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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 933, Czernowitz, 20.02.1907.

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20. Februar 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Hierauf erstatteten die Vertrauensmänner der Partei in
den einzelnen Wahlbezirken ihre Situationsberichte, aus denen
hervorgeht, daß in vielen Wahlbezirken die Partei mit gün-
ftigen Chancen in den Wahlkampf eintrete. Bezüglich der
Kandidatur Dr. Eppingers gegen K. H. Wolf in
Trautenau wurde allseits hervorgehoben, daß diese Kan-
didatur von der deutschfortschrittlichen Wählerschaft freudig
begrüßt werde.




Die Lage in Frankreich.

Trotz aller beruhigenden Versicherungen aus offiziösen
Pariser Kreisen kann man nicht so recht daran glauben, daß
die Situation in Frankreich völlig geklärt sei. Die Klarheit
wird erst die laufende Woche bringen. Es verlautet, daß
Clemenceau den Wunsch hat, in den nächsten Tagen eine
Debatte über die Kirchenpolitik herbeizuführen und allen in
letzter Zeit zutage getretenen Unklarheiten und Mißhelligkeiten
ein Ende zu machen. Dieser Kampf dürfte für die Regierung
kein leichter werden, da durch den allzu lange währenden
Kirchenstreit, durch die drakonischen Maßregeln gegen die
Spielzirkel und besonders durch die Unzufriedenheit mit dem
Steuerentwurf die allgemeine Nervosität sehr gesteigert ist.
Clemenceau hat sich durch seine autokratische Art gerade bei
seinen früheren Freunden in der Kammer viele erbitterte
Feinde gemacht, und gegen Briand wühlen die Combisten
um so mehr, je näher sich die Kirche seinen Vorschlägen zu-
neigt. Jedenfalls wird also in dieser Woche für das
Ministerium Clemenceau die Entscheidung über Sein oder
Nichtsein fallen. -- Wir erhalten über die momentane Lage
folgende Meldung:

(Orig.-Korr.)

Während sich die
dem Ministerium des Innern nahestehenden Blätter seit zwei
Tagen bemühen, jede Meinungsverschiedenheit zwischen Cle-
menceau und Briand abzustreiten, besteht in Senat und Kammer
nur das eine Gefühl, daß die Regierung das ihr im Oktober
gewährte Vertrauen erschöpft hat, und daß eine Regie-
rungskrisis unvermeidlich
geworden ist. Diese
Unzufriedenheit richtet sich im allgemeinen gegen Clemenceau
und nur in einem besondern Punkt gegen Briand. Das all-
gemeine Unbehagen ist nicht plötzlich gekommen. Clemenceau
hat von Anfang an das Parlament schlecht behandelt; er hat
sich nicht einmal mit den Führern der Mehrheit über den
unerläßlichen Arbeitsplan verständigt, den das Nebeneinander-
wirken der Kommissionen und des Plenums voraussetzt.
Anstatt zunächst auf einer Beschleunigung der Debatte über
die Abschaffung der Kriegsgerichte zu bestehen, wodurch die
Kammer mehrere Wochen lang beschäftigt worden wäre, hat
die Regierung sich sofort neuen Problemen zugewandt, die,
wie die Reform der Einkommensteuer, keineswegs die ein-
mütige Zustimmung aller Gruppen der Mehrheit finden;
Clemenceau hat nebenbei noch den Kampf gegen die bisher
tolerierten Sp[i]elklubs aufgenommen und damit allen Vertre-
tern der Badeorte und der Kurorte vor den Kopf gestoßen,
die ein starkes Kontingent auf dem rechten Flügel der Mehr-
heit bilden. So ist es gekommen, daß die Presse und die
öffentliche Meinung plötzlich in eine heftige Aussprache über
eine ganze Reihe tief einschneidender Reformen hineingerissen
worden sind, ohne daß die Kammer selbst in regelmäßiger
Reihenfolge an dieser Aussprache teilnehmen kann. Diese
Ohnmacht hat ein allgemeines Unbehagen erzeugt, das durch
die persönliche, schroffe, jeden gutgemeinten Rat abweisende Art
Clemenceaus noch vertieft worden ist. Unterdessen ist auch die
Kirchenpolitik, die bisher die Mehrheit fest zusammen-
kittete, an ihrem kritischen Endpunkt angelangt. Herr Briand
hat nach und nach Konzessionen an die römisch-katholische
Kirche gemacht, mit denen er aus den durch das Trennungs-
gesetz gezogenen Grenzen allmählich herausgedrängt worden ist.




"Watte!" .... schrie Emilie .... "Karbol!" ....
schluchzte die Hausfrau ... "Kollodium!" ... verlangte
der Hausherr ... und "Einen Lappen!" brüllte Kurtchen.

Man lief ans Büfett, an den Näh- und Nachttisch, man
suchte im Küchenschrank nach der Karbolflasche und im Schreib-
tisch nach dem Verbandzeug.

Man fand nichts.

"Es hat doch aber seit Jahren hier gelegen", stammelte
aufgeregt Frau Margarete.

"Natürlich ... und die Karbolpulle stand doch immer
direkte mang die anderen Pullens in de Speisekammer" ...
jammerte Emilie.

Der Hausherr hatte mittlerweile seinem Jungen das
Taschentuch um die blutende Hand gewickelt und befahl:
"Sofort zum Apotheker rüber Emilie".

Das Mädchen lief mehr als es ging.

Als es schweißtriefend mit den Verbandsachon zurück-
kehrte, stieß es im dunklen Korridor an etwas Hartes, Dick-
bäuchkges, das an der Wand hing.

"Au" ... schrie es markerschütternd auf.

Frau Margarete, mit dem Licht in der Hand, trat ihm
entgegen, gefolgt von sämtlichen Familienmitgliedern, samt
dem glücklich beruhigten Schmerzenskinde Kurt.

"Was war denn das?"

"Ich gloobe ... de Hausapotheke" ... meinte das
Mädchen, sich verstört den Kopf reibend.

Da schwiegen alle. An das Möbelstück hatte bei dieser
großen Aufregung kein einziger gedacht.

Der erste, der diese beängstigende Stille unterbrach, war
der Hausherr.

Er klopfte seiner fessungslosen, besseren Hälfte gutmütig
tröstend die heiße Wange.

"Siehste, da haste die Kiste, ... Gretchen." ...




[Spaltenumbruch]

Es kommt hinzu, daß die vom Vatikan gewählte und von
Briand angenommene Lösung der Nutznießungverträge zwischen
Geistlichen und Bürgermeistern in der Praxis ernsten
Schwierigkeiten begegnen muß. Es ist zu befürchten, daß
die Frage der Ueberlassung der Kirchen und der Vermietung
der bisherigen Pfarrhäuser an die Geistlichen zu einem heftigen
Kampf in allen Gemeinden führen wird. Diese Befürchtung,
daß der bisher zwischen dem Staat und dem Vatikan geführte
Kampf in Zukunft in den Gemeinden wiederaufleben und
fortdauern soll, ist nun im Senat zum Ausdruck ge-
kommen und schließlich wurde die Vorlage zur Erweiterung
des Versammlungsrechts an die Kommission zurückverwiesen.
Wie die in dieser Frage schwebenden Verhandlungen aber auch
enden mögen, das bestehende Unbehagen wird sich gewiß
nicht in einen längere Dauer versprechenden Frieden zwischen
der Regierung und der Mehrheit verwandeln.

Kultusminister Briand über-
sandte seinen Kollegen im Kabinett Exemplare der neuen
Fassung der Vertragsformel, betreffend die Verpachtung von
Kirchen. Die Lage wird bis zu dem am Dienstag statt-
findenden Ministerrat, der darüber entscheiden soll, ob er der
jetzigen oder der früheren Fassung zustimme, stationär bleiben.
Die Regierung wird die Interpellationen betreffs dieses
Gegenstandes am Dienstag beantworten und die Entscheidung,
die sie darüber gefaßt hat, bekannt geben.




