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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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legenheit. Eine halbwegs leidliche Arbeiterstellung ist ökonomisch
besser und in der Hantirung sowie in allem disciplinarischen Zu-
behör nicht so unleidlich, wie diejenige eines Elementarlehrers.
Wo nun demgemäss die Männer dem schlecht gelohnten und
chicanenreichen Gewerbe der Elementardrillung, wenn sie irgend
können, den Rücken kehren, da sind die überall im Kampf des
Lebens zurückgesetzten weiblichen Kräfte eine noch verfügbare
und obenein billige Waare. Da mögen denn allenfalls die
Mädchen in den Zwanzigern zusehen, wie sie sich mit einem
Schock Jungen, die grade in den besten Flegeljahren sind, ab-
finden und unter der Bande Fleiss und Zucht aufrechterhalten.
Solchen liebenswürdigen Zumuthungen gegenüber tritt die sonstige
conventionelle Heuchelei, die von Zartheit und Schonung gegen
das weibliche Geschlecht erfüllt sein will, in ihr rechtes Licht,
und man erkennt zugleich, was es mit der thatsächlichen Hinde-
rung der Frauen an wirklich höher belegenen Lehrberufsstel-
lungen für eine Bewandtniss habe. Man lässt die Frauen eben
da einrücken, wo sie Arbeit verrichten sollen, die den Männern
im Verhältniss zu den damit verbundenen Unannehmlichkeiten
zu schlecht gelohnt ist. Man gewährt ihnen die Neben- und
Winkelplätze, ganz wie dies aus ihrer schwächeren und geflissent-
lich in Schwäche erhaltenen Stellung im Wettkampf des Lebens
nur zu logisch folgt. Ja sogar der Umstand, dass man diese
Unterordnung und Zurücksetzung mit gegentheiligen Redensarten
verziert und dem Weibe seine Lage als eine zärtlichst geschonte
darzustellen versucht, ist nur eine weitere Consequenz der that-
sächlichen Benachtheiligung. Wer geschädigt werden soll, wird
am besten stillhalten und sich am meisten von seinem Recht
nehmen lassen, wenn man ihn darüber zu täuschen weiss, was
ihm zukomme und nicht zukomme und was seine Pflicht und
nicht seine Pflicht sei.

Aus diesem Grunde muss aber auch das weibliche Geschlecht
den Grundsatz annehmen, stets nach der Höhe zu streben und
sich nicht mit den Niederungen des Lehrfachs, ja überhaupt nicht
blos mit niederen Berufsstellungen abfinden zu lassen. Hat es
einmal in den höhern und höchsten Functionen der Gesellschaft
und der öffentlichen Angelegenheiten einigermassen Boden ge-
wonnen, so wird es für die verschiedenen Schichtungen an den
mittleren und tiefer belegenen Stellungen durchaus nicht fehlen.
Die Ergiebigkeit an letzteren bleibt davon abhängig, dass die

legenheit. Eine halbwegs leidliche Arbeiterstellung ist ökonomisch
besser und in der Hantirung sowie in allem disciplinarischen Zu-
behör nicht so unleidlich, wie diejenige eines Elementarlehrers.
Wo nun demgemäss die Männer dem schlecht gelohnten und
chicanenreichen Gewerbe der Elementardrillung, wenn sie irgend
können, den Rücken kehren, da sind die überall im Kampf des
Lebens zurückgesetzten weiblichen Kräfte eine noch verfügbare
und obenein billige Waare. Da mögen denn allenfalls die
Mädchen in den Zwanzigern zusehen, wie sie sich mit einem
Schock Jungen, die grade in den besten Flegeljahren sind, ab-
finden und unter der Bande Fleiss und Zucht aufrechterhalten.
Solchen liebenswürdigen Zumuthungen gegenüber tritt die sonstige
conventionelle Heuchelei, die von Zartheit und Schonung gegen
das weibliche Geschlecht erfüllt sein will, in ihr rechtes Licht,
und man erkennt zugleich, was es mit der thatsächlichen Hinde-
rung der Frauen an wirklich höher belegenen Lehrberufsstel-
lungen für eine Bewandtniss habe. Man lässt die Frauen eben
da einrücken, wo sie Arbeit verrichten sollen, die den Männern
im Verhältniss zu den damit verbundenen Unannehmlichkeiten
zu schlecht gelohnt ist. Man gewährt ihnen die Neben- und
Winkelplätze, ganz wie dies aus ihrer schwächeren und geflissent-
lich in Schwäche erhaltenen Stellung im Wettkampf des Lebens
nur zu logisch folgt. Ja sogar der Umstand, dass man diese
Unterordnung und Zurücksetzung mit gegentheiligen Redensarten
verziert und dem Weibe seine Lage als eine zärtlichst geschonte
darzustellen versucht, ist nur eine weitere Consequenz der that-
sächlichen Benachtheiligung. Wer geschädigt werden soll, wird
am besten stillhalten und sich am meisten von seinem Recht
nehmen lassen, wenn man ihn darüber zu täuschen weiss, was
ihm zukomme und nicht zukomme und was seine Pflicht und
nicht seine Pflicht sei.

