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Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895.

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[Spaltenumbruch]
Der Dank des Kaisers.

Das "Prager Amts-
blatt" bringt folgende Kundmachung: "Vor
Allerhöchstseiner Abreise von Budweis hat Se.
Majestät der Kaiser in gnädigster Weise seiner
Befriedigung über den Alle[r]höchstdemselben in
Budweis bereiteten festlichen und herzlichen Empfang
an dem die Gesammtbevölkerung der Stadt und
des ganzen Bezirkes in so festlicher und zahlreicher
Weise sich betheiligt hat, Ausdruck zu verleihen
und mich huldvollst zu beauftragen geruht, vor
Allem den Bewohnern der Stadt Budweis für
die während Allerhöchstseines Aufenthaltes bei
verschiedenen Anlässen an den Tag gelegte pa-
triotisch-dynastische Gesinnung sowie auch für die
allerseits wahrnehmbare, musterhafte Ordnung,
ferner der Bevölkerung der politischen Bezirke
Budweis, Krumau und Kaplitz, den zahlreichen
Gemeinden, Corporationen und Vereinen,
welche sich entweder an dem allerh. Em-
pfange in Budweis betheiligt haben oder,
wo immer sich die Gelegenheit ergab, in be-
geisterter Weise Sr. Majestät ihre Huldigung
darbrachten, den kaiserlichen Dank und Allerhöchst-
seine herzlichste Anerkennung kundzugeben. Auch
für die aus Anlaß der Truppenconcentrirung
allerorts bewiesene patriotische Opferwilligkeit
und hervorragende militärfreundliche Haltung der
Bevölkerung hat seine Majestät Allerhöchstseinen
besonderen Dank auszusprechen geruht. Budweis,
4. September 1895. Franz Graf Thun m. p.
Statthalter.




Neueste Nachrichten.


Von der Vereinigten deutschen Linken.

Der Vorstand der Vereinigten deutschen
Linken ist für den 15. d. nach Aussee zu einer
Sitzung behufs Besprechung der politischen Lage
einberufen. Zu derselben sind sämmtliche Mitglie-
der der Linken eingeladen.

Nuntius Agliardi.

In Wiener und in Budapester politischen
Kreisen waren in den letzten Tagen Gerüchte
über eine zwischen dem apostolischen Nuntius
Monsignore Agliardi und dem ungarischen Mi-
nisterpräsidenten Baron Banffy stattgehabte "Ver-
söhnung" verbreitet. Nach Informationen, welche
wir von wohlunterrichteter Seite erhalten, kann
von einer Versöhnung im gewöhnlichen Sinne des
Wortes hier nicht die Rede sein, da zwischen
Banffy und Agliardi persönliche Differenzen nie-
mals bestanden haben. Was aber die politischen
Differenzen anbelangt, so ist es allgemein bekannt,
welchen Verlauf der Conflict zwischen Ungarn
und dem Wiener Vertreter des apostolischen
Stuhles genommen hat. Von hochconservativer
ungarischer Seite ist bald nach dem Rücktritte
des Grafen Kalnoky der Versuch gemacht worden,
zwischen Banffy und Agliardi eine Annäherung
herberzuführen. Der Versuch blieb damals voll-
kommen erfolglos. Nach einiger Zeit wurden diese
Bemühungen von der gleichen Seite wieder a[u]f-
genommen, und zwar in erster Reihe zu dem
Zwecke, dem Nuntius das weitere Verbleiben auf
dem Wiener Posten zu ermöglichen. Auch diesmal
haben die hochconservativen Vermittler keinen, bis-
her wenigstens, positiven Erfolg zu verzeichnen
und somit sind alle verbreitetn Combinationen
welche an die sogenannte Versöhnung zwischen
Banffy und Agliardi geknüpft worden, gegen-
standslos. Nichtsdestoweniger halten die an dem
Zustandekommen einer Versöhnung zwischen Banffy
und Agliardi interessirten Kreise an der Zuver-
sicht fest, daß es gelingen werde, zwischem dem
Nuntius und dem ungarischen Ministerpräsidenten
in absehbarer Zeit wieder nach allen Richtungen
hin freundliche Beziehungen herzustellen.

Ein neues Attentat im Hause Roth-
schild.

Die Polizeiagenten,
welche seit dem letzten Attentate in verstärkter An-
zahl das Bankhaus Rothschild in der Rue Laffitte
bewachen, gewahrten gestern Nachmittags um 3
Uhr ein dürftig gekleidetes Individuum, das in
der Einfahrt nahe vom Thore eine Bombe nieder-
legte. Sie nahmen den Verbrecher in dem Augen-
blicke fest, als er sich offenbar anschickte, die Lunte
der Bombe, welche die Form einer Cacaobüchse
[Spaltenumbruch] hatte, anzuzünden. Der Unbekannte wehrte sich,
den Agenten gelang es aber gleichwohl, ihn auf
das nächste Polizeicommissariat zu schleppen. Dort
weigerte er sich hartnäckig, seinen Namen anzu-
geben und erklärte nur, er sei Anarchist; Andere
würden mit dem Attentate erfolgreicher sein.

