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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 458, Czernowitz, 12.07.1905.

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Redaktion: Rathausstraße 16.
Administration: Tempelg. 8.




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vierteljährig ..... 7 Mark.

Für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig .... 9 Franks.




Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen:
Es kostet im gewöhnlichen Inse-
ratenteil 12 h die 6mal gespaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einschaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inserate
nehmen alle in- und ausländischen
Inseratenbureaux sowie die Ad-
ministration entgegen. -- Einzel-
exemplare sind in allen Zeitungs-
verschleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
versitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Administration (Tem-
pelgasse 8) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldschmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
8 Heller für Czernowitz.






Nr. 458. Czernowitz, Mittwoch, den 12. Juli 1905.



[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Die Vorgänge in Rußland.

5000 Orthodoxe und Uniierte sind zum Katholizismus
übergetreten. -- Die Zeitungen in Tiflis stellten ihr Erscheinen
ein. -- In Kowno finden Straßenunruhen statt. -- Die Be-
völkerung Iwanowos verläßt den Ort.

Letzte Telegramme.

England verstärkt das Landheer. -- Ueber Tiflis wurde
der Kriegszustand verhängt. -- Auf den Stadthauptmann von
Moskau wurde ein Attentat verübt. -- An verschiedenen Orten
Rußlands sind Soldatenmeutereien ausgebrochen.




Die Ausbreitung der
russischen Revolution.


Aus Petersburg wird geschrieben: Die Revolu-
tion und Gegenrevolution in Rußland ist da. Wenn-
gleich schon die verschiedenen Unruhen im März und
April revolutionären Charakter trugen, die wirkliche
Revolution ist erst in den letzten zwei bis drei Wochen
zum Ausbruch gekommen. Die wichtigsten Ansätze
dazu in den Städten kann man allerdings schon in
die letzten Tage des Januar verlegen, als nämlich
die sozialrevolutionäre Partei der Letten und Esthen
und der jüdische sozialdemokratische "Bund" im An-
schluß an die Ereignisse in Petersburg die Revolution
proklamierten. Auf das flache Land kam die Revo-
lution aber erst in den letzten Wochen. Während
nun die Revolution in den Städten und die Meuterei
in Heer und Flotte von den Führern der radikalen
Fortschrittspartei geschürt und organisiert wird, ist
ihr Ausbruch auf dem platten Lande in erster Linie
ein Werk derjenigen Leute, die unter der Flagge
der "Monarchistischen Partei" dem Zaren die Rettung
der Selbstherrschaft versprechen. An ihrer Spitze
marschieren die Redaktion der "Moskowskija Wjed."
und der Privatdozent Mikolski. Der "Gelehrte" hat
dem Zaren den Rat erteilt, er solle die russische
Gesellschaft nur mit schönen Reden hinhalten, bis
sich die staatserhaltenten Elemente organisiert hätten,
[Spaltenumbruch] und die Redaktion am Strastuej Boulevard in
Moskau ist der Hexenkessel, in dem all' die
Hetzartikel entstehen, die als Aufrufe gegen
alle nicht Rechtgläubigen auf den Dörfern mit
Hilfe der örtlichen Behörden verteilt werden. Die
Drachensaat dieser Proklamationen, die in ihrer per-
fiden Ausnutzung der niedrigsten Instinkte der un-
gebildeten Massen im Zusammenhang mit religiösen
Vorstellungen an die Zeit der Bauernkriege gemahnt,
ist aufgegangen. In der ganzen südlichen Hälfte
Rußlands von der Wolga bis an die Westgrenze
des Reichs beginnen die Bauern, das bischen Kultur
auszurotten und den Staat zu zertrümmern.

Im einzelnen betrachtet, sind die Zentren der
Bauernaufstände folgende: 1. Wolhynien und die
polnischen Gouvernements Lublin und Sjedletz. Anlaß:
Aufhetzung der orthodoxen Bauern gegen die katho-
lischen Großgrundbesitzer. 2. Das Gouvernement
Taurien. Anlaß: Aufhetzung der orthodoxen Land-
arbeiter gegen die deutschen Kolonisten. Desgleichen
an der Wolga. 3. Gouvernement Tula. Anlaß: Auf-
hetzung der Bauern gegen die Führer der demokra-
tischen Semstwogruppe Fürst Lwow und Graf Bob-
rinski. 4. Gouvernement Moskau. Anlaß: Aufhetzung
der Bauern gegen die Semstwo und deren Wohlfahrts-
einrichtungen. 5. Ostseeprovinzen. Anlaß: Verhetzung
der Letten und Esthen gegen das deutsche Element.
Es ist klar, daß eine solche Bewegung unmöglich
von den Leuten, die sie ins Leben gerufen haben,
in der Hand gehalten werden kann; einmal entfesselt,
stürzt sie sich auf alles, was die Habgier einer halb-
wilden Bevölkerung reizen könnte. Damit ist aber
alles bedroht, was in Rußland Anspruch auf die
Bezeichnung Kultur erhebt.

In den Städten ruht die Leitung der Revo-
lution noch in den Händen einzelner kleiner, wohl-
organisierter Gruppen, die, obwohl über das riesige
Reich verstreut, in dauernder Verbindung miteinander
stehen. Die Seele und die Triebfedern der Bewegung
sind die Juden, ihre tüchtigsten Mitkämpfer Letten,
Esthen und Polen. Unter den russischen Arbeitern
sind es vorwiegend die des Nordostgebietes, die ener-
gisch für die Durchführung der von ihnen geforderten
Reformen eintreten. Die Arbeiter in Moskau und
[Spaltenumbruch] Petersburg, auf die es am meisten ankommt, sind
noch nicht soweit, daß sie nach den schlechten
Erfahrungen vom Januar als ein geschlossenes Ganze
auftreten könnten. Aber auch hier vollzieht sich eine
Wandlung in dem Maße, wie die Armee und
Marine der Zersetzung anheimfällt.