Aus diesem Grunde muss aber auch das weibliche Geschlecht
den Grundsatz annehmen, stets nach der Höhe zu streben und
sich nicht mit den Niederungen des Lehrfachs, ja überhaupt nicht
blos mit niederen Berufsstellungen abfinden zu lassen. Hat es
einmal in den höhern und höchsten Functionen der Gesellschaft
und der öffentlichen Angelegenheiten einigermassen Boden ge-
wonnen, so wird es für die verschiedenen Schichtungen an den
mittleren und tiefer belegenen Stellungen durchaus nicht fehlen.
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[26/0035] legenheit. Eine halbwegs leidliche Arbeiterstellung ist ökonomisch besser und in der Hantirung sowie in allem disciplinarischen Zu- behör nicht so unleidlich, wie diejenige eines Elementarlehrers. Wo nun demgemäss die Männer dem schlecht gelohnten und chicanenreichen Gewerbe der Elementardrillung, wenn sie irgend können, den Rücken kehren, da sind die überall im Kampf des Lebens zurückgesetzten weiblichen Kräfte eine noch verfügbare und obenein billige Waare. Da mögen denn allenfalls die Mädchen in den Zwanzigern zusehen, wie sie sich mit einem Schock Jungen, die grade in den besten Flegeljahren sind, ab- finden und unter der Bande Fleiss und Zucht aufrechterhalten. Solchen liebenswürdigen Zumuthungen gegenüber tritt die sonstige conventionelle Heuchelei, die von Zartheit und Schonung gegen das weibliche Geschlecht erfüllt sein will, in ihr rechtes Licht, und man erkennt zugleich, was es mit der thatsächlichen Hinde- rung der Frauen an wirklich höher belegenen Lehrberufsstel- lungen für eine Bewandtniss habe. Man lässt die Frauen eben da einrücken, wo sie Arbeit verrichten sollen, die den Männern im Verhältniss zu den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu schlecht gelohnt ist. Man gewährt ihnen die Neben- und Winkelplätze, ganz wie dies aus ihrer schwächeren und geflissent- lich in Schwäche erhaltenen Stellung im Wettkampf des Lebens nur zu logisch folgt. Ja sogar der Umstand, dass man diese Unterordnung und Zurücksetzung mit gegentheiligen Redensarten verziert und dem Weibe seine Lage als eine zärtlichst geschonte darzustellen versucht, ist nur eine weitere Consequenz der that- sächlichen Benachtheiligung. Wer geschädigt werden soll, wird am besten stillhalten und sich am meisten von seinem Recht nehmen lassen, wenn man ihn darüber zu täuschen weiss, was ihm zukomme und nicht zukomme und was seine Pflicht und nicht seine Pflicht sei. Aus diesem Grunde muss aber auch das weibliche Geschlecht den Grundsatz annehmen, stets nach der Höhe zu streben und sich nicht mit den Niederungen des Lehrfachs, ja überhaupt nicht blos mit niederen Berufsstellungen abfinden zu lassen. Hat es einmal in den höhern und höchsten Functionen der Gesellschaft und der öffentlichen Angelegenheiten einigermassen Boden ge- wonnen, so wird es für die verschiedenen Schichtungen an den mittleren und tiefer belegenen Stellungen durchaus nicht fehlen. Die Ergiebigkeit an letzteren bleibt davon abhängig, dass die

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/35>, abgerufen am 23.04.2024.