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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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lassen, - auch die Frau Stuart Mills ist nach der selbstbiog-
raphischen Angabe ihres Gatten dem letzteren oft genug eine
gute Strecke voraus gewesen. Sie hat einen nicht unerheblichen
Einfluss auf seine Schriften ausgeübt und ihr Antheil an den-
selben ist ein um so wichtigeres Zeugniss für die weibliche Be-
fähigung, als man einen Stuart Mill doch schon zu den wissen-
schaftlichen Arbeitern zweiter Ordnung rechnen muss.

Um auch das von der eigentlichen Wissenschaft und ihrer
praktischen Anwendung am weitesten abstehende Gebiet nicht
ganz mit Stillschweigen zu übergehen, so haben sich grade in
der Belletristik die Frauen bereits am umfassendsten und ver-
schiedentlich auch mit hervorragenden Leistungen geltend ge-
macht. Als Schriftstellerinnen schlechtweg sind sie thatsächlich
in der Literatur schon einigermaassen eingebürgert, und dies ist
offenbar die Folge davon, dass man ihnen nie so entschieden,
wie im Arbeiten an der Wissenschaft, so auch etwa im Spielen
mit der schöngeistigen Puppe hinderlich gewesen ist. Schon ihre
Durchschnittsbildung bringt sie mit besserer oder schlechterer
Belletristik und Allem, was daran angrenzt, mehr oder minder
in Berührung, und vom Lesen zum Schreiben ist bei begabteren
Naturen in diesem Genre kein grosser Schritt. Es giebt hier
sogar Beispiele einer höheren, ja vielleicht in einer gewissen Be-
ziehung allenfalls hoch zu nennenden Ordnung von Leistungen,
wofür George Sand ein sich der Erinnerung unwillkürlich auf-
drängender Fall ist. Diese Frau stand mit ihrer schriftstelleri-
schen Kunst doch wahrlich über einer Anzahl der namhaftesten
Schöngeister, die man bei uns, wie z. B. die Gutzkow, Gustav
Freytag, Berthold Auerbach u. dgl. zu den ersten Roman- und
Novellenvirtuosen gezählt und wohl gar zu grossen Schriftstellern
gestempelt hat. Das weibliche Geschlecht sollte jedoch auf die
Auszeichnungen dieses Genres nicht zu stolz sein. Es möge be-
denken, dass die Fähigkeiten, die sich hier zeigen, zwar bei den
Männern ganz unbedenkliche künstlerische Verdienste im Gefolge
haben können, in der Frage der weiblichen Freiheit aber darum
nicht so wichtig sind, weil jenes Spiel mit der schöngeistigen
Puppe den Weibern als eine unschuldige, wenig emancipatorische
Beschäftigung noch am ehesten gegönnt wird. Es handelt sich
aber grade darum, aus diesem Unterhaltungsgebiet herauszu-
kommen und dem Ernst des Wissens und Lebens näherzutreten.
Ueberhaupt wird die Bildungsfähigkeit zu allerlei künstlerischen

lassen, – auch die Frau Stuart Mills ist nach der selbstbiog-
raphischen Angabe ihres Gatten dem letzteren oft genug eine
gute Strecke voraus gewesen. Sie hat einen nicht unerheblichen
Einfluss auf seine Schriften ausgeübt und ihr Antheil an den-
selben ist ein um so wichtigeres Zeugniss für die weibliche Be-
fähigung, als man einen Stuart Mill doch schon zu den wissen-
schaftlichen Arbeitern zweiter Ordnung rechnen muss.

