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Der Arbeitgeber. Nr. 668. Frankfurt a. M., 18. Februar 1870.

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Der "Arbeitgeber" erscheint
wöchentlich,
die "Patentliste" monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
Raum 6 kr. Der Betrag wird
durch Postnachnahme erhoben.
Kleine Beträge können durch
Briefmarken ausgeglichen
werden.
Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

[Spaltenumbruch]
Der
Arbeitgeber.

Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.

[Spaltenumbruch]

Bestellungen werden von allen
Postämtern u. Buchhandlun-
gen, von letzteren auch Jnse-
rate
jederzeit angenommen.
Briefe werden franco erbeten.
Das Patent= u. Maschinen-
Geschäft des "Arbeitgeber"
übernimmt die Ausführung
neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
schinen aller Art, es besorgt
Patente für alle Länder und
übernimmt deren Ver-
werthung.



[Ende Spaltensatz]
Nro 668.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 18. Februar
1870.


[Beginn Spaltensatz]
Die Geschäftslage.

Wie der "Economist" berichtet geht das Geschäft in dem
Baumwolldistrikt Lancashire wieder besser. Der Rohstoff ist bil-
liger geworden und die Preise der Fabrikate haben angezogen. Was
ist die Ursache der augenscheinlich besseren Lage in Lancashire?
Woher kommt die vermehrte Frage nach Lancashire=Fabrikaten? Darauf
gibt es nur Eine Antwort: daß wir endlich die Wohlthat billiger
Lebensmittel und verhältnißmäßig billiger Kleidung fühlen. Werden
Lebensmittel theuerer, so wird das Volk ärmer, werden sie billiger,
so kommt die Wohlfahrt wieder.

Dieses allgemeine Gesetz ist eine nothwendige Folgerung aus
der Lehre von der Arbeitstheilung. Da alle Jndustrien von dem
Austausch ihrer Produkte unter einander abhängen, so kann man
nicht eine große Jndustrie beschädigen ohne zugleich auch den anderen
Nachtheile zuzufügen. Zuerst geht Ein Gewerbszweig schlecht, dann
ein anderer und ein dritter, bis jeder Zweig der Jndustrie den
Druck spürt. Die Einzelwirkungen sammeln sich dagegen an. Ar-
beitsverminderung oder Geschäftsstille in Einer Branche schädigt nicht
bloß die anderen, sondern diese letzteren spüren auch die Verluste der
ersteren. Das Uebel wirkt daher herüber und hinüber, bis eine
scheinbar kleine Ursache eine furchtbare Katastrophe veranlaßt. Und
diese Wirkungen lassen sich am besten beobachten, wenn die drückende
Geschäftslage durch theuere Lebensmittel entstanden ist. Die großen
Massen von Konsumenten, welche keine Reserven haben, die sie über
die schlechten Zeiten bringen, werden ganz plötzlich von der Theuerung
berührt oder betroffen. Sie haben auf einmal weniger Geld, das
sie zum Ankauf anderer Dinge verwenden können, und es entsteht
daraus Flauheit in den Geschäften, die von der großen Masse leben.
Bei billigen Lebensmitteln tritt genau der umgekehrte Fall ein. Die
große konsumirende Masse hat mehr, außer für Nahrungsmittel, aus-
zugeben, und dies fühlt bald jeder Geschäftszweig.

Die Thatsachen der letzten drei bis vier Jahre illustriren dieses
Gesetz: 1867 und 1868 waren die Lebensmittel theuer. Jetzt sind
sie seit geraumer Zeit billiger, und wir spüren bereits die Aenderung.
Die gute Ernte von 1868 war der Anfang der Besserung, und das
Gesetz wird durchaus nicht durch die Thatsache alterirt, daß es
12 Monate nach dieser guten Ernte in allen Geschäften noch schlecht
aussah. Wenn die Wirkung auch schnell ist, so tritt sie doch nicht
gleichzeitig mit dem Fallen der Lebensmittelpreise ein; es muß immer
eine gewisse Zeit vergehen, bis die Aenderung gespürt wird, wie auch
das Volk eine gewisse Zeit haben muß, um wieder Kapital anzu-
sammeln; während dessen können die Preise immer allmählig fallen.
Das Fallen der Lebensmittelpreise war in den letzten Jahren sehr
groß. Dies ist konstatirt; doch mögen einige Zahlen es illustriren.
Der Preis des Weizens war am 22. Januar durchschnittlich in den
letzten 4 Jahren:

1867.... 62 Sh. 2 d.
1868....72 " 4 "
1869.... 52 " 4 "
1870.... 43 " 6 "

Der Weizen ist daher seit 1868 um nahezu 40 pCt. im Preise ge-
fallen, und diese Thatsache muß die Fähigkeit des Volkes auch für
andere Dinge als Lebensmittel Ausgaben zu machen, bedeutend ver-
größert haben.

Die Baumwollwaaren sind nun zwar noch theuer, allein sie
sind doch billiger als 1867 und 1866. Da nun die Kornpreise
[Spaltenumbruch] niedriger geworden sind, so mag eine größere Nachfrage nach Baum-
wollenwaaren entstanden sein, selbst bei hohen Preisen; die Nachfrage
wird jedoch noch viel stärker, wenn die Preise niedriger werden.
Jst das letztere der Fall, so wird die Nachfrage in großen Quan-
titäten gut, und das ist es, was die Baumwollspinnereien und
Webereien gebrauchen können.

Die zweite Ursache, daß die Lage des Baumwollengeschäftes in
Lancashire besser geworden ist, liegt nach dem "Economist" darin,
daß der Rohstoff in hinreichender Menge zu haben ist, so daß, we-
nigstens momentan, die Preise nicht solchen Schwankungen unter-
worfen sind, wie dies in Zeiten der wilden Spekulation der Fall
war. Ob die bessere Lage anhält, ist eine Frage, die das allgemeine
Wohlergehen sehr interessirt. Die eine Bedingung, billige Lebens-
mittelpreise, spricht dafür; dagegen läßt sich über die andere, Ueber-
fluß oder wenigstens anhaltend genügende Menge Rohstoff, nichts
Bestimmtes sagen. Amerika und Jndien sind gegenwärtig die
Hauptlieferanten von Baumwolle für England, da sie 5 / 6 aller da-
selbst verarbeiteten Baumwolle liefern. Allein die Produktion ist
immer noch nicht hinreichend, um alle nur existirenden Spinnereien
und Webereien vollauf zu beschäftigen. Die nächsten Jahre werden
indeß dem wahrscheinlich auf die Dauer abhelfen, da die Baumwoll-
kultur nach den neuesten Berichten in Amerika und hauptsächlich in
Jndien, wo noch viel für Baumwollbau geeignetes Feld brach liegt,
nicht bloß extensiver, sondern mit Hilfe des Dampfpfluges auch inten-
siver getrieben wird. Und wenn dann Hunderttausende, die heute
noch in Lumpen gehen, die Wohlthaten einer guten frischen Leib-
wäsche verspüren, so haben wir dieses nur den Maschinenwerkstätten
Englands zu verdanken, jenen Kindern des großen Kapitals, das,
nach Jakoby, durch seinen Magnetismus dereinst die große
Masse arm und den Einzelnen reich machen wird. Quod erat
demonstrandum?

Volkswirthschaft und Schule
von Oberlehrer Chun.
V.

Es ließ sich voraussehen, daß der volkswirthschaftliche Unterricht
Vorurtheile hervorrufen und falsche Erwartungen erregen werde. Ab-
gesehen von Denjenigen, welche vermeinen, es würde aller ideale Sinn
in der Jugend zerstört, worin mit Recht die Kraft des deutschen Ge-
müthes erkannt wird, haben Andere geglaubt, man wolle der Jugend
Recepte fürs praktische Verhalten geben. Beides ist thöricht. Wer
freilich von der falschen Voraussetzung ausgeht, der wirthschaftliche
Mensch werde lediglich vom Streben nach Bereicherung, der Scheu
vor Anstrengung, dem Verlangen nach Genuß geleitet, und darauf
ein System erbaut, wird die sittliche Vervollkommnung, diese uner-
läßliche Voraussetzung des allgemeinen wirthschaftlichen Fortschritts
nur schädigen. Wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die Menschen
vorherrschend durch ihr Eigeninteresse geleitet werden, was unter
Umständen sein Gutes sowohl für die Einzelnen, als auch für die
Entwickelung der allgemeinen Wohlfahrt hat, so wäre es doch Thor-
heit, sich in diese Betrachtung einseitig zu versenken und die Ver-
folgung des persönlichen Jnteresses bedingungslos zu verherrlichen.
Wozu sollte es überhaupt führen, wenn man im Unterricht von an-
dern als den allgemein giltigen Moralsätzen ausgehen wollte -- es fällt

