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Lindemann, Anna: Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Leipzig und Berlin, 1913.

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Weitere Arbeitsgebiete. Zeitschrift
Neben dem politischen Wahlrecht wird besondere Aufmerksamkeit dem
Gemeindewahlrecht geschenkt, das nicht nur als nächstes Ziel, sondern auch
als Schulung der Frauen für ein Verständnis späterer weitergehender
politischer Pflichten Bedeutung hat. Einen wichtigen Faktor bei dieser
Arbeit bildet die Arbeit unter den jetzt schon ein Wahlrecht besitzenden
Frauen in manchen Bundesstaaten, über die später bei der Arbeit ande-
rer Vereine mehr zu sagen sein wird. Auch für das kirchliche Wahlrecht,
für die Ausdehnung und die richtige Benützung der Frauenrechte in den
verschiedenen Jnteressenvertretungen wird überall gearbeitet. Allein
oder mit anderen Frauenvereinen treten die Stimmrechtsvereine auch
für alle anderen Forderungen der Frauenbewegung ein, wo und wann
die Gelegenheit es fordert. So dokumentieren sie sinnfällig die Tatsache,
daß die Stimmrechtsbewegung zwar notwendigerweise ihrer Organi-
sation aber nicht eigentlich ihrem Wesen nach eine gesonderte Bewegung
neben anderen in der Frauenbewegung ist; geboren aus der ganzen Not
der Frau, getragen von ihrem ganzen Streben nach innerer und äußerer
Freiheit, fördert sie mit jedem Schritt vorwärts, ihrem eigenen Ziele
zu, die ganze Frauenbewegung, schafft ihr mehr Licht und Luft, gibt
ihr einen festeren Boden unter die Füße.

Auch die Schulung der Frauen für die erstrebten Rechte lassen sich
die Vereine überall angelegen sein. Jn meist ausgezeichnet besuchten
Kursen werden Bürgerkunde, Volkswirtschaftslehre, Programme und Ge-
schichte der politischen Parteien, kommunale Einrichtungen usw. von
Sachverständigen behandelt. Jm Sommer 1911 veranstaltete der Säch-
sische Landesverein bei Gelegenheit der Jnternationalen Hygieneaus-
stellung eine ausgezeichnet besuchte Konferenz über Hygiene und Frauen-
stimmrecht, deren Erfolg darauf hinweist, solche Gelegenheiten in Zu-
kunft in größerem Umfange zur Propaganda zu benützen.

Durch Arbeitspläne für die verschiedenen Gebiete, Gemeinde-,
Krankenkassen-, Handelskammerwahlen usw. unterstützt der Verbands-
vorstand diese Arbeiten. Er sorgt für Flugblätter, Broschüren, Propa-
gandamittel, er wendet sich an die politischen Parteien bei jeder Ge-
legenheit, bei der eine Förderung der Frauensache möglich erscheint.
Durch Anschreiben an alle Landes- und Ortsvereine sucht er ein mög-
lichst zweckdienliches und einheitliches Vorgehen der einzelnen Organi-
sationen bei großen Fragen, wie z. B. der Reichsfinanzreform, der
Reichsversicherungsordnung, der Lebensmittelteuerung des letzten Jah-
res, den Reichstagswahlen usf. zu erreichen, Organ des Verbandes war
seit feiner Gründung bis zum Herbst 1901 die "Frauenbewegung", dann
die "Zeitschrift für Frauenstimmrecht", zu der Anfang 1907 die frühere

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Weitere Arbeitsgebiete. Zeitschrift
Neben dem politischen Wahlrecht wird besondere Aufmerksamkeit dem
Gemeindewahlrecht geschenkt, das nicht nur als nächstes Ziel, sondern auch
als Schulung der Frauen für ein Verständnis späterer weitergehender
politischer Pflichten Bedeutung hat. Einen wichtigen Faktor bei dieser
Arbeit bildet die Arbeit unter den jetzt schon ein Wahlrecht besitzenden
Frauen in manchen Bundesstaaten, über die später bei der Arbeit ande-
rer Vereine mehr zu sagen sein wird. Auch für das kirchliche Wahlrecht,
für die Ausdehnung und die richtige Benützung der Frauenrechte in den
verschiedenen Jnteressenvertretungen wird überall gearbeitet. Allein
oder mit anderen Frauenvereinen treten die Stimmrechtsvereine auch
für alle anderen Forderungen der Frauenbewegung ein, wo und wann
die Gelegenheit es fordert. So dokumentieren sie sinnfällig die Tatsache,
daß die Stimmrechtsbewegung zwar notwendigerweise ihrer Organi-
sation aber nicht eigentlich ihrem Wesen nach eine gesonderte Bewegung
neben anderen in der Frauenbewegung ist; geboren aus der ganzen Not
der Frau, getragen von ihrem ganzen Streben nach innerer und äußerer
Freiheit, fördert sie mit jedem Schritt vorwärts, ihrem eigenen Ziele
zu, die ganze Frauenbewegung, schafft ihr mehr Licht und Luft, gibt
ihr einen festeren Boden unter die Füße.

