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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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Ansprüche der Frauen erörtern will, muss nicht etwa blos das
Stimmrecht und die Theilnahme an den volksvertretenden Ver-
sammlungen, sondern noch weit Mehr zuvor erledigt haben. Der
politische Theil der Frauenfrage führt sehr weit; er lässt sich
sogar nur in Zusammenhang mit den socialitären Grundfragen der
ganzen Gesellschaftsverfassung entscheiden. Eine Behandlung,
die da glaubt, mit ihm in isolirter Weise vorgehen zu können,
ist theoretisch und praktisch auf einem Abwege. Bei dem heu-
tigen Stande der Sache wird die politische Frauenfrage zu einem
Theil der allgemeinen socialen Frage, und es ist auf den wenigen
Bogen, die hier zur Verfügung stehen, wohl ein in sich ab-
gerundetes Ganze, aber eben nicht eine Ausführung des politi-
schen Thema in Absicht. Trotz der Ueberzeugung von der vollen
Berechtigung eines rein politischen Programms, kann man dennoch
ein engeres und für den Augenblick, wenigstens auf deutschem
Boden, unmittelbarer zugängliches Gebiet abgrenzen, auf welchem
sich die gesellschaftlich nicht rückläufigen Ansichten weit eher ge-
danklich und thatsächlich zusammenfinden mögen, als wenn man
in Verhältnisse ausgreift, deren Verwirklichung erst einer späteren
Zukunft angehören kann. Wo man die letzten, am Horizonte der
Zukunft absehbaren Aussichten zu entwerfen sucht, wie dies auch
vom Verfasser der vorliegenden Schrift in systematischen Grund-
werken volkswirthschaftlich politischer und allgemein philosophi-
scher Art geschehen ist, da hat man auch in allen Hauptrich-
tungen mit den Gestaltungen des Geschlechterrechts abzurechnen
und nicht blos die durch Freiheit veredelte Ehe, sondern auch
die politischen und socialen Gleichheitsansprüche des Weibes in
den Grundformen festzustellen. Wo jedoch, wie in der Abgren-
zung der jetzt zu behandelnden praktischen Angelegenheit, die
heutige Gesellschaftsverfassung in ihren Hauptzügen nicht blos
der Anknüpfungspunkt ist, sondern auch einen Rahmen bildet,
innerhalb dessen schon erhebliche Reformen möglich sind, da
wäre es Thorheit, die Auseinandersetzung mit den alten Vor-
urtheilen noch durch die ganz unnöthige Hineinziehung weiterer
Ausblicke zu stören. Namentlich würde es aber schädlich sein,
die Eröffnung höherer Berufszweige für das weibliche Geschlecht
so erscheinen zu lassen, als wenn sie mit den eigentlich politi-
schen Interessen verwachsen müsste. Grade die Abtrennung
eines, ohne durchgreifend politische Umänderungen durchführ-
baren Gebiets der socialökonomischen Verbesserung der Lage

Ansprüche der Frauen erörtern will, muss nicht etwa blos das
Stimmrecht und die Theilnahme an den volksvertretenden Ver-
sammlungen, sondern noch weit Mehr zuvor erledigt haben. Der
politische Theil der Frauenfrage führt sehr weit; er lässt sich
sogar nur in Zusammenhang mit den socialitären Grundfragen der
ganzen Gesellschaftsverfassung entscheiden. Eine Behandlung,
die da glaubt, mit ihm in isolirter Weise vorgehen zu können,
ist theoretisch und praktisch auf einem Abwege. Bei dem heu-
tigen Stande der Sache wird die politische Frauenfrage zu einem
Theil der allgemeinen socialen Frage, und es ist auf den wenigen
Bogen, die hier zur Verfügung stehen, wohl ein in sich ab-
gerundetes Ganze, aber eben nicht eine Ausführung des politi-
schen Thema in Absicht. Trotz der Ueberzeugung von der vollen
Berechtigung eines rein politischen Programms, kann man dennoch
ein engeres und für den Augenblick, wenigstens auf deutschem
Boden, unmittelbarer zugängliches Gebiet abgrenzen, auf welchem
sich die gesellschaftlich nicht rückläufigen Ansichten weit eher ge-
danklich und thatsächlich zusammenfinden mögen, als wenn man
in Verhältnisse ausgreift, deren Verwirklichung erst einer späteren