[Beginn Spaltensatz]

Der „Arbeitgeber“ erscheint
wöchentlich,
die „Patentliste“ monatlich.
Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
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1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
dreispaltige Petitzeile od. deren
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neuer Erfindungen, vermit-
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preis ) und Verkauf von Ma-
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Frankfurt a. M., 18. Februar
1870.


[Beginn Spaltensatz]
Die Geschäftslage.

Wie der „Economist“ berichtet geht das Geschäft in dem
Baumwolldistrikt Lancashire wieder besser. Der Rohstoff ist bil-
liger geworden und die Preise der Fabrikate haben angezogen. Was
ist die Ursache der augenscheinlich besseren Lage in Lancashire?
Woher kommt die vermehrte Frage nach Lancashire=Fabrikaten? Darauf
gibt es nur Eine Antwort: daß wir endlich die Wohlthat billiger
Lebensmittel und verhältnißmäßig billiger Kleidung fühlen. Werden
Lebensmittel theuerer, so wird das Volk ärmer, werden sie billiger,
so kommt die Wohlfahrt wieder.

Dieses allgemeine Gesetz ist eine nothwendige Folgerung aus
der Lehre von der Arbeitstheilung. Da alle Jndustrien von dem
Austausch ihrer Produkte unter einander abhängen, so kann man
nicht eine große Jndustrie beschädigen ohne zugleich auch den anderen
Nachtheile zuzufügen. Zuerst geht Ein Gewerbszweig schlecht, dann
ein anderer und ein dritter, bis jeder Zweig der Jndustrie den
Druck spürt. Die Einzelwirkungen sammeln sich dagegen an. Ar-
beitsverminderung oder Geschäftsstille in Einer Branche schädigt nicht
bloß die anderen, sondern diese letzteren spüren auch die Verluste der
ersteren. Das Uebel wirkt daher herüber und hinüber, bis eine
scheinbar kleine Ursache eine furchtbare Katastrophe veranlaßt. Und
diese Wirkungen lassen sich am besten beobachten, wenn die drückende
Geschäftslage durch theuere Lebensmittel entstanden ist. Die großen
Massen von Konsumenten, welche keine Reserven haben, die sie über
die schlechten Zeiten bringen, werden ganz plötzlich von der Theuerung
berührt oder betroffen. Sie haben auf einmal weniger Geld, das
sie zum Ankauf anderer Dinge verwenden können, und es entsteht
daraus Flauheit in den Geschäften, die von der großen Masse leben.
Bei billigen Lebensmitteln tritt genau der umgekehrte Fall ein. Die
große konsumirende Masse hat mehr, außer für Nahrungsmittel, aus-
zugeben, und dies fühlt bald jeder Geschäftszweig.

Die Thatsachen der letzten drei bis vier Jahre illustriren dieses
Gesetz: 1867 und 1868 waren die Lebensmittel theuer. Jetzt sind
sie seit geraumer Zeit billiger, und wir spüren bereits die Aenderung.
Die gute Ernte von 1868 war der Anfang der Besserung, und das
Gesetz wird durchaus nicht durch die Thatsache alterirt, daß es
12 Monate nach dieser guten Ernte in allen Geschäften noch schlecht
aussah. Wenn die Wirkung auch schnell ist, so tritt sie doch nicht
gleichzeitig mit dem Fallen der Lebensmittelpreise ein; es muß immer
eine gewisse Zeit vergehen, bis die Aenderung gespürt wird, wie auch
das Volk eine gewisse Zeit haben muß, um wieder Kapital anzu-
sammeln; während dessen können die Preise immer allmählig fallen.
Das Fallen der Lebensmittelpreise war in den letzten Jahren sehr
groß. Dies ist konstatirt; doch mögen einige Zahlen es illustriren.
Der Preis des Weizens war am 22. Januar durchschnittlich in den
letzten 4 Jahren:

1867.... 62 Sh. 2 d.
1868....72 „ 4 „
1869.... 52 „ 4 „
1870.... 43 „ 6 „

Der Weizen ist daher seit 1868 um nahezu 40 pCt. im Preise ge-
fallen, und diese Thatsache muß die Fähigkeit des Volkes auch für
andere Dinge als Lebensmittel Ausgaben zu machen, bedeutend ver-
größert haben.

Die Baumwollwaaren sind nun zwar noch theuer, allein sie
sind doch billiger als 1867 und 1866. Da nun die Kornpreise
[Spaltenumbruch] niedriger geworden sind, so mag eine größere Nachfrage nach Baum-
wollenwaaren entstanden sein, selbst bei hohen Preisen; die Nachfrage
wird jedoch noch viel stärker, wenn die Preise niedriger werden.
Jst das letztere der Fall, so wird die Nachfrage in großen Quan-
titäten gut, und das ist es, was die Baumwollspinnereien und
Webereien gebrauchen können.

Die zweite Ursache, daß die Lage des Baumwollengeschäftes in
Lancashire besser geworden ist, liegt nach dem „Economist“ darin,
daß der Rohstoff in hinreichender Menge zu haben ist, so daß, we-
nigstens momentan, die Preise nicht solchen Schwankungen unter-
worfen sind, wie dies in Zeiten der wilden Spekulation der Fall
war. Ob die bessere Lage anhält, ist eine Frage, die das allgemeine
Wohlergehen sehr interessirt. Die eine Bedingung, billige Lebens-
mittelpreise, spricht dafür; dagegen läßt sich über die andere, Ueber-
fluß oder wenigstens anhaltend genügende Menge Rohstoff, nichts
Bestimmtes sagen. Amerika und Jndien sind gegenwärtig die
Hauptlieferanten von Baumwolle für England, da sie 5 / 6 aller da-
selbst verarbeiteten Baumwolle liefern. Allein die Produktion ist
immer noch nicht hinreichend, um alle nur existirenden Spinnereien
und Webereien vollauf zu beschäftigen. Die nächsten Jahre werden
indeß dem wahrscheinlich auf die Dauer abhelfen, da die Baumwoll-
kultur nach den neuesten Berichten in Amerika und hauptsächlich in
Jndien, wo noch viel für Baumwollbau geeignetes Feld brach liegt,
nicht bloß extensiver, sondern mit Hilfe des Dampfpfluges auch inten-
siver getrieben wird. Und wenn dann Hunderttausende, die heute
noch in Lumpen gehen, die Wohlthaten einer guten frischen Leib-
wäsche verspüren, so haben wir dieses nur den Maschinenwerkstätten
Englands zu verdanken, jenen Kindern des großen Kapitals, das,
nach Jakoby, durch seinen Magnetismus dereinst die große
Masse arm und den Einzelnen reich machen wird. Quod erat
demonstrandum?

Volkswirthschaft und Schule
von Oberlehrer Chun.
V.

