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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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des weiblichen Geschlechts liefert einen sozusagen taktischen Vor-
theil, indem auf die Phalanx der Vorurtheile auf einem Punkte
losgegangen werden kann, wo das alte Regime seine grössten
Gebrechlichkeiten zeigt und nur noch von einer Falstaffgarde
vertheidigt wird.

Auch hat die Eröffnung höherer wissenschaftlicher Berufs-
zweige oder, wie man es auch nennt, der gelehrten Verrichtungen
vor dem anderweitigen Streben nach niedriger belegenen Ge-
werbsthätigkeiten einen Vortheil voraus. Im Bereich der gewöhn-
lichen Gewerbe und Künste geräth das Weib viel leichter in
falsche Hantirungen, und so viel auch über die unteren und
mittleren Erwerbsgelegenheiten gesagt und was auch in dieser
Richtung schon geschehen sein mag, so ist doch die Frage der
wirthschaftlichen Arbeitstheilung auf diesem Felde noch keines-
wegs gehörig entschieden. Eine geeignete Sonderung der Arbeits-
verrichtungen und geschäftlichen Functionen wird oft genug ver-
fehlt. So ist es beispielsweise äusserst fraglich, ob grade die auf-
reibende Setzerarbeit in den Druckereien in erster Linie seitens
der Frauen eine Berücksichtigung zu erfahren verdient. Ver-
sperrt soll überhaupt keine thatsächlich mögliche Function sein;
aber bei allseitig vollständiger Freiheit und Gelegenheit sollen
eben Auswahl und Erprobung erst darüber entscheiden, was für
die Anlagen, Neigungen und Leistungsfähigkeiten zweckdienlich
ist. Je mehr man sich der untersten Schicht der Frauenwelt
nähert und die Kreise der gewöhnlichen Arbeiterinnen in Betracht
zieht, um so plumper zeigen sich die Ansprüche, die man fast
ohne Unterscheidung zwischen Männern und Weibern eben auch
an die letzteren macht. Die Beschaffung billiger Arbeitskraft ist
hier der leitende Grundsatz aller unternehmerischen Auswahl,
und in ähnlicher Weise wird einige Stufen nach oben oft genug
mit humanitärem Heiligenschein die ganz gemeine Selbstsucht um-
geben, die sich unter den sogenannten gebildeten Theilen des
weiblichen Geschlechts ein neues Bewirthschaftungsfeld aufspürt.

Solchen Widerwärtigkeiten und hiemit auch aller Zweideutig-
keit oder wenigstens sachlichen Zweiseitigkeit entgeht man, so-
bald es sich um die Berufsarten handelt, zu denen eine höhere
wissenschaftliche Vorbildung vorausgesetzt wird. Hier hat das
Unternehmerthum theils gar keinen theils weniger Spielraum, und
wenn die wirthschaftliche Billigkeit der Leistungsfähigkeit in
Frage kommt, so geschieht dies unmittelbar dem Gesammtinteresse

des weiblichen Geschlechts liefert einen sozusagen taktischen Vor-
theil, indem auf die Phalanx der Vorurtheile auf einem Punkte
losgegangen werden kann, wo das alte Regime seine grössten
Gebrechlichkeiten zeigt und nur noch von einer Falstaffgarde
vertheidigt wird.

Auch hat die Eröffnung höherer wissenschaftlicher Berufs-
zweige oder, wie man es auch nennt, der gelehrten Verrichtungen
vor dem anderweitigen Streben nach niedriger belegenen Ge-
werbsthätigkeiten einen Vortheil voraus. Im Bereich der gewöhn-
lichen Gewerbe und Künste geräth das Weib viel leichter in
falsche Hantirungen, und so viel auch über die unteren und
mittleren Erwerbsgelegenheiten gesagt und was auch in dieser
Richtung schon geschehen sein mag, so ist doch die Frage der
wirthschaftlichen Arbeitstheilung auf diesem Felde noch keines-
wegs gehörig entschieden. Eine geeignete Sonderung der Arbeits-
verrichtungen und geschäftlichen Functionen wird oft genug ver-
fehlt. So ist es beispielsweise äusserst fraglich, ob grade die auf-
reibende Setzerarbeit in den Druckereien in erster Linie seitens
der Frauen eine Berücksichtigung zu erfahren verdient. Ver-
sperrt soll überhaupt keine thatsächlich mögliche Function sein;
aber bei allseitig vollständiger Freiheit und Gelegenheit sollen
eben Auswahl und Erprobung erst darüber entscheiden, was für
die Anlagen, Neigungen und Leistungsfähigkeiten zweckdienlich
ist. Je mehr man sich der untersten Schicht der Frauenwelt
nähert und die Kreise der gewöhnlichen Arbeiterinnen in Betracht
zieht, um so plumper zeigen sich die Ansprüche, die man fast
ohne Unterscheidung zwischen Männern und Weibern eben auch
an die letzteren macht. Die Beschaffung billiger Arbeitskraft ist
hier der leitende Grundsatz aller unternehmerischen Auswahl,
und in ähnlicher Weise wird einige Stufen nach oben oft genug
mit humanitärem Heiligenschein die ganz gemeine Selbstsucht um-
geben, die sich unter den sogenannten gebildeten Theilen des
weiblichen Geschlechts ein neues Bewirthschaftungsfeld aufspürt.