Auch die Schulung der Frauen für die erstrebten Rechte lassen sich
die Vereine überall angelegen sein. Jn meist ausgezeichnet besuchten
Kursen werden Bürgerkunde, Volkswirtschaftslehre, Programme und Ge-
schichte der politischen Parteien, kommunale Einrichtungen usw. von
Sachverständigen behandelt. Jm Sommer 1911 veranstaltete der Säch-
sische Landesverein bei Gelegenheit der Jnternationalen Hygieneaus-
stellung eine ausgezeichnet besuchte Konferenz über Hygiene und Frauen-
stimmrecht, deren Erfolg darauf hinweist, solche Gelegenheiten in Zu-
kunft in größerem Umfange zur Propaganda zu benützen.

Durch Arbeitspläne für die verschiedenen Gebiete, Gemeinde-,
Krankenkassen-, Handelskammerwahlen usw. unterstützt der Verbands-
vorstand diese Arbeiten. Er sorgt für Flugblätter, Broschüren, Propa-
gandamittel, er wendet sich an die politischen Parteien bei jeder Ge-
legenheit, bei der eine Förderung der Frauensache möglich erscheint.
Durch Anschreiben an alle Landes- und Ortsvereine sucht er ein mög-
lichst zweckdienliches und einheitliches Vorgehen der einzelnen Organi-
sationen bei großen Fragen, wie z. B. der Reichsfinanzreform, der
Reichsversicherungsordnung, der Lebensmittelteuerung des letzten Jah-
res, den Reichstagswahlen usf. zu erreichen, Organ des Verbandes war
seit feiner Gründung bis zum Herbst 1901 die „Frauenbewegung“, dann
die „Zeitschrift für Frauenstimmrecht“, zu der Anfang 1907 die frühere

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[163/0006] Weitere Arbeitsgebiete. Zeitschrift Neben dem politischen Wahlrecht wird besondere Aufmerksamkeit dem Gemeindewahlrecht geschenkt, das nicht nur als nächstes Ziel, sondern auch als Schulung der Frauen für ein Verständnis späterer weitergehender politischer Pflichten Bedeutung hat. Einen wichtigen Faktor bei dieser Arbeit bildet die Arbeit unter den jetzt schon ein Wahlrecht besitzenden Frauen in manchen Bundesstaaten, über die später bei der Arbeit ande- rer Vereine mehr zu sagen sein wird. Auch für das kirchliche Wahlrecht, für die Ausdehnung und die richtige Benützung der Frauenrechte in den verschiedenen Jnteressenvertretungen wird überall gearbeitet. Allein oder mit anderen Frauenvereinen treten die Stimmrechtsvereine auch für alle anderen Forderungen der Frauenbewegung ein, wo und wann die Gelegenheit es fordert. So dokumentieren sie sinnfällig die Tatsache, daß die Stimmrechtsbewegung zwar notwendigerweise ihrer Organi- sation aber nicht eigentlich ihrem Wesen nach eine gesonderte Bewegung neben anderen in der Frauenbewegung ist; geboren aus der ganzen Not der Frau, getragen von ihrem ganzen Streben nach innerer und äußerer Freiheit, fördert sie mit jedem Schritt vorwärts, ihrem eigenen Ziele zu, die ganze Frauenbewegung, schafft ihr mehr Licht und Luft, gibt ihr einen festeren Boden unter die Füße. Auch die Schulung der Frauen für die erstrebten Rechte lassen sich die Vereine überall angelegen sein. Jn meist ausgezeichnet besuchten Kursen werden Bürgerkunde, Volkswirtschaftslehre, Programme und Ge- schichte der politischen Parteien, kommunale Einrichtungen usw. von Sachverständigen behandelt. Jm Sommer 1911 veranstaltete der Säch- sische Landesverein bei Gelegenheit der Jnternationalen Hygieneaus- stellung eine ausgezeichnet besuchte Konferenz über Hygiene und Frauen- stimmrecht, deren Erfolg darauf hinweist, solche Gelegenheiten in Zu- kunft in größerem Umfange zur Propaganda zu benützen. Durch Arbeitspläne für die verschiedenen Gebiete, Gemeinde-, Krankenkassen-, Handelskammerwahlen usw. unterstützt der Verbands- vorstand diese Arbeiten. Er sorgt für Flugblätter, Broschüren, Propa- gandamittel, er wendet sich an die politischen Parteien bei jeder Ge- legenheit, bei der eine Förderung der Frauensache möglich erscheint. Durch Anschreiben an alle Landes- und Ortsvereine sucht er ein mög- lichst zweckdienliches und einheitliches Vorgehen der einzelnen Organi- sationen bei großen Fragen, wie z. B. der Reichsfinanzreform, der Reichsversicherungsordnung, der Lebensmittelteuerung des letzten Jah- res, den Reichstagswahlen usf. zu erreichen, Organ des Verbandes war seit feiner Gründung bis zum Herbst 1901 die „Frauenbewegung“, dann die „Zeitschrift für Frauenstimmrecht“, zu der Anfang 1907 die frühere 11*

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-01-26T16:17:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-01-26T16:17:50Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Lindemann, Anna: Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland. Leipzig und Berlin, 1913, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lindemann_frauenstimmrechtsbewegung_1913/6>, abgerufen am 28.03.2024.