Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

Bild:
<< vorherige Seite

Herzens unterworfen sein dürfen. Aber soweit der Staat Hinderungen
beseitigen und Wege ebnen kann, soweit also sein Einfluß zur
Vermehrung und Erhaltung der Kinderzahl und zum Schutz der
Mütter reicht, muß er jede dienliche Maßregel ergreifen. Die
Schreiberin dieser Zeilen hatte sich eine Liste solcher Gebiete aufgestellt,
an deren Umgestaltung und Ergänzung das weibliche Geschlecht ein
besonderes Jnteresse hat. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, wie
fast jeder einzelne Punkt eng mit dem Mutterberuf zusammenhängt und
immer wieder auf diese Zentralstelle des Frauendienstes am Volk
hinweist. Soweit die Frauen es können, werden sie es versuchen,
die Ehefrau und Mutter ihrem Familienberuf ganz oder wenigstens
noch teilweise zu erhalten. Da es aber wirtschaftlich unmöglich ist,
alle verheirateten Frauen dem außerhäuslichen Erwerbsleben zu ent-
ziehen, so muß alles dafür getan werden, um die daraus für die
Familie entstehenden Schäden zu mildern. Bei der Kindererziehung
wird jede echte Mutter dem Staat nur so viel Anteilnahme und
Rechte einräumen, als sie selbst ihre Aufgabe an den Kindern nicht
erfüllen kann. Die meisten Arbeiterinnenschutzgesetze gelten der Frau
in ihrer Bestimmung zur Mutterschaft. Und zur Fürsorge der Mutter
gehört die Fürsorge für das Kind: Bewahrung des heranwachsenden
Geschlechtes vor Verwahrlosung und Ausbeutung, z. B. eingreifendere
Maßregeln, als sie bisher bestanden, um Kinder, die durch Veran-
lagung oder durch schlechten Familieneinfluß körperlich oder seelisch
gefährdet sind, in staatliche Erziehung und Fürsorge zu bringen.
Denn die Kinder sind das kostbarste Volksgut, das für sie angewandte
Kapital wird reiche Zinsen tragen. Ferner sei darauf aufmerksam
gemacht, welche traurigen Erfahrungen die Frauenrechtsschutzstellen,
deren Vorhandensein beweist, daß das bestehende Gesetz den Frauen
nicht genügend Recht zukommen läßt, mit den Zuständen machen, zu
denen unsere jetzigen Ehegesetze sehr häufig führen, die dem Mann
allein das Bestimmungsrecht über die Kinder, das Vermögen und
alle wesentlichen Entschließungen der Frau geben, auch dann, wenn
der Mann nicht der Ernährer der Familie ist (d. h. der Erwerb der
Ehefrau steht nicht unter seiner Verwaltung). Auch der geschiedene,
für schuldig erklärte und seiner sonstigen Elternrechte für verlustig
erklärte Mann behält noch die gerichtliche und sonstige Vertretung
seiner Kinder nach außen. Ein Einschreiten des Vormundschafts-
gerichts gegen den Vater ist nur bei groben Mißständen möglich und
bedingt ein langwieriges Verfahren, während dessen die Kinder unter
Umständen schon schwer gelitten haben können, bevor das Gesetz
ihnen Schutz verschafft. Dagegen kann der Vater sein Kind vor
einer schlechten Mutter ohne weiteres in Sicherheit bringen. Gerade
diese Tatsachen beweisen, wie notwendig eine Reform der Gesetz-
gebung unter dem Einfluß der Frau ist. Sie wird es wünschen, daß
sie eine größere Selbständigkeit als Ehefrau erhält und daß eine
andere Verteilung der Elternrechte vom Standpunkt der Gleichstellung
von Vater und Mutter vorgenommen wird.

Herzens unterworfen sein dürfen. Aber soweit der Staat Hinderungen
beseitigen und Wege ebnen kann, soweit also sein Einfluß zur
Vermehrung und Erhaltung der Kinderzahl und zum Schutz der
Mütter reicht, muß er jede dienliche Maßregel ergreifen. Die
Schreiberin dieser Zeilen hatte sich eine Liste solcher Gebiete aufgestellt,
an deren Umgestaltung und Ergänzung das weibliche Geschlecht ein
besonderes Jnteresse hat. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, wie
fast jeder einzelne Punkt eng mit dem Mutterberuf zusammenhängt und
immer wieder auf diese Zentralstelle des Frauendienstes am Volk
hinweist. Soweit die Frauen es können, werden sie es versuchen,
die Ehefrau und Mutter ihrem Familienberuf ganz oder wenigstens
noch teilweise zu erhalten. Da es aber wirtschaftlich unmöglich ist,
alle verheirateten Frauen dem außerhäuslichen Erwerbsleben zu ent-
ziehen, so muß alles dafür getan werden, um die daraus für die
Familie entstehenden Schäden zu mildern. Bei der Kindererziehung
wird jede echte Mutter dem Staat nur so viel Anteilnahme und
Rechte einräumen, als sie selbst ihre Aufgabe an den Kindern nicht
erfüllen kann. Die meisten Arbeiterinnenschutzgesetze gelten der Frau
in ihrer Bestimmung zur Mutterschaft. Und zur Fürsorge der Mutter
gehört die Fürsorge für das Kind: Bewahrung des heranwachsenden
Geschlechtes vor Verwahrlosung und Ausbeutung, z. B. eingreifendere
Maßregeln, als sie bisher bestanden, um Kinder, die durch Veran-
lagung oder durch schlechten Familieneinfluß körperlich oder seelisch
gefährdet sind, in staatliche Erziehung und Fürsorge zu bringen.