Bunte Chronik.


Aerztestreik in Berlin.

Die Assistenzärzte an den Berliner
städtischen Krankenhäuser[n] haben beschlossen, am 1. März l. J.
ihre Tätigkeit einzustellen. Vor Jahresfrist stellten
sie in einer Eingabe an den Magistrat Forderungen auf,
die der Magistrat nach acht Monaten ablehend beschied.
Die Folge davon ist die erwähnte Ankündigung des
Streikes.




Verhaftung eines Defraudanten.

Der Kassierer der Budapester
Sparbank, Barkany, der mit 40.000 K durchgebrannt ist,
wurde gestern mit seiner Begleiterin, einer Dresdner Theater-
dame, hier im Hotel "Monopol" verhaftet.




Opfer des polnischen Schulstreiks.

Der Obertertianer Baczynski
aus Jarotschin wurde vom königl. Gymnasium zu Lissa ent-
lassen, weil sein Vater, wie festgestellt wurde, ein eifriger
Förderer der Schulstreiks sein soll. Beim genannten Gymnasium
sollen noch weitere Entlassungen aus demselben Grunde bevor-
stehen.

[Eine Säbelaffäre.]

Aus Belgrad, 17. d. wird
der folgende Vorfall gemeldet: Der Abgeordnete und frühere
Minister Pavle Marinkowitsch wurde heute mittag, als er mit
mehreren Abgeordneten aus der Skupschtina kam, auf dem Haupt-
platz Therazia von drei Leutnants überfallen. Ein Leutnant ver-
setzte ihm einen Schlag mit der Reitgerte, während ein anderer
mit dem Säbel dem Abgeordneten Michailo Georgewitsch den
Schädel spaltete. Die Angreifer sind dieselben Offiziere, die
den Abg. Marinkowitsch wegen angeblicher Beleidigung der
Prinzessin Helene in der Zeitung "Prawda" forderten, worüber
Marinkowitsch den Ministerpräsidenten und den Kriegs-
minister interpellierte. Die Minister antworteten jedoch nicht, noch
beugten sie dem heutigen Ueberfall vor. Es herrscht deshalb all-
gemeine Entrüstung und man sieht in diesem Vorfall die Hand
der Verschwörer. Besonders groß ist die Entrüstung unter den
oppositionellen Abgeordneten, welche die Regierung für den Vorfall
verantwortlich machen und die Entlassung der Angreifer aus der
Armee, sowie Maßregeln gegen den fortdauernden Terrorismus
der Verschwörer fordern werden. Vielfach wird auch die Meinung
geäußert, daß die Offiziere im Auftrage des Hofes gehandelt
haben.

[Gattenmord in der englischen Kolonie
zu Antwerpen.]

Eine Aufsehen erregende Tragödie hat
am Rosenmontag Antwerpen und speziell die dortige englische
Kolonie in Aufregung versetzt. Mr. Timothy O'Holloran, der
sehr reiche Besitzer einer Schiffswerft, lebte in beständigem Un-
frieden mit seiner Gattin, der in dem unkontrollierbaren Tempe-
rament und einem durch nichts zu zügelnden Jähzorn des Mannes,
der ein Trinker war, seinen Grund hatte. Am Montag kam es
abermals zu heftigem Streit, der schließlich so weit ausartete,
daß O'Holloran einen schweren Stock ergriff und in höchster
Wut auf seine Frau losstürzte. Diese flüchtete hinauf ins Schlaf-
zimmer, riß einen Revolver an sich und feuerte in größter Angst
gegen die Tür, um, wie sie behauptet, damit Hilfe herbeizurufen.
Unglücklicherweise trat O'Holloran, der ihr gefolgt war, in dem-
selben Augenblick ins Schlafzimmer und die Kugel drang ihm
hinter dem Ohr in dem Kopf. Er hatte noch so viel Kraft, daß
er die Treppe hinab und zum Hause hinaus eilen konnte, wo
er bewußtlos zusammenbrach. Im Hospital gab er kurz darauf
seinen Geist auf; die Frau befindet sich in Untersuchungshaft.

[Wie man Einbrecher fängt.]

In Leeds standen
dieser Tage zwei russische Juden wegen schweren Einbruchs vor
Gericht. Es kam bei dieser Gelegenheit auch zutage, auf welch'
sinnreiche Art ein Detektiv die beiden Spitzbuben gefangen hatte.
Als der Polizist eines Nachts durch die Straßen ging, hörte er
aus dem Keller eines Warenlagers ein verdächtiges Geräusch
hervordringen. Hier hatte er nun die ersehnte Gelegenheit, einen
[Spaltenumbruch] gut ausgedachten Trick in Anwendung zu bringen. Er nahm aus
seiner Tasche ein Flöckchen Schießbaumwolle, welches mit fein
gemahlenem Cayennepfeffer dicht bestreut war, zündete die kurze,
an der Schießbaumwolle befestigte Zündschnur an und warf die
"Höllenmaschine" in den Keller, wo der Explosivstoff sogleich
verpuffte "Werfen Sie nichts mehr herein, wir haben genug
davon!" ließen sich zwei Stimmen vernehmen. Der Detektiv trat
in den Keller und nahm die für einige Minuten erblindeten Ein-
brecher in aller Ruhe fest.

[Das Opfer und die Rache.]

Vor sieben Jahren
wurde in Zaborze der Koksarbeiter Dworowski aufgefunden.
Der Verdacht lenkte sich auf seine Ehefrau, die auch die Tat reu-
mütig eingestand und vom Gleiwitzer Schwurgericht zu fünf
Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Jetzt stellte sich heraus, daß
die Ehefrau mit dem Zimmerhäuer Morawietz in intimem Verkehr
gestanden hatte. Letzterer soll den Dworowski in der Abficht, die
Frau zu heiraten, ermordet haben. Die Frau hat sich unschuldig
verurteilen lassen, um jeden Verdacht von ihrem Geliebten ab-
zulenken. Weil er aber von ihr nach der Rückkehr aus dem Ge-
fängnis nichts wissen wollte, kam es zu peinlichen Auftritten,
die zum Verrat des Geliebten führten. Morawietz wurde verhaftet.

[Der Bilderdiebstahl in London.]

