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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
Bestimmtheit, woher der Kohlenstoff und Wasserstoff stammt,
denn mit der Dauer des Hungers sehen wir den Kohlenstoff
und Wasserstoff des Körpers sich vermindern.

Die erste Wirkung des Hungers ist ein Verschwinden des
Fettes; dieses Fett ist weder in den sparsamen Faeces, noch
im Urin nachweisbar, sein Kohlenstoff und Wasserstoff sind
durch Haut und Lunge in der Form von Sauerstoffverbin-
dungen ausgetreten; es ist klar, diese Bestandtheile haben zur
Respiration gedient.

Jeden Tag treten 65 Loth Sauerstoff ein und nehmen
beim Austreten einen Theil von dem Körper des Hungernden
mit. (Currie sah einen Kranken, der nicht schlingen konnte,
während eines Monates über 100 Pfd. an seinem Gewichte
verlieren, und ein fettes Schwein, was durch einen Berg-
sturz verschüttet wurde, lebte 160 Tage ohne Nahrung, und
hatte über 120 Pfd. am Gewichte verloren. (Martell in
den Transactions of the Linnean Soc. Vol. XI. p. 411.)
Das Verhalten der Winterschläfer, so wie die periodenweise
Ansammlung von Fett bei andern Thieren, von Fett, was in
andern Perioden ihres Lebens wieder verschwindet, ohne eine
Spur zu hinterlassen, alle diese wohlbekannten Thatsachen
beweisen, daß der Sauerstoff in dem Respirationsproceß keine
Auswahl unter den Stoffen trifft, die sich zu einer Verbin-
dung mit ihm eignen. Der Sauerstoff verbindet sich mit
allem, was ihm dargeboten wird, und nur Mangel an Wasser-
stoff ist der Grund, warum sich überhaupt Kohlensäure bil-
det, eben weil bei der Temperatur des Körpers die Ver-

Der chemiſche Proceß der
Beſtimmtheit, woher der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ſtammt,
denn mit der Dauer des Hungers ſehen wir den Kohlenſtoff
und Waſſerſtoff des Körpers ſich vermindern.

Die erſte Wirkung des Hungers iſt ein Verſchwinden des
Fettes; dieſes Fett iſt weder in den ſparſamen Faeces, noch
im Urin nachweisbar, ſein Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ſind
durch Haut und Lunge in der Form von Sauerſtoffverbin-
dungen ausgetreten; es iſt klar, dieſe Beſtandtheile haben zur
Reſpiration gedient.

Jeden Tag treten 65 Loth Sauerſtoff ein und nehmen
beim Austreten einen Theil von dem Körper des Hungernden
mit. (Currie ſah einen Kranken, der nicht ſchlingen konnte,
während eines Monates über 100 Pfd. an ſeinem Gewichte
verlieren, und ein fettes Schwein, was durch einen Berg-
ſturz verſchüttet wurde, lebte 160 Tage ohne Nahrung, und
hatte über 120 Pfd. am Gewichte verloren. (Martell in
den Transactions of the Linnéan Soc. Vol. XI. p. 411.)
Das Verhalten der Winterſchläfer, ſo wie die periodenweiſe
Anſammlung von Fett bei andern Thieren, von Fett, was in
andern Perioden ihres Lebens wieder verſchwindet, ohne eine
Spur zu hinterlaſſen, alle dieſe wohlbekannten Thatſachen
beweiſen, daß der Sauerſtoff in dem Reſpirationsproceß keine
Auswahl unter den Stoffen trifft, die ſich zu einer Verbin-
dung mit ihm eignen. Der Sauerſtoff verbindet ſich mit
allem, was ihm dargeboten wird, und nur Mangel an Waſſer-
ſtoff iſt der Grund, warum ſich überhaupt Kohlenſäure bil-
det, eben weil bei der Temperatur des Körpers die Ver-

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[26/0050] Der chemiſche Proceß der Beſtimmtheit, woher der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ſtammt, denn mit der Dauer des Hungers ſehen wir den Kohlenſtoff und Waſſerſtoff des Körpers ſich vermindern. Die erſte Wirkung des Hungers iſt ein Verſchwinden des Fettes; dieſes Fett iſt weder in den ſparſamen Faeces, noch im Urin nachweisbar, ſein Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ſind durch Haut und Lunge in der Form von Sauerſtoffverbin- dungen ausgetreten; es iſt klar, dieſe Beſtandtheile haben zur Reſpiration gedient. Jeden Tag treten 65 Loth Sauerſtoff ein und nehmen beim Austreten einen Theil von dem Körper des Hungernden mit. (Currie ſah einen Kranken, der nicht ſchlingen konnte, während eines Monates über 100 Pfd. an ſeinem Gewichte verlieren, und ein fettes Schwein, was durch einen Berg- ſturz verſchüttet wurde, lebte 160 Tage ohne Nahrung, und hatte über 120 Pfd. am Gewichte verloren. (Martell in den Transactions of the Linnéan Soc. Vol. XI. p. 411.) Das Verhalten der Winterſchläfer, ſo wie die periodenweiſe Anſammlung von Fett bei andern Thieren, von Fett, was in andern Perioden ihres Lebens wieder verſchwindet, ohne eine Spur zu hinterlaſſen, alle dieſe wohlbekannten Thatſachen beweiſen, daß der Sauerſtoff in dem Reſpirationsproceß keine Auswahl unter den Stoffen trifft, die ſich zu einer Verbin- dung mit ihm eignen. Der Sauerſtoff verbindet ſich mit allem, was ihm dargeboten wird, und nur Mangel an Waſſer- ſtoff iſt der Grund, warum ſich überhaupt Kohlenſäure bil- det, eben weil bei der Temperatur des Körpers die Ver-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/50>, abgerufen am 16.04.2024.