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Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4).

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Stellung der Partei bei Gelegenheit der Stimmrechtsdebatte im
Landtage. Der Abg. Hausmann erklärte, daß die Wahlrechts-
frage der Frau in absehbarer Zeit aktuell werden könne, aber
er bestritt, daß der Zeitpunkt schon da sei, an sie heranzutreten. Re-
sultat: Man richtet sich auf alle Möglichkeiten ein und dokumen-
tiert sich so als verschämten guten Freund einer schlechten Sache.

Was am wunderbarsten anmutet, ist, daß die Parteiführer so
mangelhaft unterrichtet sind, daß sie durch das Vergrößerungsglas
der feministischen Presse eine ungeheure Macht im bürgerlichen
Frauenstimmrechtslager zu erblicken glauben, von der die Parteien
neues Heil zu erwarten hätten, während das ganze Häufchen zur
Zeit 10000 Frauen zählt. Allerdings verfügen diese über die
Lungenkräfte von Millionen und sind bei weiterem Wachstum
imstande, die ganze norddeutsche nationalliberale Wählerschaft zu
zersprengen. Es sind nicht die Freunde der Volkspartei, die ihr
die weiblichen Mitglieder gönnen und wünschen; die zersetzende
Wirkung kann nicht ausbleiben. Die sämtlichen bürgerlichen
Parteien außer etwa der Zentrumspartei werden von dem
Techtelmechtel keinerlei Vorteil haben, die Gewinnenden sind allein
die Rechtlerinnen, die Sozialdemokraten und die Zentrumsleute.

Das Zentrum müßte seiner ganzen Natur und Weltanschau-
ung nach als eine auf eine feste Autorität sich stützende Partei der
entschiedenste Gegner aller Frauenemanzipation sein. Die der
atheistischen Sozialdemokratie entspringenden frauenrechtlerischen
Tendenzen richten sich allein auf das diesseitige Glück des Jndi-
viduums und insonderheit einer möglichst großen Zahl weiblicher
Jndividuen, auf ein "Glück", das besonders in wirtschaftlicher und
persönlicher Unabhängigkeit gesehen wird. Solche Bestrebungen
stehen im schroffsten Gegensatz zu der katholisch-christlichen Welt-
anschauung, welche das diesseitige Leben nur als einen Durch-
gang zu dem Frieden des Jenseits betrachtet und strenge Pflicht-
erfüllung und Unterordnung unter göttliche und menschliche Auto-
rität und Geringachtung irdischen Wohllebens von ihren An-
hängern erwartet. Und von keiner Seite droht dieser Welt-
anschauung eine größere Gefahr als von der radikalen Frauen-
bewegung, die den christlichen Familiengeist verdirbt und die
väterliche und damit die priesterliche und göttliche Autorität unter-
gräbt. - Aber das Zentrum ist eine politische Partei, und als
solche rechnet es mit allen realen Möglichkeiten. Jedenfalls hat es
den seit 1908 auftauchenden Gedanken, die Frauen zur Mitarbeit
in der Politik heranzuziehen, mit Feuereifer aufgegriffen, und die
hohen geistlichen Würdenträger werden in ihren öffentlichen
Aeußerungen über die politische Frauenbewegung immer liebens-

Stellung der Partei bei Gelegenheit der Stimmrechtsdebatte im
Landtage. Der Abg. Hausmann erklärte, daß die Wahlrechts-
frage der Frau in absehbarer Zeit aktuell werden könne, aber
er bestritt, daß der Zeitpunkt schon da sei, an sie heranzutreten. Re-
sultat: Man richtet sich auf alle Möglichkeiten ein und dokumen-
tiert sich so als verschämten guten Freund einer schlechten Sache.

Was am wunderbarsten anmutet, ist, daß die Parteiführer so
mangelhaft unterrichtet sind, daß sie durch das Vergrößerungsglas
der feministischen Presse eine ungeheure Macht im bürgerlichen
Frauenstimmrechtslager zu erblicken glauben, von der die Parteien
neues Heil zu erwarten hätten, während das ganze Häufchen zur
Zeit 10000 Frauen zählt. Allerdings verfügen diese über die
Lungenkräfte von Millionen und sind bei weiterem Wachstum
imstande, die ganze norddeutsche nationalliberale Wählerschaft zu
zersprengen. Es sind nicht die Freunde der Volkspartei, die ihr
die weiblichen Mitglieder gönnen und wünschen; die zersetzende
Wirkung kann nicht ausbleiben. Die sämtlichen bürgerlichen
Parteien außer etwa der Zentrumspartei werden von dem
Techtelmechtel keinerlei Vorteil haben, die Gewinnenden sind allein
die Rechtlerinnen, die Sozialdemokraten und die Zentrumsleute.