Im
Hause des bekannten Londoner Kunsthändlers und Millionärs
Karl Wertheimer in Norfolk Street, unweit des Hydeparks, in
welchem Kunstschätze im Werte von mehr als einer halben Mill.
Pfund Sterling untergebracht sind, wurde, wie schon mitgeteilt,
am Dienstag ein ebenso mysteri[ö]ser als waghalsiger Einbruch
verübt. Der Einbrecher, welcher zweifellos zu den kühnsten Pro-
fessionals seiner Gattung gehört, drang ins Haus, welches, wie
kaum ein zweites in London, allseits mit automatischen elektrischen
Alarmsignalen versehen ist, vom Garten aus ein, von wo er sich
auf ein Fensterbrett geschwungen haben muß. Er öffnete hierauf
das Fenster geschickt mittelst eines Tischmessers und befand sich
dann im Rauchzimmer Wertheimers, von wo er relativ leicht in
die Kunstgalerie zu gelangen vermochte. Der Einbrecher, welcher
Handschuhe trug, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, durch
die seine Identität hätte verraten werden können, war zweifellos
kein Kunstkenner, denn er wählte bloß zwei berühmte Bilder,
nämlich Naucy Parsons von Gainsborough und die Honorable
Mrs. York von Reynolds, die er mit demselben Tischmesser aus
ihren Rahmen schnitt, sowie einige goldene Schnupftabakdosen
der Louis Quinze- und Louis Seize-Periode, während er viel
wertvollere Gemälde und Kunstobjekte hätte mitnehmen können.
Möglicherweise wurde übrigens der Einbrecher in seiner Arbeit
gestört; er scheint dann knapp vor 6 Uhr schnurstracks die Treppen
herab zum Haupttor des Hauses geeilt zu sein, dieses geöffnet
und derart die Straße wiedererlangt zu haben. Nun gingen
zwar die Alarmglocken los, aber vom Einbrecher war keine Spur
mehr zu finden. Der Wert der mitgenommenen Kunstschätze wird
auf 70.000 Pfund (anderthalb Million Kronen) ge-
schätzt. Ein ganzes Heer von Detektivs jagt dem unbekannten
Einbrecher nach. Die auf die Verhaftung des Diebs ausgesetzte
hohe Belohnung von tausend Pfund verstärkt natürlich nur ihren
Eifer. Sämtliche Kunsthändler Englands wurden bereits mit ge-
nauen Beschreibungen, sowie Photographien der gestohlenen Objekte
beteilt, und dank diesem Zirkular, welches auch an alle aus-
wärtigen Kunsthändler und Museen gesandt werden soll, wird es
dem Diebe unmöglich sein, sich der geraubten Gemälde zu ent-
ledigen. Die beiden Oelbilder von Gainsborough und Reynolds
dürften überdies schon beim Ausschneiden aus ihren Rahmen
völlig ruiniert worden sein, denn der Einbrecher tat dies ohne
besondere Schonung der wertvollen Gemälde, welche auf je
16.000 Pfund geschätzt worden waren. Auch die Veräußerung
der kostspieligen goldenen Tabatieren, welche der Dieb raubte,
dürfte sich diesem in ihrem gegenwärtigen Zustande als untunlich
erweisen, und es liegt die Befürchtung vor, daß er sie einschmelzen
wird, trotzdem der Goldwert der Tabatieren im Verhältnisse zu
ihrem Kunstwerte ein nur ganz minimaler ist. Wertheimer, welcher
nicht versichert war, ist infolge der Aufregungen von einem
schweren Nervenchok befallen worden.

[Professor Sarah Bernhardt.]

Die Professur,
welche Pierre Laugier, ein kürzlich verstorbenes Mitglied der
Academie Francaise, am Konservatorium bekleidete, ist, wie
der Draht gemeldet hat, vom Minister der schönen Künste
Madame Sarah Bernhardt verliehen worden. Da die fran-
zösische Sprache eine Professorin nicht kennt, so ist nun
Madame Bernhardt wohlbestallter Professor. Und da ferner
zu einem wohlbestallten Professor in Frankreich das rote
Bändchen gehört, so wird ein beinahe schon homerischer
Kampf, der mit dem Ordensrate der Ehrenlegion seit ge-
raumer Zeit geführt wird, hoffentlich bald zu Ende gehen.
Sarah Bernhardt, von der Regierung als Schauspielerin
wiederholt vorgeschlagen, ist vom Ordensrate bisher nicht
akzeptiert worden, und die Verleihung der Professur wurde
schon vor mehreren Wochen als ein Mittel erörtert, das allen
Beteiligten recht geben würde: der Regierung, welche die
Dekorierung vorschlägt, dem Ordensrate, der dem Professor
gewährt, was er der Schauspielerin nicht gewähren will, und
der Madame Bernhardt, der man es wirklich nicht ansehen
wird, ob sie den Orden, nach dem sie sich sehnt, als Schau-
spielerin oder als Professor trägt.

[Eine siebenköpfige Familie verbrannt.]

In Morgental bei Arbon am Bodensee brach dieser Tage ein
Feuer aus, das in kurzer Zeit das davon betroffene Wohn-
haus, in dem zahlreiche italienische Arbeiter mit ihren Ange-
hörigen logierten, in Asche legte. Nach dem Brande: wurden
sieben Personen der italienischen Familie Vanzo vermißt,
deren Verbleib trotz eifrigsten Nachsuchens auf der Brand-
stätte nicht entdeckt werden konnte. Auch den Bemühungen
von dreißig aus Arbon gekommenen Italienern, die mit
Schaufeln und Pickeln den Platz durchsuchten, gelang es
nicht, die vermißten Landsleute aufzufinden. Nunmehr hat
man in den Trümmern menschliche Ueberreste, als Zähne und
Stücke von Schädelknochen, entdeckt, so daß über das Schicksal
der Unglücklichen kein Zweifel bestehen kann. Die ganze aus
Montorio bei Verona stammende Familie, bestehend aus Vater,
Mutter und fünf Kindern, letztere im Alter von 1/4 bis zehn
Jahren, hat in den Flammen den Tod gefunden.


20. Februar 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Hierauf erſtatteten die Vertrauensmänner der Partei in
den einzelnen Wahlbezirken ihre Situationsberichte, aus denen
hervorgeht, daß in vielen Wahlbezirken die Partei mit gün-
ftigen Chancen in den Wahlkampf eintrete. Bezüglich der
Kandidatur Dr. Eppingers gegen K. H. Wolf in
Trautenau wurde allſeits hervorgehoben, daß dieſe Kan-
didatur von der deutſchfortſchrittlichen Wählerſchaft freudig
begrüßt werde.




Die Lage in Frankreich.

Trotz aller beruhigenden Verſicherungen aus offiziöſen
Pariſer Kreiſen kann man nicht ſo recht daran glauben, daß
die Situation in Frankreich völlig geklärt ſei. Die Klarheit
wird erſt die laufende Woche bringen. Es verlautet, daß
Clemenceau den Wunſch hat, in den nächſten Tagen eine
Debatte über die Kirchenpolitik herbeizuführen und allen in
letzter Zeit zutage getretenen Unklarheiten und Mißhelligkeiten
ein Ende zu machen. Dieſer Kampf dürfte für die Regierung
kein leichter werden, da durch den allzu lange währenden
Kirchenſtreit, durch die drakoniſchen Maßregeln gegen die
Spielzirkel und beſonders durch die Unzufriedenheit mit dem
Steuerentwurf die allgemeine Nervoſität ſehr geſteigert iſt.
Clemenceau hat ſich durch ſeine autokratiſche Art gerade bei
ſeinen früheren Freunden in der Kammer viele erbitterte
Feinde gemacht, und gegen Briand wühlen die Combiſten
um ſo mehr, je näher ſich die Kirche ſeinen Vorſchlägen zu-
neigt. Jedenfalls wird alſo in dieſer Woche für das
Miniſterium Clemenceau die Entſcheidung über Sein oder
Nichtſein fallen. — Wir erhalten über die momentane Lage
folgende Meldung:

(Orig.-Korr.)

Während ſich die
dem Miniſterium des Innern naheſtehenden Blätter ſeit zwei
Tagen bemühen, jede Meinungsverſchiedenheit zwiſchen Cle-
menceau und Briand abzuſtreiten, beſteht in Senat und Kammer
nur das eine Gefühl, daß die Regierung das ihr im Oktober
gewährte Vertrauen erſchöpft hat, und daß eine Regie-
rungskriſis unvermeidlich
geworden iſt. Dieſe
Unzufriedenheit richtet ſich im allgemeinen gegen Clemenceau
und nur in einem beſondern Punkt gegen Briand. Das all-
gemeine Unbehagen iſt nicht plötzlich gekommen. Clemenceau
hat von Anfang an das Parlament ſchlecht behandelt; er hat
ſich nicht einmal mit den Führern der Mehrheit über den
unerläßlichen Arbeitsplan verſtändigt, den das Nebeneinander-
wirken der Kommiſſionen und des Plenums vorausſetzt.
Anſtatt zunächſt auf einer Beſchleunigung der Debatte über
die Abſchaffung der Kriegsgerichte zu beſtehen, wodurch die
Kammer mehrere Wochen lang beſchäftigt worden wäre, hat
die Regierung ſich ſofort neuen Problemen zugewandt, die,
wie die Reform der Einkommenſteuer, keineswegs die ein-
mütige Zuſtimmung aller Gruppen der Mehrheit finden;
Clemenceau hat nebenbei noch den Kampf gegen die bisher
tolerierten Sp[i]elklubs aufgenommen und damit allen Vertre-
tern der Badeorte und der Kurorte vor den Kopf geſtoßen,
die ein ſtarkes Kontingent auf dem rechten Flügel der Mehr-
heit bilden. So iſt es gekommen, daß die Preſſe und die
öffentliche Meinung plötzlich in eine heftige Ausſprache über
eine ganze Reihe tief einſchneidender Reformen hineingeriſſen
worden ſind, ohne daß die Kammer ſelbſt in regelmäßiger
Reihenfolge an dieſer Ausſprache teilnehmen kann. Dieſe
Ohnmacht hat ein allgemeines Unbehagen erzeugt, das durch
die perſönliche, ſchroffe, jeden gutgemeinten Rat abweiſende Art
Clemenceaus noch vertieft worden iſt. Unterdeſſen iſt auch die
Kirchenpolitik, die bisher die Mehrheit feſt zuſammen-
kittete, an ihrem kritiſchen Endpunkt angelangt. Herr Briand
hat nach und nach Konzeſſionen an die römiſch-katholiſche
Kirche gemacht, mit denen er aus den durch das Trennungs-
geſetz gezogenen Grenzen allmählich herausgedrängt worden iſt.




