Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52.

Bild:
<< vorherige Seite

Spielpfennigen und solche Kinderlust und Jubel besäße, wie denn auch in jener kindischen Plastik Nürnberg in der Mitte von Deutschland zur Metropole seit Jahrhunderten sich erhoben hat.

Gehen wir aus dieser fröhlichen Kinderwelt in das weite Leben über, wie es in diesen Dichtungen widerscheint, dann kann es uns nicht überraschen, dort, nur mit tieferm Ernst gezeichnet, alles das wiederzufinden, was wir in leichten Zügen hier nur angelegt gesehen haben. Mit Gott soll all gut Ding beginnen; wir gehen daher auch in unserer weiteren Bearbeitung von den religiösen Gedichten aus. Es ist begreiflich, wie der reiche Schatz geistlicher Lieder, den unsere Sprache besitzt, hier nicht ausgelegt, nur durch einzelne ausgewählte repräsentirt werden konnte. Baldes Lobgesang auf die heilige Maria und Ewigkeit im ersten Bande, Procops Maria Geburt und Jnschrift, das wunderschön, prächtige Maria Gnadenmutter zu Freyberg, das etwas steife Prager Kapuzinerlied im zweyten Bande, und besonders die zwanzig Lieder aus dem anmuthigen Blumenkranz aus dem Garten der Gemeinde Gottes im dritten. Jn feyerlicher Stille liegt die Seele betend vor dem Heiligthume, und wie es innen wetterleuchtet, findet sie in Andacht sich nun gehoben, und wie die Dunkel wieder bergend sich um das Geheimniß legen, sinkt sie wieder in sich selbst zurück, und ringt mit sich und dem Drachen, damit sie des vollen Scheins der Gnade würdig werde, und nachdem sie ausgerungen, fliegt sie, Triumph dem Lamme singend, von dannen. Daran schließen sich unmittelbar die mystischen Gesänge, das schöne Hallorenlied, Himmelfahrt in den alten strengen, einfachen Formen auf den Goldgrund gemahlt, der englische Gruß und die drey Schwestern, die Wurzel Jesse, mystische Arabeske, die Mutter, der Vogel Phönix und Goldarbeiten auf dem Liebesbande. Die Legende wirft dann den Heiligenschein, der um das fromme Gemüth gebrannt, um die Geschichte, und die Eile der Zeit in

Spielpfennigen und solche Kinderlust und Jubel besaͤße, wie denn auch in jener kindischen Plastik Nuͤrnberg in der Mitte von Deutschland zur Metropole seit Jahrhunderten sich erhoben hat.