Das Zentrum müßte seiner ganzen Natur und Weltanschau-
ung nach als eine auf eine feste Autorität sich stützende Partei der
entschiedenste Gegner aller Frauenemanzipation sein. Die der
atheistischen Sozialdemokratie entspringenden frauenrechtlerischen
Tendenzen richten sich allein auf das diesseitige Glück des Jndi-
viduums und insonderheit einer möglichst großen Zahl weiblicher
Jndividuen, auf ein „Glück“, das besonders in wirtschaftlicher und
persönlicher Unabhängigkeit gesehen wird. Solche Bestrebungen
stehen im schroffsten Gegensatz zu der katholisch-christlichen Welt-
anschauung, welche das diesseitige Leben nur als einen Durch-
gang zu dem Frieden des Jenseits betrachtet und strenge Pflicht-
erfüllung und Unterordnung unter göttliche und menschliche Auto-
rität und Geringachtung irdischen Wohllebens von ihren An-
hängern erwartet. Und von keiner Seite droht dieser Welt-
anschauung eine größere Gefahr als von der radikalen Frauen-
bewegung, die den christlichen Familiengeist verdirbt und die
väterliche und damit die priesterliche und göttliche Autorität unter-
gräbt. – Aber das Zentrum ist eine politische Partei, und als
solche rechnet es mit allen realen Möglichkeiten. Jedenfalls hat es
den seit 1908 auftauchenden Gedanken, die Frauen zur Mitarbeit
in der Politik heranzuziehen, mit Feuereifer aufgegriffen, und die
hohen geistlichen Würdenträger werden in ihren öffentlichen
Aeußerungen über die politische Frauenbewegung immer liebens-

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[8/0008] Stellung der Partei bei Gelegenheit der Stimmrechtsdebatte im Landtage. Der Abg. Hausmann erklärte, daß die Wahlrechts- frage der Frau in absehbarer Zeit aktuell werden könne, aber er bestritt, daß der Zeitpunkt schon da sei, an sie heranzutreten. Re- sultat: Man richtet sich auf alle Möglichkeiten ein und dokumen- tiert sich so als verschämten guten Freund einer schlechten Sache. Was am wunderbarsten anmutet, ist, daß die Parteiführer so mangelhaft unterrichtet sind, daß sie durch das Vergrößerungsglas der feministischen Presse eine ungeheure Macht im bürgerlichen Frauenstimmrechtslager zu erblicken glauben, von der die Parteien neues Heil zu erwarten hätten, während das ganze Häufchen zur Zeit 10000 Frauen zählt. Allerdings verfügen diese über die Lungenkräfte von Millionen und sind bei weiterem Wachstum imstande, die ganze norddeutsche nationalliberale Wählerschaft zu zersprengen. Es sind nicht die Freunde der Volkspartei, die ihr die weiblichen Mitglieder gönnen und wünschen; die zersetzende Wirkung kann nicht ausbleiben. Die sämtlichen bürgerlichen Parteien außer etwa der Zentrumspartei werden von dem Techtelmechtel keinerlei Vorteil haben, die Gewinnenden sind allein die Rechtlerinnen, die Sozialdemokraten und die Zentrumsleute. Das Zentrum müßte seiner ganzen Natur und Weltanschau- ung nach als eine auf eine feste Autorität sich stützende Partei der entschiedenste Gegner aller Frauenemanzipation sein. Die der atheistischen Sozialdemokratie entspringenden frauenrechtlerischen Tendenzen richten sich allein auf das diesseitige Glück des Jndi- viduums und insonderheit einer möglichst großen Zahl weiblicher Jndividuen, auf ein „Glück“, das besonders in wirtschaftlicher und persönlicher Unabhängigkeit gesehen wird. Solche Bestrebungen stehen im schroffsten Gegensatz zu der katholisch-christlichen Welt- anschauung, welche das diesseitige Leben nur als einen Durch- gang zu dem Frieden des Jenseits betrachtet und strenge Pflicht- erfüllung und Unterordnung unter göttliche und menschliche Auto- rität und Geringachtung irdischen Wohllebens von ihren An- hängern erwartet. Und von keiner Seite droht dieser Welt- anschauung eine größere Gefahr als von der radikalen Frauen- bewegung, die den christlichen Familiengeist verdirbt und die väterliche und damit die priesterliche und göttliche Autorität unter- gräbt. – Aber das Zentrum ist eine politische Partei, und als solche rechnet es mit allen realen Möglichkeiten. Jedenfalls hat es den seit 1908 auftauchenden Gedanken, die Frauen zur Mitarbeit in der Politik heranzuziehen, mit Feuereifer aufgegriffen, und die hohen geistlichen Würdenträger werden in ihren öffentlichen Aeußerungen über die politische Frauenbewegung immer liebens-

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Zitationshilfe: Langemann, Ludwig: Das Frauenstimmrecht und seine Bekämpfung. Berlin, [1913] (= Schriften des Deutschen Bundes zur Bekämpfung der Frauenemanzipation, Bd. 4), S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/langemann_frauenstimmrecht_1913/8>, abgerufen am 24.04.2024.