„Watte!“ .... ſchrie Emilie .... „Karbol!“ ....
ſchluchzte die Hausfrau ... „Kollodium!“ ... verlangte
der Hausherr ... und „Einen Lappen!“ brüllte Kurtchen.

Man lief ans Büfett, an den Näh- und Nachttiſch, man
ſuchte im Küchenſchrank nach der Karbolflaſche und im Schreib-
tiſch nach dem Verbandzeug.

Man fand nichts.

„Es hat doch aber ſeit Jahren hier gelegen“, ſtammelte
aufgeregt Frau Margarete.

„Natürlich ... und die Karbolpulle ſtand doch immer
direkte mang die anderen Pullens in de Speiſekammer“ ...
jammerte Emilie.

Der Hausherr hatte mittlerweile ſeinem Jungen das
Taſchentuch um die blutende Hand gewickelt und befahl:
„Sofort zum Apotheker rüber Emilie“.

Das Mädchen lief mehr als es ging.

Als es ſchweißtriefend mit den Verbandſachon zurück-
kehrte, ſtieß es im dunklen Korridor an etwas Hartes, Dick-
bäuchkges, das an der Wand hing.

„Au“ ... ſchrie es markerſchütternd auf.

Frau Margarete, mit dem Licht in der Hand, trat ihm
entgegen, gefolgt von ſämtlichen Familienmitgliedern, ſamt
dem glücklich beruhigten Schmerzenskinde Kurt.

„Was war denn das?“

„Ich gloobe ... de Hausapotheke“ ... meinte das
Mädchen, ſich verſtört den Kopf reibend.

Da ſchwiegen alle. An das Möbelſtück hatte bei dieſer
großen Aufregung kein einziger gedacht.

Der erſte, der dieſe beängſtigende Stille unterbrach, war
der Hausherr.

Er klopfte ſeiner feſſungsloſen, beſſeren Hälfte gutmütig
tröſtend die heiße Wange.

„Siehſte, da haſte die Kiſte, ... Gretchen.“ ...




[Spaltenumbruch]

Es kommt hinzu, daß die vom Vatikan gewählte und von
Briand angenommene Löſung der Nutznießungverträge zwiſchen
Geiſtlichen und Bürgermeiſtern in der Praxis ernſten
Schwierigkeiten begegnen muß. Es iſt zu befürchten, daß
die Frage der Ueberlaſſung der Kirchen und der Vermietung
der bisherigen Pfarrhäuſer an die Geiſtlichen zu einem heftigen
Kampf in allen Gemeinden führen wird. Dieſe Befürchtung,
daß der bisher zwiſchen dem Staat und dem Vatikan geführte
Kampf in Zukunft in den Gemeinden wiederaufleben und
fortdauern ſoll, iſt nun im Senat zum Ausdruck ge-
kommen und ſchließlich wurde die Vorlage zur Erweiterung
des Verſammlungsrechts an die Kommiſſion zurückverwieſen.
Wie die in dieſer Frage ſchwebenden Verhandlungen aber auch
enden mögen, das beſtehende Unbehagen wird ſich gewiß
nicht in einen längere Dauer verſprechenden Frieden zwiſchen
der Regierung und der Mehrheit verwandeln.

Kultusminiſter Briand über-
ſandte ſeinen Kollegen im Kabinett Exemplare der neuen
Faſſung der Vertragsformel, betreffend die Verpachtung von
Kirchen. Die Lage wird bis zu dem am Dienſtag ſtatt-
findenden Miniſterrat, der darüber entſcheiden ſoll, ob er der
jetzigen oder der früheren Faſſung zuſtimme, ſtationär bleiben.
Die Regierung wird die Interpellationen betreffs dieſes
Gegenſtandes am Dienſtag beantworten und die Entſcheidung,
die ſie darüber gefaßt hat, bekannt geben.




Bunte Chronik.


Aerzteſtreik in Berlin.

Die Aſſiſtenzärzte an den Berliner
ſtädtiſchen Krankenhäuſer[n] haben beſchloſſen, am 1. März l. J.
ihre Tätigkeit einzuſtellen. Vor Jahresfriſt ſtellten
ſie in einer Eingabe an den Magiſtrat Forderungen auf,
die der Magiſtrat nach acht Monaten ablehend beſchied.
Die Folge davon iſt die erwähnte Ankündigung des
Streikes.




Verhaftung eines Defraudanten.

Der Kaſſierer der Budapeſter
Sparbank, Barkany, der mit 40.000 K durchgebrannt iſt,
wurde geſtern mit ſeiner Begleiterin, einer Dresdner Theater-
dame, hier im Hotel „Monopol“ verhaftet.




Opfer des polniſchen Schulſtreiks.

Der Obertertianer Baczynski
aus Jarotſchin wurde vom königl. Gymnaſium zu Liſſa ent-
laſſen, weil ſein Vater, wie feſtgeſtellt wurde, ein eifriger
Förderer der Schulſtreiks ſein ſoll. Beim genannten Gymnaſium
ſollen noch weitere Entlaſſungen aus demſelben Grunde bevor-
ſtehen.

[Eine Säbelaffäre.]

Aus Belgrad, 17. d. wird
der folgende Vorfall gemeldet: Der Abgeordnete und frühere
Miniſter Pavle Marinkowitſch wurde heute mittag, als er mit
mehreren Abgeordneten aus der Skupſchtina kam, auf dem Haupt-
platz Therazia von drei Leutnants überfallen. Ein Leutnant ver-
ſetzte ihm einen Schlag mit der Reitgerte, während ein anderer
mit dem Säbel dem Abgeordneten Michailo Georgewitſch den
Schädel ſpaltete. Die Angreifer ſind dieſelben Offiziere, die
den Abg. Marinkowitſch wegen angeblicher Beleidigung der
Prinzeſſin Helene in der Zeitung „Prawda“ forderten, worüber
Marinkowitſch den Miniſterpräſidenten und den Kriegs-
miniſter interpellierte. Die Miniſter antworteten jedoch nicht, noch
beugten ſie dem heutigen Ueberfall vor. Es herrſcht deshalb all-
gemeine Entrüſtung und man ſieht in dieſem Vorfall die Hand
der Verſchwörer. Beſonders groß iſt die Entrüſtung unter den
oppoſitionellen Abgeordneten, welche die Regierung für den Vorfall
verantwortlich machen und die Entlaſſung der Angreifer aus der
Armee, ſowie Maßregeln gegen den fortdauernden Terrorismus
der Verſchwörer fordern werden. Vielfach wird auch die Meinung
geäußert, daß die Offiziere im Auftrage des Hofes gehandelt
haben.

