Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

Gefüge mit einigermaassen harmonischer Bildungsfunction ver-
bunden finden.

Construirt man sich auf diese Weise die Parallelen und Er-
satzmittel der Gymnasien und Realschulen, so wird man von dem
zunächst maassgebenden Standpunkt der späteren medicinischen
oder sonst technischen Studien aus die Elemente der niedern und
höhern Naturwissenschaft zum Fussgestell der Bildung machen,
einige modern gestaltete Mathematik hinzunehmen und übrigens
nur dafür sorgen müssen, dass ausser den ersten Elementarfertig-
keiten der niedern und höhern Rechenkunst Gewandtheit in der
Auffassung und Handhabung des schriftlichen und mündlichen
Worts, sowie eine gelenkige Anbequemung an die zusammen-
gesetzteren Denk- und Redegestaltungen, also schliesslich eine
gewisse Geschultheit im natürlichen Gedankengefüge sachlicher
Inhalte und sprachlicher Darstellungsform erzielt werde. Ich
würde Letzteres eine natürliche Logik genannt haben, wenn ich
nicht hätte dem Missverständniss vorbeugen wollen, als sollte es
sich um jene nichtsnutzige vertrocknete Pflanze handeln, die in
der Universitätsscholastik den Namen Logik führt und sich als
herkömmlich aufgenöthigtes Beiwerk einzelner Richtungen des
Universitätsstudiums in siechem Dasein noch durch künstliche
Zwangsvorschriften fortschleppt, aus den medicinischen Studien-
gewohnheiten aber mit Recht so gut wie verschwunden ist. Wenn
ich Geographie und Geschichte unter den Bildungsmitteln nicht
besonders erwähnt habe, so geschah dies, weil sich einige Geo-
graphie gleich Lesen und Schreiben schon in der untersten Bil-
dungsschicht von selbst versteht, die Geschichte aber, wie sie als
Raufereiencatalog und gefälschte Fürstenverherrlichung auf niedern
und höhern Schulen gelehrt zu werden pflegt, gleich dem Latein
und Griechisch mehr zu den Verbildungs- als zu den Bildungs-
mitteln gehören würde. Culturgeschichte aber und einige ent-
sprechende Culturgeographie, von denen man das wirklich In-
teressirende und durch die unverkünstelten Erinnerungstriebe
des Menschen Geforderte allerdings in die Organisation der höhern,
das Gymnasium ersetzenden Bildungsstufe aufzunehmen hätte,
sind thatsächlich noch zu sehr blosse Keime und Wünsche, als
dass hier im Vorbeigehen über ihre vorbildende Rolle und Be-
deutung entschieden werden könnte. Es giebt ausserdem noch
eine Anzahl moderner Bildungselemente, die, wie Gesundheits-
pflege, Wirthschaftslehre und einige Gesetzeskunde, in der höhern

Gefüge mit einigermaassen harmonischer Bildungsfunction ver-
bunden finden.

