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Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

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eben auch für Geld gehalten werden, dazu gelangt sind, Studien
zu machen und zu doctoriren, - diese wenigen Frauen dürften
zwar als Fremde in dem ungekannten Lande, durch welches sie
ihre Tour machten, im günstigsten Falle einige gute Beobach-
tungen angestellt haben, aber doch schwerlich dazu gelangt sein,
von den sorgsam verschleierten Verhältnissen Mehr wahrzunehmen,
als die traditionell, wenn auch nicht in die Universitätsgeheim-
nisse, so doch in das Studentenleben und in das äussere Ge-
haben der Professorenmanier eingeweihte männliche Jugend.
Vielleicht noch ein wenig mehr, als der männliche Universitäts-
neuling, von der in der Vorstellung hochgehaltenen und überdies
für das Weib ausserordentlichen Situation geschmeichelt, wird die
Studirende und später Promovirende nur daran denken, dass ihr
die besondere Gunst zu Theil geworden, in einen sonst ver-
schlossenen Kreis einzudringen und das titulare Zeugniss für
absolvirte gelehrte Studien zu erlangen. Sie wird überdies keine
Gelegenheit zur eigentlichen Kritik haben. Ohne eingehende
Kenntniss der Literatur und der wahren Grössen der von ihr
erstrebten Wissenschaft wird sie sicherlich nicht minder, sondern
gewöhnlich noch mehr als der männliche Student jenem Autori-
tätsaberglauben anheimfallen, der die jedesmal privilegirtesten
und durch allerlei äussere Umstände einflussreichsten Professoren
mit Grössen verwechselt, deren Ansehen wirklich daher rührt,
dass sie in der Wissenschaft, aber nicht, wie jene conventionellen
Kathedergötzen des Augenblicks, blos in der Ausbeutung der
Zunftmonopole und in der universitären Reclame gross sind.

Es hat mir immer einen sonderbaren Eindruck gemacht,
wenn ich die eigenthümliche Art von Selbstgefühl wahrnahm, mit
welcher eine Doctorirte ihre ungewöhnliche Würde betrachtete.
Ich will durchaus nicht an der Befriedigung mäkeln, die von
der blossen Thatsache herrührt, dass ein Weib die bisherigen
Schranken durchbrochen und sozusagen den alten Zunftstempel
des gelehrten Bürgerthums aufgedrückt erhalten hat. Dies ist
der alten Ausschliesslichkeit gegenüber immer schon eine Art von
äusserlichem Protest gegen die Ungleichheit und Unterdrückung
des Geschlechts. Indessen kann ich mich trotz alledem einiger
Anwandlung von Komik niemals erwehren, wenn ich sehe, wie
strebsame Candidatinnen der Wissenschaft die alte, gelehrt und
praktisch immer hohler gewordene Doctordecoration sich grade
in einer Zeit umhängen lassen, in welcher sich die Ueberzeugung

eben auch für Geld gehalten werden, dazu gelangt sind, Studien
zu machen und zu doctoriren, – diese wenigen Frauen dürften
zwar als Fremde in dem ungekannten Lande, durch welches sie
ihre Tour machten, im günstigsten Falle einige gute Beobach-
tungen angestellt haben, aber doch schwerlich dazu gelangt sein,
von den sorgsam verschleierten Verhältnissen Mehr wahrzunehmen,
als die traditionell, wenn auch nicht in die Universitätsgeheim-
nisse, so doch in das Studentenleben und in das äussere Ge-
haben der Professorenmanier eingeweihte männliche Jugend.
Vielleicht noch ein wenig mehr, als der männliche Universitäts-
neuling, von der in der Vorstellung hochgehaltenen und überdies
für das Weib ausserordentlichen Situation geschmeichelt, wird die
Studirende und später Promovirende nur daran denken, dass ihr
die besondere Gunst zu Theil geworden, in einen sonst ver-
schlossenen Kreis einzudringen und das titulare Zeugniss für
absolvirte gelehrte Studien zu erlangen. Sie wird überdies keine
Gelegenheit zur eigentlichen Kritik haben. Ohne eingehende
Kenntniss der Literatur und der wahren Grössen der von ihr
erstrebten Wissenschaft wird sie sicherlich nicht minder, sondern
gewöhnlich noch mehr als der männliche Student jenem Autori-
tätsaberglauben anheimfallen, der die jedesmal privilegirtesten
und durch allerlei äussere Umstände einflussreichsten Professoren
mit Grössen verwechselt, deren Ansehen wirklich daher rührt,
dass sie in der Wissenschaft, aber nicht, wie jene conventionellen
Kathedergötzen des Augenblicks, blos in der Ausbeutung der
Zunftmonopole und in der universitären Reclame gross sind.