[Gattenmord in der engliſchen Kolonie
zu Antwerpen.]

Eine Aufſehen erregende Tragödie hat
am Roſenmontag Antwerpen und ſpeziell die dortige engliſche
Kolonie in Aufregung verſetzt. Mr. Timothy O’Holloran, der
ſehr reiche Beſitzer einer Schiffswerft, lebte in beſtändigem Un-
frieden mit ſeiner Gattin, der in dem unkontrollierbaren Tempe-
rament und einem durch nichts zu zügelnden Jähzorn des Mannes,
der ein Trinker war, ſeinen Grund hatte. Am Montag kam es
abermals zu heftigem Streit, der ſchließlich ſo weit ausartete,
daß O’Holloran einen ſchweren Stock ergriff und in höchſter
Wut auf ſeine Frau losſtürzte. Dieſe flüchtete hinauf ins Schlaf-
zimmer, riß einen Revolver an ſich und feuerte in größter Angſt
gegen die Tür, um, wie ſie behauptet, damit Hilfe herbeizurufen.
Unglücklicherweiſe trat O’Holloran, der ihr gefolgt war, in dem-
ſelben Augenblick ins Schlafzimmer und die Kugel drang ihm
hinter dem Ohr in dem Kopf. Er hatte noch ſo viel Kraft, daß
er die Treppe hinab und zum Hauſe hinaus eilen konnte, wo
er bewußtlos zuſammenbrach. Im Hoſpital gab er kurz darauf
ſeinen Geiſt auf; die Frau befindet ſich in Unterſuchungshaft.

[Wie man Einbrecher fängt.]

In Leeds ſtanden
dieſer Tage zwei ruſſiſche Juden wegen ſchweren Einbruchs vor
Gericht. Es kam bei dieſer Gelegenheit auch zutage, auf welch’
ſinnreiche Art ein Detektiv die beiden Spitzbuben gefangen hatte.
Als der Poliziſt eines Nachts durch die Straßen ging, hörte er
aus dem Keller eines Warenlagers ein verdächtiges Geräuſch
hervordringen. Hier hatte er nun die erſehnte Gelegenheit, einen
[Spaltenumbruch] gut ausgedachten Trick in Anwendung zu bringen. Er nahm aus
ſeiner Taſche ein Flöckchen Schießbaumwolle, welches mit fein
gemahlenem Cayennepfeffer dicht beſtreut war, zündete die kurze,
an der Schießbaumwolle befeſtigte Zündſchnur an und warf die
„Höllenmaſchine“ in den Keller, wo der Exploſivſtoff ſogleich
verpuffte „Werfen Sie nichts mehr herein, wir haben genug
davon!“ ließen ſich zwei Stimmen vernehmen. Der Detektiv trat
in den Keller und nahm die für einige Minuten erblindeten Ein-
brecher in aller Ruhe feſt.

[Das Opfer und die Rache.]

Vor ſieben Jahren
wurde in Zaborze der Koksarbeiter Dworowski aufgefunden.
Der Verdacht lenkte ſich auf ſeine Ehefrau, die auch die Tat reu-
mütig eingeſtand und vom Gleiwitzer Schwurgericht zu fünf
Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Jetzt ſtellte ſich heraus, daß
die Ehefrau mit dem Zimmerhäuer Morawietz in intimem Verkehr
geſtanden hatte. Letzterer ſoll den Dworowski in der Abficht, die
Frau zu heiraten, ermordet haben. Die Frau hat ſich unſchuldig
verurteilen laſſen, um jeden Verdacht von ihrem Geliebten ab-
zulenken. Weil er aber von ihr nach der Rückkehr aus dem Ge-
fängnis nichts wiſſen wollte, kam es zu peinlichen Auftritten,
die zum Verrat des Geliebten führten. Morawietz wurde verhaftet.

[Der Bilderdiebſtahl in London.]

Im
Hauſe des bekannten Londoner Kunſthändlers und Millionärs
Karl Wertheimer in Norfolk Street, unweit des Hydeparks, in
welchem Kunſtſchätze im Werte von mehr als einer halben Mill.
Pfund Sterling untergebracht ſind, wurde, wie ſchon mitgeteilt,
am Dienſtag ein ebenſo myſteri[ö]ſer als waghalſiger Einbruch
verübt. Der Einbrecher, welcher zweifellos zu den kühnſten Pro-
feſſionals ſeiner Gattung gehört, drang ins Haus, welches, wie
kaum ein zweites in London, allſeits mit automatiſchen elektriſchen
Alarmſignalen verſehen iſt, vom Garten aus ein, von wo er ſich
auf ein Fenſterbrett geſchwungen haben muß. Er öffnete hierauf
das Fenſter geſchickt mittelſt eines Tiſchmeſſers und befand ſich
dann im Rauchzimmer Wertheimers, von wo er relativ leicht in
die Kunſtgalerie zu gelangen vermochte. Der Einbrecher, welcher
Handſchuhe trug, um keine Fingerabdrücke zu hinterlaſſen, durch
die ſeine Identität hätte verraten werden können, war zweifellos
kein Kunſtkenner, denn er wählte bloß zwei berühmte Bilder,
nämlich Naucy Parſons von Gainsborough und die Honorable
Mrs. York von Reynolds, die er mit demſelben Tiſchmeſſer aus
ihren Rahmen ſchnitt, ſowie einige goldene Schnupftabakdoſen
der Louis Quinze- und Louis Seize-Periode, während er viel
wertvollere Gemälde und Kunſtobjekte hätte mitnehmen können.
Möglicherweiſe wurde übrigens der Einbrecher in ſeiner Arbeit
geſtört; er ſcheint dann knapp vor 6 Uhr ſchnurſtracks die Treppen
herab zum Haupttor des Hauſes geeilt zu ſein, dieſes geöffnet
und derart die Straße wiedererlangt zu haben. Nun gingen
zwar die Alarmglocken los, aber vom Einbrecher war keine Spur
mehr zu finden. Der Wert der mitgenommenen Kunſtſchätze wird
auf 70.000 Pfund (anderthalb Million Kronen) ge-
ſchätzt. Ein ganzes Heer von Detektivs jagt dem unbekannten
Einbrecher nach. Die auf die Verhaftung des Diebs ausgeſetzte
hohe Belohnung von tauſend Pfund verſtärkt natürlich nur ihren
Eifer. Sämtliche Kunſthändler Englands wurden bereits mit ge-
nauen Beſchreibungen, ſowie Photographien der geſtohlenen Objekte
beteilt, und dank dieſem Zirkular, welches auch an alle aus-
wärtigen Kunſthändler und Muſeen geſandt werden ſoll, wird es
dem Diebe unmöglich ſein, ſich der geraubten Gemälde zu ent-
ledigen. Die beiden Oelbilder von Gainsborough und Reynolds
dürften überdies ſchon beim Ausſchneiden aus ihren Rahmen
völlig ruiniert worden ſein, denn der Einbrecher tat dies ohne
beſondere Schonung der wertvollen Gemälde, welche auf je
16.000 Pfund geſchätzt worden waren. Auch die Veräußerung
der koſtſpieligen goldenen Tabatieren, welche der Dieb raubte,
dürfte ſich dieſem in ihrem gegenwärtigen Zuſtande als untunlich
erweiſen, und es liegt die Befürchtung vor, daß er ſie einſchmelzen
wird, trotzdem der Goldwert der Tabatieren im Verhältniſſe zu
ihrem Kunſtwerte ein nur ganz minimaler iſt. Wertheimer, welcher
nicht verſichert war, iſt infolge der Aufregungen von einem
ſchweren Nervenchok befallen worden.

[Profeſſor Sarah Bernhardt.]

