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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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ethischen und nationalen Gründen alle Kraft daran gesetzt werden
muß, das Frauenstimmrecht abzuwehren, warum seine Ein-
führung geradezu als ein nationales Unglück anzusehen wäre.

2. Kritik des Frauenstimmrechts.

Wir fragen zunächst: Wie stehen die deutschen Frauen selbst
zu der Forderung des Frauenstimmrechts? - Jn Deutschland ist
zur Zeit die Frauenstimmrechtsbewegung in der Hauptsache noch
auf die am meisten interessierten ledigen Erwerbenden beschränkt,
es ist vor der Hand nur eine sehr geringe Zahl wirklicher Frauen,
der Ehefrauen und Mütter, welche mitmachen. So soll es in
Schleswig-Holstein zur Zeit ganze 170 organi-
sierte Stimmrechtlerinnen geben
. Bei Gelegenheit
einer Vereinsversammlung berichtete eine der Vorstandsdamen
selbst, daß unter den Frauen noch sehr wenig Sinn und Opfer-
freudigkeit für das Stimmrecht bestände. Manche bäten, ihnen
doch das Stimmrechtsblatt nicht durch die Post zuzuschicken, da der
Postbote immer so schlechte Witze mache. - Man sieht, wie sich
unsere Frauen heute der Stimmrechtlerei noch schämen. Aber
derartige Anwandlungen werden, wie die Erfahrung lehrt, schnell
überwunden und bieten keine Gewähr dafür, daß die Frauen nicht durch
die Macht der Suggestion in Kürze zu den in Mode gekommenen
Stimmrechtsforderungen bekehrt werden, wie man das in Amerika
gegenwärtig erlebt; denn es ist bekanntlich nichts so töricht, was
von der Mode nicht in Flor gebracht werden könnte. - Die ledigen
Frauen hoffen zunächst mit Hilfe des Stimmrechts eine noch
sicherere Position im wirtschaftlichen Konkurrenzkampfe zu er-
ringen. Da aber die einseitige Betonung dieser Jnteressen für
sich allein ohne Wirkung bleibt auf den ideal und philosophisch
angelegten Deutschen, so führt man Gründe ethischer und natio-
naler Art für seine Forderungen ins Feld. Man gibt vor, zu
der Erkenntnis gekommen zu sein, daß zur vollen Entfaltung
auch der weiblichen Persönlichkeit eine gleichberechtigte Teil-
nahme am Staatsleben gehöre, und weiter, daß unserem Staats-
leben der Einfluß der Mütterlichkeit dringend notwendig sei. Wir
fragen erstaunt: Waren denn alle die Milliarden deutscher Frauen
und Mütter, deren treuer Arbeit in Haus und Familie das deutsche
Volk seine Kulturblüte zum größten Teile verdankt, etwa keine
vollwertigen Persönlichkeiten? Bestand nicht gerade der höchste Wert
dieser Persönlichkeiten in der bewußten Selbstbeschränkung, mit der
sie sich auf diejenigen Aufgaben zurückzogen, die ihnen als den

ethischen und nationalen Gründen alle Kraft daran gesetzt werden
muß, das Frauenstimmrecht abzuwehren, warum seine Ein-
führung geradezu als ein nationales Unglück anzusehen wäre.