Nebenher arbeiten die Terroristen mit den furcht-
barsten Mitteln. In Petersburg vergeht seit drei
Wochen kein Tag, an dem nicht ein größerer Brand
stattfindet. Einstweilen richten die Terroristen ihr
Augenmerk auf die großen Fabriken, durch deren
Einäscherung Hunderte von Arbeitern auf die Straße
gesetzt werden. Leute, denen der Verdienst genommen
ist, sind eher zum Aufstand bereit, als solche, die
ihre regelmäßige Arbeit haben. Auf den Straßen
Petersburgs führen Bombenwerfer ihren Ausrottungs-
kampf gegen die Polizei. Ein jüngst veröffentlichter
Befehl des Hafenkommandanten von Kronstadt, der
das Verhalten der Offiziere scharf kritisiert, läßt
darauf schließen, wie weit auch dort schon die Zer-
setzung um sich gegriffen hat. Die gestern endlich
erschienenen amtlichen Mitteilungen über die Vor-
gänge in Odessa sind geeignet, den Zersetzungsprozeß
weiter zu fördern. Das war nun für die nach-
mittags erscheinenden Blätter ein goldener Tag. Zu
Hunderten kauften Soldaten die Zeitungen und lasen
sie und sprachen darüber miteinander in den Gärten
-- aber von Abscheu und Entsetzen habe ich bei
solchen Gruppen nur selten etwas gesehen. Viel eher
stand auf den Gesichtern zu lesen, "was die konnten,
können wir auch."

Die nächste Zukunft Rußlands liegt in Moskau.
In der zweiten Hälfte des Juli werden dort gegen
tausend Vertreter der Gesellschaft zusammenkommen.
Die Behörden haben bereits erklärt, sie würden die
Zusammenkunft verhindern -- das Organisations-
bureau läßt dagegen durch "Russkija Wjed." ver-
breiten, die Versammlung werde unter allen Um-
ständen stattfinden. Falls es den Veranstaltern, wie
beabsichtigt, gelingen sollte, die Mehrzahl der Mos-
kauer Offizierskorps für sich zu gewinnen, so erscheint
es nicht ausgeschlossen, daß die Versammlung eine
konstituierende ist. Somit ist der letzte Angenblick
für den Zaren gekommen. Die Macht, dem Lande




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Ueber das Sterben.

(Schluß)

So lange die große Triebmaschine, das Herz, fähig ist,
zu arbeiten, besteht die Erhaltungsmöglichkeit; erst mit seinem
Exlahmen tritt das Sterben ein. Und so verhält es sich bei
einer fast endlosen Fülle noch anderer Krankheitsformen. In
der ungeheueren Mehrzahl erfolgt der Tod vom Herzen aus,
ganz gleich, ob die zum Tode führende Krankheit eine akute
oder chronische, ob das Herz von Anfang direkt beteiligt oder
erst sekundär in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir können
sagen, der Mensch stirbt fast immer vom Herzen aus. So
lange dieses in der Brust sich zusammenzieht, und sei es
noch so schwach, noch so mühsam, solange lebt der Mensch
-- der letzte Herzschlag und dann ist erst alles unwiderruflich
zu Ende.

Doch übergenug jetzt dieser Erörterungen, die ins unab-
sehbare vermehrt werden könnten, würden wir in Einzelheiten
eingehen. Nur rühren wollten wir an dem Schleier, dessen
Heben das Auge allerdings auch immer noch nicht bis in
das letzte Heiligtum des Lebens eindringen, aber doch schon
eine wunderbare Fülle überraschender Bilder erblicken läßt.
Kehren wir zurück von dem Ende des Pfades, wo wir
soeben geweilt und der für uns an der ewig verschlossenen
Pforte des Todes aufhört, begleiten wir vielmehr jetzt noch
den Todeswanderer auf der letzten Wegstrecke bis zu derselben
hin. Was empfindet er während des Sterbens, was duldet
und leidet er in den Tagen, Stunden, Augenblicken, die wir
als seine letzten bezeichnen?

Nicht will ich hier sprechen von der seelischen Angst, der
Furcht vor dem Sterben -- wie der leidenschaftliche Trieb
[Spaltenumbruch] zum Leben, wie alles bitterste Weh des Scheidens von den
Geliebten, oft Sorge um die Zurückgeblieben, auch fressende
Reue, vor allem peinigende Ungewißheit über das, was nach
dem Sterben sein wird, ob in dem Schlaf noch Träume
kommen mögen -- wie diese ganze wirbelnde Flut in den
Abgrund des Todesschreckens hinabzieht. Tausende von
Dichtern, Philosophen, Priestern haben diese seelischen Qualen
des Sterbens erschütternd geschildert. Uns beschäftigt in dieser
Stunde anderes; wir wollen wissen, ob zu alledem das
Sterben auch noch physisch schmerzhaft und qualvoll ist. Dies
sei die letzte Frage, die wir uns stellen.

Doch läßt sich überhaupt irgend etwas aussagen über
sie? Noch ist ja niemand, der Kunde brächte, wiedergekehrt
von jenem fernen Strande, und dennoch vermögen wir uns
eine Vorstellung zu machen. Nicht durch genialen Flug dichterischer
Phantasie, nicht durch philosophische Spekulation, nicht durch die der
Erde abgewandte Vision inbrünstigen Glaubens erreichen wir sie;
die Anhaltspunkte liefert uns die schlichte, treue Beobachtung der
Natur. Nur ein mäßiger Bruchteil der Menschen erliegt
durch äußere Gewalt; bei der ungeheueren Mehrzahl wird
das Ende durch Krankheit herbeigeführt. Wie gestaltet sich
das Sterben in diesen Fällen? Ist hier der Abstieg zu den
dunklen Gestaden des Todes, der Vorgang des Sterbens von
körperlichen Qualen und Schmerzen begleitet? Zweifellos ist,
daß einzelne Sterbende bis fast zum Ende dulden müssen,
obwohl in den wirklich letzten Augenblicken auch bei ihnen
zumeist das Bewußtsein umnachtet wird. Solche Fälle lassen
sich einige anführen, aber sie bilden doch die entschiedene
Ausnahme. Bei ihrer Beurteilung bezüglich unserer Frage
ist auf das allerschärfste eine Tatsache hervorzuheben: diese
Schmerzen und Qualen treten nicht während des Sterbens
auf, sind nicht durch dies bedingt, bestanden vielmehr schon
vorher und gehören dem Krankheitsprozeß an. Nicht das
Sterben, sondern die Krankheit ist also hier qualvoll. Hier in
diesen Fällen tritt eine hohe Aufgabe an den Arzt heran,
[Spaltenumbruch] durch deren Erfüllung er zu einem wirklichen Wohltäter
werden, linde Labsale über unnennbare Pein ausgießen kann.
Sie wird mit dem Worte "Euthanasie" belegt und bezeichnet
die Kunst, das Lebensende, das Sterben sanft zu gestalten.