Die Profeſſur,
welche Pierre Laugier, ein kürzlich verſtorbenes Mitglied der
Academie Françaiſe, am Konſervatorium bekleidete, iſt, wie
der Draht gemeldet hat, vom Miniſter der ſchönen Künſte
Madame Sarah Bernhardt verliehen worden. Da die fran-
zöſiſche Sprache eine Profeſſorin nicht kennt, ſo iſt nun
Madame Bernhardt wohlbeſtallter Profeſſor. Und da ferner
zu einem wohlbeſtallten Profeſſor in Frankreich das rote
Bändchen gehört, ſo wird ein beinahe ſchon homeriſcher
Kampf, der mit dem Ordensrate der Ehrenlegion ſeit ge-
raumer Zeit geführt wird, hoffentlich bald zu Ende gehen.
Sarah Bernhardt, von der Regierung als Schauſpielerin
wiederholt vorgeſchlagen, iſt vom Ordensrate bisher nicht
akzeptiert worden, und die Verleihung der Profeſſur wurde
ſchon vor mehreren Wochen als ein Mittel erörtert, das allen
Beteiligten recht geben würde: der Regierung, welche die
Dekorierung vorſchlägt, dem Ordensrate, der dem Profeſſor
gewährt, was er der Schauſpielerin nicht gewähren will, und
der Madame Bernhardt, der man es wirklich nicht anſehen
wird, ob ſie den Orden, nach dem ſie ſich ſehnt, als Schau-
ſpielerin oder als Profeſſor trägt.

[Eine ſiebenköpfige Familie verbrannt.]

In Morgental bei Arbon am Bodenſee brach dieſer Tage ein
Feuer aus, das in kurzer Zeit das davon betroffene Wohn-
haus, in dem zahlreiche italieniſche Arbeiter mit ihren Ange-
hörigen logierten, in Aſche legte. Nach dem Brande: wurden
ſieben Perſonen der italieniſchen Familie Vanzo vermißt,
deren Verbleib trotz eifrigſten Nachſuchens auf der Brand-
ſtätte nicht entdeckt werden konnte. Auch den Bemühungen
von dreißig aus Arbon gekommenen Italienern, die mit
Schaufeln und Pickeln den Platz durchſuchten, gelang es
nicht, die vermißten Landsleute aufzufinden. Nunmehr hat
man in den Trümmern menſchliche Ueberreſte, als Zähne und
Stücke von Schädelknochen, entdeckt, ſo daß über das Schickſal
der Unglücklichen kein Zweifel beſtehen kann. Die ganze aus
Montorio bei Verona ſtammende Familie, beſtehend aus Vater,
Mutter und fünf Kindern, letztere im Alter von ¼ bis zehn
Jahren, hat in den Flammen den Tod gefunden.