Solchen Widerwärtigkeiten und hiemit auch aller Zweideutig-
keit oder wenigstens sachlichen Zweiseitigkeit entgeht man, so-
bald es sich um die Berufsarten handelt, zu denen eine höhere
wissenschaftliche Vorbildung vorausgesetzt wird. Hier hat das
Unternehmerthum theils gar keinen theils weniger Spielraum, und
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[3/0012] des weiblichen Geschlechts liefert einen sozusagen taktischen Vor- theil, indem auf die Phalanx der Vorurtheile auf einem Punkte losgegangen werden kann, wo das alte Regime seine grössten Gebrechlichkeiten zeigt und nur noch von einer Falstaffgarde vertheidigt wird. Auch hat die Eröffnung höherer wissenschaftlicher Berufs- zweige oder, wie man es auch nennt, der gelehrten Verrichtungen vor dem anderweitigen Streben nach niedriger belegenen Ge- werbsthätigkeiten einen Vortheil voraus. Im Bereich der gewöhn- lichen Gewerbe und Künste geräth das Weib viel leichter in falsche Hantirungen, und so viel auch über die unteren und mittleren Erwerbsgelegenheiten gesagt und was auch in dieser Richtung schon geschehen sein mag, so ist doch die Frage der wirthschaftlichen Arbeitstheilung auf diesem Felde noch keines- wegs gehörig entschieden. Eine geeignete Sonderung der Arbeits- verrichtungen und geschäftlichen Functionen wird oft genug ver- fehlt. So ist es beispielsweise äusserst fraglich, ob grade die auf- reibende Setzerarbeit in den Druckereien in erster Linie seitens der Frauen eine Berücksichtigung zu erfahren verdient. Ver- sperrt soll überhaupt keine thatsächlich mögliche Function sein; aber bei allseitig vollständiger Freiheit und Gelegenheit sollen eben Auswahl und Erprobung erst darüber entscheiden, was für die Anlagen, Neigungen und Leistungsfähigkeiten zweckdienlich ist. Je mehr man sich der untersten Schicht der Frauenwelt nähert und die Kreise der gewöhnlichen Arbeiterinnen in Betracht zieht, um so plumper zeigen sich die Ansprüche, die man fast ohne Unterscheidung zwischen Männern und Weibern eben auch an die letzteren macht. Die Beschaffung billiger Arbeitskraft ist hier der leitende Grundsatz aller unternehmerischen Auswahl, und in ähnlicher Weise wird einige Stufen nach oben oft genug mit humanitärem Heiligenschein die ganz gemeine Selbstsucht um- geben, die sich unter den sogenannten gebildeten Theilen des weiblichen Geschlechts ein neues Bewirthschaftungsfeld aufspürt. Solchen Widerwärtigkeiten und hiemit auch aller Zweideutig- keit oder wenigstens sachlichen Zweiseitigkeit entgeht man, so- bald es sich um die Berufsarten handelt, zu denen eine höhere wissenschaftliche Vorbildung vorausgesetzt wird. Hier hat das Unternehmerthum theils gar keinen theils weniger Spielraum, und wenn die wirthschaftliche Billigkeit der Leistungsfähigkeit in Frage kommt, so geschieht dies unmittelbar dem Gesammtinteresse

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/12>, abgerufen am 24.04.2024.