Mit derselben ist dem Arzte eine heilige Pflicht aufer-
legt. Wenn das höchste ethische Ziel darin gelegen ist, dem
andern wohlzutun, so ist es gewiß für den Arzt in der Aus-
übung seiner Kunst ein großes und hohes Ziel, dem
Scheidenden de[n] Abschied zu erleichtern. Wie diese Aufgabe
zu lösen sei, [das] im einzelnen zu erörtern, ist in diesem
Augenblicke hier unmöglich. Nur darüber ist kein Wort zu
verlieren, daß dieselbe jemals Gegenstand einer juridischen
Erörterung werden könne oder dürfe. Geschieht dies dennoch,
so liegt offenbar ein Mißverständnis zugrunde. Euthanasie
heißt, wörtlich übersetzt, die Kunst, sanft sterben zu lassen.
Das bedeute aber keinesfalls, das Leben abkürzen. Daß dem
Arzte nie und nimmer das Recht zusteht, das Leben des
andern, und sei dasselbe den fürchterlichsten Qualen aus-
gesetzt, auch nur um eine Stunde abzukürzen, bedarf für
einen korrekt Denkenden nicht eines einzigen Wortes der Be-
gründung; ebensowenig jedoch, daß es seine Pflicht ist, Qualen
zu lindern -- und das letztere nur auf Kosten der Lebens-
dauer geschehen könne, das wäre eine Behauptung, die nur
ein Laie aussprechen könnte.

Wer die Vorgänge in der Natur sinnend und prüfend
beobachtet, wird bald zu der Erkenntnis einer Erscheinung
kommen, die man als das Gesetz von den Ausgleichungen
bezeichnen kann. An zahlreichsten Stellen des physiologischen
und pathologischen Geschehens, im umschriebensten Punkte wie
im allumfassenden Kreise offenbart sich dasselbe; und selbst für
das psychische Leben hat es Giltigkeit. Wohl hat sie schwere,
eherne Hände, die fromme Natur, aber sie ehrt auch züchtig
ihr altes Gesetz -- und an dem herrlichen, idealen, götter-
gleichen Dichter, der diese Worte gebraucht, hat sie es auch
geehrt. Und wenn er auch selbst gesorochen: "lieblich sieht er


[Spaltenumbruch]

Redaktion: Rathausſtraße 16.
Adminiſtration: Tempelg. 8.




Telephon-Nummer 161.




Abonnementsbedingungen:

Für Czernowitz
(mit Zuſtellung ins Haus):
monatl. K 1.60, vierteljähr. K 4.80,
halbjähr. K 9.60, ganzjähr. K 19.20.
(mit täglicher Poſtverſendung)
monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40,
halbjähr. K 10.80, ganzjähr. K 21.60

Für Deutſchland:
vierteljährig ..... 7 Mark.

Für Rumänien und den Balkan:
vierteljährig .... 9 Franks.




Telegramme: Allgemeine, Czernowitz.


[Spaltenumbruch]
Czernowitzer
Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]

Ankündigungen:
Es koſtet im gewöhnlichen Inſe-
ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene
Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei
mehrmaliger Einſchaltung, für Re-
klame 40 h die Petitzeile. Inſerate
nehmen alle in- und ausländiſchen
Inſeratenbureaux ſowie die Ad-
miniſtration entgegen. — Einzel-
exemplare ſind in allen Zeitungs-
verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni-
verſitätsbuchhandlung H. Pardini
und in der Adminiſtration (Tem-
pelgaſſe 8) erhältlich. In Wien
im Zeitungsburean Goldſchmidt,
Wollzeile 11.

Einzelexemplare
8 Heller für Czernowitz.






Nr. 458. Czernowitz, Mittwoch, den 12. Juli 1905.



[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Die Vorgänge in Rußland.

5000 Orthodoxe und Uniierte ſind zum Katholizismus
übergetreten. — Die Zeitungen in Tiflis ſtellten ihr Erſcheinen
ein. — In Kowno finden Straßenunruhen ſtatt. — Die Be-
völkerung Iwanowos verläßt den Ort.

Letzte Telegramme.

England verſtärkt das Landheer. — Ueber Tiflis wurde
der Kriegszuſtand verhängt. — Auf den Stadthauptmann von
Moskau wurde ein Attentat verübt. — An verſchiedenen Orten
Rußlands ſind Soldatenmeutereien ausgebrochen.




Die Ausbreitung der
ruſſiſchen Revolution.