Gleichzeitig wurde an das chemische Labora-
torium die Meldung erstattet, damit dasselbe die
Bombe abholen lasse, was alsbald auch mittels
eines für solche gefährliche Transporte eigens
construirten Wagens geschah. Die Bombe wird
von dem Gerichtschemiker Girard untersucht
werden, während die Polizei ihrerseits Recherchen
eingeleitet hat, um vorerst die Identität des
Attentäters festzustellen.

Der Attentäter, welcher etwa 25 Jahre alt
ist, dürfte nach den bei ihm vorgefundenen Uten-
silien ein Raseurgehilfe sein. Er hatte, als er
festgenommen wurde, die Bombe heftig zur Erde
geworfen, ohne daß jedoch eine Explosion er-
folgte. Der Polizeipräfect begab sich an Ort und
Stelle, um die Untersuchung zu leiten. Die
Präfectur bewahrt Stillschweigen und scheint
an ein anarchistisches Attentat zu glauben.

Der verhaftete Attentäter besitzt große
Aehnlichkeit mit dem Anarchisten Pau-
wels, dem Urheber des Attentates in der
Madeleinekirche. Man ist überzeugt, daß er
die Sprengbüchse, welche aus einer Blechdose,
worin Van Houten'scher Cacao verkauft wird,
besteht und mit chlorsaurem Kali gefüllt war,
selbst adjustirt hat. Der Attentäter wollte die
Lunte mit einer Eigarette entzünden, doch ver-
hinderte deren Asche den Contact. Der Chef des
Laboratoriums, Girard, wird morgen Früh die
Büchse untersuchen.

Die Haltung des Attentäters ist eine cyni-
sche. Unmittelbar nach der Verhaftung rief er
den Polizeiagenten zu: "Diese Bombe ist nicht
für euch bestimmt. Kommt ihr nicht zu nahe."
Man ließ sich das gesagt sein. Der Verbrecher
wurde Abends unter sicherer Escorte und efesselt
mittels Fiakers vom Commissariate nach der
Polizeipräfectur gebracht.

Telephonische Nachrichten des "Mähr.
Tagblattes".
Erzherzog Ladislaus +.


(Priv.-Telegramm des "Mähr. Tagblattes")

Erzherzog Ladislaus ist heute um 9 Uhr
Morgens verschieden. Bis zur Mitternachtsstunde
gab das Befinden des verwundeten Erzherzogs
keinen Anlaß zu Besorgnissen; erst nach Mitter-
nacht trat plötzlich eine Verschlimmerung ein.
Der die Wache haltende Arzt schickte sofort
um Professor Janö, der auch erschien und noch-
mals den Versuch einer Reinigung der Wunde
machte. Doch kam die Hilfe schon zu spät, da
bereits Blutvergiftung eingetreten war.

Der Erzherzog blieb bei Bewußtsein bis in
die Morgenstunden und konnte noch mit den
Tröstungen der Religion versehen werden. Die
erzherzoglichen Eltern und sein Bruder Erzherzog
Josef Augustin waren beim Todeskampfe an-
wesend, ebenso die beiden Minister Fejervary und
Perczel, die beiden letztgenannten, um den Tod
des Erzherzogs gesetzmäßig festzustellen. Die
Nachricht von dem Todesfalle verbreitete sich mit
Blitzesschnelle in der Bevölkerung und rief
allenthalben die aufrichtigste Theilnahme hervor.

Die erzherzoglichen Eltern sind durch den
Todesfall vollständig gebrochen. Ihre Majestäten
der Kaiser und die Kaiserin wurden sofort von
dem Todesfalle telegrafisch verständigt.




Der Statthalter in M.-Schönberg.


(Privat-Telegr. des "Mähr. Tagblattes.")

Selten wohl ist ein Statthalter in Mähren
von der Bevölkerung mit so viel Zeichen der
Sympathie begrüßt und geehrt worden, wie
Freiherr v. Spens-Booden hier im Norden
unseres Landes. Schönberg und Hohenstadt blieben
in Kundgebungen der Verehrung nicht hinter
[Spaltenumbruch] Littau und Sternberg zurück[.] Dieselben waren
in Hohenstadt von besonderer Bedeutung durch
die Theilnahme beider Nationalitäten. Nach dem
Hohenstädter Besuche fuhr Se. Excellenz unter
Begleitung eines Banderiums aus Groß-Heilen-
dorf in die Seidl'sche Spinnerei nach Zautke und
von dort am Abend auf das Ullrich'sche Schloß
nach Johrnsdorf, woselbst ein Diner stattfand,
zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen
waren. Heute Früh halb 8 Uhr traf Se. Ex-
cellenz von Johrnsdorf in unserer festlich ge-
schmückten Stadt ein, woselbst ihm in der Kirche
das Aspergile gereicht wurde. Der Empfang
war ein überaus warmer und herzlicher seitens
der ganzen Bevölkerung. Hierauf fand die Vor-
stellung der Geistlichkeit, der Behörden, der
Abgeordneten -- Robert Siegel, Bürgermeister
v. Tersch -- der Officiere, sowie vieler Indu-
striellen, Großgrundbesitzer und endlich der Vor-
stände der Vereine statt.