Gehen wir aus dieser froͤhlichen Kinderwelt in das weite Leben uͤber, wie es in diesen Dichtungen widerscheint, dann kann es uns nicht uͤberraschen, dort, nur mit tieferm Ernst gezeichnet, alles das wiederzufinden, was wir in leichten Zuͤgen hier nur angelegt gesehen haben. Mit Gott soll all gut Ding beginnen; wir gehen daher auch in unserer weiteren Bearbeitung von den religioͤsen Gedichten aus. Es ist begreiflich, wie der reiche Schatz geistlicher Lieder, den unsere Sprache besitzt, hier nicht ausgelegt, nur durch einzelne ausgewaͤhlte repraͤsentirt werden konnte. Baldes Lobgesang auf die heilige Maria und Ewigkeit im ersten Bande, Procops Maria Geburt und Jnschrift, das wunderschoͤn, praͤchtige Maria Gnadenmutter zu Freyberg, das etwas steife Prager Kapuzinerlied im zweyten Bande, und besonders die zwanzig Lieder aus dem anmuthigen Blumenkranz aus dem Garten der Gemeinde Gottes im dritten. Jn feyerlicher Stille liegt die Seele betend vor dem Heiligthume, und wie es innen wetterleuchtet, findet sie in Andacht sich nun gehoben, und wie die Dunkel wieder bergend sich um das Geheimniß legen, sinkt sie wieder in sich selbst zuruͤck, und ringt mit sich und dem Drachen, damit sie des vollen Scheins der Gnade wuͤrdig werde, und nachdem sie ausgerungen, fliegt sie, Triumph dem Lamme singend, von dannen. Daran schließen sich unmittelbar die mystischen Gesaͤnge, das schoͤne Hallorenlied, Himmelfahrt in den alten strengen, einfachen Formen auf den Goldgrund gemahlt, der englische Gruß und die drey Schwestern, die Wurzel Jesse, mystische Arabeske, die Mutter, der Vogel Phoͤnix und Goldarbeiten auf dem Liebesbande. Die Legende wirft dann den Heiligenschein, der um das fromme Gemuͤth gebrannt, um die Geschichte, und die Eile der Zeit in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0016" n="236"/>
Spielpfennigen und solche Kinderlust und Jubel besa&#x0364;ße, wie denn auch in jener  kindischen Plastik Nu&#x0364;rnberg in der Mitte von Deutschland zur Metropole seit  Jahrhunderten sich erhoben hat.</p><lb/>
        <p>Gehen wir aus dieser fro&#x0364;hlichen Kinderwelt in das weite Leben u&#x0364;ber, wie es in  diesen Dichtungen widerscheint, dann kann es uns nicht u&#x0364;berraschen, dort, nur mit  tieferm Ernst gezeichnet, alles das wiederzufinden, was wir in leichten Zu&#x0364;gen hier  nur angelegt gesehen haben. Mit Gott soll all gut Ding beginnen; wir gehen daher  auch in unserer weiteren Bearbeitung von den religio&#x0364;sen Gedichten aus. Es ist  begreiflich, wie der reiche Schatz geistlicher Lieder, den unsere Sprache besitzt,  hier nicht ausgelegt, nur durch einzelne ausgewa&#x0364;hlte repra&#x0364;sentirt werden konnte. <hi rendition="#g">Baldes Lobgesang auf die heilige Maria</hi> und <hi rendition="#g">Ewigkeit</hi> im ersten Bande, <hi rendition="#g">Procops Maria  Geburt</hi> und <hi rendition="#g">Jnschrift</hi>, das wunderscho&#x0364;n, pra&#x0364;chtige <hi rendition="#g">Maria Gnadenmutter zu Freyberg</hi>,  das etwas steife Prager Kapuzinerlied im zweyten Bande, und besonders die zwanzig  Lieder aus dem anmuthigen Blumenkranz aus dem Garten der Gemeinde Gottes im dritten.  Jn feyerlicher Stille liegt die Seele betend vor dem Heiligthume, und wie es innen  wetterleuchtet, findet sie in Andacht sich nun gehoben, und wie die Dunkel wieder  bergend sich um das Geheimniß legen, sinkt sie wieder in sich selbst zuru&#x0364;ck, und  ringt mit sich und dem Drachen, damit sie des vollen Scheins der Gnade wu&#x0364;rdig werde,  und nachdem sie ausgerungen, fliegt sie, Triumph dem Lamme singend, von dannen. Daran  schließen sich unmittelbar die mystischen Gesa&#x0364;nge, das scho&#x0364;ne <hi rendition="#g">Hallorenlied</hi>, Himmelfahrt  in den alten strengen, einfachen Formen auf den Goldgrund gemahlt, der <hi rendition="#g">englische Gruß</hi> und die <hi rendition="#g">drey Schwestern</hi>, die <hi rendition="#g">Wurzel Jesse</hi>, mystische Arabeske, die <hi rendition="#g">Mutter</hi>, der <hi rendition="#g">Vogel  Pho&#x0364;nix</hi> und <hi rendition="#g">Goldarbeiten auf dem Liebesbande</hi>. Die Legende wirft dann den Heiligenschein,      der um das fromme Gemu&#x0364;th gebrannt, um die Geschichte, und die <hi rendition="#g">Eile der Zeit in<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0016] Spielpfennigen und solche Kinderlust und Jubel besaͤße, wie denn auch in jener kindischen Plastik Nuͤrnberg in der Mitte von Deutschland zur Metropole seit Jahrhunderten sich erhoben hat. Gehen wir aus dieser froͤhlichen Kinderwelt in das weite Leben uͤber, wie es in diesen Dichtungen widerscheint, dann kann es uns nicht uͤberraschen, dort, nur mit tieferm Ernst gezeichnet, alles das wiederzufinden, was wir in leichten Zuͤgen hier nur angelegt gesehen haben. Mit Gott soll all gut Ding beginnen; wir gehen daher auch in unserer weiteren Bearbeitung von den religioͤsen Gedichten aus. Es ist begreiflich, wie der reiche Schatz geistlicher Lieder, den unsere Sprache besitzt, hier nicht ausgelegt, nur durch einzelne ausgewaͤhlte repraͤsentirt werden konnte. Baldes Lobgesang auf die heilige Maria und Ewigkeit im ersten Bande, Procops Maria Geburt und Jnschrift, das wunderschoͤn, praͤchtige Maria Gnadenmutter zu Freyberg, das etwas steife Prager Kapuzinerlied im zweyten Bande, und besonders die zwanzig Lieder aus dem anmuthigen Blumenkranz aus dem Garten der Gemeinde Gottes im dritten. Jn feyerlicher Stille liegt die Seele betend vor dem Heiligthume, und wie es innen wetterleuchtet, findet sie in Andacht sich nun gehoben, und wie die Dunkel wieder bergend sich um das Geheimniß legen, sinkt sie wieder in sich selbst zuruͤck, und ringt mit sich und dem Drachen, damit sie des vollen Scheins der Gnade wuͤrdig werde, und nachdem sie ausgerungen, fliegt sie, Triumph dem Lamme singend, von dannen. Daran schließen sich unmittelbar die mystischen Gesaͤnge, das schoͤne Hallorenlied, Himmelfahrt in den alten strengen, einfachen Formen auf den Goldgrund gemahlt, der englische Gruß und die drey Schwestern, die Wurzel Jesse, mystische Arabeske, die Mutter, der Vogel Phoͤnix und Goldarbeiten auf dem Liebesbande. Die Legende wirft dann den Heiligenschein, der um das fromme Gemuͤth gebrannt, um die Geschichte, und die Eile der Zeit in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription. (2018-02-08T18:42:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rudolf Brandmeyer: Herausgeber
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-02-08T18:42:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_wunderhorn_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_wunderhorn_1809/16
Zitationshilfe: [Görres, Joseph:] [Rezension zu:] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder gesammelt von L. A. v. Arnim u. C. Brentano. In: Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, Fünfte Abtheilung. Philologie, Historie, schöne Literatur und Kunst, Jg. 2 (1809), Bd. 1, Heft 5, S. 222‒237 und Jg. 3 (1810), Bd. 2, Heft 9, S. 30‒52, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_wunderhorn_1809/16>, abgerufen am 16.04.2024.