Construirt man sich auf diese Weise die Parallelen und Er-
satzmittel der Gymnasien und Realschulen, so wird man von dem
zunächst maassgebenden Standpunkt der späteren medicinischen
oder sonst technischen Studien aus die Elemente der niedern und
höhern Naturwissenschaft zum Fussgestell der Bildung machen,
einige modern gestaltete Mathematik hinzunehmen und übrigens
nur dafür sorgen müssen, dass ausser den ersten Elementarfertig-
keiten der niedern und höhern Rechenkunst Gewandtheit in der
Auffassung und Handhabung des schriftlichen und mündlichen
Worts, sowie eine gelenkige Anbequemung an die zusammen-
gesetzteren Denk- und Redegestaltungen, also schliesslich eine
gewisse Geschultheit im natürlichen Gedankengefüge sachlicher
Inhalte und sprachlicher Darstellungsform erzielt werde. Ich
würde Letzteres eine natürliche Logik genannt haben, wenn ich
nicht hätte dem Missverständniss vorbeugen wollen, als sollte es
sich um jene nichtsnutzige vertrocknete Pflanze handeln, die in
der Universitätsscholastik den Namen Logik führt und sich als
herkömmlich aufgenöthigtes Beiwerk einzelner Richtungen des
Universitätsstudiums in siechem Dasein noch durch künstliche
Zwangsvorschriften fortschleppt, aus den medicinischen Studien-
gewohnheiten aber mit Recht so gut wie verschwunden ist. Wenn
ich Geographie und Geschichte unter den Bildungsmitteln nicht
besonders erwähnt habe, so geschah dies, weil sich einige Geo-
graphie gleich Lesen und Schreiben schon in der untersten Bil-
dungsschicht von selbst versteht, die Geschichte aber, wie sie als
Raufereiencatalog und gefälschte Fürstenverherrlichung auf niedern
und höhern Schulen gelehrt zu werden pflegt, gleich dem Latein
und Griechisch mehr zu den Verbildungs- als zu den Bildungs-
mitteln gehören würde. Culturgeschichte aber und einige ent-
sprechende Culturgeographie, von denen man das wirklich In-
teressirende und durch die unverkünstelten Erinnerungstriebe
des Menschen Geforderte allerdings in die Organisation der höhern,
das Gymnasium ersetzenden Bildungsstufe aufzunehmen hätte,
sind thatsächlich noch zu sehr blosse Keime und Wünsche, als
dass hier im Vorbeigehen über ihre vorbildende Rolle und Be-
deutung entschieden werden könnte. Es giebt ausserdem noch
eine Anzahl moderner Bildungselemente, die, wie Gesundheits-
pflege, Wirthschaftslehre und einige Gesetzeskunde, in der höhern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0038" n="29"/>
Gefüge mit einigermaassen harmonischer Bildungsfunction ver-<lb/>
bunden finden.</p><lb/>
        <p>Construirt man sich auf diese Weise die Parallelen und Er-<lb/>
satzmittel der Gymnasien und Realschulen, so wird man von dem<lb/>
zunächst maassgebenden Standpunkt der späteren medicinischen<lb/>
oder sonst technischen Studien aus die Elemente der niedern und<lb/>
höhern Naturwissenschaft zum Fussgestell der Bildung machen,<lb/>
einige modern gestaltete Mathematik hinzunehmen und übrigens<lb/>
nur dafür sorgen müssen, dass ausser den ersten Elementarfertig-<lb/>
keiten der niedern und höhern Rechenkunst Gewandtheit in der<lb/>
Auffassung und Handhabung des schriftlichen und mündlichen<lb/>
Worts, sowie eine gelenkige Anbequemung an die zusammen-<lb/>
gesetzteren Denk- und Redegestaltungen, also schliesslich eine<lb/>
gewisse Geschultheit im natürlichen Gedankengefüge sachlicher<lb/>
Inhalte und sprachlicher Darstellungsform erzielt werde. Ich<lb/>
würde Letzteres eine natürliche Logik genannt haben, wenn ich<lb/>
nicht hätte dem Missverständniss vorbeugen wollen, als sollte es<lb/>
sich um jene nichtsnutzige vertrocknete Pflanze handeln, die in<lb/>
der Universitätsscholastik den Namen Logik führt und sich als<lb/>
herkömmlich aufgenöthigtes Beiwerk einzelner Richtungen des<lb/>
Universitätsstudiums in siechem Dasein noch durch künstliche<lb/>
Zwangsvorschriften fortschleppt, aus den medicinischen Studien-<lb/>
gewohnheiten aber mit Recht so gut wie verschwunden ist. Wenn<lb/>
ich Geographie und Geschichte unter den Bildungsmitteln nicht<lb/>