Um 10 Uhr stattete Se. Excellenz mehrere
Besuche ab. Mit solchen wurden beehrt der Herr
Bezirkshauptmann Boese, Herr Bürgermeister
v. Tersch, der Landtagsabgeordnete Herr Robert
Siegl. Sodann wurden die industriellen Etablis-
sements der Großindustriellen R. v. Oberleithner,
Siegl, Trebitsch, die Aemter, Schulen und schließ-
lich das Arbeitshaus inspicirt. Soeben findet
beim Herrn Bürgermeister ein Dejeuner zu Ehren
Sr. Excellenz statt. Heute Nachmittags begibt sich
der Statthalter zum Besuche des Abgeordneten Grafen
Zierotin nach Blauda und von da wieder nach
Johrnsdorf. Abends findet ein officielles Diner in
der Villa des Abg. Herrn Robert Siegl statt,
zu welchem die Spitzen der Behörden geladen
sind. Eine Serenade und ein Fackelzug bilden
den Abschluß der Empfangsfeierlichkeiten in unse-
rer Stadt, über deren Aufblühen und Entwick-
lung der Statthalter sich höchst befriedigt äußerte.




Wir machen unsere geehrten Leser darauf
aufmerksam, daß die Ziehung der Kaiser-Jubi-
läums-Kirchenbau-Lose mit dem Haupttreffer von
30.000 fl. schon Donnerstag den 12. Sep-
tember
stattfindet.




Telegraphischer Coursbericht.

5. September 1895.


Rente, Papier101.20
Oest. Kronenrente101.60
Ung. Goldr. 4%122.55
Ung. Kronenrente99.80
Silberrente101.60
1874. Wien.-Lose172.25
Ung. Präm.-Lose158.50
Theiß-Lose147.50
Anglo-östr. Bank179.60
Wien. Bankverein174.60
Credit-Actien408.75
Ung. Cred-Act488.25
Länderbank291.60
Unionbank355.--
Nordbahn3605.--
Staatsbahn410.87.5
Südbahn112.25
Elbethal293 75
Nordwestb. lit. A 292.--
Carl-Ludwigsb.--.--
London120 80
Napoleon9.58
Reichsmark59.07
Münz-Ducaten5.74



Schluß-Course der Vormittags-Börse,
der Böhmischen Union-Bank,
(Filiale Olmütz)

vom 6. September 1895.


Credit407. 5/8
Ung. Credit498.1/4
Staatsbahn412.1/2
Lombarden112.1/4
Anglo178.1/2
Länderbank290.80
Mai-Rente101.20
Ung. Kronen99.55
Oest. Kronen101.55
Prager Eisen748.--
Rima292.1/4
Alpine100.90
Werndl368.--
Türken-Lose78.40
Mark59.10
Bankverein174.--
Dampfschiff563.--
Böhm. Un.-Act.141.50
Wr. Union355.--
Bodencredit543.--
[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Der Dank des Kaiſers.

Das „Prager Amts-
blatt“ bringt folgende Kundmachung: „Vor
Allerhöchſtſeiner Abreiſe von Budweis hat Se.
Majeſtät der Kaiſer in gnädigſter Weiſe ſeiner
Befriedigung über den Alle[r]höchſtdemſelben in
Budweis bereiteten feſtlichen und herzlichen Empfang
an dem die Geſammtbevölkerung der Stadt und
des ganzen Bezirkes in ſo feſtlicher und zahlreicher
Weiſe ſich betheiligt hat, Ausdruck zu verleihen
und mich huldvollſt zu beauftragen geruht, vor
Allem den Bewohnern der Stadt Budweis für
die während Allerhöchſtſeines Aufenthaltes bei
verſchiedenen Anläſſen an den Tag gelegte pa-
triotiſch-dynaſtiſche Geſinnung ſowie auch für die
allerſeits wahrnehmbare, muſterhafte Ordnung,
ferner der Bevölkerung der politiſchen Bezirke
Budweis, Krumau und Kaplitz, den zahlreichen
Gemeinden, Corporationen und Vereinen,
welche ſich entweder an dem allerh. Em-
pfange in Budweis betheiligt haben oder,
wo immer ſich die Gelegenheit ergab, in be-
geiſterter Weiſe Sr. Majeſtät ihre Huldigung
darbrachten, den kaiſerlichen Dank und Allerhöchſt-
ſeine herzlichſte Anerkennung kundzugeben. Auch
für die aus Anlaß der Truppenconcentrirung
allerorts bewieſene patriotiſche Opferwilligkeit
und hervorragende militärfreundliche Haltung der
Bevölkerung hat ſeine Majeſtät Allerhöchſtſeinen
beſonderen Dank auszuſprechen geruht. Budweis,
4. September 1895. Franz Graf Thun m. p.
Statthalter.




Neueſte Nachrichten.


Von der Vereinigten deutſchen Linken.

Der Vorſtand der Vereinigten deutſchen
Linken iſt für den 15. d. nach Auſſee zu einer
Sitzung behufs Beſprechung der politiſchen Lage
einberufen. Zu derſelben ſind ſämmtliche Mitglie-
der der Linken eingeladen.