Aus Petersburg wird geſchrieben: Die Revolu-
tion und Gegenrevolution in Rußland iſt da. Wenn-
gleich ſchon die verſchiedenen Unruhen im März und
April revolutionären Charakter trugen, die wirkliche
Revolution iſt erſt in den letzten zwei bis drei Wochen
zum Ausbruch gekommen. Die wichtigſten Anſätze
dazu in den Städten kann man allerdings ſchon in
die letzten Tage des Januar verlegen, als nämlich
die ſozialrevolutionäre Partei der Letten und Eſthen
und der jüdiſche ſozialdemokratiſche „Bund“ im An-
ſchluß an die Ereigniſſe in Petersburg die Revolution
proklamierten. Auf das flache Land kam die Revo-
lution aber erſt in den letzten Wochen. Während
nun die Revolution in den Städten und die Meuterei
in Heer und Flotte von den Führern der radikalen
Fortſchrittspartei geſchürt und organiſiert wird, iſt
ihr Ausbruch auf dem platten Lande in erſter Linie
ein Werk derjenigen Leute, die unter der Flagge
der „Monarchiſtiſchen Partei“ dem Zaren die Rettung
der Selbſtherrſchaft verſprechen. An ihrer Spitze
marſchieren die Redaktion der „Moskowskija Wjed.“
und der Privatdozent Mikolski. Der „Gelehrte“ hat
dem Zaren den Rat erteilt, er ſolle die ruſſiſche
Geſellſchaft nur mit ſchönen Reden hinhalten, bis
ſich die ſtaatserhaltenten Elemente organiſiert hätten,
[Spaltenumbruch] und die Redaktion am Straſtuej Boulevard in
Moskau iſt der Hexenkeſſel, in dem all’ die
Hetzartikel entſtehen, die als Aufrufe gegen
alle nicht Rechtgläubigen auf den Dörfern mit
Hilfe der örtlichen Behörden verteilt werden. Die
Drachenſaat dieſer Proklamationen, die in ihrer per-
fiden Ausnutzung der niedrigſten Inſtinkte der un-
gebildeten Maſſen im Zuſammenhang mit religiöſen
Vorſtellungen an die Zeit der Bauernkriege gemahnt,
iſt aufgegangen. In der ganzen ſüdlichen Hälfte
Rußlands von der Wolga bis an die Weſtgrenze
des Reichs beginnen die Bauern, das bischen Kultur
auszurotten und den Staat zu zertrümmern.

Im einzelnen betrachtet, ſind die Zentren der
Bauernaufſtände folgende: 1. Wolhynien und die
polniſchen Gouvernements Lublin und Sjedletz. Anlaß:
Aufhetzung der orthodoxen Bauern gegen die katho-
liſchen Großgrundbeſitzer. 2. Das Gouvernement
Taurien. Anlaß: Aufhetzung der orthodoxen Land-
arbeiter gegen die deutſchen Koloniſten. Desgleichen
an der Wolga. 3. Gouvernement Tula. Anlaß: Auf-
hetzung der Bauern gegen die Führer der demokra-
tiſchen Semſtwogruppe Fürſt Lwow und Graf Bob-
rinski. 4. Gouvernement Moskau. Anlaß: Aufhetzung
der Bauern gegen die Semſtwo und deren Wohlfahrts-
einrichtungen. 5. Oſtſeeprovinzen. Anlaß: Verhetzung
der Letten und Eſthen gegen das deutſche Element.
Es iſt klar, daß eine ſolche Bewegung unmöglich
von den Leuten, die ſie ins Leben gerufen haben,
in der Hand gehalten werden kann; einmal entfeſſelt,
ſtürzt ſie ſich auf alles, was die Habgier einer halb-
wilden Bevölkerung reizen könnte. Damit iſt aber
alles bedroht, was in Rußland Anſpruch auf die
Bezeichnung Kultur erhebt.

In den Städten ruht die Leitung der Revo-
lution noch in den Händen einzelner kleiner, wohl-
organiſierter Gruppen, die, obwohl über das rieſige
Reich verſtreut, in dauernder Verbindung miteinander
ſtehen. Die Seele und die Triebfedern der Bewegung
ſind die Juden, ihre tüchtigſten Mitkämpfer Letten,
Eſthen und Polen. Unter den ruſſiſchen Arbeitern
ſind es vorwiegend die des Nordoſtgebietes, die ener-
giſch für die Durchführung der von ihnen geforderten
Reformen eintreten. Die Arbeiter in Moskau und
[Spaltenumbruch] Petersburg, auf die es am meiſten ankommt, ſind
noch nicht ſoweit, daß ſie nach den ſchlechten
Erfahrungen vom Januar als ein geſchloſſenes Ganze
auftreten könnten. Aber auch hier vollzieht ſich eine
Wandlung in dem Maße, wie die Armee und
Marine der Zerſetzung anheimfällt.

Nebenher arbeiten die Terroriſten mit den furcht-
barſten Mitteln. In Petersburg vergeht ſeit drei
Wochen kein Tag, an dem nicht ein größerer Brand
ſtattfindet. Einſtweilen richten die Terroriſten ihr
Augenmerk auf die großen Fabriken, durch deren
Einäſcherung Hunderte von Arbeitern auf die Straße
geſetzt werden. Leute, denen der Verdienſt genommen
iſt, ſind eher zum Aufſtand bereit, als ſolche, die
ihre regelmäßige Arbeit haben. Auf den Straßen
Petersburgs führen Bombenwerfer ihren Ausrottungs-
kampf gegen die Polizei. Ein jüngſt veröffentlichter
Befehl des Hafenkommandanten von Kronſtadt, der
das Verhalten der Offiziere ſcharf kritiſiert, läßt
darauf ſchließen, wie weit auch dort ſchon die Zer-
ſetzung um ſich gegriffen hat. Die geſtern endlich
erſchienenen amtlichen Mitteilungen über die Vor-
gänge in Odeſſa ſind geeignet, den Zerſetzungsprozeß
weiter zu fördern. Das war nun für die nach-
mittags erſcheinenden Blätter ein goldener Tag. Zu
Hunderten kauften Soldaten die Zeitungen und laſen
ſie und ſprachen darüber miteinander in den Gärten
— aber von Abſcheu und Entſetzen habe ich bei
ſolchen Gruppen nur ſelten etwas geſehen. Viel eher
ſtand auf den Geſichtern zu leſen, „was die konnten,
können wir auch.“

Die nächſte Zukunft Rußlands liegt in Moskau.
In der zweiten Hälfte des Juli werden dort gegen
tauſend Vertreter der Geſellſchaft zuſammenkommen.
Die Behörden haben bereits erklärt, ſie würden die
Zuſammenkunft verhindern — das Organiſations-
bureau läßt dagegen durch „Ruſſkija Wjed.“ ver-
breiten, die Verſammlung werde unter allen Um-
ſtänden ſtattfinden. Falls es den Veranſtaltern, wie
beabſichtigt, gelingen ſollte, die Mehrzahl der Mos-
kauer Offizierskorps für ſich zu gewinnen, ſo erſcheint
es nicht ausgeſchloſſen, daß die Verſammlung eine
konſtituierende iſt. Somit iſt der letzte Angenblick
für den Zaren gekommen. Die Macht, dem Lande




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Ueber das Sterben.