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[3/0003] 20. Februar 1907. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Hierauf erſtatteten die Vertrauensmänner der Partei in den einzelnen Wahlbezirken ihre Situationsberichte, aus denen hervorgeht, daß in vielen Wahlbezirken die Partei mit gün- ftigen Chancen in den Wahlkampf eintrete. Bezüglich der Kandidatur Dr. Eppingers gegen K. H. Wolf in Trautenau wurde allſeits hervorgehoben, daß dieſe Kan- didatur von der deutſchfortſchrittlichen Wählerſchaft freudig begrüßt werde. Die Lage in Frankreich. Trotz aller beruhigenden Verſicherungen aus offiziöſen Pariſer Kreiſen kann man nicht ſo recht daran glauben, daß die Situation in Frankreich völlig geklärt ſei. Die Klarheit wird erſt die laufende Woche bringen. Es verlautet, daß Clemenceau den Wunſch hat, in den nächſten Tagen eine Debatte über die Kirchenpolitik herbeizuführen und allen in letzter Zeit zutage getretenen Unklarheiten und Mißhelligkeiten ein Ende zu machen. Dieſer Kampf dürfte für die Regierung kein leichter werden, da durch den allzu lange währenden Kirchenſtreit, durch die drakoniſchen Maßregeln gegen die Spielzirkel und beſonders durch die Unzufriedenheit mit dem Steuerentwurf die allgemeine Nervoſität ſehr geſteigert iſt. Clemenceau hat ſich durch ſeine autokratiſche Art gerade bei ſeinen früheren Freunden in der Kammer viele erbitterte Feinde gemacht, und gegen Briand wühlen die Combiſten um ſo mehr, je näher ſich die Kirche ſeinen Vorſchlägen zu- neigt. Jedenfalls wird alſo in dieſer Woche für das Miniſterium Clemenceau die Entſcheidung über Sein oder Nichtſein fallen. — Wir erhalten über die momentane Lage folgende Meldung: Paris, 18. Februar. (Orig.-Korr.) Während ſich die dem Miniſterium des Innern naheſtehenden Blätter ſeit zwei Tagen bemühen, jede Meinungsverſchiedenheit zwiſchen Cle- menceau und Briand abzuſtreiten, beſteht in Senat und Kammer nur das eine Gefühl, daß die Regierung das ihr im Oktober gewährte Vertrauen erſchöpft hat, und daß eine Regie- rungskriſis unvermeidlich geworden iſt. Dieſe Unzufriedenheit richtet ſich im allgemeinen gegen Clemenceau und nur in einem beſondern Punkt gegen Briand. Das all- gemeine Unbehagen iſt nicht plötzlich gekommen. Clemenceau hat von Anfang an das Parlament ſchlecht behandelt; er hat ſich nicht einmal mit den Führern der Mehrheit über den unerläßlichen Arbeitsplan verſtändigt, den das Nebeneinander- wirken der Kommiſſionen und des Plenums vorausſetzt. Anſtatt zunächſt auf einer Beſchleunigung der Debatte über die Abſchaffung der Kriegsgerichte zu beſtehen, wodurch die Kammer mehrere Wochen lang beſchäftigt worden wäre, hat die Regierung ſich ſofort neuen Problemen zugewandt, die, wie die Reform der Einkommenſteuer, keineswegs die ein- mütige Zuſtimmung aller Gruppen der Mehrheit finden; Clemenceau hat nebenbei noch den Kampf gegen die bisher tolerierten Spielklubs aufgenommen und damit allen Vertre- tern der Badeorte und der Kurorte vor den Kopf geſtoßen, die ein ſtarkes Kontingent auf dem rechten Flügel der Mehr- heit bilden. So iſt es gekommen, daß die Preſſe und die öffentliche Meinung plötzlich in eine heftige Ausſprache über eine ganze Reihe tief einſchneidender Reformen hineingeriſſen worden ſind, ohne daß die Kammer ſelbſt in regelmäßiger Reihenfolge an dieſer Ausſprache teilnehmen kann. Dieſe Ohnmacht hat ein allgemeines Unbehagen erzeugt, das durch die perſönliche, ſchroffe, jeden gutgemeinten Rat abweiſende Art Clemenceaus noch vertieft worden iſt. Unterdeſſen iſt auch die Kirchenpolitik, die bisher die Mehrheit feſt zuſammen- kittete, an ihrem kritiſchen Endpunkt angelangt. Herr Briand hat nach und nach Konzeſſionen an die römiſch-katholiſche Kirche gemacht, mit denen er aus den durch das Trennungs- geſetz gezogenen Grenzen allmählich herausgedrängt worden iſt. „Watte!“ .... ſchrie Emilie .... „Karbol!“ .... ſchluchzte die Hausfrau ... „Kollodium!“ ... verlangte der Hausherr ... und „Einen Lappen!“ brüllte Kurtchen. Man lief ans Büfett, an den Näh- und Nachttiſch, man ſuchte im Küchenſchrank nach der Karbolflaſche und im Schreib- tiſch nach dem Verbandzeug. Man fand nichts. „Es hat doch aber ſeit Jahren hier gelegen“, ſtammelte aufgeregt Frau Margarete. „Natürlich ... und die Karbolpulle ſtand doch immer direkte mang die anderen Pullens in de Speiſekammer“ ... jammerte Emilie. Der Hausherr hatte mittlerweile ſeinem Jungen das Taſchentuch um die blutende Hand gewickelt und befahl: „Sofort zum Apotheker rüber Emilie“. Das Mädchen lief mehr als es ging. Als es ſchweißtriefend mit den Verbandſachon zurück- kehrte, ſtieß es im dunklen Korridor an etwas Hartes, Dick- bäuchkges, das an der Wand hing. „Au“ ... ſchrie es markerſchütternd auf. Frau Margarete, mit dem Licht in der Hand, trat ihm entgegen, gefolgt von ſämtlichen Familienmitgliedern, ſamt dem glücklich beruhigten Schmerzenskinde Kurt. „Was war denn das?“ „Ich gloobe ... de Hausapotheke“ ... meinte das Mädchen, ſich verſtört den Kopf reibend. Da ſchwiegen alle. An das Möbelſtück hatte bei dieſer großen Aufregung kein einziger gedacht. Der erſte, der dieſe beängſtigende Stille unterbrach, war der Hausherr. Er klopfte ſeiner feſſungsloſen, beſſeren Hälfte gutmütig tröſtend die heiße Wange. „Siehſte, da haſte die Kiſte, ... Gretchen.“ ... Es kommt hinzu, daß die vom Vatikan gewählte und von Briand angenommene Löſung der Nutznießungverträge zwiſchen Geiſtlichen und Bürgermeiſtern in der Praxis ernſten Schwierigkeiten begegnen muß. Es iſt zu befürchten, daß die Frage der Ueberlaſſung der Kirchen und der Vermietung der bisherigen Pfarrhäuſer an die Geiſtlichen zu einem heftigen Kampf in allen Gemeinden führen wird. Dieſe Befürchtung, daß der bisher zwiſchen dem Staat und dem Vatikan geführte Kampf in Zukunft in den Gemeinden wiederaufleben und fortdauern ſoll, iſt nun im Senat zum Ausdruck ge- kommen und ſchließlich wurde die Vorlage zur Erweiterung des Verſammlungsrechts an die Kommiſſion zurückverwieſen. Wie die in dieſer Frage ſchwebenden Verhandlungen aber auch enden mögen, das beſtehende Unbehagen wird ſich gewiß nicht in einen längere Dauer verſprechenden Frieden zwiſchen der Regierung und der Mehrheit verwandeln. Paris, 18, Februar. Kultusminiſter Briand über- ſandte ſeinen Kollegen im Kabinett Exemplare der neuen Faſſung der Vertragsformel, betreffend die Verpachtung von Kirchen. Die Lage wird bis zu dem am Dienſtag ſtatt- findenden Miniſterrat, der darüber entſcheiden ſoll, ob er der jetzigen oder der früheren Faſſung zuſtimme, ſtationär bleiben. Die Regierung wird die Interpellationen betreffs dieſes Gegenſtandes am Dienſtag beantworten und die Entſcheidung, die ſie darüber gefaßt hat, bekannt geben. Bunte Chronik. Czernowitz, 19. Februar. Aerzteſtreik in Berlin. Berlin, 18. Februar. Die Aſſiſtenzärzte an den Berliner ſtädtiſchen Krankenhäuſern haben beſchloſſen, am 1. März l. J. ihre Tätigkeit einzuſtellen. Vor Jahresfriſt ſtellten ſie in einer Eingabe an den Magiſtrat Forderungen auf, die der Magiſtrat nach acht Monaten ablehend beſchied. Die Folge davon iſt die erwähnte Ankündigung des Streikes. Verhaftung eines Defraudanten. Berlin, 18. Februar. Der Kaſſierer der Budapeſter Sparbank, Barkany, der mit 40.000 K durchgebrannt iſt, wurde geſtern mit ſeiner Begleiterin, einer Dresdner Theater- dame, hier im Hotel „Monopol“ verhaftet. Opfer des polniſchen Schulſtreiks. Thorn, 18. Februar. Der Obertertianer Baczynski aus Jarotſchin wurde vom königl. Gymnaſium zu Liſſa ent- laſſen, weil ſein Vater, wie feſtgeſtellt wurde, ein eifriger Förderer der Schulſtreiks ſein ſoll. Beim genannten Gymnaſium ſollen noch weitere Entlaſſungen aus demſelben Grunde bevor- ſtehen. [Eine Säbelaffäre.] Aus Belgrad, 17. d. wird der folgende Vorfall gemeldet: Der Abgeordnete und frühere Miniſter Pavle Marinkowitſch wurde heute mittag, als er mit mehreren Abgeordneten aus der Skupſchtina kam, auf dem Haupt- platz Therazia von drei Leutnants überfallen. Ein Leutnant ver- ſetzte ihm einen Schlag mit der Reitgerte, während ein anderer mit dem Säbel dem Abgeordneten Michailo Georgewitſch den Schädel ſpaltete. Die Angreifer ſind dieſelben Offiziere, die den Abg. Marinkowitſch wegen angeblicher Beleidigung der Prinzeſſin Helene in der Zeitung „Prawda“ forderten, worüber Marinkowitſch den Miniſterpräſidenten und den Kriegs- miniſter interpellierte. Die Miniſter antworteten jedoch nicht, noch beugten ſie dem heutigen Ueberfall vor. Es herrſcht deshalb all- gemeine Entrüſtung und man ſieht in dieſem Vorfall die Hand