Um auch das von der eigentlichen Wissenschaft und ihrer
praktischen Anwendung am weitesten abstehende Gebiet nicht
ganz mit Stillschweigen zu übergehen, so haben sich grade in
der Belletristik die Frauen bereits am umfassendsten und ver-
schiedentlich auch mit hervorragenden Leistungen geltend ge-
macht. Als Schriftstellerinnen schlechtweg sind sie thatsächlich
in der Literatur schon einigermaassen eingebürgert, und dies ist
offenbar die Folge davon, dass man ihnen nie so entschieden,
wie im Arbeiten an der Wissenschaft, so auch etwa im Spielen
mit der schöngeistigen Puppe hinderlich gewesen ist. Schon ihre
Durchschnittsbildung bringt sie mit besserer oder schlechterer
Belletristik und Allem, was daran angrenzt, mehr oder minder
in Berührung, und vom Lesen zum Schreiben ist bei begabteren
Naturen in diesem Genre kein grosser Schritt. Es giebt hier
sogar Beispiele einer höheren, ja vielleicht in einer gewissen Be-
ziehung allenfalls hoch zu nennenden Ordnung von Leistungen,
wofür George Sand ein sich der Erinnerung unwillkürlich auf-
drängender Fall ist. Diese Frau stand mit ihrer schriftstelleri-
schen Kunst doch wahrlich über einer Anzahl der namhaftesten
Schöngeister, die man bei uns, wie z. B. die Gutzkow, Gustav
Freytag, Berthold Auerbach u. dgl. zu den ersten Roman- und
Novellenvirtuosen gezählt und wohl gar zu grossen Schriftstellern
gestempelt hat. Das weibliche Geschlecht sollte jedoch auf die
Auszeichnungen dieses Genres nicht zu stolz sein. Es möge be-
denken, dass die Fähigkeiten, die sich hier zeigen, zwar bei den
Männern ganz unbedenkliche künstlerische Verdienste im Gefolge
haben können, in der Frage der weiblichen Freiheit aber darum
nicht so wichtig sind, weil jenes Spiel mit der schöngeistigen
Puppe den Weibern als eine unschuldige, wenig emancipatorische
Beschäftigung noch am ehesten gegönnt wird. Es handelt sich
aber grade darum, aus diesem Unterhaltungsgebiet herauszu-
kommen und dem Ernst des Wissens und Lebens näherzutreten.
Ueberhaupt wird die Bildungsfähigkeit zu allerlei künstlerischen

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[10/0019] lassen, – auch die Frau Stuart Mills ist nach der selbstbiog- raphischen Angabe ihres Gatten dem letzteren oft genug eine gute Strecke voraus gewesen. Sie hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf seine Schriften ausgeübt und ihr Antheil an den- selben ist ein um so wichtigeres Zeugniss für die weibliche Be- fähigung, als man einen Stuart Mill doch schon zu den wissen- schaftlichen Arbeitern zweiter Ordnung rechnen muss. Um auch das von der eigentlichen Wissenschaft und ihrer praktischen Anwendung am weitesten abstehende Gebiet nicht ganz mit Stillschweigen zu übergehen, so haben sich grade in der Belletristik die Frauen bereits am umfassendsten und ver- schiedentlich auch mit hervorragenden Leistungen geltend ge- macht. Als Schriftstellerinnen schlechtweg sind sie thatsächlich in der Literatur schon einigermaassen eingebürgert, und dies ist offenbar die Folge davon, dass man ihnen nie so entschieden, wie im Arbeiten an der Wissenschaft, so auch etwa im Spielen mit der schöngeistigen Puppe hinderlich gewesen ist. Schon ihre Durchschnittsbildung bringt sie mit besserer oder schlechterer Belletristik und Allem, was daran angrenzt, mehr oder minder in Berührung, und vom Lesen zum Schreiben ist bei begabteren Naturen in diesem Genre kein grosser Schritt. Es giebt hier sogar Beispiele einer höheren, ja vielleicht in einer gewissen Be- ziehung allenfalls hoch zu nennenden Ordnung von Leistungen, wofür George Sand ein sich der Erinnerung unwillkürlich auf- drängender Fall ist. Diese Frau stand mit ihrer schriftstelleri- schen Kunst doch wahrlich über einer Anzahl der namhaftesten Schöngeister, die man bei uns, wie z. B. die Gutzkow, Gustav Freytag, Berthold Auerbach u. dgl. zu den ersten Roman- und Novellenvirtuosen gezählt und wohl gar zu grossen Schriftstellern gestempelt hat. Das weibliche Geschlecht sollte jedoch auf die Auszeichnungen dieses Genres nicht zu stolz sein. Es möge be- denken, dass die Fähigkeiten, die sich hier zeigen, zwar bei den Männern ganz unbedenkliche künstlerische Verdienste im Gefolge haben können, in der Frage der weiblichen Freiheit aber darum nicht so wichtig sind, weil jenes Spiel mit der schöngeistigen Puppe den Weibern als eine unschuldige, wenig emancipatorische Beschäftigung noch am ehesten gegönnt wird. Es handelt sich aber grade darum, aus diesem Unterhaltungsgebiet herauszu- kommen und dem Ernst des Wissens und Lebens näherzutreten. Ueberhaupt wird die Bildungsfähigkeit zu allerlei künstlerischen

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/19>, abgerufen am 19.04.2024.