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Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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achtete aber nicht drauf, mir war der Kopf voll ohne dies. Erst als ich in die Stube eingetreten und du vermißt wurdest, da wußte ich's gewiß. Kein Mensch aber dachte dich zu suchen, ich dachte selbst nicht, nur sehen wollt' ich, wo du geblieben seiest, und das auch nur aus Langeweile oder um mich zu zerstreuen. Ich hatte keinen Gefallen an all der Lust. So kam ich nach unserm Hause, und der Mond schien hell gegen die Wand, wo die Büchse hängt. Ich hatte sie wahrhaftig nicht gesucht aber ich vermißte sie auf dem Fleck. Der Tausend, wo ist die Büchse geblieben? Das fuhr mir durch den Kopf. Damit sah ich hinaus auf den Hof. Mein Auge hat ein gutes Gedächtniß, so erkannt' ich eine ganz frische Spur in dem Schnee, die ich am Tage nicht gesehen hatte. Ich weiß nicht, warum ich's that, aber ich folgte der Spur durch den Garten. Ich dachte an einen Dieb mit der Büchse, ich dacht' auch an dich, aber ich konnt's nicht zusammenreimen, mit dem Diebe so wenig als mit dir. Daß ein Dieb nur die Büchse genommen haben sollte, wo doch noch Besseres zu finden gewesen, oder daß du gar auf Wilddieberei aus seiest, an deinem Hochzeittage -- mir waren's böhmische Dörfer. In diesen Gedanken aber war ich bis an den Niemen gekommen, da hört' ich einen Schuß fallen von jenseit. Das fuhr mir in die Glieder und machte mich springen und brachte mich über das Eis, ich weiß nicht wie. Ach, Bruder, ich hatte mich kaum auf das steile Ufer hinaufgearbeitet -- --! Wie ein Pfahl stand ich im ersten Schreck!

achtete aber nicht drauf, mir war der Kopf voll ohne dies. Erst als ich in die Stube eingetreten und du vermißt wurdest, da wußte ich's gewiß. Kein Mensch aber dachte dich zu suchen, ich dachte selbst nicht, nur sehen wollt' ich, wo du geblieben seiest, und das auch nur aus Langeweile oder um mich zu zerstreuen. Ich hatte keinen Gefallen an all der Lust. So kam ich nach unserm Hause, und der Mond schien hell gegen die Wand, wo die Büchse hängt. Ich hatte sie wahrhaftig nicht gesucht aber ich vermißte sie auf dem Fleck. Der Tausend, wo ist die Büchse geblieben? Das fuhr mir durch den Kopf. Damit sah ich hinaus auf den Hof. Mein Auge hat ein gutes Gedächtniß, so erkannt' ich eine ganz frische Spur in dem Schnee, die ich am Tage nicht gesehen hatte. Ich weiß nicht, warum ich's that, aber ich folgte der Spur durch den Garten. Ich dachte an einen Dieb mit der Büchse, ich dacht' auch an dich, aber ich konnt's nicht zusammenreimen, mit dem Diebe so wenig als mit dir. Daß ein Dieb nur die Büchse genommen haben sollte, wo doch noch Besseres zu finden gewesen, oder daß du gar auf Wilddieberei aus seiest, an deinem Hochzeittage — mir waren's böhmische Dörfer. In diesen Gedanken aber war ich bis an den Niemen gekommen, da hört' ich einen Schuß fallen von jenseit. Das fuhr mir in die Glieder und machte mich springen und brachte mich über das Eis, ich weiß nicht wie. Ach, Bruder, ich hatte mich kaum auf das steile Ufer hinaufgearbeitet — —! Wie ein Pfahl stand ich im ersten Schreck!

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:53:03Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:53:03Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Goldammer, Leo: Eine Hochzeitsnacht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [187]–203. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goldammer_hochzeitsnacht_1910/20>, abgerufen am 29.03.2024.