Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

kann in nichts anderem bestehen, als in der Ueberweisung des
Verurtheilten in eine coloniale Besitzung.

In der letzteren würden die Verurtheilten weder consignirt
oder internirt, noch der Zwangsarbeit unterworfen werden. Sie
würden nachdem man sie dort eingesetzt hat, im Uebrigen ihrer
Selbstbestimmung überlassen werden, gerade so, wie auch frei-
willige Colonisten, nur mit dem Unterschied, daß sie einer fort-
währenden polizeilichen Ueberwachung unterworfen wären, wel-
cher als Hauptaufgabe obliegt, die Einschiffung und Entweichung
zu verhindern.

Die Deportation muß eine solche auf Lebenszeit sein.

Es würde keinen vernünftigen Zweck haben, nach einem
gewissen Zeitablauf den Deportirten zurückkehren zu lassen.
Denn seine Mittellosigkeit würde ihn in das alte verderbliche
Geleise zurückführen und die Hoffnung auf die demnächstige
Rückkehr würde ihn verführen, die Gründung einer neuen
Existenz in der Colonie nur lässig zu betreiben.

Diese Deportation wäre ein unbestreitbare Wohlthat für
die bürgerliche Gesellschaft und die einzige Möglichkeit einer
Rettung und Besserung für diese verkommene und unglückliche
Klasse der Bevölkerung.

Sie würde dem in beunruhigender Weise sich steigernden
Wachsthum der Vagabondage und des Rückfalls und der damit
in Verbindung stehenden sonstigen Vergehen und Verbrechen
unübersteigliche Schranken setzen.

Die bürgerliche Gesellschaft würde berechtigt sein, zu diesem
Mittel zu greifen. Denn sie ist nicht verpflichtet, in ihrem
Schooße Diejenigen zu dulden, zu hegen und zu pflegen, welche
in offener Rebellion gegen die sociale und wirthschaftliche Ord-
nung beharren und sich darauf steifen, ihr Leben lang auf Kosten
ihrer Mitbürger zu leben, ohne durch Arbeit oder sonstwie irgend
Etwas zum Gemeinwohl beizutragen.

Soweit Lagresille.

Man hat ja bei uns kürzlich einen Verein für Colonisation
gegründet; nun das wollen wir mit Geduld abwarten, um je nach
dem Erfolge auf die Frage der Deportation wieder zurück zu
kommen.

Jedenfalls ist der Hauptsitz der materies peccans in dieser
Frage meines Erachtens zu suchen in einer Thatsache, die bis-

kann in nichts anderem bestehen, als in der Ueberweisung des
Verurtheilten in eine coloniale Besitzung.

In der letzteren würden die Verurtheilten weder consignirt
oder internirt, noch der Zwangsarbeit unterworfen werden. Sie
würden nachdem man sie dort eingesetzt hat, im Uebrigen ihrer
Selbstbestimmung überlassen werden, gerade so, wie auch frei-
willige Colonisten, nur mit dem Unterschied, daß sie einer fort-
währenden polizeilichen Ueberwachung unterworfen wären, wel-
cher als Hauptaufgabe obliegt, die Einschiffung und Entweichung
zu verhindern.

Die Deportation muß eine solche auf Lebenszeit sein.

Es würde keinen vernünftigen Zweck haben, nach einem
gewissen Zeitablauf den Deportirten zurückkehren zu lassen.
Denn seine Mittellosigkeit würde ihn in das alte verderbliche
Geleise zurückführen und die Hoffnung auf die demnächstige
Rückkehr würde ihn verführen, die Gründung einer neuen
Existenz in der Colonie nur lässig zu betreiben.

Diese Deportation wäre ein unbestreitbare Wohlthat für
die bürgerliche Gesellschaft und die einzige Möglichkeit einer
Rettung und Besserung für diese verkommene und unglückliche
Klasse der Bevölkerung.

Sie würde dem in beunruhigender Weise sich steigernden
Wachsthum der Vagabondage und des Rückfalls und der damit
in Verbindung stehenden sonstigen Vergehen und Verbrechen
unübersteigliche Schranken setzen.

Die bürgerliche Gesellschaft würde berechtigt sein, zu diesem
Mittel zu greifen. Denn sie ist nicht verpflichtet, in ihrem
Schooße Diejenigen zu dulden, zu hegen und zu pflegen, welche
in offener Rebellion gegen die sociale und wirthschaftliche Ord-
nung beharren und sich darauf steifen, ihr Leben lang auf Kosten
ihrer Mitbürger zu leben, ohne durch Arbeit oder sonstwie irgend
Etwas zum Gemeinwohl beizutragen.

Soweit Lagrésille.

Man hat ja bei uns kürzlich einen Verein für Colonisation
gegründet; nun das wollen wir mit Geduld abwarten, um je nach
dem Erfolge auf die Frage der Deportation wieder zurück zu
kommen.

