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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

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bewußter Aufwallung, in dem falschen, grausam falschen Glauben, dies
der Ehre und Stärke ihres Volkes schuldig zu sein, bereits getan haben.

Stark sind wir alle, hüben und drüben, denn wir haben alle Kraft
und Wille, uns nicht niederringen zu lassen, schwach sind wir alle, denn
keiner können wir mehr die Last der Verantwortung für dies entsetzliche
Blutvergießen tragen, und müssen sie doch alle tragen, so lange es an-
dauert. Wir wissen genau, Jhr könnt und wollt für nichts einstehen,
das der Ehre Eures Landes schaden könnte, so wenig wie wir selbst es
wollten; aber ebenso wie wir Euch gegenüber nicht zu fürchten brauchen,
daß unser ehrlicher Appell als Zeichen der Verzagtheit aufgefaßt wer-
den könnte, ebenso muten wir auch Euch mit dieser Auffassung keine
schwächliche Handlungsweise zu. Nur das eine wünschen, das eine
hoffen wir, daß Jhr die Gewissen Eurer Völker, die Gewissen Eurer
Regierungen schärfen möget, daß sie einem Angebot, das von ernstem
Völkerwillen getragen ist, mit ernstem Willen nähertreten. Nicht ewig
in die Vergangenheit wende sich der Blick, wie eigensinnige Knaben
immer wieder einer den andern beschuldigend, er wäre der Ruhestörer
gewesen, sondern in die Zukunft, wo die Riesenaufgabe steht, Ver-
söhnung zu schaffen, einen Frieden, dessen Gewähr der Dauer nicht
darin liegt, daß die Kräfte des anderen Teiles möglichst geschwächt,
sondern daß die Rechte aller Teile möglichst gesichert sind. Für einen
solchen Frieden zu wirken, kann keinem von uns weder Ehre noch
Vaterlandsliebe verbieten, einen andern aber zu wünschen, verbietet
uns allen in gleicher Weise Vernunft und Menschenliebe.

Darum nehmet jetzt, da für Euch der Moment gekommen ist, für
den Frieden einzutreten, all Euere Kräfte zusammen, wie wir von
ganzem Herzen bereit sind, wenn uns die Stunde ruft, unser Bestes zu
tun, in der beseligenden Hoffnung, daß die Zeit herannahe, wo über alle
Grenzen der Jubelruf erschalle - Friede auf Erden!"

Wir suchen vergeblich nach ähnlichen Kundgebungen seitens
der Männer während dieser Kriegsjahre!

Kriege schließen die höchste Potenz von Grausamkeit und
Rohheit in sich, die Menschengehirn ersinnen kann, daraus ergibt
sich die Erörterung eines weiteren Gesichtspunktes. Die Frau
schreckt im allgemeinen, von Ausnahmen abgesehen, mehr als der
Mann vor jeder Brutalität zurück, das beweisen alle Kriminal-
statistiken. Die Befürchtung, daß sich das durch Berufsarbeit
oder durch soziale Tätigkeit, durch Berührung mit den dunkelsten
Nachtseiten des menschlichen Lebens verlieren würde, hat sich nicht

bewußter Aufwallung, in dem falschen, grausam falschen Glauben, dies
der Ehre und Stärke ihres Volkes schuldig zu sein, bereits getan haben.

Stark sind wir alle, hüben und drüben, denn wir haben alle Kraft
und Wille, uns nicht niederringen zu lassen, schwach sind wir alle, denn
keiner können wir mehr die Last der Verantwortung für dies entsetzliche
Blutvergießen tragen, und müssen sie doch alle tragen, so lange es an-
dauert. Wir wissen genau, Jhr könnt und wollt für nichts einstehen,
das der Ehre Eures Landes schaden könnte, so wenig wie wir selbst es
wollten; aber ebenso wie wir Euch gegenüber nicht zu fürchten brauchen,
daß unser ehrlicher Appell als Zeichen der Verzagtheit aufgefaßt wer-
den könnte, ebenso muten wir auch Euch mit dieser Auffassung keine
schwächliche Handlungsweise zu. Nur das eine wünschen, das eine
hoffen wir, daß Jhr die Gewissen Eurer Völker, die Gewissen Eurer
Regierungen schärfen möget, daß sie einem Angebot, das von ernstem
Völkerwillen getragen ist, mit ernstem Willen nähertreten. Nicht ewig
in die Vergangenheit wende sich der Blick, wie eigensinnige Knaben
immer wieder einer den andern beschuldigend, er wäre der Ruhestörer
gewesen, sondern in die Zukunft, wo die Riesenaufgabe steht, Ver-
söhnung zu schaffen, einen Frieden, dessen Gewähr der Dauer nicht
darin liegt, daß die Kräfte des anderen Teiles möglichst geschwächt,
sondern daß die Rechte aller Teile möglichst gesichert sind. Für einen
solchen Frieden zu wirken, kann keinem von uns weder Ehre noch
Vaterlandsliebe verbieten, einen andern aber zu wünschen, verbietet
uns allen in gleicher Weise Vernunft und Menschenliebe.

Darum nehmet jetzt, da für Euch der Moment gekommen ist, für
den Frieden einzutreten, all Euere Kräfte zusammen, wie wir von
ganzem Herzen bereit sind, wenn uns die Stunde ruft, unser Bestes zu
tun, in der beseligenden Hoffnung, daß die Zeit herannahe, wo über alle
Grenzen der Jubelruf erschalle – Friede auf Erden!“

Wir suchen vergeblich nach ähnlichen Kundgebungen seitens
der Männer während dieser Kriegsjahre!

Kriege schließen die höchste Potenz von Grausamkeit und
Rohheit in sich, die Menschengehirn ersinnen kann, daraus ergibt
sich die Erörterung eines weiteren Gesichtspunktes. Die Frau
schreckt im allgemeinen, von Ausnahmen abgesehen, mehr als der
Mann vor jeder Brutalität zurück, das beweisen alle Kriminal-
statistiken. Die Befürchtung, daß sich das durch Berufsarbeit
oder durch soziale Tätigkeit, durch Berührung mit den dunkelsten
Nachtseiten des menschlichen Lebens verlieren würde, hat sich nicht

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-10-19T08:47:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-10-19T08:47:15Z)

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/19>, abgerufen am 29.03.2024.