Nuntius Agliardi.

In Wiener und in Budapeſter politiſchen
Kreiſen waren in den letzten Tagen Gerüchte
über eine zwiſchen dem apoſtoliſchen Nuntius
Monſignore Agliardi und dem ungariſchen Mi-
niſterpräſidenten Baron Banffy ſtattgehabte „Ver-
ſöhnung“ verbreitet. Nach Informationen, welche
wir von wohlunterrichteter Seite erhalten, kann
von einer Verſöhnung im gewöhnlichen Sinne des
Wortes hier nicht die Rede ſein, da zwiſchen
Banffy und Agliardi perſönliche Differenzen nie-
mals beſtanden haben. Was aber die politiſchen
Differenzen anbelangt, ſo iſt es allgemein bekannt,
welchen Verlauf der Conflict zwiſchen Ungarn
und dem Wiener Vertreter des apoſtoliſchen
Stuhles genommen hat. Von hochconſervativer
ungariſcher Seite iſt bald nach dem Rücktritte
des Grafen Kalnoky der Verſuch gemacht worden,
zwiſchen Banffy und Agliardi eine Annäherung
herberzuführen. Der Verſuch blieb damals voll-
kommen erfolglos. Nach einiger Zeit wurden dieſe
Bemühungen von der gleichen Seite wieder a[u]f-
genommen, und zwar in erſter Reihe zu dem
Zwecke, dem Nuntius das weitere Verbleiben auf
dem Wiener Poſten zu ermöglichen. Auch diesmal
haben die hochconſervativen Vermittler keinen, bis-
her wenigſtens, poſitiven Erfolg zu verzeichnen
und ſomit ſind alle verbreitetn Combinationen
welche an die ſogenannte Verſöhnung zwiſchen
Banffy und Agliardi geknüpft worden, gegen-
ſtandslos. Nichtsdeſtoweniger halten die an dem
Zuſtandekommen einer Verſöhnung zwiſchen Banffy
und Agliardi intereſſirten Kreiſe an der Zuver-
ſicht feſt, daß es gelingen werde, zwiſchem dem
Nuntius und dem ungariſchen Miniſterpräſidenten
in abſehbarer Zeit wieder nach allen Richtungen
hin freundliche Beziehungen herzuſtellen.

Ein neues Attentat im Hauſe Roth-
ſchild.

Die Polizeiagenten,
welche ſeit dem letzten Attentate in verſtärkter An-
zahl das Bankhaus Rothſchild in der Rue Laffitte
bewachen, gewahrten geſtern Nachmittags um 3
Uhr ein dürftig gekleidetes Individuum, das in
der Einfahrt nahe vom Thore eine Bombe nieder-
legte. Sie nahmen den Verbrecher in dem Augen-
blicke feſt, als er ſich offenbar anſchickte, die Lunte
der Bombe, welche die Form einer Cacaobüchſe
[Spaltenumbruch] hatte, anzuzünden. Der Unbekannte wehrte ſich,
den Agenten gelang es aber gleichwohl, ihn auf
das nächſte Polizeicommiſſariat zu ſchleppen. Dort
weigerte er ſich hartnäckig, ſeinen Namen anzu-
geben und erklärte nur, er ſei Anarchiſt; Andere
würden mit dem Attentate erfolgreicher ſein.

Gleichzeitig wurde an das chemiſche Labora-
torium die Meldung erſtattet, damit dasſelbe die
Bombe abholen laſſe, was alsbald auch mittels
eines für ſolche gefährliche Transporte eigens
conſtruirten Wagens geſchah. Die Bombe wird
von dem Gerichtschemiker Girard unterſucht
werden, während die Polizei ihrerſeits Recherchen
eingeleitet hat, um vorerſt die Identität des
Attentäters feſtzuſtellen.

Der Attentäter, welcher etwa 25 Jahre alt
iſt, dürfte nach den bei ihm vorgefundenen Uten-
ſilien ein Raſeurgehilfe ſein. Er hatte, als er
feſtgenommen wurde, die Bombe heftig zur Erde
geworfen, ohne daß jedoch eine Exploſion er-
folgte. Der Polizeipräfect begab ſich an Ort und
Stelle, um die Unterſuchung zu leiten. Die
Präfectur bewahrt Stillſchweigen und ſcheint
an ein anarchiſtiſches Attentat zu glauben.

Der verhaftete Attentäter beſitzt große
Aehnlichkeit mit dem Anarchiſten Pau-
wels, dem Urheber des Attentates in der
Madeleinekirche. Man iſt überzeugt, daß er
die Sprengbüchſe, welche aus einer Blechdoſe,
worin Van Houten’ſcher Cacao verkauft wird,
beſteht und mit chlorſaurem Kali gefüllt war,
ſelbſt adjuſtirt hat. Der Attentäter wollte die
Lunte mit einer Eigarette entzünden, doch ver-
hinderte deren Aſche den Contact. Der Chef des
Laboratoriums, Girard, wird morgen Früh die
Büchſe unterſuchen.

