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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Sie sind keusch, sparsam, schamhaft.

Sie sind leichtfertig, putzsüchtig, üppig.

Diese Blumenlese von Widersprüchen könnte leicht
bis in's Unendliche fortgeführt werden.

Wie die Meinungen über die Frauen entstehen
und was sie bedingt, darüber gibt uns ein französischer
Schriftsteller einen Fingerzeig, indem er uns folgende
kleine Rede hält: "Einer meiner Freunde," so erzählt
er, "berauscht vom Duft der ersten Jugendblüthe, hatte
in seinem Debütanten-Enthusiasmus folgenden Ge-
danken, dessen geringster Fehler der Mangel an Neu-
heit ist, niedergeschrieben: "Niemals wird man von den
Frauen so viel Gutes sagen können, als sie verdienen." "
- Der Gedanke eines glücklichen Mannes.

Einige Jahre später hatte dieser originelle Denker
Grund, oder glaubte ihn zu haben, sich über die
Frauen zu beklagen. Voll Zorn strich er ein Wort
seines Satzes aus, ersetzte es durch ein anderes und
die Fassung seiner Sentenz lautete: "Niemals wird
man von den Frauen so viel Böses sagen können, als
sie verdienen." - Der Gedanke eines unglücklichen
Mannes.

Viel später, als seine Seele alle die Stadien, die
im Leben der meisten Männer unausbleiblich sind,
durchlaufen hatte, nahm er seinen Satz wieder auf,

Sie sind keusch, sparsam, schamhaft.

Sie sind leichtfertig, putzsüchtig, üppig.

Diese Blumenlese von Widersprüchen könnte leicht
bis in's Unendliche fortgeführt werden.

Wie die Meinungen über die Frauen entstehen
und was sie bedingt, darüber gibt uns ein französischer
Schriftsteller einen Fingerzeig, indem er uns folgende
kleine Rede hält: „Einer meiner Freunde,‟ so erzählt
er, „berauscht vom Duft der ersten Jugendblüthe, hatte
in seinem Debütanten-Enthusiasmus folgenden Ge-
danken, dessen geringster Fehler der Mangel an Neu-
heit ist, niedergeschrieben: „Niemals wird man von den
Frauen so viel Gutes sagen können, als sie verdienen.‟ ‟
– Der Gedanke eines glücklichen Mannes.

Einige Jahre später hatte dieser originelle Denker
Grund, oder glaubte ihn zu haben, sich über die
Frauen zu beklagen. Voll Zorn strich er ein Wort
seines Satzes aus, ersetzte es durch ein anderes und
die Fassung seiner Sentenz lautete: „Niemals wird
man von den Frauen so viel Böses sagen können, als
sie verdienen.‟ – Der Gedanke eines unglücklichen
Mannes.

Viel später, als seine Seele alle die Stadien, die
im Leben der meisten Männer unausbleiblich sind,
durchlaufen hatte, nahm er seinen Satz wieder auf,

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[12/0020] Sie sind keusch, sparsam, schamhaft. Sie sind leichtfertig, putzsüchtig, üppig. Diese Blumenlese von Widersprüchen könnte leicht bis in's Unendliche fortgeführt werden. Wie die Meinungen über die Frauen entstehen und was sie bedingt, darüber gibt uns ein französischer Schriftsteller einen Fingerzeig, indem er uns folgende kleine Rede hält: „Einer meiner Freunde,‟ so erzählt er, „berauscht vom Duft der ersten Jugendblüthe, hatte in seinem Debütanten-Enthusiasmus folgenden Ge- danken, dessen geringster Fehler der Mangel an Neu- heit ist, niedergeschrieben: „Niemals wird man von den Frauen so viel Gutes sagen können, als sie verdienen.‟ ‟ – Der Gedanke eines glücklichen Mannes. Einige Jahre später hatte dieser originelle Denker Grund, oder glaubte ihn zu haben, sich über die Frauen zu beklagen. Voll Zorn strich er ein Wort seines Satzes aus, ersetzte es durch ein anderes und die Fassung seiner Sentenz lautete: „Niemals wird man von den Frauen so viel Böses sagen können, als sie verdienen.‟ – Der Gedanke eines unglücklichen Mannes. Viel später, als seine Seele alle die Stadien, die im Leben der meisten Männer unausbleiblich sind, durchlaufen hatte, nahm er seinen Satz wieder auf,  

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/20>, abgerufen am 20.04.2024.