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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9).

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Dreifünftel-Majorität erhalten, demnach werden also auch die
Schweizer Frauen bald im Besitz politischer Rechte sein; ihnen
werden die italienischen und französischen Frauen folgen.
Und wir deutschen Frauen? Was steht in Deutschland zu
erwarten? Es gibt kaum ein zweites Land in Europa, wo die
Gegnerschaft für die politische Befreiung der Frau so gewaltig ist,
wie im Deutschen Reich; sollte das nicht im engen Zusammenhang
mit dem stark ausgeprägten, preußischen Geist stehen, der im
ganzen Deutschen Reich zu spüren ist; dieser lehnt sich instinktiv
gegen jede Erweiterung der Rechte der Frauen auf. Beweise da-
für können schwer erbracht werden, hier gilt Goethes Wort:
"Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen."

Von den vielen Erfolgen, die das Frauenstimmrecht zeitigte,
kommen für die Verfolgung pazifistischer Ziele vor allen Dingen
zwei in Betracht, auf die näher eingegangen werden muß, weil
sie für die Verwirklichung eines dauernden Friedens unter den
Völkern von allergrößter Bedeutung sind.

Die Frauen wollen dem politischen Leben andere Wege
weisen, indem sie es aus der Sphäre der Gewalt, der persönlichen
Jnteressen und des Erfolges um jeden Preis auf die Bahn des
Rechtes, allgemeiner Wohlfahrt und des heute für den einzelnen
geltenden Begriffes von Ehre und Anstand führen.

Die Frauen benützen ihre politischen Rechte, um die geistige
und leibliche Verbesserung und Erhaltung der Rasse anzustreben.
Urteile von Politikern, die Gelegenheit hatten, die Wirkungen
des Frauenstimmrechts zu beobachten und die Einführung von
Gesetzen, welche die Verbesserung der Rasse anstreben, mögen diese
Behauptungen bestätigen.

John Gorge Findlay, Generalprokurator und Kolonialsekretär
in Neu-Seeland, leugnet nicht, daß manche Erwartungen der Freunde
des Frauenstimmrechts unerfüllt geblieben wären. Diese Aeußerung
läßt ihn uns als einen objektiven Beurteiler erscheinen, und wir sind
geneigt, ihm zu vertrauen, wenn er erklärt, daß er den Standpunkt

Dreifünftel-Majorität erhalten, demnach werden also auch die
Schweizer Frauen bald im Besitz politischer Rechte sein; ihnen
werden die italienischen und französischen Frauen folgen.
Und wir deutschen Frauen? Was steht in Deutschland zu
erwarten? Es gibt kaum ein zweites Land in Europa, wo die
Gegnerschaft für die politische Befreiung der Frau so gewaltig ist,
wie im Deutschen Reich; sollte das nicht im engen Zusammenhang
mit dem stark ausgeprägten, preußischen Geist stehen, der im
ganzen Deutschen Reich zu spüren ist; dieser lehnt sich instinktiv
gegen jede Erweiterung der Rechte der Frauen auf. Beweise da-
für können schwer erbracht werden, hier gilt Goethes Wort:
„Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen.“

Von den vielen Erfolgen, die das Frauenstimmrecht zeitigte,
kommen für die Verfolgung pazifistischer Ziele vor allen Dingen
zwei in Betracht, auf die näher eingegangen werden muß, weil
sie für die Verwirklichung eines dauernden Friedens unter den
Völkern von allergrößter Bedeutung sind.

Die Frauen wollen dem politischen Leben andere Wege
weisen, indem sie es aus der Sphäre der Gewalt, der persönlichen
Jnteressen und des Erfolges um jeden Preis auf die Bahn des
Rechtes, allgemeiner Wohlfahrt und des heute für den einzelnen
geltenden Begriffes von Ehre und Anstand führen.

Die Frauen benützen ihre politischen Rechte, um die geistige
und leibliche Verbesserung und Erhaltung der Rasse anzustreben.
Urteile von Politikern, die Gelegenheit hatten, die Wirkungen
des Frauenstimmrechts zu beobachten und die Einführung von
Gesetzen, welche die Verbesserung der Rasse anstreben, mögen diese
Behauptungen bestätigen.

John Gorge Findlay, Generalprokurator und Kolonialsekretär
in Neu-Seeland, leugnet nicht, daß manche Erwartungen der Freunde
des Frauenstimmrechts unerfüllt geblieben wären. Diese Aeußerung
läßt ihn uns als einen objektiven Beurteiler erscheinen, und wir sind
geneigt, ihm zu vertrauen, wenn er erklärt, daß er den Standpunkt

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[27/0026] Dreifünftel-Majorität erhalten, demnach werden also auch die Schweizer Frauen bald im Besitz politischer Rechte sein; ihnen werden die italienischen und französischen Frauen folgen. Und wir deutschen Frauen? Was steht in Deutschland zu erwarten? Es gibt kaum ein zweites Land in Europa, wo die Gegnerschaft für die politische Befreiung der Frau so gewaltig ist, wie im Deutschen Reich; sollte das nicht im engen Zusammenhang mit dem stark ausgeprägten, preußischen Geist stehen, der im ganzen Deutschen Reich zu spüren ist; dieser lehnt sich instinktiv gegen jede Erweiterung der Rechte der Frauen auf. Beweise da- für können schwer erbracht werden, hier gilt Goethes Wort: „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen.“ Von den vielen Erfolgen, die das Frauenstimmrecht zeitigte, kommen für die Verfolgung pazifistischer Ziele vor allen Dingen zwei in Betracht, auf die näher eingegangen werden muß, weil sie für die Verwirklichung eines dauernden Friedens unter den Völkern von allergrößter Bedeutung sind. Die Frauen wollen dem politischen Leben andere Wege weisen, indem sie es aus der Sphäre der Gewalt, der persönlichen Jnteressen und des Erfolges um jeden Preis auf die Bahn des Rechtes, allgemeiner Wohlfahrt und des heute für den einzelnen geltenden Begriffes von Ehre und Anstand führen. Die Frauen benützen ihre politischen Rechte, um die geistige und leibliche Verbesserung und Erhaltung der Rasse anzustreben. Urteile von Politikern, die Gelegenheit hatten, die Wirkungen des Frauenstimmrechts zu beobachten und die Einführung von Gesetzen, welche die Verbesserung der Rasse anstreben, mögen diese Behauptungen bestätigen. John Gorge Findlay, Generalprokurator und Kolonialsekretär in Neu-Seeland, leugnet nicht, daß manche Erwartungen der Freunde des Frauenstimmrechts unerfüllt geblieben wären. Diese Aeußerung läßt ihn uns als einen objektiven Beurteiler erscheinen, und wir sind geneigt, ihm zu vertrauen, wenn er erklärt, daß er den Standpunkt

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht und Völkerverständigung. Leipzig, 1919 (= Nach dem Weltkrieg. Schriften zur Neuorientierung der auswärtigen Politik, Bd. 9), S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_voelkerverstaendigung_1919/26>, abgerufen am 29.03.2024.