besonders erwähnt habe, so geschah dies, weil sich einige Geo-<lb/>
graphie gleich Lesen und Schreiben schon in der untersten Bil-<lb/>
dungsschicht von selbst versteht, die Geschichte aber, wie sie als<lb/>
Raufereiencatalog und gefälschte Fürstenverherrlichung auf niedern<lb/>
und höhern Schulen gelehrt zu werden pflegt, gleich dem Latein<lb/>
und Griechisch mehr zu den Verbildungs- als zu den Bildungs-<lb/>
mitteln gehören würde. Culturgeschichte aber und einige ent-<lb/>
sprechende Culturgeographie, von denen man das wirklich In-<lb/>
teressirende und durch die unverkünstelten Erinnerungstriebe<lb/>
des Menschen Geforderte allerdings in die Organisation der höhern,<lb/>
das Gymnasium ersetzenden Bildungsstufe aufzunehmen hätte,<lb/>
sind thatsächlich noch zu sehr blosse Keime und Wünsche, als<lb/>
dass hier im Vorbeigehen über ihre vorbildende Rolle und Be-<lb/>
deutung entschieden werden könnte. Es giebt ausserdem noch<lb/>
eine Anzahl moderner Bildungselemente, die, wie Gesundheits-<lb/>
pflege, Wirthschaftslehre und einige Gesetzeskunde, in der höhern<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0038] Gefüge mit einigermaassen harmonischer Bildungsfunction ver- bunden finden. Construirt man sich auf diese Weise die Parallelen und Er- satzmittel der Gymnasien und Realschulen, so wird man von dem zunächst maassgebenden Standpunkt der späteren medicinischen oder sonst technischen Studien aus die Elemente der niedern und höhern Naturwissenschaft zum Fussgestell der Bildung machen, einige modern gestaltete Mathematik hinzunehmen und übrigens nur dafür sorgen müssen, dass ausser den ersten Elementarfertig- keiten der niedern und höhern Rechenkunst Gewandtheit in der Auffassung und Handhabung des schriftlichen und mündlichen Worts, sowie eine gelenkige Anbequemung an die zusammen- gesetzteren Denk- und Redegestaltungen, also schliesslich eine gewisse Geschultheit im natürlichen Gedankengefüge sachlicher Inhalte und sprachlicher Darstellungsform erzielt werde. Ich würde Letzteres eine natürliche Logik genannt haben, wenn ich nicht hätte dem Missverständniss vorbeugen wollen, als sollte es sich um jene nichtsnutzige vertrocknete Pflanze handeln, die in der Universitätsscholastik den Namen Logik führt und sich als herkömmlich aufgenöthigtes Beiwerk einzelner Richtungen des Universitätsstudiums in siechem Dasein noch durch künstliche Zwangsvorschriften fortschleppt, aus den medicinischen Studien- gewohnheiten aber mit Recht so gut wie verschwunden ist. Wenn ich Geographie und Geschichte unter den Bildungsmitteln nicht besonders erwähnt habe, so geschah dies, weil sich einige Geo- graphie gleich Lesen und Schreiben schon in der untersten Bil- dungsschicht von selbst versteht, die Geschichte aber, wie sie als Raufereiencatalog und gefälschte Fürstenverherrlichung auf niedern und höhern Schulen gelehrt zu werden pflegt, gleich dem Latein und Griechisch mehr zu den Verbildungs- als zu den Bildungs- mitteln gehören würde. Culturgeschichte aber und einige ent- sprechende Culturgeographie, von denen man das wirklich In- teressirende und durch die unverkünstelten Erinnerungstriebe des Menschen Geforderte allerdings in die Organisation der höhern, das Gymnasium ersetzenden Bildungsstufe aufzunehmen hätte, sind thatsächlich noch zu sehr blosse Keime und Wünsche, als dass hier im Vorbeigehen über ihre vorbildende Rolle und Be- deutung entschieden werden könnte. Es giebt ausserdem noch eine Anzahl moderner Bildungselemente, die, wie Gesundheits- pflege, Wirthschaftslehre und einige Gesetzeskunde, in der höhern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-13T16:46:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-06-13T16:46:57Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • i/j nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • I/J nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/38
Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/38>, abgerufen am 29.03.2024.