Jedenfalls ist der Hauptsitz der materies peccans in dieser
Frage meines Erachtens zu suchen in einer Thatsache, die bis-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="13"/>
kann in nichts anderem bestehen, als in der Ueberweisung des<lb/>
Verurtheilten in eine coloniale Besitzung.</p><lb/>
        <p>In der letzteren würden die Verurtheilten weder consignirt<lb/>
oder internirt, noch der Zwangsarbeit unterworfen werden. Sie<lb/>
würden nachdem man sie dort eingesetzt hat, im Uebrigen ihrer<lb/>
Selbstbestimmung überlassen werden, gerade so, wie auch frei-<lb/>
willige Colonisten, nur mit dem Unterschied, daß sie einer fort-<lb/>
währenden polizeilichen Ueberwachung unterworfen wären, wel-<lb/>
cher als Hauptaufgabe obliegt, die Einschiffung und Entweichung<lb/>
zu verhindern.</p><lb/>
        <p>Die Deportation muß eine solche auf Lebenszeit sein.</p><lb/>
        <p>Es würde keinen vernünftigen Zweck haben, nach einem<lb/>
gewissen Zeitablauf den Deportirten zurückkehren zu lassen.<lb/>
Denn seine Mittellosigkeit würde ihn in das alte verderbliche<lb/>
Geleise zurückführen und die Hoffnung auf die demnächstige<lb/>
Rückkehr würde ihn verführen, die Gründung einer neuen<lb/>
Existenz in der Colonie nur lässig zu betreiben.</p><lb/>
        <p>Diese Deportation wäre ein unbestreitbare Wohlthat für<lb/>
die bürgerliche Gesellschaft und die einzige Möglichkeit einer<lb/>
Rettung und Besserung für diese verkommene und unglückliche<lb/>
Klasse der Bevölkerung.</p><lb/>
        <p>Sie würde dem in beunruhigender Weise sich steigernden<lb/>
Wachsthum der Vagabondage und des Rückfalls und der damit<lb/>
in Verbindung stehenden sonstigen Vergehen und Verbrechen<lb/>
unübersteigliche Schranken setzen.</p><lb/>
        <p>Die bürgerliche Gesellschaft würde berechtigt sein, zu diesem<lb/>
Mittel zu greifen. Denn sie ist nicht verpflichtet, in ihrem<lb/>
Schooße Diejenigen zu dulden, zu hegen und zu pflegen, welche<lb/>
in offener Rebellion gegen die sociale und wirthschaftliche Ord-<lb/>
nung beharren und sich darauf steifen, ihr Leben lang auf Kosten<lb/>
ihrer Mitbürger zu leben, ohne durch Arbeit oder sonstwie irgend<lb/>
Etwas zum Gemeinwohl beizutragen.</p><lb/>
        <p>Soweit Lagrésille.</p><lb/>
        <p>Man hat ja bei uns kürzlich einen Verein für Colonisation<lb/>
gegründet; nun das wollen wir mit Geduld abwarten, um je nach<lb/>
dem Erfolge auf die Frage der Deportation wieder zurück zu<lb/>
kommen.</p><lb/>
        <p>Jedenfalls ist der Hauptsitz der materies peccans in dieser<lb/>
Frage meines Erachtens zu suchen in einer Thatsache, die bis-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0015] kann in nichts anderem bestehen, als in der Ueberweisung des Verurtheilten in eine coloniale Besitzung. In der letzteren würden die Verurtheilten weder consignirt oder internirt, noch der Zwangsarbeit unterworfen werden. Sie würden nachdem man sie dort eingesetzt hat, im Uebrigen ihrer Selbstbestimmung überlassen werden, gerade so, wie auch frei- willige Colonisten, nur mit dem Unterschied, daß sie einer fort- währenden polizeilichen Ueberwachung unterworfen wären, wel- cher als Hauptaufgabe obliegt, die Einschiffung und Entweichung zu verhindern. Die Deportation muß eine solche auf Lebenszeit sein. Es würde keinen vernünftigen Zweck haben, nach einem gewissen Zeitablauf den Deportirten zurückkehren zu lassen. Denn seine Mittellosigkeit würde ihn in das alte verderbliche Geleise zurückführen und die Hoffnung auf die demnächstige Rückkehr würde ihn verführen, die Gründung einer neuen Existenz in der Colonie nur lässig zu betreiben. Diese Deportation wäre ein unbestreitbare Wohlthat für die bürgerliche Gesellschaft und die einzige Möglichkeit einer Rettung und Besserung für diese verkommene und unglückliche Klasse der Bevölkerung. Sie würde dem in beunruhigender Weise sich steigernden Wachsthum der Vagabondage und des Rückfalls und der damit in Verbindung stehenden sonstigen Vergehen und Verbrechen unübersteigliche Schranken setzen. Die bürgerliche Gesellschaft würde berechtigt sein, zu diesem Mittel zu greifen. Denn sie ist nicht verpflichtet, in ihrem Schooße Diejenigen zu dulden, zu hegen und zu pflegen, welche in offener Rebellion gegen die sociale und wirthschaftliche Ord- nung beharren und sich darauf steifen, ihr Leben lang auf Kosten ihrer Mitbürger zu leben, ohne durch Arbeit oder sonstwie irgend Etwas zum Gemeinwohl beizutragen. Soweit Lagrésille. Man hat ja bei uns kürzlich einen Verein für Colonisation gegründet; nun das wollen wir mit Geduld abwarten, um je nach dem Erfolge auf die Frage der Deportation wieder zurück zu kommen. Jedenfalls ist der Hauptsitz der materies peccans in dieser Frage meines Erachtens zu suchen in einer Thatsache, die bis-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883/15
Zitationshilfe: Braun, Karl: Die Vagabundenfrage. Berlin, 1883, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braun_vagabundenfrage_1883/15>, abgerufen am 19.04.2024.