Es hat mir immer einen sonderbaren Eindruck gemacht,
wenn ich die eigenthümliche Art von Selbstgefühl wahrnahm, mit
welcher eine Doctorirte ihre ungewöhnliche Würde betrachtete.
Ich will durchaus nicht an der Befriedigung mäkeln, die von
der blossen Thatsache herrührt, dass ein Weib die bisherigen
Schranken durchbrochen und sozusagen den alten Zunftstempel
des gelehrten Bürgerthums aufgedrückt erhalten hat. Dies ist
der alten Ausschliesslichkeit gegenüber immer schon eine Art von
äusserlichem Protest gegen die Ungleichheit und Unterdrückung
des Geschlechts. Indessen kann ich mich trotz alledem einiger
Anwandlung von Komik niemals erwehren, wenn ich sehe, wie
strebsame Candidatinnen der Wissenschaft die alte, gelehrt und
praktisch immer hohler gewordene Doctordecoration sich grade
in einer Zeit umhängen lassen, in welcher sich die Ueberzeugung

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[35/0044] eben auch für Geld gehalten werden, dazu gelangt sind, Studien zu machen und zu doctoriren, – diese wenigen Frauen dürften zwar als Fremde in dem ungekannten Lande, durch welches sie ihre Tour machten, im günstigsten Falle einige gute Beobach- tungen angestellt haben, aber doch schwerlich dazu gelangt sein, von den sorgsam verschleierten Verhältnissen Mehr wahrzunehmen, als die traditionell, wenn auch nicht in die Universitätsgeheim- nisse, so doch in das Studentenleben und in das äussere Ge- haben der Professorenmanier eingeweihte männliche Jugend. Vielleicht noch ein wenig mehr, als der männliche Universitäts- neuling, von der in der Vorstellung hochgehaltenen und überdies für das Weib ausserordentlichen Situation geschmeichelt, wird die Studirende und später Promovirende nur daran denken, dass ihr die besondere Gunst zu Theil geworden, in einen sonst ver- schlossenen Kreis einzudringen und das titulare Zeugniss für absolvirte gelehrte Studien zu erlangen. Sie wird überdies keine Gelegenheit zur eigentlichen Kritik haben. Ohne eingehende Kenntniss der Literatur und der wahren Grössen der von ihr erstrebten Wissenschaft wird sie sicherlich nicht minder, sondern gewöhnlich noch mehr als der männliche Student jenem Autori- tätsaberglauben anheimfallen, der die jedesmal privilegirtesten und durch allerlei äussere Umstände einflussreichsten Professoren mit Grössen verwechselt, deren Ansehen wirklich daher rührt, dass sie in der Wissenschaft, aber nicht, wie jene conventionellen Kathedergötzen des Augenblicks, blos in der Ausbeutung der Zunftmonopole und in der universitären Reclame gross sind. Es hat mir immer einen sonderbaren Eindruck gemacht, wenn ich die eigenthümliche Art von Selbstgefühl wahrnahm, mit welcher eine Doctorirte ihre ungewöhnliche Würde betrachtete. Ich will durchaus nicht an der Befriedigung mäkeln, die von der blossen Thatsache herrührt, dass ein Weib die bisherigen Schranken durchbrochen und sozusagen den alten Zunftstempel des gelehrten Bürgerthums aufgedrückt erhalten hat. Dies ist der alten Ausschliesslichkeit gegenüber immer schon eine Art von äusserlichem Protest gegen die Ungleichheit und Unterdrückung des Geschlechts. Indessen kann ich mich trotz alledem einiger Anwandlung von Komik niemals erwehren, wenn ich sehe, wie strebsame Candidatinnen der Wissenschaft die alte, gelehrt und praktisch immer hohler gewordene Doctordecoration sich grade in einer Zeit umhängen lassen, in welcher sich die Ueberzeugung

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Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/44>, abgerufen am 25.04.2024.