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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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würden wir einen christlichen Tyrannen, wie
Philipp II. nicht mit einem Montezuma ver-
tauschen wollen.


Zum ganzen Ton der Befehle und deren be-
schränkten oder gränzenlosen Umfang, zum Ge-
horchen vom Besinnen an: Ob mans thun wol-
le
?
bis zum augenblicklichen Verstummen und
Unterwerfung, trägt freilich die Verschiedenheit
der Regierungsformen und besondern Landes-
verfassung vieles, wiewohl nicht alles, bey.

Zu den Zeiten der ersten Cäsars ward den
vornehmsten Römern ein Centurio ins Haus ge-
schickt, mit dem Befehl, zu sterben. Zur Di-
stinction ward manchmal die Wahl zwischen
Gift, Dolch oder Oefnung der Adern gelassen.
Der Befehligte stand von Tisch oder Bett auf,
machte eilends, wann er durfte, sein Testament,
nahm Abschied von seiner Familie, und der
kaiserliche Commissarius wartete so lang, biss
die geschwinde Operation vorüber war. So
floss das edelste Blut auf den blossen Wink ei-
nes Tyrannen; hingegen starb von Zwölfen
nicht Einer des natürlichen Todes.

Man denkt und spricht mit Schaudern an die
seidenen Stricke das Orients; der Bassa em-

würden wir einen christlichen Tyrannen, wie
Philipp II. nicht mit einem Montezuma ver-
tauschen wollen.


Zum ganzen Ton der Befehle und deren be-
schränkten oder gränzenlosen Umfang, zum Ge-
horchen vom Besinnen an: Ob mans thun wol-
le
?
bis zum augenblicklichen Verstummen und
Unterwerfung, trägt freilich die Verschiedenheit
der Regierungsformen und besondern Landes-
verfassung vieles, wiewohl nicht alles, bey.

Zu den Zeiten der ersten Cäsars ward den
vornehmsten Römern ein Centurio ins Haus ge-
schickt, mit dem Befehl, zu sterben. Zur Di-
stinction ward manchmal die Wahl zwischen
Gift, Dolch oder Oefnung der Adern gelassen.
Der Befehligte stand von Tisch oder Bett auf,
machte eilends, wann er durfte, sein Testament,
nahm Abschied von seiner Familie, und der
kaiserliche Commissarius wartete so lang, biſs
die geschwinde Operation vorüber war. So
floſs das edelste Blut auf den bloſsen Wink ei-
nes Tyrannen; hingegen starb von Zwölfen
nicht Einer des natürlichen Todes.

Man denkt und spricht mit Schaudern an die
seidenen Stricke das Orients; der Bassa em-

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[28/0034] würden wir einen christlichen Tyrannen, wie Philipp II. nicht mit einem Montezuma ver- tauschen wollen. Zum ganzen Ton der Befehle und deren be- schränkten oder gränzenlosen Umfang, zum Ge- horchen vom Besinnen an: Ob mans thun wol- le? bis zum augenblicklichen Verstummen und Unterwerfung, trägt freilich die Verschiedenheit der Regierungsformen und besondern Landes- verfassung vieles, wiewohl nicht alles, bey. Zu den Zeiten der ersten Cäsars ward den vornehmsten Römern ein Centurio ins Haus ge- schickt, mit dem Befehl, zu sterben. Zur Di- stinction ward manchmal die Wahl zwischen Gift, Dolch oder Oefnung der Adern gelassen. Der Befehligte stand von Tisch oder Bett auf, machte eilends, wann er durfte, sein Testament, nahm Abschied von seiner Familie, und der kaiserliche Commissarius wartete so lang, biſs die geschwinde Operation vorüber war. So floſs das edelste Blut auf den bloſsen Wink ei- nes Tyrannen; hingegen starb von Zwölfen nicht Einer des natürlichen Todes. Man denkt und spricht mit Schaudern an die seidenen Stricke das Orients; der Bassa em-

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/34>, abgerufen am 25.04.2024.