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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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die beiden Hauptverrichtungen, in denen die Vergleichung von
dem, was die Frauen zu leisten haben, mit dem, was jetzt auf
Universitäten geschieht, von Bedeutung werden muss.

Wenn hier zunächst an das blosse Universitätsstudium an-
geknüpft und modernere Gestaltungen, wie namentlich die poly-
technischen Schulen, vorläufig ausser Betrachtung gelassen werden,
so geschieht dies, theils um die Erörterung zu vereinfachen,
theils um grade die wurmstichigsten Stellen des hohen Unterrichts-
wesens mit Rücksicht auf die Neuschöpfung weiblicher Studien-
einrichtungen um so eindringlicher betrachten zu können. Wer
im Hohlraum der universitären Bildung, beziehungsweise Ver-
bildung, seine Aufmerksamkeit scharf nach allen Seiten gerichtet
hat und aus der von mittelalterlichen Nebeln noch stark ver-
dickten Luft in ein freieres, weniger getrübtes Bereich ausblickt,
wo sich die modernen Grundsätze ungehemmt von jenen düstern
oder schädlichen Bedrückungen entwickeln wollen, - der kann
nicht umhin, gleich von vornherein etwas Anderes zu fordern,
als etwa eine blosse Einverleibung der Frauenwelt in das bis-
herige Universitätswesen. Er wird von der Macht der neuen,
durchgreifend aufklärenden Grundsätze und Wissensbestandtheile
zu gross denken, als dass er wünschen könnte, das weibliche
Geschlecht möchte den alten gelehrten Zunftüberlieferungen ohne
Weiteres überantwortet werden und hiemit die Angelegenheit als
im grössten Maassstabe erledigt gelten.

Grade umgekehrt wird es darauf ankommen, den weiblichen
Fähigkeiten eine Bethätigungsstätte zu schaffen, auf welcher sie
ihre ganze Tragweite zu bekunden vermögen. Die alte Unter-
richtsverfassung und zugehörige Lehrart ist für diesen Zweck am
wenigsten geeignet; denn sie ist es, welche mit ihrem unnützen
Gelehrsamkeitsgerölle und ihrer überallhin verzweigten philologi-
schen Pedanterie die Frauenwelt in der That in Gefahr bringen
muss, blaustrümpfig auszuarten, nicht weil das hohe wissenschaft-
liche Studium an sich selbst das Weib aus seiner natürlichen
Bahn brächte, sondern weil die männlichen Blaustrümpfe, die in
der Gelehrsamkeit und auf den Universitäten hausen, es ihrer-
seits an der Mittheilung dieser schönen Eigenschaft an das andere
Geschlecht nicht würden fehlen lassen. Ein heutiger Moliere
würde in erster Linie nicht die gelehrten Frauen, sondern die
gelehrten Männer mit seiner Komik bedenken müssen, und im
Grunde hat sich auch der alte Moliere nur über solche weibliche

die beiden Hauptverrichtungen, in denen die Vergleichung von
dem, was die Frauen zu leisten haben, mit dem, was jetzt auf
Universitäten geschieht, von Bedeutung werden muss.

Wenn hier zunächst an das blosse Universitätsstudium an-
geknüpft und modernere Gestaltungen, wie namentlich die poly-
technischen Schulen, vorläufig ausser Betrachtung gelassen werden,
so geschieht dies, theils um die Erörterung zu vereinfachen,
theils um grade die wurmstichigsten Stellen des hohen Unterrichts-
wesens mit Rücksicht auf die Neuschöpfung weiblicher Studien-
einrichtungen um so eindringlicher betrachten zu können. Wer
im Hohlraum der universitären Bildung, beziehungsweise Ver-
bildung, seine Aufmerksamkeit scharf nach allen Seiten gerichtet
hat und aus der von mittelalterlichen Nebeln noch stark ver-
dickten Luft in ein freieres, weniger getrübtes Bereich ausblickt,
wo sich die modernen Grundsätze ungehemmt von jenen düstern
oder schädlichen Bedrückungen entwickeln wollen, – der kann
nicht umhin, gleich von vornherein etwas Anderes zu fordern,
als etwa eine blosse Einverleibung der Frauenwelt in das bis-
herige Universitätswesen. Er wird von der Macht der neuen,
durchgreifend aufklärenden Grundsätze und Wissensbestandtheile
zu gross denken, als dass er wünschen könnte, das weibliche
Geschlecht möchte den alten gelehrten Zunftüberlieferungen ohne
Weiteres überantwortet werden und hiemit die Angelegenheit als
im grössten Maassstabe erledigt gelten.