(Schluß)

So lange die große Triebmaſchine, das Herz, fähig iſt,
zu arbeiten, beſteht die Erhaltungsmöglichkeit; erſt mit ſeinem
Exlahmen tritt das Sterben ein. Und ſo verhält es ſich bei
einer faſt endloſen Fülle noch anderer Krankheitsformen. In
der ungeheueren Mehrzahl erfolgt der Tod vom Herzen aus,
ganz gleich, ob die zum Tode führende Krankheit eine akute
oder chroniſche, ob das Herz von Anfang direkt beteiligt oder
erſt ſekundär in Mitleidenſchaft gezogen wird. Wir können
ſagen, der Menſch ſtirbt faſt immer vom Herzen aus. So
lange dieſes in der Bruſt ſich zuſammenzieht, und ſei es
noch ſo ſchwach, noch ſo mühſam, ſolange lebt der Menſch
— der letzte Herzſchlag und dann iſt erſt alles unwiderruflich
zu Ende.

Doch übergenug jetzt dieſer Erörterungen, die ins unab-
ſehbare vermehrt werden könnten, würden wir in Einzelheiten
eingehen. Nur rühren wollten wir an dem Schleier, deſſen
Heben das Auge allerdings auch immer noch nicht bis in
das letzte Heiligtum des Lebens eindringen, aber doch ſchon
eine wunderbare Fülle überraſchender Bilder erblicken läßt.
Kehren wir zurück von dem Ende des Pfades, wo wir
ſoeben geweilt und der für uns an der ewig verſchloſſenen
Pforte des Todes aufhört, begleiten wir vielmehr jetzt noch
den Todeswanderer auf der letzten Wegſtrecke bis zu derſelben
hin. Was empfindet er während des Sterbens, was duldet
und leidet er in den Tagen, Stunden, Augenblicken, die wir
als ſeine letzten bezeichnen?

Nicht will ich hier ſprechen von der ſeeliſchen Angſt, der
Furcht vor dem Sterben — wie der leidenſchaftliche Trieb
[Spaltenumbruch] zum Leben, wie alles bitterſte Weh des Scheidens von den
Geliebten, oft Sorge um die Zurückgeblieben, auch freſſende
Reue, vor allem peinigende Ungewißheit über das, was nach
dem Sterben ſein wird, ob in dem Schlaf noch Träume
kommen mögen — wie dieſe ganze wirbelnde Flut in den
Abgrund des Todesſchreckens hinabzieht. Tauſende von
Dichtern, Philoſophen, Prieſtern haben dieſe ſeeliſchen Qualen
des Sterbens erſchütternd geſchildert. Uns beſchäftigt in dieſer
Stunde anderes; wir wollen wiſſen, ob zu alledem das
Sterben auch noch phyſiſch ſchmerzhaft und qualvoll iſt. Dies
ſei die letzte Frage, die wir uns ſtellen.

Doch läßt ſich überhaupt irgend etwas ausſagen über
ſie? Noch iſt ja niemand, der Kunde brächte, wiedergekehrt
von jenem fernen Strande, und dennoch vermögen wir uns
eine Vorſtellung zu machen. Nicht durch genialen Flug dichteriſcher
Phantaſie, nicht durch philoſophiſche Spekulation, nicht durch die der
Erde abgewandte Viſion inbrünſtigen Glaubens erreichen wir ſie;
die Anhaltspunkte liefert uns die ſchlichte, treue Beobachtung der
Natur. Nur ein mäßiger Bruchteil der Menſchen erliegt
durch äußere Gewalt; bei der ungeheueren Mehrzahl wird
das Ende durch Krankheit herbeigeführt. Wie geſtaltet ſich
das Sterben in dieſen Fällen? Iſt hier der Abſtieg zu den
dunklen Geſtaden des Todes, der Vorgang des Sterbens von
körperlichen Qualen und Schmerzen begleitet? Zweifellos iſt,
daß einzelne Sterbende bis faſt zum Ende dulden müſſen,
obwohl in den wirklich letzten Augenblicken auch bei ihnen
zumeiſt das Bewußtſein umnachtet wird. Solche Fälle laſſen
ſich einige anführen, aber ſie bilden doch die entſchiedene
Ausnahme. Bei ihrer Beurteilung bezüglich unſerer Frage
iſt auf das allerſchärfſte eine Tatſache hervorzuheben: dieſe
Schmerzen und Qualen treten nicht während des Sterbens
auf, ſind nicht durch dies bedingt, beſtanden vielmehr ſchon
vorher und gehören dem Krankheitsprozeß an. Nicht das
Sterben, ſondern die Krankheit iſt alſo hier qualvoll. Hier in
dieſen Fällen tritt eine hohe Aufgabe an den Arzt heran,
[Spaltenumbruch] durch deren Erfüllung er zu einem wirklichen Wohltäter
werden, linde Labſale über unnennbare Pein ausgießen kann.
Sie wird mit dem Worte „Euthanaſie“ belegt und bezeichnet
die Kunſt, das Lebensende, das Sterben ſanft zu geſtalten.

