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Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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her geredet zwischen ihnen, was jenes Paar betraf, das wir dem dunklen Walde, der dunklen Wetterwolke und seinem dunklen Schicksale entgegengehen sehen.

Weiter und weiter dehnte sich bei dem raschen Schritte des jungen Landmannes die Entfernung zwischen den Beiden, aus und bald -- das ließ sich leicht berechnen -- wußte der Wald, in den der Weg einbog, die stattliche Gestalt den Augen der Rose-Marie entziehen, die sich mit bald mehr, bald minder feindlichem Ausdruck, aber doch fort und fort auf dieselbe hefteten.

Es war keine neue Geschichte, die Geschichte dieser Beiden. Sie hatten dem Sturme getrotzt und sein Brüllen verachtet, und nun, da es stille geworden war um sie und sie sich wiegten in glückseliger Sicherheit -- nun lauschten sie dem Flüstern der Schlange, die heute noch, wie zu Adam's Zeiten, jedes junge Menschenparadies umschleicht. Und der Feind von außen hatte leichtes Spiel, da ihm die Feinde von innen, die da sind der Stolz, der Trotz, die falsche Scham und die Verblendung, so geschickt entgegenarbeiteten. Das kluge Bärbele konnte sich in Manchem täuschen, in der Hauptsache hatte sie Recht, sehr Recht: es war so weit gekommen mit den Beiden, und jener Weg, auf dem sie sich noch einmal, wie von Gott gefügt, begegnet waren, ohne diese Gottesfügung zu verstehen oder verstehen zu wollen, es war der Weg zum Gerichte, wo Menschenspruch das Band lösen sollte, das der Himmel geknüpft hatte.

her geredet zwischen ihnen, was jenes Paar betraf, das wir dem dunklen Walde, der dunklen Wetterwolke und seinem dunklen Schicksale entgegengehen sehen.

Weiter und weiter dehnte sich bei dem raschen Schritte des jungen Landmannes die Entfernung zwischen den Beiden, aus und bald — das ließ sich leicht berechnen — wußte der Wald, in den der Weg einbog, die stattliche Gestalt den Augen der Rose-Marie entziehen, die sich mit bald mehr, bald minder feindlichem Ausdruck, aber doch fort und fort auf dieselbe hefteten.

Es war keine neue Geschichte, die Geschichte dieser Beiden. Sie hatten dem Sturme getrotzt und sein Brüllen verachtet, und nun, da es stille geworden war um sie und sie sich wiegten in glückseliger Sicherheit — nun lauschten sie dem Flüstern der Schlange, die heute noch, wie zu Adam's Zeiten, jedes junge Menschenparadies umschleicht. Und der Feind von außen hatte leichtes Spiel, da ihm die Feinde von innen, die da sind der Stolz, der Trotz, die falsche Scham und die Verblendung, so geschickt entgegenarbeiteten. Das kluge Bärbele konnte sich in Manchem täuschen, in der Hauptsache hatte sie Recht, sehr Recht: es war so weit gekommen mit den Beiden, und jener Weg, auf dem sie sich noch einmal, wie von Gott gefügt, begegnet waren, ohne diese Gottesfügung zu verstehen oder verstehen zu wollen, es war der Weg zum Gerichte, wo Menschenspruch das Band lösen sollte, das der Himmel geknüpft hatte.

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[0018] her geredet zwischen ihnen, was jenes Paar betraf, das wir dem dunklen Walde, der dunklen Wetterwolke und seinem dunklen Schicksale entgegengehen sehen. Weiter und weiter dehnte sich bei dem raschen Schritte des jungen Landmannes die Entfernung zwischen den Beiden, aus und bald — das ließ sich leicht berechnen — wußte der Wald, in den der Weg einbog, die stattliche Gestalt den Augen der Rose-Marie entziehen, die sich mit bald mehr, bald minder feindlichem Ausdruck, aber doch fort und fort auf dieselbe hefteten. Es war keine neue Geschichte, die Geschichte dieser Beiden. Sie hatten dem Sturme getrotzt und sein Brüllen verachtet, und nun, da es stille geworden war um sie und sie sich wiegten in glückseliger Sicherheit — nun lauschten sie dem Flüstern der Schlange, die heute noch, wie zu Adam's Zeiten, jedes junge Menschenparadies umschleicht. Und der Feind von außen hatte leichtes Spiel, da ihm die Feinde von innen, die da sind der Stolz, der Trotz, die falsche Scham und die Verblendung, so geschickt entgegenarbeiteten. Das kluge Bärbele konnte sich in Manchem täuschen, in der Hauptsache hatte sie Recht, sehr Recht: es war so weit gekommen mit den Beiden, und jener Weg, auf dem sie sich noch einmal, wie von Gott gefügt, begegnet waren, ohne diese Gottesfügung zu verstehen oder verstehen zu wollen, es war der Weg zum Gerichte, wo Menschenspruch das Band lösen sollte, das der Himmel geknüpft hatte.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:36:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:36:23Z)

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Zitationshilfe: Ludwig, Julie: Das Gericht im Walde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [237]–288. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_gericht_1910/18>, abgerufen am 29.03.2024.