Denn die Kinder sind das kostbarste Volksgut, das für sie angewandte
Kapital wird reiche Zinsen tragen. Ferner sei darauf aufmerksam
gemacht, welche traurigen Erfahrungen die Frauenrechtsschutzstellen,
deren Vorhandensein beweist, daß das bestehende Gesetz den Frauen
nicht genügend Recht zukommen läßt, mit den Zuständen machen, zu
denen unsere jetzigen Ehegesetze sehr häufig führen, die dem Mann
allein das Bestimmungsrecht über die Kinder, das Vermögen und
alle wesentlichen Entschließungen der Frau geben, auch dann, wenn
der Mann nicht der Ernährer der Familie ist (d. h. der Erwerb der
Ehefrau steht nicht unter seiner Verwaltung). Auch der geschiedene,
für schuldig erklärte und seiner sonstigen Elternrechte für verlustig
erklärte Mann behält noch die gerichtliche und sonstige Vertretung
seiner Kinder nach außen. Ein Einschreiten des Vormundschafts-
gerichts gegen den Vater ist nur bei groben Mißständen möglich und
bedingt ein langwieriges Verfahren, während dessen die Kinder unter
Umständen schon schwer gelitten haben können, bevor das Gesetz
ihnen Schutz verschafft. Dagegen kann der Vater sein Kind vor
einer schlechten Mutter ohne weiteres in Sicherheit bringen. Gerade
diese Tatsachen beweisen, wie notwendig eine Reform der Gesetz-
gebung unter dem Einfluß der Frau ist. Sie wird es wünschen, daß
sie eine größere Selbständigkeit als Ehefrau erhält und daß eine
andere Verteilung der Elternrechte vom Standpunkt der Gleichstellung
von Vater und Mutter vorgenommen wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0014" n="14"/>
Herzens unterworfen sein dürfen. Aber soweit der Staat Hinderungen<lb/>
beseitigen und Wege ebnen <hi rendition="#g">kann</hi>, soweit also sein Einfluß zur<lb/>
Vermehrung und Erhaltung der Kinderzahl und zum Schutz der<lb/>
Mütter reicht, muß er jede dienliche Maßregel ergreifen. Die<lb/>
Schreiberin dieser Zeilen hatte sich eine Liste solcher Gebiete aufgestellt,<lb/>
an deren Umgestaltung und Ergänzung das weibliche Geschlecht ein<lb/>
besonderes Jnteresse hat. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, wie<lb/>
fast jeder einzelne Punkt eng mit dem Mutterberuf zusammenhängt und<lb/>
immer wieder auf diese Zentralstelle des Frauendienstes am Volk<lb/>
hinweist. Soweit die Frauen es können, werden sie es versuchen,<lb/>
die Ehefrau und Mutter ihrem Familienberuf ganz oder wenigstens<lb/>
noch teilweise zu erhalten. Da es aber wirtschaftlich unmöglich ist,<lb/>
alle verheirateten Frauen dem außerhäuslichen Erwerbsleben zu ent-<lb/>
ziehen, so muß alles dafür getan werden, um die daraus für die<lb/>
Familie entstehenden Schäden zu mildern. Bei der Kindererziehung<lb/>
wird jede echte Mutter dem Staat nur so viel Anteilnahme und<lb/>
Rechte einräumen, als sie selbst ihre Aufgabe an den Kindern nicht<lb/>
erfüllen kann. Die meisten Arbeiterinnenschutzgesetze gelten der Frau<lb/>
in ihrer Bestimmung zur Mutterschaft. Und zur Fürsorge der Mutter<lb/>
gehört die Fürsorge für das Kind: Bewahrung des heranwachsenden<lb/>
Geschlechtes vor Verwahrlosung und Ausbeutung, z. B. eingreifendere<lb/>
Maßregeln, als sie bisher bestanden, um Kinder, die durch Veran-<lb/>
lagung oder durch schlechten Familieneinfluß körperlich oder seelisch<lb/>
gefährdet sind, in staatliche Erziehung und Fürsorge zu bringen.<lb/>
Denn die Kinder sind das kostbarste Volksgut, das für sie angewandte<lb/>
Kapital wird reiche Zinsen tragen. Ferner sei darauf aufmerksam<lb/>
gemacht, welche traurigen Erfahrungen die Frauenrechtsschutzstellen,<lb/>
deren Vorhandensein beweist, daß das bestehende Gesetz den Frauen<lb/>
nicht genügend Recht zukommen läßt, mit den Zuständen machen, zu<lb/>
denen unsere jetzigen Ehegesetze sehr häufig führen, die dem Mann<lb/>
allein das Bestimmungsrecht über die Kinder, das Vermögen und<lb/>
alle wesentlichen Entschließungen der Frau geben, auch dann, wenn<lb/>
der Mann nicht der Ernährer der Familie ist (d. h. der Erwerb der<lb/>
Ehefrau steht nicht unter seiner Verwaltung). Auch der geschiedene,<lb/>
für schuldig erklärte und seiner sonstigen Elternrechte für verlustig<lb/>