Mit derſelben iſt dem Arzte eine heilige Pflicht aufer-
legt. Wenn das höchſte ethiſche Ziel darin gelegen iſt, dem
andern wohlzutun, ſo iſt es gewiß für den Arzt in der Aus-
übung ſeiner Kunſt ein großes und hohes Ziel, dem
Scheidenden de[n] Abſchied zu erleichtern. Wie dieſe Aufgabe
zu löſen ſei, [daſ] im einzelnen zu erörtern, iſt in dieſem
Augenblicke hier unmöglich. Nur darüber iſt kein Wort zu
verlieren, daß dieſelbe jemals Gegenſtand einer juridiſchen
Erörterung werden könne oder dürfe. Geſchieht dies dennoch,
ſo liegt offenbar ein Mißverſtändnis zugrunde. Euthanaſie
heißt, wörtlich überſetzt, die Kunſt, ſanft ſterben zu laſſen.
Das bedeute aber keinesfalls, das Leben abkürzen. Daß dem
Arzte nie und nimmer das Recht zuſteht, das Leben des
andern, und ſei dasſelbe den fürchterlichſten Qualen aus-
geſetzt, auch nur um eine Stunde abzukürzen, bedarf für
einen korrekt Denkenden nicht eines einzigen Wortes der Be-
gründung; ebenſowenig jedoch, daß es ſeine Pflicht iſt, Qualen
zu lindern — und das letztere nur auf Koſten der Lebens-
dauer geſchehen könne, das wäre eine Behauptung, die nur
ein Laie ausſprechen könnte.

Wer die Vorgänge in der Natur ſinnend und prüfend
beobachtet, wird bald zu der Erkenntnis einer Erſcheinung
kommen, die man als das Geſetz von den Ausgleichungen
bezeichnen kann. An zahlreichſten Stellen des phyſiologiſchen
und pathologiſchen Geſchehens, im umſchriebenſten Punkte wie
im allumfaſſenden Kreiſe offenbart ſich dasſelbe; und ſelbſt für
das pſychiſche Leben hat es Giltigkeit. Wohl hat ſie ſchwere,
eherne Hände, die fromme Natur, aber ſie ehrt auch züchtig
ihr altes Geſetz — und an dem herrlichen, idealen, götter-
gleichen Dichter, der dieſe Worte gebraucht, hat ſie es auch
geehrt. Und wenn er auch ſelbſt geſorochen: „lieblich ſieht er