Die Haltung des Attentäters iſt eine cyni-
ſche. Unmittelbar nach der Verhaftung rief er
den Polizeiagenten zu: „Dieſe Bombe iſt nicht
für euch beſtimmt. Kommt ihr nicht zu nahe.“
Man ließ ſich das geſagt ſein. Der Verbrecher
wurde Abends unter ſicherer Escorte und efeſſelt
mittels Fiakers vom Commiſſariate nach der
Polizeipräfectur gebracht.

Telephoniſche Nachrichten des „Mähr.
Tagblattes“.
Erzherzog Ladislaus †.


(Priv.-Telegramm des „Mähr. Tagblattes“)

Erzherzog Ladislaus iſt heute um 9 Uhr
Morgens verſchieden. Bis zur Mitternachtsſtunde
gab das Befinden des verwundeten Erzherzogs
keinen Anlaß zu Beſorgniſſen; erſt nach Mitter-
nacht trat plötzlich eine Verſchlimmerung ein.
Der die Wache haltende Arzt ſchickte ſofort
um Profeſſor Janö, der auch erſchien und noch-
mals den Verſuch einer Reinigung der Wunde
machte. Doch kam die Hilfe ſchon zu ſpät, da
bereits Blutvergiftung eingetreten war.

Der Erzherzog blieb bei Bewußtſein bis in
die Morgenſtunden und konnte noch mit den
Tröſtungen der Religion verſehen werden. Die
erzherzoglichen Eltern und ſein Bruder Erzherzog
Joſef Auguſtin waren beim Todeskampfe an-
weſend, ebenſo die beiden Miniſter Fejervary und
Perczel, die beiden letztgenannten, um den Tod
des Erzherzogs geſetzmäßig feſtzuſtellen. Die
Nachricht von dem Todesfalle verbreitete ſich mit
Blitzesſchnelle in der Bevölkerung und rief
allenthalben die aufrichtigſte Theilnahme hervor.

Die erzherzoglichen Eltern ſind durch den
Todesfall vollſtändig gebrochen. Ihre Majeſtäten
der Kaiſer und die Kaiſerin wurden ſofort von
dem Todesfalle telegrafiſch verſtändigt.




Der Statthalter in M.-Schönberg.


(Privat-Telegr. des „Mähr. Tagblattes.“)

Selten wohl iſt ein Statthalter in Mähren
von der Bevölkerung mit ſo viel Zeichen der
Sympathie begrüßt und geehrt worden, wie
Freiherr v. Spens-Booden hier im Norden
unſeres Landes. Schönberg und Hohenſtadt blieben
in Kundgebungen der Verehrung nicht hinter
[Spaltenumbruch] Littau und Sternberg zurück[.] Dieſelben waren
in Hohenſtadt von beſonderer Bedeutung durch
die Theilnahme beider Nationalitäten. Nach dem
Hohenſtädter Beſuche fuhr Se. Excellenz unter
Begleitung eines Banderiums aus Groß-Heilen-
dorf in die Seidl’ſche Spinnerei nach Zautke und
von dort am Abend auf das Ullrich’ſche Schloß
nach Johrnsdorf, woſelbſt ein Diner ſtattfand,
zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen
waren. Heute Früh halb 8 Uhr traf Se. Ex-
cellenz von Johrnsdorf in unſerer feſtlich ge-
ſchmückten Stadt ein, woſelbſt ihm in der Kirche
das Aspergile gereicht wurde. Der Empfang
war ein überaus warmer und herzlicher ſeitens
der ganzen Bevölkerung. Hierauf fand die Vor-
ſtellung der Geiſtlichkeit, der Behörden, der
Abgeordneten — Robert Siegel, Bürgermeiſter
v. Terſch — der Officiere, ſowie vieler Indu-
ſtriellen, Großgrundbeſitzer und endlich der Vor-
ſtände der Vereine ſtatt.

Um 10 Uhr ſtattete Se. Excellenz mehrere
Beſuche ab. Mit ſolchen wurden beehrt der Herr
Bezirkshauptmann Boeſe, Herr Bürgermeiſter
v. Terſch, der Landtagsabgeordnete Herr Robert
Siegl. Sodann wurden die induſtriellen Etabliſ-
ſements der Großinduſtriellen R. v. Oberleithner,
Siegl, Trebitſch, die Aemter, Schulen und ſchließ-
lich das Arbeitshaus inſpicirt. Soeben findet
beim Herrn Bürgermeiſter ein Dejeuner zu Ehren
Sr. Excellenz ſtatt. Heute Nachmittags begibt ſich
der Statthalter zum Beſuche des Abgeordneten Grafen
Zierotin nach Blauda und von da wieder nach
Johrnsdorf. Abends findet ein officielles Diner in
der Villa des Abg. Herrn Robert Siegl ſtatt,
zu welchem die Spitzen der Behörden geladen
ſind. Eine Serenade und ein Fackelzug bilden
den Abſchluß der Empfangsfeierlichkeiten in unſe-
rer Stadt, über deren Aufblühen und Entwick-
lung der Statthalter ſich höchſt befriedigt äußerte.




Wir machen unſere geehrten Leſer darauf
aufmerkſam, daß die Ziehung der Kaiſer-Jubi-
läums-Kirchenbau-Loſe mit dem Haupttreffer von
30.000 fl. ſchon Donnerſtag den 12. Sep-
tember
ſtattfindet.




