchtbare Nach- kommenschaft zeugen, zu diesem Behuf sehr un- zulänglich und schwankend ist. Denn abgerechnet, daß die Anwendung dieser Regel ohnehin bey den unzähligen Thieren und Pflanzen wegfällt, die sich ohne Paarung fort- pflanzen. (– s. unten §. 70. –), so findet sie auch in unzähligen andern Fällen wegen unüberwind- licher Schwierigkeiten nicht Statt, wie z. B. bey Entscheidung der Frage, ob der asiatische und der africanische Elephant zu einerley Species gehören oder nicht? Und selbst da, wo die Erfahrung Statt hat, wie z. B. bey der Vermischung von Pferd und Esel, fragt sich wieder, soll da der gewöhnliche oder aber der äußerst seltne Erfolg als Regel angesehn werden. Denn gewöhnlich sind die Maulthiere steril, und nut in äußerst seltenen Fällen hat man sie zur Fortpflanzung fähig befunden. Wollte man also diesen mun- derseltenen Fall als Regel gelten lassen, so müßte man Pferd uns Esel für Thiere derselben Species halten, ungeachtet sie in ihrem ganzen Körper- bau – zumahl im Innern (und nahmentlich) in der ganz auffalend verschiedenen Einrichtung ihrer Stimmwerkzeuge!), wenigstens eben so specifisch von einander differiren als Löwe und Katze. Da stimmt hingegen alle Analogie dafür, sie als zwei ganz verschiedene Gattungen anzuerkennen. Und eben diesem Grundsatze der Analogie gemäß halte ich auch die gedachten beyderley Elephanten für ganz verschiedene Gattungen, weil ihr Gebiß eine so constante auffalende Verschiedenheit zeigt, die sich unmöglich als bloße Folge der Degene- ration gedenken läßt.

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 7. Aufl. Göttingen, 1803, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1803/46>, abgerufen am 28.03.2024.