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[[1]/0001] Redaktion: Rathausſtraße 16. Adminiſtration: Tempelg. 8. Telephon-Nummer 161. Abonnementsbedingungen: Für Czernowitz (mit Zuſtellung ins Haus): monatl. K 1.60, vierteljähr. K 4.80, halbjähr. K 9.60, ganzjähr. K 19.20. (mit täglicher Poſtverſendung) monatl. K 1.80, vierteljähr. K 5.40, halbjähr. K 10.80, ganzjähr. K 21.60 Für Deutſchland: vierteljährig ..... 7 Mark. Für Rumänien und den Balkan: vierteljährig .... 9 Franks. Telegramme: Allgemeine, Czernowitz. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Ankündigungen: Es koſtet im gewöhnlichen Inſe- ratenteil 12 h die 6mal geſpaltene Petitzeile bei einmaliger, 9 h bei mehrmaliger Einſchaltung, für Re- klame 40 h die Petitzeile. Inſerate nehmen alle in- und ausländiſchen Inſeratenbureaux ſowie die Ad- miniſtration entgegen. — Einzel- exemplare ſind in allen Zeitungs- verſchleißen, Trafiken, der k. k. Uni- verſitätsbuchhandlung H. Pardini und in der Adminiſtration (Tem- pelgaſſe 8) erhältlich. In Wien im Zeitungsburean Goldſchmidt, Wollzeile 11. Einzelexemplare 8 Heller für Czernowitz. Nr. 458. Czernowitz, Mittwoch, den 12. Juli 1905. Ueberſicht. Die Vorgänge in Rußland. 5000 Orthodoxe und Uniierte ſind zum Katholizismus übergetreten. — Die Zeitungen in Tiflis ſtellten ihr Erſcheinen ein. — In Kowno finden Straßenunruhen ſtatt. — Die Be- völkerung Iwanowos verläßt den Ort. Letzte Telegramme. England verſtärkt das Landheer. — Ueber Tiflis wurde der Kriegszuſtand verhängt. — Auf den Stadthauptmann von Moskau wurde ein Attentat verübt. — An verſchiedenen Orten Rußlands ſind Soldatenmeutereien ausgebrochen. Die Ausbreitung der ruſſiſchen Revolution. Czernowitz, 11. Juli 1905. Aus Petersburg wird geſchrieben: Die Revolu- tion und Gegenrevolution in Rußland iſt da. Wenn- gleich ſchon die verſchiedenen Unruhen im März und April revolutionären Charakter trugen, die wirkliche Revolution iſt erſt in den letzten zwei bis drei Wochen zum Ausbruch gekommen. Die wichtigſten Anſätze dazu in den Städten kann man allerdings ſchon in die letzten Tage des Januar verlegen, als nämlich die ſozialrevolutionäre Partei der Letten und Eſthen und der jüdiſche ſozialdemokratiſche „Bund“ im An- ſchluß an die Ereigniſſe in Petersburg die Revolution proklamierten. Auf das flache Land kam die Revo- lution aber erſt in den letzten Wochen. Während nun die Revolution in den Städten und die Meuterei in Heer und Flotte von den Führern der radikalen Fortſchrittspartei geſchürt und organiſiert wird, iſt ihr Ausbruch auf dem platten Lande in erſter Linie ein Werk derjenigen Leute, die unter der Flagge der „Monarchiſtiſchen Partei“ dem Zaren die Rettung der Selbſtherrſchaft verſprechen. An ihrer Spitze marſchieren die Redaktion der „Moskowskija Wjed.“ und der Privatdozent Mikolski. Der „Gelehrte“ hat dem Zaren den Rat erteilt, er ſolle die ruſſiſche Geſellſchaft nur mit ſchönen Reden hinhalten, bis ſich die ſtaatserhaltenten Elemente organiſiert hätten, und die Redaktion am Straſtuej Boulevard in Moskau iſt der Hexenkeſſel, in dem all’ die Hetzartikel entſtehen, die als Aufrufe gegen alle nicht Rechtgläubigen auf den Dörfern mit Hilfe der örtlichen Behörden verteilt werden. Die Drachenſaat dieſer Proklamationen, die in ihrer per- fiden Ausnutzung der niedrigſten Inſtinkte der un- gebildeten Maſſen im Zuſammenhang mit religiöſen Vorſtellungen an die Zeit der Bauernkriege gemahnt, iſt aufgegangen. In der ganzen ſüdlichen Hälfte Rußlands von der Wolga bis an die Weſtgrenze des Reichs beginnen die Bauern, das bischen Kultur auszurotten und den Staat zu zertrümmern. Im einzelnen betrachtet, ſind die Zentren der Bauernaufſtände folgende: 1. Wolhynien und die polniſchen Gouvernements Lublin und Sjedletz. Anlaß: Aufhetzung der orthodoxen Bauern gegen die katho- liſchen Großgrundbeſitzer. 2. Das Gouvernement Taurien. Anlaß: Aufhetzung der orthodoxen Land- arbeiter gegen die deutſchen Koloniſten. Desgleichen an der Wolga. 3. Gouvernement Tula. Anlaß: Auf- hetzung der Bauern gegen die Führer der demokra- tiſchen Semſtwogruppe Fürſt Lwow und Graf Bob- rinski. 4. Gouvernement Moskau. Anlaß: Aufhetzung der Bauern gegen die Semſtwo und deren Wohlfahrts- einrichtungen. 5. Oſtſeeprovinzen. Anlaß: Verhetzung der Letten und Eſthen gegen das deutſche Element. Es iſt klar, daß eine ſolche Bewegung unmöglich von den Leuten, die ſie ins Leben gerufen haben, in der Hand gehalten werden kann; einmal entfeſſelt, ſtürzt ſie ſich auf alles, was die Habgier einer halb- wilden Bevölkerung reizen könnte. Damit iſt aber alles bedroht, was in Rußland Anſpruch auf die Bezeichnung Kultur erhebt. In den Städten ruht die Leitung der Revo- lution noch in den Händen einzelner kleiner, wohl- organiſierter Gruppen, die, obwohl über das rieſige Reich verſtreut, in dauernder Verbindung miteinander ſtehen. Die Seele und die Triebfedern der Bewegung ſind die Juden, ihre tüchtigſten Mitkämpfer Letten, Eſthen und Polen. Unter den ruſſiſchen Arbeitern ſind es vorwiegend die des Nordoſtgebietes, die ener- giſch für die Durchführung der von ihnen geforderten Reformen eintreten. Die Arbeiter in Moskau und Petersburg, auf die es am meiſten ankommt, ſind noch nicht ſoweit, daß ſie nach den ſchlechten Erfahrungen vom Januar als ein geſchloſſenes Ganze auftreten könnten. Aber auch hier vollzieht ſich eine Wandlung in dem Maße, wie die Armee und Marine der Zerſetzung anheimfällt. Nebenher arbeiten die Terroriſten mit den furcht- barſten Mitteln. In Petersburg vergeht ſeit drei Wochen kein Tag, an dem nicht ein größerer Brand ſtattfindet. Einſtweilen richten die Terroriſten ihr Augenmerk auf die großen Fabriken, durch deren Einäſcherung Hunderte von Arbeitern auf die Straße geſetzt werden. Leute, denen der Verdienſt genommen iſt, ſind eher zum Aufſtand bereit, als ſolche, die ihre regelmäßige Arbeit haben. Auf den Straßen Petersburgs führen Bombenwerfer ihren Ausrottungs- kampf gegen die Polizei. Ein jüngſt veröffentlichter Befehl des Hafenkommandanten von Kronſtadt, der das Verhalten der Offiziere ſcharf kritiſiert, läßt darauf ſchließen, wie weit auch dort ſchon die Zer- ſetzung um ſich gegriffen hat. Die geſtern endlich erſchienenen amtlichen Mitteilungen über die Vor- gänge in Odeſſa ſind geeignet, den Zerſetzungsprozeß weiter zu fördern. Das war nun für die nach- mittags erſcheinenden Blätter ein goldener Tag. Zu Hunderten kauften Soldaten die Zeitungen und laſen ſie und ſprachen darüber miteinander in den Gärten — aber von Abſcheu und Entſetzen habe ich bei ſolchen Gruppen nur ſelten etwas geſehen. Viel eher ſtand auf den Geſichtern zu leſen, „was die konnten, können wir auch.