Telegraphiſcher Coursbericht.

5. September 1895.


Rente, Papier101.20
Oeſt. Kronenrente101.60
Ung. Goldr. 4%122.55
Ung. Kronenrente99.80
Silberrente101.60
1874. Wien.-Loſe172.25
Ung. Präm.-Loſe158.50
Theiß-Loſe147.50
Anglo-öſtr. Bank179.60
Wien. Bankverein174.60
Credit-Actien408.75
Ung. Cred-Act488.25
Länderbank291.60
Unionbank355.—
Nordbahn3605.—
Staatsbahn410.87.5
Südbahn112.25
Elbethal293 75
Nordweſtb. lit. A 292.—
Carl-Ludwigsb.—.—
London120 80
Napoleon9.58
Reichsmark59.07
Münz-Ducaten5.74



Schluß-Courſe der Vormittags-Börſe,
der Böhmiſchen Union-Bank,
(Filiale Olmütz)

vom 6. September 1895.


Credit407.⅝
Ung. Credit498.¼
Staatsbahn412.½
Lombarden112.¼
Anglo178.½
Länderbank290.80
Mai-Rente101.20
Ung. Kronen99.55
Oeſt. Kronen101.55
Prager Eiſen748.—
Rima292.¼
Alpine100.90
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Türken-Loſe78.40
Mark59.10
Bankverein174.—
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Bodencredit543.—
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[[7]/0007] Der Dank des Kaiſers. Prag, 6. September. Das „Prager Amts- blatt“ bringt folgende Kundmachung: „Vor Allerhöchſtſeiner Abreiſe von Budweis hat Se. Majeſtät der Kaiſer in gnädigſter Weiſe ſeiner Befriedigung über den Allerhöchſtdemſelben in Budweis bereiteten feſtlichen und herzlichen Empfang an dem die Geſammtbevölkerung der Stadt und des ganzen Bezirkes in ſo feſtlicher und zahlreicher Weiſe ſich betheiligt hat, Ausdruck zu verleihen und mich huldvollſt zu beauftragen geruht, vor Allem den Bewohnern der Stadt Budweis für die während Allerhöchſtſeines Aufenthaltes bei verſchiedenen Anläſſen an den Tag gelegte pa- triotiſch-dynaſtiſche Geſinnung ſowie auch für die allerſeits wahrnehmbare, muſterhafte Ordnung, ferner der Bevölkerung der politiſchen Bezirke Budweis, Krumau und Kaplitz, den zahlreichen Gemeinden, Corporationen und Vereinen, welche ſich entweder an dem allerh. Em- pfange in Budweis betheiligt haben oder, wo immer ſich die Gelegenheit ergab, in be- geiſterter Weiſe Sr. Majeſtät ihre Huldigung darbrachten, den kaiſerlichen Dank und Allerhöchſt- ſeine herzlichſte Anerkennung kundzugeben. Auch für die aus Anlaß der Truppenconcentrirung allerorts bewieſene patriotiſche Opferwilligkeit und hervorragende militärfreundliche Haltung der Bevölkerung hat ſeine Majeſtät Allerhöchſtſeinen beſonderen Dank auszuſprechen geruht. Budweis, 4. September 1895. Franz Graf Thun m. p. Statthalter. Neueſte Nachrichten. Olmütz, 6. September. Von der Vereinigten deutſchen Linken. Der Vorſtand der Vereinigten deutſchen Linken iſt für den 15. d. nach Auſſee zu einer Sitzung behufs Beſprechung der politiſchen Lage einberufen. Zu derſelben ſind ſämmtliche Mitglie- der der Linken eingeladen. Nuntius Agliardi. In Wiener und in Budapeſter politiſchen Kreiſen waren in den letzten Tagen Gerüchte über eine zwiſchen dem apoſtoliſchen Nuntius Monſignore Agliardi und dem ungariſchen Mi- niſterpräſidenten Baron Banffy ſtattgehabte „Ver- ſöhnung“ verbreitet. Nach Informationen, welche wir von wohlunterrichteter Seite erhalten, kann von einer Verſöhnung im gewöhnlichen Sinne des Wortes hier nicht die Rede ſein, da zwiſchen Banffy und Agliardi perſönliche Differenzen nie- mals beſtanden haben. Was aber die politiſchen Differenzen anbelangt, ſo iſt es allgemein bekannt, welchen Verlauf der Conflict zwiſchen Ungarn und dem Wiener Vertreter des apoſtoliſchen Stuhles genommen hat. Von hochconſervativer ungariſcher Seite iſt bald nach dem Rücktritte des Grafen Kalnoky der Verſuch gemacht worden, zwiſchen Banffy und Agliardi eine Annäherung herberzuführen. Der Verſuch blieb damals voll- kommen erfolglos. Nach einiger Zeit wurden dieſe Bemühungen von der gleichen Seite wieder auf- genommen, und zwar in erſter Reihe zu dem Zwecke, dem Nuntius das weitere Verbleiben auf dem Wiener Poſten zu ermöglichen. Auch diesmal haben