Zukunft angehören kann. Wo man die letzten, am Horizonte der
Zukunft absehbaren Aussichten zu entwerfen sucht, wie dies auch
vom Verfasser der vorliegenden Schrift in systematischen Grund-
werken volkswirthschaftlich politischer und allgemein philosophi-
scher Art geschehen ist, da hat man auch in allen Hauptrich-
tungen mit den Gestaltungen des Geschlechterrechts abzurechnen
und nicht blos die durch Freiheit veredelte Ehe, sondern auch
die politischen und socialen Gleichheitsansprüche des Weibes in
den Grundformen festzustellen. Wo jedoch, wie in der Abgren-
zung der jetzt zu behandelnden praktischen Angelegenheit, die
heutige Gesellschaftsverfassung in ihren Hauptzügen nicht blos
der Anknüpfungspunkt ist, sondern auch einen Rahmen bildet,
innerhalb dessen schon erhebliche Reformen möglich sind, da
wäre es Thorheit, die Auseinandersetzung mit den alten Vor-
urtheilen noch durch die ganz unnöthige Hineinziehung weiterer
Ausblicke zu stören. Namentlich würde es aber schädlich sein,
die Eröffnung höherer Berufszweige für das weibliche Geschlecht
so erscheinen zu lassen, als wenn sie mit den eigentlich politi-
schen Interessen verwachsen müsste. Grade die Abtrennung
eines, ohne durchgreifend politische Umänderungen durchführ-
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[2/0011] Ansprüche der Frauen erörtern will, muss nicht etwa blos das Stimmrecht und die Theilnahme an den volksvertretenden Ver- sammlungen, sondern noch weit Mehr zuvor erledigt haben. Der politische Theil der Frauenfrage führt sehr weit; er lässt sich sogar nur in Zusammenhang mit den socialitären Grundfragen der ganzen Gesellschaftsverfassung entscheiden. Eine Behandlung, die da glaubt, mit ihm in isolirter Weise vorgehen zu können, ist theoretisch und praktisch auf einem Abwege. Bei dem heu- tigen Stande der Sache wird die politische Frauenfrage zu einem Theil der allgemeinen socialen Frage, und es ist auf den wenigen Bogen, die hier zur Verfügung stehen, wohl ein in sich ab- gerundetes Ganze, aber eben nicht eine Ausführung des politi- schen Thema in Absicht. Trotz der Ueberzeugung von der vollen Berechtigung eines rein politischen Programms, kann man dennoch ein engeres und für den Augenblick, wenigstens auf deutschem Boden, unmittelbarer zugängliches Gebiet abgrenzen, auf welchem sich die gesellschaftlich nicht rückläufigen Ansichten weit eher ge- danklich und thatsächlich zusammenfinden mögen, als wenn man in Verhältnisse ausgreift, deren Verwirklichung erst einer späteren Zukunft angehören kann. Wo man die letzten, am Horizonte der Zukunft absehbaren Aussichten zu entwerfen sucht, wie dies auch vom Verfasser der vorliegenden Schrift in systematischen Grund- werken volkswirthschaftlich politischer und allgemein philosophi- scher Art geschehen ist, da hat man auch in allen Hauptrich- tungen mit den Gestaltungen des Geschlechterrechts abzurechnen und nicht blos die durch Freiheit veredelte Ehe, sondern auch die politischen und socialen Gleichheitsansprüche des Weibes in den Grundformen festzustellen. Wo jedoch, wie in der Abgren- zung der jetzt zu behandelnden praktischen Angelegenheit, die heutige Gesellschaftsverfassung in ihren Hauptzügen nicht blos der Anknüpfungspunkt ist, sondern auch einen Rahmen bildet, innerhalb dessen schon erhebliche Reformen möglich sind, da wäre es Thorheit, die Auseinandersetzung mit den alten Vor- urtheilen noch durch die ganz unnöthige Hineinziehung weiterer Ausblicke zu stören. Namentlich würde es aber schädlich sein, die Eröffnung höherer Berufszweige für das weibliche Geschlecht so erscheinen zu lassen, als wenn sie mit den eigentlich politi- schen Interessen verwachsen müsste. Grade die Abtrennung eines, ohne durchgreifend politische Umänderungen durchführ- baren Gebiets der socialökonomischen Verbesserung der Lage

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/11>, abgerufen am 25.04.2024.