Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

steht erst in zweiter Linie. Spricht die Frau Bosheit,
so findet der Mann sie pikant, plaudert sie triviales
Zeug, so erscheint sie ihm gemüthlich und behaglich;
spricht sie Dummheiten so ist sie naiv, Heftigkeit nennt
er Temperament. (Das alles natürlich nur so lange
sie jung ist.) Ja, ich glaube, der Wahrheit nicht zu
nahe zu treten, wenn ich sage, daß im allgemeinen die
Frauen in dem Maße den Männern mehr gefallen,
als sie weniger mit den sogenannten weiblichen Eigen-
schaften ausgestattet sind.

Jch will aber widerrufen und mich sofort bekehren
von dem Augenblicke an, wo ich gewahr werde, daß
in unsern Gesellschaften, auf unsern Bällen und in
Familienkreisen die Herrenwelt sich um die einfachen,
bescheidenen, zurückhaltenden, passiven, schlicht gekleide-
ten jungen Mädchen drängt, während die koketten,
medisanten, pikanten, leidenschaftlichen, eleganten,
dreisten jungen Damen verlassen in den Ecken umher-
stehen. Bis jetzt bin ich stets Zeuge vom Gegentheil
gewesen. Oftmals kommen Fälle vor, wo sich die
Männer sogar ihrer Vorliebe für unwissende Frauen
und für solche, die zäh an der weiblichen Sphäre
kleben, entäußern.

Unwissenheit gilt im allgemeinen für einen Reiz
des weiblichen Geschlechts. "Wenn sich die Frauen,"

steht erst in zweiter Linie. Spricht die Frau Bosheit,
so findet der Mann sie pikant, plaudert sie triviales
Zeug, so erscheint sie ihm gemüthlich und behaglich;
spricht sie Dummheiten so ist sie naiv, Heftigkeit nennt
er Temperament. (Das alles natürlich nur so lange
sie jung ist.) Ja, ich glaube, der Wahrheit nicht zu
nahe zu treten, wenn ich sage, daß im allgemeinen die
Frauen in dem Maße den Männern mehr gefallen,
als sie weniger mit den sogenannten weiblichen Eigen-
schaften ausgestattet sind.

Jch will aber widerrufen und mich sofort bekehren
von dem Augenblicke an, wo ich gewahr werde, daß
in unsern Gesellschaften, auf unsern Bällen und in
Familienkreisen die Herrenwelt sich um die einfachen,
bescheidenen, zurückhaltenden, passiven, schlicht gekleide-
ten jungen Mädchen drängt, während die koketten,
medisanten, pikanten, leidenschaftlichen, eleganten,
dreisten jungen Damen verlassen in den Ecken umher-
stehen. Bis jetzt bin ich stets Zeuge vom Gegentheil
gewesen. Oftmals kommen Fälle vor, wo sich die
Männer sogar ihrer Vorliebe für unwissende Frauen
und für solche, die zäh an der weiblichen Sphäre
kleben, entäußern.

Unwissenheit gilt im allgemeinen für einen Reiz
des weiblichen Geschlechts. „Wenn sich die Frauen,‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="18"/>
steht erst in zweiter Linie. Spricht die Frau Bosheit,<lb/>
so findet der Mann sie pikant, plaudert sie triviales<lb/>
Zeug, so erscheint sie ihm gemüthlich und behaglich;<lb/>
spricht sie Dummheiten so ist sie naiv, Heftigkeit nennt<lb/>
er Temperament. (Das alles natürlich nur so lange<lb/>
sie jung ist.) Ja, ich glaube, der Wahrheit nicht zu<lb/>
nahe zu treten, wenn ich sage, daß im allgemeinen die<lb/>
Frauen in dem Maße den Männern <hi rendition="#g">mehr</hi> gefallen,<lb/>
als sie <hi rendition="#g">weniger</hi> mit den sogenannten weiblichen Eigen-<lb/>
schaften ausgestattet sind.</p><lb/>
        <p>Jch will aber widerrufen und mich sofort bekehren<lb/>
von dem Augenblicke an, wo ich gewahr werde, daß<lb/>
in unsern Gesellschaften, auf unsern Bällen und in<lb/>
Familienkreisen die Herrenwelt sich um die einfachen,<lb/>
bescheidenen, zurückhaltenden, passiven, schlicht gekleide-<lb/>
ten jungen Mädchen drängt, während die koketten,<lb/>
medisanten, pikanten, leidenschaftlichen, eleganten,<lb/>
dreisten jungen Damen verlassen in den Ecken umher-<lb/>
stehen. Bis jetzt bin ich stets Zeuge vom Gegentheil<lb/>
gewesen. Oftmals kommen Fälle vor, wo sich die<lb/>
Männer sogar ihrer Vorliebe für unwissende Frauen<lb/>
und für solche, die zäh an der weiblichen Sphäre<lb/>
kleben, entäußern.</p><lb/>
        <p>Unwissenheit gilt im allgemeinen für einen Reiz<lb/>
des weiblichen Geschlechts. &#x201E;Wenn sich die Frauen,&#x201F;<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0026] steht erst in zweiter Linie. Spricht die Frau Bosheit, so findet der Mann sie pikant, plaudert sie triviales Zeug, so erscheint sie ihm gemüthlich und behaglich; spricht sie Dummheiten so ist sie naiv, Heftigkeit nennt er Temperament. (Das alles natürlich nur so lange sie jung ist.) Ja, ich glaube, der Wahrheit nicht zu nahe zu treten, wenn ich sage, daß im allgemeinen die Frauen in dem Maße den Männern mehr gefallen, als sie weniger mit den sogenannten weiblichen Eigen- schaften ausgestattet sind. Jch will aber widerrufen und mich sofort bekehren von dem Augenblicke an, wo ich gewahr werde, daß in unsern Gesellschaften, auf unsern Bällen und in Familienkreisen die Herrenwelt sich um die einfachen, bescheidenen, zurückhaltenden, passiven, schlicht gekleide- ten jungen Mädchen drängt, während die koketten, medisanten, pikanten, leidenschaftlichen, eleganten, dreisten jungen Damen verlassen in den Ecken umher- stehen. Bis jetzt bin ich stets Zeuge vom Gegentheil gewesen. Oftmals kommen Fälle vor, wo sich die Männer sogar ihrer Vorliebe für unwissende Frauen und für solche, die zäh an der weiblichen Sphäre kleben, entäußern. Unwissenheit gilt im allgemeinen für einen Reiz des weiblichen Geschlechts. „Wenn sich die Frauen,‟  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/26
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/26>, abgerufen am 25.04.2024.