der Verſchwörer. Beſonders groß iſt die Entrüſtung unter den oppoſitionellen Abgeordneten, welche die Regierung für den Vorfall verantwortlich machen und die Entlaſſung der Angreifer aus der Armee, ſowie Maßregeln gegen den fortdauernden Terrorismus der Verſchwörer fordern werden. Vielfach wird auch die Meinung geäußert, daß die Offiziere im Auftrage des Hofes gehandelt haben. [Gattenmord in der engliſchen Kolonie zu Antwerpen.] Eine Aufſehen erregende Tragödie hat am Roſenmontag Antwerpen und ſpeziell die dortige engliſche Kolonie in Aufregung verſetzt. Mr. Timothy O’Holloran, der ſehr reiche Beſitzer einer Schiffswerft, lebte in beſtändigem Un- frieden mit ſeiner Gattin, der in dem unkontrollierbaren Tempe- rament und einem durch nichts zu zügelnden Jähzorn des Mannes, der ein Trinker war, ſeinen Grund hatte. Am Montag kam es abermals zu heftigem Streit, der ſchließlich ſo weit ausartete, daß O’Holloran einen ſchweren Stock ergriff und in höchſter Wut auf ſeine Frau losſtürzte. Dieſe flüchtete hinauf ins Schlaf- zimmer, riß einen Revolver an ſich und feuerte in größter Angſt gegen die Tür, um, wie ſie behauptet, damit Hilfe herbeizurufen. Unglücklicherweiſe trat O’Holloran, der ihr gefolgt war, in dem- ſelben Augenblick ins Schlafzimmer und die Kugel drang ihm hinter dem Ohr in dem Kopf. Er hatte noch ſo viel Kraft, daß er die Treppe hinab und zum Hauſe hinaus eilen konnte, wo er bewußtlos zuſammenbrach. Im Hoſpital gab er kurz darauf ſeinen Geiſt auf; die Frau befindet ſich in Unterſuchungshaft. [Wie man Einbrecher fängt.] In Leeds ſtanden dieſer Tage zwei ruſſiſche Juden wegen ſchweren Einbruchs vor Gericht. Es kam bei dieſer Gelegenheit auch zutage, auf welch’ ſinnreiche Art ein Detektiv die beiden Spitzbuben gefangen hatte. Als der Poliziſt eines Nachts durch die Straßen ging, hörte er aus dem Keller eines Warenlagers ein verdächtiges Geräuſch hervordringen. Hier hatte er nun die erſehnte Gelegenheit, einen gut ausgedachten Trick in Anwendung zu bringen. Er nahm aus ſeiner Taſche ein Flöckchen Schießbaumwolle, welches mit fein gemahlenem Cayennepfeffer dicht beſtreut war, zündete die kurze, an der Schießbaumwolle befeſtigte Zündſchnur an und warf die „Höllenmaſchine“ in den Keller, wo der Exploſivſtoff ſogleich verpuffte „Werfen Sie nichts mehr herein, wir haben genug davon!“ ließen ſich zwei Stimmen vernehmen. Der Detektiv trat in den Keller und nahm die für einige Minuten erblindeten Ein- brecher in aller Ruhe feſt. [Das Opfer und die Rache.] Vor ſieben Jahren wurde in Zaborze der Koksarbeiter Dworowski aufgefunden. Der Verdacht lenkte ſich auf ſeine Ehefrau, die auch die Tat reu- mütig eingeſtand und vom Gleiwitzer Schwurgericht zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Jetzt ſtellte ſich heraus, daß die Ehefrau mit dem Zimmerhäuer Morawietz in intimem Verkehr geſtanden hatte. Letzterer ſoll den Dworowski in der Abficht, die Frau zu heiraten, ermordet haben. Die Frau hat ſich unſchuldig verurteilen laſſen, um jeden Verdacht von ihrem Geliebten ab- zulenken. Weil er aber von ihr nach der Rückkehr aus dem Ge- fängnis nichts wiſſen wollte, kam es zu peinlichen Auftritten, die zum Verrat des Geliebten führten. Morawietz wurde verhaftet. [Der Bilderdiebſtahl in London.] Im Hauſe des bekannten Londoner Kunſthändlers und Millionärs Karl Wertheimer in Norfolk Street, unweit des Hydeparks, in welchem Kunſtſchätze im Werte von mehr als einer halben Mill. Pfund Sterling untergebracht ſind, wurde, wie ſchon mitgeteilt, am Dienſtag ein ebenſo myſteriöſer als waghalſiger Einbruch verübt. Der Einbrecher, welcher zweifellos zu den kühnſten Pro- feſſionals ſeiner Gattung gehört, drang ins Haus, welches, wie kaum ein zweites in London, allſeits mit automatiſchen elektriſchen Alarmſignalen verſehen iſt, vom Garten aus ein, von wo er ſich auf ein Fenſterbrett geſchwungen haben muß. Er öffnete hierauf das Fenſter geſchickt mittelſt eines Tiſchmeſſers und befand ſich dann im Rauchzimmer Wertheimers, von wo er relativ leicht in die Kunſtgalerie zu gelangen vermochte. Der Einbrecher, welcher Handſchuhe trug, um keine Fingerabdrücke zu hinterlaſſen, durch die ſeine Identität hätte verraten werden können, war zweifellos kein Kunſtkenner, denn er wählte bloß zwei berühmte Bilder, nämlich Naucy Parſons von Gainsborough und die Honorable Mrs. York von Reynolds, die er mit demſelben Tiſchmeſſer aus ihren Rahmen ſchnitt, ſowie einige goldene Schnupftabakdoſen der Louis Quinze- und Louis Seize-Periode, während er viel wertvollere Gemälde und Kunſtobjekte hätte mitnehmen können. Möglicherweiſe wurde übrigens der Einbrecher in ſeiner Arbeit geſtört; er ſcheint dann knapp vor 6 Uhr ſchnurſtracks die Treppen herab zum Haupttor des Hauſes geeilt zu ſein, dieſes geöffnet und derart die Straße wiedererlangt zu haben. Nun gingen zwar die Alarmglocken los, aber vom Einbrecher war keine Spur mehr zu finden. Der Wert der mitgenommenen Kunſtſchätze wird auf 70.000 Pfund (anderthalb Million Kronen) ge- ſchätzt. Ein ganzes Heer von Detektivs jagt dem unbekannten Einbrecher nach. Die auf die Verhaftung des Diebs ausgeſetzte hohe Belohnung von tauſend Pfund verſtärkt natürlich nur ihren Eifer. Sämtliche Kunſthändler Englands wurden bereits mit ge- nauen Beſchreibungen, ſowie Photographien der geſtohlenen Objekte beteilt, und dank dieſem Zirkular, welches auch an alle aus- wärtigen Kunſthändler und Muſeen geſandt werden ſoll, wird es dem Diebe unmöglich ſein, ſich der geraubten Gemälde zu ent- ledigen. Die beiden Oelbilder von Gainsborough und Reynolds dürften überdies ſchon beim Ausſchneiden aus ihren Rahmen völlig ruiniert worden ſein, denn der Einbrecher tat dies ohne beſondere Schonung der wertvollen Gemälde, welche auf je 16.000 Pfund geſchätzt worden waren. Auch die Veräußerung der koſtſpieligen goldenen Tabatieren, welche der Dieb raubte, dürfte ſich dieſem in ihrem gegenwärtigen Zuſtande als untunlich erweiſen, und es liegt die Befürchtung vor, daß er ſie einſchmelzen wird, trotzdem der Goldwert der Tabatieren im Verhältniſſe zu ihrem Kunſtwerte ein nur ganz minimaler iſt. Wertheimer, welcher nicht verſichert war, iſt infolge der Aufregungen von einem ſchweren Nervenchok befallen worden. [Profeſſor Sarah Bernhardt.] Die Profeſſur, welche Pierre Laugier, ein kürzlich verſtorbenes Mitglied der Academie Françaiſe, am Konſervatorium bekleidete, iſt, wie der Draht gemeldet hat, vom Miniſter der ſchönen Künſte Madame Sarah Bernhardt verliehen worden. Da die fran- zöſiſche Sprache eine Profeſſorin nicht kennt, ſo iſt nun Madame Bernhardt wohlbeſtallter Profeſſor. Und da ferner zu einem wohlbeſtallten Profeſſor in Frankreich das rote Bändchen gehört, ſo wird ein beinahe ſchon homeriſcher Kampf, der mit dem Ordensrate der Ehrenlegion ſeit ge- raumer Zeit geführt wird, hoffentlich bald zu Ende gehen. Sarah Bernhardt, von der Regierung als Schauſpielerin wiederholt vorgeſchlagen, iſt vom Ordensrate bisher nicht akzeptiert worden, und die Verleihung der Profeſſur wurde ſchon vor mehreren Wochen als ein Mittel erörtert, das allen Beteiligten recht geben würde: der Regierung, welche die Dekorierung vorſchlägt, dem Ordensrate, der dem Profeſſor gewährt, was er der Schauſpielerin nicht gewähren will, und der Madame Bernhardt, der man es wirklich nicht anſehen wird, ob ſie den Orden, nach dem ſie ſich ſehnt, als Schau- ſpielerin oder als Profeſſor trägt. [Eine ſiebenköpfige Familie verbrannt.] In Morgental bei Arbon am Bodenſee brach dieſer Tage ein Feuer aus, das in kurzer Zeit das davon betroffene Wohn- haus, in dem zahlreiche italieniſche Arbeiter mit ihren Ange- hörigen logierten, in Aſche legte. Nach dem Brande: wurden ſieben Perſonen der italieniſchen Familie Vanzo vermißt, deren Verbleib trotz eifrigſten Nachſuchens auf der Brand- ſtätte nicht entdeckt werden konnte. Auch den Bemühungen von dreißig aus Arbon gekommenen Italienern, die mit Schaufeln und Pickeln den Platz durchſuchten, gelang es nicht, die vermißten Landsleute aufzufinden. Nunmehr hat man in den Trümmern menſchliche Ueberreſte, als Zähne und Stücke von Schädelknochen, entdeckt, ſo daß über das Schickſal der Unglücklichen kein Zweifel beſtehen kann. Die ganze aus Montorio bei Verona ſtammende Familie, beſtehend aus Vater, Mutter und fünf Kindern, letztere im Alter von ¼ bis zehn Jahren, hat in den Flammen den Tod gefunden.

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 933, Czernowitz, 20.02.1907, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer933_1907/3>, abgerufen am 23.04.2024.