die hochconſervativen Vermittler keinen, bis- her wenigſtens, poſitiven Erfolg zu verzeichnen und ſomit ſind alle verbreitetn Combinationen welche an die ſogenannte Verſöhnung zwiſchen Banffy und Agliardi geknüpft worden, gegen- ſtandslos. Nichtsdeſtoweniger halten die an dem Zuſtandekommen einer Verſöhnung zwiſchen Banffy und Agliardi intereſſirten Kreiſe an der Zuver- ſicht feſt, daß es gelingen werde, zwiſchem dem Nuntius und dem ungariſchen Miniſterpräſidenten in abſehbarer Zeit wieder nach allen Richtungen hin freundliche Beziehungen herzuſtellen. Ein neues Attentat im Hauſe Roth- ſchild. Paris, 6. September. Die Polizeiagenten, welche ſeit dem letzten Attentate in verſtärkter An- zahl das Bankhaus Rothſchild in der Rue Laffitte bewachen, gewahrten geſtern Nachmittags um 3 Uhr ein dürftig gekleidetes Individuum, das in der Einfahrt nahe vom Thore eine Bombe nieder- legte. Sie nahmen den Verbrecher in dem Augen- blicke feſt, als er ſich offenbar anſchickte, die Lunte der Bombe, welche die Form einer Cacaobüchſe hatte, anzuzünden. Der Unbekannte wehrte ſich, den Agenten gelang es aber gleichwohl, ihn auf das nächſte Polizeicommiſſariat zu ſchleppen. Dort weigerte er ſich hartnäckig, ſeinen Namen anzu- geben und erklärte nur, er ſei Anarchiſt; Andere würden mit dem Attentate erfolgreicher ſein. Gleichzeitig wurde an das chemiſche Labora- torium die Meldung erſtattet, damit dasſelbe die Bombe abholen laſſe, was alsbald auch mittels eines für ſolche gefährliche Transporte eigens conſtruirten Wagens geſchah. Die Bombe wird von dem Gerichtschemiker Girard unterſucht werden, während die Polizei ihrerſeits Recherchen eingeleitet hat, um vorerſt die Identität des Attentäters feſtzuſtellen. Der Attentäter, welcher etwa 25 Jahre alt iſt, dürfte nach den bei ihm vorgefundenen Uten- ſilien ein Raſeurgehilfe ſein. Er hatte, als er feſtgenommen wurde, die Bombe heftig zur Erde geworfen, ohne daß jedoch eine Exploſion er- folgte. Der Polizeipräfect begab ſich an Ort und Stelle, um die Unterſuchung zu leiten. Die Präfectur bewahrt Stillſchweigen und ſcheint an ein anarchiſtiſches Attentat zu glauben. Der verhaftete Attentäter beſitzt große Aehnlichkeit mit dem Anarchiſten Pau- wels, dem Urheber des Attentates in der Madeleinekirche. Man iſt überzeugt, daß er die Sprengbüchſe, welche aus einer Blechdoſe, worin Van Houten’ſcher Cacao verkauft wird, beſteht und mit chlorſaurem Kali gefüllt war, ſelbſt adjuſtirt hat. Der Attentäter wollte die Lunte mit einer Eigarette entzünden, doch ver- hinderte deren Aſche den Contact. Der Chef des Laboratoriums, Girard, wird morgen Früh die Büchſe unterſuchen. Die Haltung des Attentäters iſt eine cyni- ſche. Unmittelbar nach der Verhaftung rief er den Polizeiagenten zu: „Dieſe Bombe iſt nicht für euch beſtimmt. Kommt ihr nicht zu nahe.“ Man ließ ſich das geſagt ſein. Der Verbrecher wurde Abends unter ſicherer Escorte und efeſſelt mittels Fiakers vom Commiſſariate nach der Polizeipräfectur gebracht. Telephoniſche Nachrichten des „Mähr. Tagblattes“. Erzherzog Ladislaus †. Budapeſt, 6. September. (Priv.-Telegramm des „Mähr. Tagblattes“) Erzherzog Ladislaus iſt heute um 9 Uhr Morgens verſchieden. Bis zur Mitternachtsſtunde gab das Befinden des verwundeten Erzherzogs keinen Anlaß zu Beſorgniſſen; erſt nach Mitter- nacht trat plötzlich eine Verſchlimmerung ein. Der die Wache haltende Arzt ſchickte ſofort um Profeſſor Janö, der auch erſchien und noch- mals den Verſuch einer Reinigung der Wunde machte. Doch kam die Hilfe ſchon zu ſpät, da bereits Blutvergiftung eingetreten war. Der Erzherzog blieb bei Bewußtſein bis in die Morgenſtunden und konnte noch mit den Tröſtungen der Religion verſehen werden. Die erzherzoglichen Eltern und ſein Bruder Erzherzog Joſef Auguſtin waren beim Todeskampfe an- weſend, ebenſo die beiden Miniſter Fejervary und Perczel, die beiden letztgenannten, um den Tod des Erzherzogs geſetzmäßig feſtzuſtellen. Die Nachricht von dem Todesfalle verbreitete ſich mit Blitzesſchnelle in der Bevölkerung und rief allenthalben die aufrichtigſte Theilnahme hervor. Die erzherzoglichen Eltern ſind durch den Todesfall vollſtändig gebrochen. Ihre Majeſtäten der Kaiſer und die Kaiſerin wurden ſofort von dem Todesfalle telegrafiſch verſtändigt. Der Statthalter in M.