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Hoff, Jacobus H. van 't: Die Lagerung der Atome im Raume. Übers. v. F. Herrmann. Braunschweig, 1877.

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schiedenartig gruppirt sein können und dass damit
möglicherweise Veranlassung zu geringen Abweichun-
gen in den Eigenschaften structuridentischer Molecüle
gegeben sein kann, lag schon damals dem specula-
tiven Denken nahe, ja es gab vereinzelte Thatsachen,
welche bereits in dieser Richtung vorgehende Er-
klärungsversuche herausforderten. Freilich wurden
solche Gedanken entweder gar nicht oder nur sehr
schüchtern und unbestimmt geäussert.

Indessen gingen die den heutigen Standpunkt
der chemischen Wissenschaft vorwiegend charakteri-
sirenden Untersuchungen isomerer organischer Ver-
bindungen ihren naturgemässen Weg weiter und führ-
ten zu unumstösslichen Thatsachen, für deren Verständ-
niss die Structurtheorie durchaus nicht mehr ausreichte.
Ich selbst sah mich bei meiner Arbeit über die Para-
milchsäure genöthigt den Satz auszusprechen, dass
die Thatsachen dazu zwingen, die Verschiedenheit
isomerer Molecüle von gleicher Structurformel durch
verschiedene Lagerung ihrer Atome im Raume zu
erklären und damit offen für die Berechtigung der
Chemie einzutreten, geometrische Anschauungen in
die Lehre von der Constitution der Verbindungs-
molecüle hereinzuziehen.

Das Verdienst, diesen Schritt in ganz bestimm-
ter und höchst glücklicher Weise gethan zu haben,
gebührt van 't Hoff. Die Fundamentalidee seiner
Theorie liegt in dem Nachweise, dass die Verbin-
dungen eines Kohlenstoffatomes mit vier verschie-

schiedenartig gruppirt sein können und dass damit
möglicherweise Veranlassung zu geringen Abweichun-
gen in den Eigenschaften structuridentischer Molecüle
gegeben sein kann, lag schon damals dem specula-
tiven Denken nahe, ja es gab vereinzelte Thatsachen,
welche bereits in dieser Richtung vorgehende Er-
klärungsversuche herausforderten. Freilich wurden
solche Gedanken entweder gar nicht oder nur sehr
schüchtern und unbestimmt geäussert.

Indessen gingen die den heutigen Standpunkt
der chemischen Wissenschaft vorwiegend charakteri-
sirenden Untersuchungen isomerer organischer Ver-
bindungen ihren naturgemässen Weg weiter und führ-
ten zu unumstösslichen Thatsachen, für deren Verständ-
niss die Structurtheorie durchaus nicht mehr ausreichte.
Ich selbst sah mich bei meiner Arbeit über die Para-
milchsäure genöthigt den Satz auszusprechen, dass
die Thatsachen dazu zwingen, die Verschiedenheit
isomerer Molecüle von gleicher Structurformel durch
verschiedene Lagerung ihrer Atome im Raume zu
erklären und damit offen für die Berechtigung der
Chemie einzutreten, geometrische Anschauungen in
die Lehre von der Constitution der Verbindungs-
molecüle hereinzuziehen.

Das Verdienst, diesen Schritt in ganz bestimm-
ter und höchst glücklicher Weise gethan zu haben,
gebührt van ’t Hoff. Die Fundamentalidee seiner
Theorie liegt in dem Nachweise, dass die Verbin-
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[VIII/0016] schiedenartig gruppirt sein können und dass damit möglicherweise Veranlassung zu geringen Abweichun- gen in den Eigenschaften structuridentischer Molecüle gegeben sein kann, lag schon damals dem specula- tiven Denken nahe, ja es gab vereinzelte Thatsachen, welche bereits in dieser Richtung vorgehende Er- klärungsversuche herausforderten. Freilich wurden solche Gedanken entweder gar nicht oder nur sehr schüchtern und unbestimmt geäussert. Indessen gingen die den heutigen Standpunkt der chemischen Wissenschaft vorwiegend charakteri- sirenden Untersuchungen isomerer organischer Ver- bindungen ihren naturgemässen Weg weiter und führ- ten zu unumstösslichen Thatsachen, für deren Verständ- niss die Structurtheorie durchaus nicht mehr ausreichte. Ich selbst sah mich bei meiner Arbeit über die Para- milchsäure genöthigt den Satz auszusprechen, dass die Thatsachen dazu zwingen, die Verschiedenheit isomerer Molecüle von gleicher Structurformel durch verschiedene Lagerung ihrer Atome im Raume zu erklären und damit offen für die Berechtigung der Chemie einzutreten, geometrische Anschauungen in die Lehre von der Constitution der Verbindungs- molecüle hereinzuziehen. Das Verdienst, diesen Schritt in ganz bestimm- ter und höchst glücklicher Weise gethan zu haben, gebührt van ’t Hoff. Die Fundamentalidee seiner Theorie liegt in dem Nachweise, dass die Verbin- dungen eines Kohlenstoffatomes mit vier verschie-

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Zitationshilfe: Hoff, Jacobus H. van 't: Die Lagerung der Atome im Raume. Übers. v. F. Herrmann. Braunschweig, 1877, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoff_atome_1877/16>, abgerufen am 29.03.2024.