“ Die nächſte Zukunft Rußlands liegt in Moskau. In der zweiten Hälfte des Juli werden dort gegen tauſend Vertreter der Geſellſchaft zuſammenkommen. Die Behörden haben bereits erklärt, ſie würden die Zuſammenkunft verhindern — das Organiſations- bureau läßt dagegen durch „Ruſſkija Wjed.“ ver- breiten, die Verſammlung werde unter allen Um- ſtänden ſtattfinden. Falls es den Veranſtaltern, wie beabſichtigt, gelingen ſollte, die Mehrzahl der Mos- kauer Offizierskorps für ſich zu gewinnen, ſo erſcheint es nicht ausgeſchloſſen, daß die Verſammlung eine konſtituierende iſt. Somit iſt der letzte Angenblick für den Zaren gekommen. Die Macht, dem Lande Feuilleton. Ueber das Sterben. Von Hofrat Herman Rothnagel †. (Schluß) So lange die große Triebmaſchine, das Herz, fähig iſt, zu arbeiten, beſteht die Erhaltungsmöglichkeit; erſt mit ſeinem Exlahmen tritt das Sterben ein. Und ſo verhält es ſich bei einer faſt endloſen Fülle noch anderer Krankheitsformen. In der ungeheueren Mehrzahl erfolgt der Tod vom Herzen aus, ganz gleich, ob die zum Tode führende Krankheit eine akute oder chroniſche, ob das Herz von Anfang direkt beteiligt oder erſt ſekundär in Mitleidenſchaft gezogen wird. Wir können ſagen, der Menſch ſtirbt faſt immer vom Herzen aus. So lange dieſes in der Bruſt ſich zuſammenzieht, und ſei es noch ſo ſchwach, noch ſo mühſam, ſolange lebt der Menſch — der letzte Herzſchlag und dann iſt erſt alles unwiderruflich zu Ende. Doch übergenug jetzt dieſer Erörterungen, die ins unab- ſehbare vermehrt werden könnten, würden wir in Einzelheiten eingehen. Nur rühren wollten wir an dem Schleier, deſſen Heben das Auge allerdings auch immer noch nicht bis in das letzte Heiligtum des Lebens eindringen, aber doch ſchon eine wunderbare Fülle überraſchender Bilder erblicken läßt. Kehren wir zurück von dem Ende des Pfades, wo wir ſoeben geweilt und der für uns an der ewig verſchloſſenen Pforte des Todes aufhört, begleiten wir vielmehr jetzt noch den Todeswanderer auf der letzten Wegſtrecke bis zu derſelben hin. Was empfindet er während des Sterbens, was duldet und leidet er in den Tagen, Stunden, Augenblicken, die wir als ſeine letzten bezeichnen? Nicht will ich hier ſprechen von der ſeeliſchen Angſt, der Furcht vor dem Sterben — wie der leidenſchaftliche Trieb zum Leben, wie alles bitterſte Weh des Scheidens von den Geliebten, oft Sorge um die Zurückgeblieben, auch freſſende Reue, vor allem peinigende Ungewißheit über das, was nach dem Sterben ſein wird, ob in dem Schlaf noch Träume kommen mögen — wie dieſe ganze wirbelnde Flut in den Abgrund des Todesſchreckens hinabzieht. Tauſende von Dichtern, Philoſophen, Prieſtern haben dieſe ſeeliſchen Qualen des Sterbens erſchütternd geſchildert. Uns beſchäftigt in dieſer Stunde anderes; wir wollen wiſſen, ob zu alledem das Sterben auch noch phyſiſch ſchmerzhaft und qualvoll iſt. Dies ſei die letzte Frage, die wir uns ſtellen. Doch läßt ſich überhaupt irgend etwas ausſagen über ſie? Noch iſt ja niemand, der Kunde brächte, wiedergekehrt von jenem fernen Strande, und dennoch vermögen wir uns eine Vorſtellung zu machen. Nicht durch genialen Flug dichteriſcher Phantaſie, nicht durch philoſophiſche Spekulation, nicht durch die der Erde abgewandte Viſion inbrünſtigen Glaubens erreichen wir ſie; die Anhaltspunkte liefert uns die ſchlichte, treue Beobachtung der Natur. Nur ein mäßiger Bruchteil der Menſchen erliegt durch äußere Gewalt; bei der ungeheueren Mehrzahl wird das Ende durch Krankheit herbeigeführt. Wie geſtaltet ſich das Sterben in dieſen Fällen? Iſt hier der Abſtieg zu den dunklen Geſtaden des Todes, der Vorgang des Sterbens von körperlichen Qualen und Schmerzen begleitet? Zweifellos iſt, daß einzelne Sterbende bis faſt zum Ende dulden müſſen, obwohl in den wirklich letzten Augenblicken auch bei ihnen zumeiſt das Bewußtſein umnachtet wird. Solche Fälle laſſen ſich einige anführen, aber ſie bilden doch die entſchiedene Ausnahme. Bei ihrer Beurteilung bezüglich unſerer Frage iſt auf das allerſchärfſte eine Tatſache hervorzuheben: dieſe Schmerzen und Qualen treten nicht während des Sterbens auf, ſind nicht durch dies bedingt, beſtanden vielmehr ſchon vorher und gehören dem Krankheitsprozeß an. Nicht das Sterben, ſondern die Krankheit iſt alſo hier qualvoll. Hier in dieſen Fällen tritt eine hohe Aufgabe an den Arzt heran, durch deren Erfüllung er zu einem wirklichen Wohltäter werden, linde Labſale über unnennbare Pein ausgießen kann. Sie wird mit dem Worte „Euthanaſie“ belegt und bezeichnet die Kunſt, das Lebensende, das Sterben ſanft zu geſtalten. Mit derſelben iſt dem Arzte eine heilige Pflicht aufer- legt. Wenn das höchſte ethiſche Ziel darin gelegen iſt, dem andern wohlzutun, ſo iſt es gewiß für den Arzt in der Aus- übung ſeiner Kunſt ein großes und hohes Ziel, dem Scheidenden den Abſchied zu erleichtern. Wie dieſe Aufgabe zu löſen ſei, daſ im einzelnen zu erörtern, iſt in dieſem Augenblicke hier unmöglich. Nur darüber iſt kein Wort zu verlieren, daß dieſelbe jemals Gegenſtand einer juridiſchen Erörterung werden könne oder dürfe. Geſchieht dies dennoch, ſo liegt offenbar ein Mißverſtändnis zugrunde. Euthanaſie heißt, wörtlich überſetzt, die Kunſt, ſanft ſterben zu laſſen. Das bedeute aber keinesfalls, das Leben abkürzen. Daß dem Arzte nie und nimmer das Recht zuſteht, das Leben des andern, und ſei dasſelbe den fürchterlichſten Qualen aus- geſetzt, auch nur um eine Stunde abzukürzen, bedarf für einen korrekt Denkenden nicht eines einzigen Wortes der Be- gründung; ebenſowenig jedoch, daß es ſeine Pflicht iſt, Qualen zu lindern — und das letztere nur auf Koſten der Lebens- dauer geſchehen könne, das wäre eine Behauptung, die nur ein Laie ausſprechen könnte. Wer die Vorgänge in der Natur ſinnend und prüfend beobachtet, wird bald zu der Erkenntnis einer Erſcheinung kommen, die man als das Geſetz von den Ausgleichungen bezeichnen kann. An zahlreichſten Stellen des phyſiologiſchen und pathologiſchen Geſchehens, im umſchriebenſten Punkte wie im allumfaſſenden Kreiſe offenbart ſich dasſelbe; und ſelbſt für das pſychiſche Leben hat es Giltigkeit. Wohl hat ſie ſchwere, eherne Hände, die fromme Natur, aber ſie ehrt auch züchtig ihr altes Geſetz — und an dem herrlichen, idealen, götter- gleichen Dichter, der dieſe Worte gebraucht, hat ſie es auch geehrt. Und wenn er auch ſelbſt geſorochen: „lieblich ſieht er

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 458, Czernowitz, 12.07.1905, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer458_1905/1>, abgerufen am 28.03.2024.