-Schönberg. Mähr.-Schönberg, 6. September. (Privat-Telegr. des „Mähr. Tagblattes.“) Selten wohl iſt ein Statthalter in Mähren von der Bevölkerung mit ſo viel Zeichen der Sympathie begrüßt und geehrt worden, wie Freiherr v. Spens-Booden hier im Norden unſeres Landes. Schönberg und Hohenſtadt blieben in Kundgebungen der Verehrung nicht hinter Littau und Sternberg zurück. Dieſelben waren in Hohenſtadt von beſonderer Bedeutung durch die Theilnahme beider Nationalitäten. Nach dem Hohenſtädter Beſuche fuhr Se. Excellenz unter Begleitung eines Banderiums aus Groß-Heilen- dorf in die Seidl’ſche Spinnerei nach Zautke und von dort am Abend auf das Ullrich’ſche Schloß nach Johrnsdorf, woſelbſt ein Diner ſtattfand, zu welchem zahlreiche Einladungen ergangen waren. Heute Früh halb 8 Uhr traf Se. Ex- cellenz von Johrnsdorf in unſerer feſtlich ge- ſchmückten Stadt ein, woſelbſt ihm in der Kirche das Aspergile gereicht wurde. Der Empfang war ein überaus warmer und herzlicher ſeitens der ganzen Bevölkerung. Hierauf fand die Vor- ſtellung der Geiſtlichkeit, der Behörden, der Abgeordneten — Robert Siegel, Bürgermeiſter v. Terſch — der Officiere, ſowie vieler Indu- ſtriellen, Großgrundbeſitzer und endlich der Vor- ſtände der Vereine ſtatt. Um 10 Uhr ſtattete Se. Excellenz mehrere Beſuche ab. Mit ſolchen wurden beehrt der Herr Bezirkshauptmann Boeſe, Herr Bürgermeiſter v. Terſch, der Landtagsabgeordnete Herr Robert Siegl. Sodann wurden die induſtriellen Etabliſ- ſements der Großinduſtriellen R. v. Oberleithner, Siegl, Trebitſch, die Aemter, Schulen und ſchließ- lich das Arbeitshaus inſpicirt. Soeben findet beim Herrn Bürgermeiſter ein Dejeuner zu Ehren Sr. Excellenz ſtatt. Heute Nachmittags begibt ſich der Statthalter zum Beſuche des Abgeordneten Grafen Zierotin nach Blauda und von da wieder nach Johrnsdorf. Abends findet ein officielles Diner in der Villa des Abg. Herrn Robert Siegl ſtatt, zu welchem die Spitzen der Behörden geladen ſind. Eine Serenade und ein Fackelzug bilden den Abſchluß der Empfangsfeierlichkeiten in unſe- rer Stadt, über deren Aufblühen und Entwick- lung der Statthalter ſich höchſt befriedigt äußerte. Wir machen unſere geehrten Leſer darauf aufmerkſam, daß die Ziehung der Kaiſer-Jubi- läums-Kirchenbau-Loſe mit dem Haupttreffer von 30.000 fl. ſchon Donnerſtag den 12. Sep- tember ſtattfindet. Telegraphiſcher Coursbericht. 5. September 1895. Rente, Papier 101.20 Oeſt. Kronenrente 101.60 Ung. Goldr. 4% 122.55 Ung. Kronenrente 99.80 Silberrente 101.60 1874. Wien.-Loſe 172.25 Ung. Präm.-Loſe 158.50 Theiß-Loſe 147.50 Anglo-öſtr. Bank 179.60 Wien. Bankverein 174.60 Credit-Actien 408.75 Ung. Cred-Act 488.25 Länderbank 291.60 Unionbank 355.— Nordbahn 3605.— Staatsbahn 410.87.5 Südbahn 112.25 Elbethal 293 75 Nordweſtb. lit. A 292.— Carl-Ludwigsb. —.— London 120 80 Napoleon 9.58 Reichsmark 59.07 Münz-Ducaten 5.74 Schluß-Courſe der Vormittags-Börſe, der Böhmiſchen Union-Bank, (Filiale Olmütz) vom 6. September 1895. Credit 407.⅝ Ung. Credit 498.¼ Staatsbahn 412.½ Lombarden 112.¼ Anglo 178.½ Länderbank 290.80 Mai-Rente 101.20 Ung. Kronen 99.55 Oeſt. Kronen 101.55 Prager Eiſen 748.— Rima 292.¼ Alpine 100.90 Werndl 368.— Türken-Loſe 78.40 Mark 59.10 Bankverein 174.— Dampfſchiff 563.— Böhm. Un.-Act. 141.50 Wr. Union 355.— Bodencredit 543.— _

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 06.09.1895, S. [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches204_1895/7>, abgerufen am 19.04.2024.