erklärte Mann behält noch die gerichtliche und sonstige Vertretung<lb/>
seiner Kinder nach außen. Ein Einschreiten des Vormundschafts-<lb/>
gerichts gegen den Vater ist nur bei groben Mißständen möglich und<lb/>
bedingt ein langwieriges Verfahren, während dessen die Kinder unter<lb/>
Umständen schon schwer gelitten haben können, bevor das Gesetz<lb/>
ihnen Schutz verschafft. Dagegen kann der Vater sein Kind vor<lb/>
einer schlechten Mutter ohne weiteres in Sicherheit bringen. Gerade<lb/>
diese Tatsachen beweisen, wie notwendig eine Reform der Gesetz-<lb/>
gebung unter dem Einfluß der Frau ist. Sie wird es wünschen, daß<lb/>
sie eine größere Selbständigkeit als Ehefrau erhält und daß eine<lb/>
andere Verteilung der Elternrechte vom Standpunkt der Gleichstellung<lb/>
von Vater und Mutter vorgenommen wird.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0014] Herzens unterworfen sein dürfen. Aber soweit der Staat Hinderungen beseitigen und Wege ebnen kann, soweit also sein Einfluß zur Vermehrung und Erhaltung der Kinderzahl und zum Schutz der Mütter reicht, muß er jede dienliche Maßregel ergreifen. Die Schreiberin dieser Zeilen hatte sich eine Liste solcher Gebiete aufgestellt, an deren Umgestaltung und Ergänzung das weibliche Geschlecht ein besonderes Jnteresse hat. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, wie fast jeder einzelne Punkt eng mit dem Mutterberuf zusammenhängt und immer wieder auf diese Zentralstelle des Frauendienstes am Volk hinweist. Soweit die Frauen es können, werden sie es versuchen, die Ehefrau und Mutter ihrem Familienberuf ganz oder wenigstens noch teilweise zu erhalten. Da es aber wirtschaftlich unmöglich ist, alle verheirateten Frauen dem außerhäuslichen Erwerbsleben zu ent- ziehen, so muß alles dafür getan werden, um die daraus für die Familie entstehenden Schäden zu mildern. Bei der Kindererziehung wird jede echte Mutter dem Staat nur so viel Anteilnahme und Rechte einräumen, als sie selbst ihre Aufgabe an den Kindern nicht erfüllen kann. Die meisten Arbeiterinnenschutzgesetze gelten der Frau in ihrer Bestimmung zur Mutterschaft. Und zur Fürsorge der Mutter gehört die Fürsorge für das Kind: Bewahrung des heranwachsenden Geschlechtes vor Verwahrlosung und Ausbeutung, z. B. eingreifendere Maßregeln, als sie bisher bestanden, um Kinder, die durch Veran- lagung oder durch schlechten Familieneinfluß körperlich oder seelisch gefährdet sind, in staatliche Erziehung und Fürsorge zu bringen. Denn die Kinder sind das kostbarste Volksgut, das für sie angewandte Kapital wird reiche Zinsen tragen. Ferner sei darauf aufmerksam gemacht, welche traurigen Erfahrungen die Frauenrechtsschutzstellen, deren Vorhandensein beweist, daß das bestehende Gesetz den Frauen nicht genügend Recht zukommen läßt, mit den Zuständen machen, zu denen unsere jetzigen Ehegesetze sehr häufig führen, die dem Mann allein das Bestimmungsrecht über die Kinder, das Vermögen und alle wesentlichen Entschließungen der Frau geben, auch dann, wenn der Mann nicht der Ernährer der Familie ist (d. h. der Erwerb der Ehefrau steht nicht unter seiner Verwaltung). Auch der geschiedene, für schuldig erklärte und seiner sonstigen Elternrechte für verlustig erklärte Mann behält noch die gerichtliche und sonstige Vertretung seiner Kinder nach außen. Ein Einschreiten des Vormundschafts- gerichts gegen den Vater ist nur bei groben Mißständen möglich und bedingt ein langwieriges Verfahren, während dessen die Kinder unter Umständen schon schwer gelitten haben können, bevor das Gesetz ihnen Schutz verschafft. Dagegen kann der Vater sein Kind vor einer schlechten Mutter ohne weiteres in Sicherheit bringen. Gerade diese Tatsachen beweisen, wie notwendig eine Reform der Gesetz- gebung unter dem Einfluß der Frau ist. Sie wird es wünschen, daß sie eine größere Selbständigkeit als Ehefrau erhält und daß eine andere Verteilung der Elternrechte vom Standpunkt der Gleichstellung von Vater und Mutter vorgenommen wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/14
Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/14>, abgerufen am 18.04.2024.