Es ließ sich voraussehen, daß der volkswirthschaftliche Unterricht
Vorurtheile hervorrufen und falsche Erwartungen erregen werde. Ab-
gesehen von Denjenigen, welche vermeinen, es würde aller ideale Sinn
in der Jugend zerstört, worin mit Recht die Kraft des deutschen Ge-
müthes erkannt wird, haben Andere geglaubt, man wolle der Jugend
Recepte fürs praktische Verhalten geben. Beides ist thöricht. Wer
freilich von der falschen Voraussetzung ausgeht, der wirthschaftliche
Mensch werde lediglich vom Streben nach Bereicherung, der Scheu
vor Anstrengung, dem Verlangen nach Genuß geleitet, und darauf
ein System erbaut, wird die sittliche Vervollkommnung, diese uner-
läßliche Voraussetzung des allgemeinen wirthschaftlichen Fortschritts
nur schädigen. Wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die Menschen
vorherrschend durch ihr Eigeninteresse geleitet werden, was unter
Umständen sein Gutes sowohl für die Einzelnen, als auch für die
Entwickelung der allgemeinen Wohlfahrt hat, so wäre es doch Thor-
heit, sich in diese Betrachtung einseitig zu versenken und die Ver-
folgung des persönlichen Jnteresses bedingungslos zu verherrlichen.
Wozu sollte es überhaupt führen, wenn man im Unterricht von an-
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Kleine Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 668. Usingen bei Frankfurt a. M., 18. Februar 1870. Die Geschäftslage. Wie der „Economist“ berichtet geht das Geschäft in dem Baumwolldistrikt Lancashire wieder besser. Der Rohstoff ist bil- liger geworden und die Preise der Fabrikate haben angezogen. Was ist die Ursache der augenscheinlich besseren Lage in Lancashire? Woher kommt die vermehrte Frage nach Lancashire=Fabrikaten? Darauf gibt es nur Eine Antwort: daß wir endlich die Wohlthat billiger Lebensmittel und verhältnißmäßig billiger Kleidung fühlen. Werden Lebensmittel theuerer, so wird das Volk ärmer, werden sie billiger, so kommt die Wohlfahrt wieder. Dieses allgemeine Gesetz ist eine nothwendige Folgerung aus der Lehre von der Arbeitstheilung. Da alle Jndustrien von dem Austausch ihrer Produkte unter einander abhängen, so kann man nicht eine große Jndustrie beschädigen ohne zugleich auch den anderen Nachtheile zuzufügen. Zuerst geht Ein Gewerbszweig schlecht, dann ein anderer und ein dritter, bis jeder Zweig der Jndustrie den Druck spürt. Die Einzelwirkungen sammeln sich dagegen an. Ar- beitsverminderung oder Geschäftsstille in Einer Branche schädigt nicht bloß die anderen, sondern diese letzteren spüren auch die Verluste der ersteren. Das Uebel wirkt daher herüber und hinüber, bis eine scheinbar kleine Ursache eine furchtbare Katastrophe veranlaßt. Und diese Wirkungen lassen sich am besten beobachten, wenn die drückende Geschäftslage durch theuere Lebensmittel entstanden ist. Die großen Massen von Konsumenten, welche keine Reserven haben, die sie über die schlechten Zeiten bringen, werden ganz plötzlich von der Theuerung berührt oder betroffen. Sie haben auf einmal weniger Geld, das sie zum Ankauf anderer Dinge verwenden können, und es entsteht daraus Flauheit in den Geschäften, die von der großen Masse leben. Bei billigen Lebensmitteln tritt genau der umgekehrte Fall ein. Die große konsumirende Masse hat mehr, außer für Nahrungsmittel, aus- zugeben, und dies fühlt bald jeder Geschäftszweig. Die Thatsachen der letzten drei bis vier Jahre illustriren dieses Gesetz: 1867 und 1868 waren die Lebensmittel theuer. Jetzt sind sie seit geraumer Zeit billiger, und wir spüren bereits die Aenderung. Die gute Ernte von 1868 war der Anfang der Besserung, und das Gesetz wird durchaus nicht durch die Thatsache alterirt, daß es 12 Monate nach dieser guten Ernte in allen Geschäften noch schlecht aussah. Wenn die Wirkung auch schnell ist, so tritt sie doch nicht gleichzeitig mit dem Fallen der Lebensmittelpreise ein; es muß immer eine gewisse Zeit vergehen, bis die Aenderung gespürt wird, wie auch das Volk eine gewisse Zeit haben muß, um wieder Kapital anzu- sammeln; während dessen können die Preise immer allmählig fallen. Das Fallen der Lebensmittelpreise war in den letzten Jahren sehr groß. Dies ist konstatirt; doch mögen einige Zahlen es illustriren. Der Preis des Weizens war am 22. Januar durchschnittlich in den letzten 4 Jahren: 1867.... 