Grade umgekehrt wird es darauf ankommen, den weiblichen
Fähigkeiten eine Bethätigungsstätte zu schaffen, auf welcher sie
ihre ganze Tragweite zu bekunden vermögen. Die alte Unter-
richtsverfassung und zugehörige Lehrart ist für diesen Zweck am
wenigsten geeignet; denn sie ist es, welche mit ihrem unnützen
Gelehrsamkeitsgerölle und ihrer überallhin verzweigten philologi-
schen Pedanterie die Frauenwelt in der That in Gefahr bringen
muss, blaustrümpfig auszuarten, nicht weil das hohe wissenschaft-
liche Studium an sich selbst das Weib aus seiner natürlichen
Bahn brächte, sondern weil die männlichen Blaustrümpfe, die in
der Gelehrsamkeit und auf den Universitäten hausen, es ihrer-
seits an der Mittheilung dieser schönen Eigenschaft an das andere
Geschlecht nicht würden fehlen lassen. Ein heutiger Molière
würde in erster Linie nicht die gelehrten Frauen, sondern die
gelehrten Männer mit seiner Komik bedenken müssen, und im
Grunde hat sich auch der alte Molière nur über solche weibliche

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[5/0014] die beiden Hauptverrichtungen, in denen die Vergleichung von dem, was die Frauen zu leisten haben, mit dem, was jetzt auf Universitäten geschieht, von Bedeutung werden muss. Wenn hier zunächst an das blosse Universitätsstudium an- geknüpft und modernere Gestaltungen, wie namentlich die poly- technischen Schulen, vorläufig ausser Betrachtung gelassen werden, so geschieht dies, theils um die Erörterung zu vereinfachen, theils um grade die wurmstichigsten Stellen des hohen Unterrichts- wesens mit Rücksicht auf die Neuschöpfung weiblicher Studien- einrichtungen um so eindringlicher betrachten zu können. Wer im Hohlraum der universitären Bildung, beziehungsweise Ver- bildung, seine Aufmerksamkeit scharf nach allen Seiten gerichtet hat und aus der von mittelalterlichen Nebeln noch stark ver- dickten Luft in ein freieres, weniger getrübtes Bereich ausblickt, wo sich die modernen Grundsätze ungehemmt von jenen düstern oder schädlichen Bedrückungen entwickeln wollen, – der kann nicht umhin, gleich von vornherein etwas Anderes zu fordern, als etwa eine blosse Einverleibung der Frauenwelt in das bis- herige Universitätswesen. Er wird von der Macht der neuen, durchgreifend aufklärenden Grundsätze und Wissensbestandtheile zu gross denken, als dass er wünschen könnte, das weibliche Geschlecht möchte den alten gelehrten Zunftüberlieferungen ohne Weiteres überantwortet werden und hiemit die Angelegenheit als im grössten Maassstabe erledigt gelten. Grade umgekehrt wird es darauf ankommen, den weiblichen Fähigkeiten eine Bethätigungsstätte zu schaffen, auf welcher sie ihre ganze Tragweite zu bekunden vermögen. Die alte Unter- richtsverfassung und zugehörige Lehrart ist für diesen Zweck am wenigsten geeignet; denn sie ist es, welche mit ihrem unnützen Gelehrsamkeitsgerölle und ihrer überallhin verzweigten philologi- schen Pedanterie die Frauenwelt in der That in Gefahr bringen muss, blaustrümpfig auszuarten, nicht weil das hohe wissenschaft- liche Studium an sich selbst das Weib aus seiner natürlichen Bahn brächte, sondern weil die männlichen Blaustrümpfe, die in der Gelehrsamkeit und auf den Universitäten hausen, es ihrer- seits an der Mittheilung dieser schönen Eigenschaft an das andere Geschlecht nicht würden fehlen lassen. Ein heutiger Molière würde in erster Linie nicht die gelehrten Frauen, sondern die gelehrten Männer mit seiner Komik bedenken müssen, und im Grunde hat sich auch der alte Molière nur über solche weibliche

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/14>, abgerufen am 28.03.2024.