2. Kritik des Frauenstimmrechts.

Wir fragen zunächst: Wie stehen die deutschen Frauen selbst
zu der Forderung des Frauenstimmrechts? – Jn Deutschland ist
zur Zeit die Frauenstimmrechtsbewegung in der Hauptsache noch
auf die am meisten interessierten ledigen Erwerbenden beschränkt,
es ist vor der Hand nur eine sehr geringe Zahl wirklicher Frauen,
der Ehefrauen und Mütter, welche mitmachen. So soll es in
Schleswig-Holstein zur Zeit ganze 170 organi-
sierte Stimmrechtlerinnen geben
. Bei Gelegenheit
einer Vereinsversammlung berichtete eine der Vorstandsdamen
selbst, daß unter den Frauen noch sehr wenig Sinn und Opfer-
freudigkeit für das Stimmrecht bestände. Manche bäten, ihnen
doch das Stimmrechtsblatt nicht durch die Post zuzuschicken, da der
Postbote immer so schlechte Witze mache. – Man sieht, wie sich
unsere Frauen heute der Stimmrechtlerei noch schämen. Aber
derartige Anwandlungen werden, wie die Erfahrung lehrt, schnell
überwunden und bieten keine Gewähr dafür, daß die Frauen nicht durch
die Macht der Suggestion in Kürze zu den in Mode gekommenen
Stimmrechtsforderungen bekehrt werden, wie man das in Amerika
gegenwärtig erlebt; denn es ist bekanntlich nichts so töricht, was
von der Mode nicht in Flor gebracht werden könnte. – Die ledigen
Frauen hoffen zunächst mit Hilfe des Stimmrechts eine noch
sicherere Position im wirtschaftlichen Konkurrenzkampfe zu er-
ringen. Da aber die einseitige Betonung dieser Jnteressen für
sich allein ohne Wirkung bleibt auf den ideal und philosophisch
angelegten Deutschen, so führt man Gründe ethischer und natio-
naler Art für seine Forderungen ins Feld. Man gibt vor, zu
der Erkenntnis gekommen zu sein, daß zur vollen Entfaltung
auch der weiblichen Persönlichkeit eine gleichberechtigte Teil-
nahme am Staatsleben gehöre, und weiter, daß unserem Staats-
leben der Einfluß der Mütterlichkeit dringend notwendig sei. Wir
fragen erstaunt: Waren denn alle die Milliarden deutscher Frauen
und Mütter, deren treuer Arbeit in Haus und Familie das deutsche
Volk seine Kulturblüte zum größten Teile verdankt, etwa keine
vollwertigen Persönlichkeiten? Bestand nicht gerade der höchste Wert
dieser Persönlichkeiten in der bewußten Selbstbeschränkung, mit der
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[13/0013] ethischen und nationalen Gründen alle Kraft daran gesetzt werden muß, das Frauenstimmrecht abzuwehren, warum seine Ein- führung geradezu als ein nationales Unglück anzusehen wäre. 2. Kritik des Frauenstimmrechts. Wir fragen zunächst: Wie stehen die deutschen Frauen selbst zu der Forderung des Frauenstimmrechts? – Jn Deutschland ist zur Zeit die Frauenstimmrechtsbewegung in der Hauptsache noch auf die am meisten interessierten ledigen Erwerbenden beschränkt, es ist vor der Hand nur eine sehr geringe Zahl wirklicher Frauen, der Ehefrauen und Mütter, welche mitmachen. So soll es in Schleswig-Holstein zur Zeit ganze 170 organi- sierte Stimmrechtlerinnen geben. Bei Gelegenheit einer Vereinsversammlung berichtete eine der Vorstandsdamen selbst, daß unter den Frauen noch sehr wenig Sinn und Opfer- freudigkeit für das Stimmrecht bestände. Manche bäten, ihnen doch das Stimmrechtsblatt nicht durch die Post zuzuschicken, da der Postbote immer so schlechte Witze mache. – Man sieht, wie sich unsere Frauen heute der Stimmrechtlerei noch schämen. Aber derartige Anwandlungen werden, wie die Erfahrung lehrt, schnell überwunden und bieten keine Gewähr dafür, daß die Frauen nicht durch die Macht der Suggestion in Kürze zu den in Mode gekommenen Stimmrechtsforderungen bekehrt werden, wie man das in Amerika gegenwärtig erlebt; denn es ist bekanntlich nichts so töricht, was von der Mode nicht in Flor gebracht werden könnte. – Die ledigen Frauen hoffen zunächst mit Hilfe des Stimmrechts eine noch sicherere Position im wirtschaftlichen Konkurrenzkampfe zu er- ringen. Da aber die einseitige Betonung dieser Jnteressen für sich allein ohne Wirkung bleibt auf den ideal und philosophisch angelegten Deutschen, so führt man Gründe ethischer und natio- naler Art für seine Forderungen ins Feld. Man gibt vor, zu der Erkenntnis gekommen zu sein, daß zur vollen Entfaltung auch der weiblichen Persönlichkeit eine gleichberechtigte Teil- nahme am Staatsleben gehöre, und weiter, daß unserem Staats- leben der Einfluß der Mütterlichkeit dringend notwendig sei. Wir fragen erstaunt: Waren denn alle die Milliarden deutscher Frauen und Mütter, deren treuer Arbeit in Haus und Familie das deutsche Volk seine Kulturblüte zum größten Teile verdankt, etwa keine vollwertigen Persönlichkeiten? Bestand nicht gerade der höchste Wert dieser Persönlichkeiten in der bewußten Selbstbeschränkung, mit der sie sich auf diejenigen Aufgaben zurückzogen, die ihnen als den

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-02-05T14:39:49Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-02-05T14:39:49Z)

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/13>, abgerufen am 19.04.2024.