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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

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jahre, in einer Zeit steigender Konflikte der Nationen untereinander,
wo die internationalen Männerorganisationen nicht nur versagten,
sondern einander in häßlicher Weise beschimpften, das Organ des
Weltbundes für Frauenstimmrecht: "Jus Suffragii" ohne Konflikt
zu zeitigen, ununterbrochen erscheinen konnte. Der Weltbund
für Frauenstimmrecht ist die, nach Nationen berechnet, größte
internationale Organisation der Welt, welcher, abgesehen von den
sozialdemokratischen Frauen, Frauen aller Kreise, Parteien und
Weltanschauungen angehören.

Man dringt am besten in den Geist ein, der die Frauen aller
Länder während dieser Kriegsjahre beseelte, man spürt am besten
ihre starke Zusammengehörigkeit, wenn man die verschiedenen
Sympathiekundgebungen liest, welche die Frauen der kriegführenden
Länder miteinander austauschten.

Jm Dezember 1915 schrieben englische an deutsche Frauen:

"Schwestern, einige unter uns möchten Euch gern einen Gruß zu
dieser traurigen Weihnachtszeit senden, obgleich wir nur durch die Presse
zueinander sprechen können. Die Weihnachtsbotschaft klingt wie Spott
in einer Welt des Krieges, aber diejenigen von uns, die den Frieden
wünschten und noch wünschen, können sicherlich trotzdem einen feier-
lichen Gruß an diejenigen unter Euch senden, die fühlen, wie wir fühlen.
Wir wollen nicht vergessen, daß gerade unsere Angst uns vereinigt, daß
wir durch dieselben Entbehrungen von Schmerz und Kummer hindurch
müssen.

Jn diesem Druck der fürchterlichen Umstände befangen, was können
wir tun? Hineingeschleudert in diese stürmische See menschlicher Kon-
flikte, können wir unsern Anker nur auswerfen an die ruhigen. Gestade,
auf denen gleich Felsen die ewigen Wahrheiten stehen: Liebe, Frieden,
Brüderlichkeit.

Wir bitten Euch, uns zu glauben, daß, komme, was kommen mag,
wir an unserm Glauben an Frieden und Wohlgefallen unter den
Menschen festhalten. Mährend wir äußerlich in Feindschaft miteinander
stehen, gehorsam unseren Regierungen, schulden wir Treue jenem höhe-
ren Gesetz, welches uns heißt, mit den Menschen in Frieden zu leben.

Obgleich unsere Söhne ausgesandt sind, einander zu erschlagen, und
obgleich unsere Herzen durch die Grausamkeit dieses Schicksals zer-

jahre, in einer Zeit steigender Konflikte der Nationen untereinander,
wo die internationalen Männerorganisationen nicht nur versagten,
sondern einander in häßlicher Weise beschimpften, das Organ des
Weltbundes für Frauenstimmrecht: „Jus Suffragii“ ohne Konflikt
zu zeitigen, ununterbrochen erscheinen konnte. Der Weltbund
für Frauenstimmrecht ist die, nach Nationen berechnet, größte
internationale Organisation der Welt, welcher, abgesehen von den
sozialdemokratischen Frauen, Frauen aller Kreise, Parteien und
Weltanschauungen angehören.

Man dringt am besten in den Geist ein, der die Frauen aller
Länder während dieser Kriegsjahre beseelte, man spürt am besten
ihre starke Zusammengehörigkeit, wenn man die verschiedenen
Sympathiekundgebungen liest, welche die Frauen der kriegführenden
Länder miteinander austauschten.

Jm Dezember 1915 schrieben englische an deutsche Frauen:

„Schwestern, einige unter uns möchten Euch gern einen Gruß zu
dieser traurigen Weihnachtszeit senden, obgleich wir nur durch die Presse
zueinander sprechen können. Die Weihnachtsbotschaft klingt wie Spott
in einer Welt des Krieges, aber diejenigen von uns, die den Frieden
wünschten und noch wünschen, können sicherlich trotzdem einen feier-
lichen Gruß an diejenigen unter Euch senden, die fühlen, wie wir fühlen.
Wir wollen nicht vergessen, daß gerade unsere Angst uns vereinigt, daß
wir durch dieselben Entbehrungen von Schmerz und Kummer hindurch
müssen.

Jn diesem Druck der fürchterlichen Umstände befangen, was können
wir tun? Hineingeschleudert in diese stürmische See menschlicher Kon-
flikte, können wir unsern Anker nur auswerfen an die ruhigen. Gestade,
auf denen gleich Felsen die ewigen Wahrheiten stehen: Liebe, Frieden,
Brüderlichkeit.

Wir bitten Euch, uns zu glauben, daß, komme, was kommen mag,
wir an unserm Glauben an Frieden und Wohlgefallen unter den
Menschen festhalten. Mährend wir äußerlich in Feindschaft miteinander
stehen, gehorsam unseren Regierungen, schulden wir Treue jenem höhe-
ren Gesetz, welches uns heißt, mit den Menschen in Frieden zu leben.

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[15/0014] jahre, in einer Zeit steigender Konflikte der Nationen untereinander, wo die internationalen Männerorganisationen nicht nur versagten, sondern einander in häßlicher Weise beschimpften, das Organ des Weltbundes für Frauenstimmrecht: „Jus Suffragii“ ohne Konflikt zu zeitigen, ununterbrochen erscheinen konnte. Der Weltbund für Frauenstimmrecht ist die, nach Nationen berechnet, größte internationale Organisation der Welt, welcher, abgesehen von den sozialdemokratischen Frauen, Frauen aller Kreise, Parteien und Weltanschauungen angehören. Man dringt am besten in den Geist ein, der die Frauen aller Länder während dieser Kriegsjahre beseelte, man spürt am besten ihre starke Zusammengehörigkeit, wenn man die verschiedenen Sympathiekundgebungen liest, welche die Frauen der kriegführenden Länder miteinander austauschten. Jm Dezember 1915 schrieben englische an deutsche Frauen: „Schwestern, einige unter uns möchten Euch gern einen Gruß zu dieser traurigen Weihnachtszeit senden, obgleich wir nur durch die Presse zueinander sprechen können. Die Weihnachtsbotschaft klingt wie Spott in einer Welt des Krieges, aber diejenigen von uns, die den Frieden wünschten und noch wünschen, können sicherlich trotzdem einen feier- lichen Gruß an diejenigen unter Euch senden, die fühlen, wie wir fühlen. Wir wollen nicht vergessen, daß gerade unsere Angst uns vereinigt, daß wir durch dieselben Entbehrungen von Schmerz und Kummer hindurch müssen. Jn diesem Druck der fürchterlichen Umstände befangen, was können wir tun? Hineingeschleudert in diese stürmische See menschlicher Kon- flikte, können wir unsern Anker nur auswerfen an die ruhigen. Gestade, auf denen gleich Felsen die ewigen Wahrheiten stehen: Liebe, Frieden, Brüderlichkeit. Wir bitten Euch, uns zu glauben, daß, komme, was kommen mag, wir an unserm Glauben an Frieden und Wohlgefallen unter den Menschen festhalten. Mährend wir äußerlich in Feindschaft miteinander stehen, gehorsam unseren Regierungen, schulden wir Treue jenem höhe- ren Gesetz, welches uns heißt, mit den Menschen in Frieden zu leben. Obgleich unsere Söhne ausgesandt sind, einander zu erschlagen, und obgleich unsere Herzen durch die Grausamkeit dieses Schicksals zer-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-10-19T08:47:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/14>, abgerufen am 28.03.2024.