62 Sh. 2 d. 1868.... 72 „ 4 „ 1869.... 52 „ 4 „ 1870.... 43 „ 6 „ Der Weizen ist daher seit 1868 um nahezu 40 pCt. im Preise ge- fallen, und diese Thatsache muß die Fähigkeit des Volkes auch für andere Dinge als Lebensmittel Ausgaben zu machen, bedeutend ver- größert haben. Die Baumwollwaaren sind nun zwar noch theuer, allein sie sind doch billiger als 1867 und 1866. Da nun die Kornpreise niedriger geworden sind, so mag eine größere Nachfrage nach Baum- wollenwaaren entstanden sein, selbst bei hohen Preisen; die Nachfrage wird jedoch noch viel stärker, wenn die Preise niedriger werden. Jst das letztere der Fall, so wird die Nachfrage in großen Quan- titäten gut, und das ist es, was die Baumwollspinnereien und Webereien gebrauchen können. Die zweite Ursache, daß die Lage des Baumwollengeschäftes in Lancashire besser geworden ist, liegt nach dem „Economist“ darin, daß der Rohstoff in hinreichender Menge zu haben ist, so daß, we- nigstens momentan, die Preise nicht solchen Schwankungen unter- worfen sind, wie dies in Zeiten der wilden Spekulation der Fall war. Ob die bessere Lage anhält, ist eine Frage, die das allgemeine Wohlergehen sehr interessirt. Die eine Bedingung, billige Lebens- mittelpreise, spricht dafür; dagegen läßt sich über die andere, Ueber- fluß oder wenigstens anhaltend genügende Menge Rohstoff, nichts Bestimmtes sagen. Amerika und Jndien sind gegenwärtig die Hauptlieferanten von Baumwolle für England, da sie 5 / 6 aller da- selbst verarbeiteten Baumwolle liefern. Allein die Produktion ist immer noch nicht hinreichend, um alle nur existirenden Spinnereien und Webereien vollauf zu beschäftigen. Die nächsten Jahre werden indeß dem wahrscheinlich auf die Dauer abhelfen, da die Baumwoll- kultur nach den neuesten Berichten in Amerika und hauptsächlich in Jndien, wo noch viel für Baumwollbau geeignetes Feld brach liegt, nicht bloß extensiver, sondern mit Hilfe des Dampfpfluges auch inten- siver getrieben wird. Und wenn dann Hunderttausende, die heute noch in Lumpen gehen, die Wohlthaten einer guten frischen Leib- wäsche verspüren, so haben wir dieses nur den Maschinenwerkstätten Englands zu verdanken, jenen Kindern des großen Kapitals, das, nach Jakoby, durch seinen Magnetismus dereinst die große Masse arm und den Einzelnen reich machen wird. Quod erat demonstrandum? Volkswirthschaft und Schule von Oberlehrer Chun. V. Es ließ sich voraussehen, daß der volkswirthschaftliche Unterricht Vorurtheile hervorrufen und falsche Erwartungen erregen werde. Ab- gesehen von Denjenigen, welche vermeinen, es würde aller ideale Sinn in der Jugend zerstört, worin mit Recht die Kraft des deutschen Ge- müthes erkannt wird, haben Andere geglaubt, man wolle der Jugend Recepte fürs praktische Verhalten geben. Beides ist thöricht. Wer freilich von der falschen Voraussetzung ausgeht, der wirthschaftliche Mensch werde lediglich vom Streben nach Bereicherung, der Scheu vor Anstrengung, dem Verlangen nach Genuß geleitet, und darauf ein System erbaut, wird die sittliche Vervollkommnung, diese uner- läßliche Voraussetzung des allgemeinen wirthschaftlichen Fortschritts nur schädigen. Wenn auch nicht zu leugnen ist, daß die Menschen vorherrschend durch ihr Eigeninteresse geleitet werden, was unter Umständen sein Gutes sowohl für die Einzelnen, als auch für die Entwickelung der allgemeinen Wohlfahrt hat, so wäre es doch Thor- heit, sich in diese Betrachtung einseitig zu versenken und die Ver- folgung des persönlichen Jnteresses bedingungslos zu verherrlichen. Wozu sollte es überhaupt führen, wenn man im Unterricht von an- dern als den allgemein giltigen Moralsätzen ausgehen wollte -- es fällt

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 668. Frankfurt a. M., 18. Februar 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0668_1870/1>, abgerufen am 19.04.2024.